Keine Sanierung des Haushalts auf Kosten der Schwächsten

Stellungnahme der LAG Kinderarmut vom 29.06.2023

Der neue Senat macht wahr: Mit seinem Doppelhaushalt 2024/205, der bis Juli 2023 beschlossen werden soll, legt er ein herbes Austeritätsprogramm auf und streicht die Mittel für die Sozialausgaben der Bezirke zusammen. Dies trifft die Schwächsten der Gesellschaft, vor allem  Kinder und Jugendliche aus armutsgefährdeten Familien. Die Bezirksbürgermeister:innen haben den Regierenden Bürgermeister Wegener (CDU) angeschrieben und aufgefordert, diese Kürzungen zurückzunehmen. Das Bezirksamt Neukölln hat als erstes auf die Sparvorgaben aus der CDU-geführten Senatsverwaltung der Finanzen reagiert und sieht im Haushalt 2024/2025 unter anderem die folgenden Einschnitte in Sozialeinrichtungen für Kinder und Jugendliche vor:

  • Wachschutz an 12 Neuköllner Schulen entfällt
  • Tagesreinigung an den Neuköllner Schulen entfällt
  • Wasserspielplätze werden geschlossen
  • Kaputte Spielgeräte auf Spielplätzen werden nicht mehr erneuert
  • Schließung von drei Jugendfreizeit- bzw. Familieneinrichtungen
  • Jugendreisen für besonders betroffene Jugendliche werden nicht mehr finanziert

Bezirksbürgermeister Hickel (SPD) weist in seiner Pressemitteilung vom 28.6.2023 richtig darauf hin, dass die Finanzplanungen des Senats auf viele Jahre die soziale Infrastruktur in Neukölln zerstören werden.[1]

Was in Neukölln geplant ist, würde ähnlich auch in anderen Bezirken umgesetzt. Der  Sparhaushalt führte in Mitte bereits zu einer Haushaltssperre und in Friedrichshain-Kreuzberg drohen etwa massive Kürzungen in Jugendfreizeiteinrichtungen sowie die Schließung einer Einrichtung für Wohnungslose.

Dabei hat die Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut erst jüngst richtig folgendes festgestellt:

„Rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Berlin lebt in relativer Einkommensarmut. Diese Tatsache ist folgenschwer und hat für sie in allen Lebensbereichen Konsequenzen – ob es um Kleidung, Hobbys oder Ferien geht, um die Chancen auf einen guten Bildungsabschluss oder um ihre Gesundheit. Armut ist nicht auf materielle Fragen beschränkt. Sie wirkt sich auf die gesamte Entwicklung eines Kindes von der Geburt bis ins junge Erwachsenenalter aus.“[2]

Diese Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen sind seit Jahren bekannt. Der bis April 2023 bestehende Berliner Senat aus SPD, Grünen und Linken hatte daher vereinbart, Kinderarmut wirksam zu bekämpfen. Im Koalitionsvertrag hatten die Partner:innen folgendes geplant:

  • Die Koalition wird die Berliner Strategie zur Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut konsequent weiterverfolgen und ressortübergreifend verwirklichen. Die von der Koalition 2016 initiierte Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut wird ihre Arbeit unter Beteiligung der Öffentlichkeit fortsetzen, ausgestattet mit operativen Ressourcen. Im Einklang mit der Landeskommission sollen Stabsstellen zur Prävention von Kinderarmut in den Bezirken entstehen, für die in allen Bezirken insgesamt eine Millionen Euro vorgesehen sind.
  • Die Koalition baut die Familienförderung weiter aus. Die Familienzentren, die Familienerholung, die Angebote für queere Familien, die Stadtteilmütter sowie die aufsuchenden und medialen Angebote wollen wir stärken. Das Familienportal soll weiterentwickelt werden.
  • Die Familienservicebüros werden in den Bezirken für alle die Familie betreffenden Leistungen eingerichtet und ausgebaut. Die Koalition baut Angebote zur Unterstützung von alleinerziehenden Eltern ressortübergreifend aus. Die Corona-Pandemie zeigt, dass die psychosoziale Versorgung in Berlin verbessert werden muss. Die Angebote des Care- und Casemanagements werden gestärkt.
  • Die Berliner Jugendämter unterstützen und begleiten Kinder, Jugendliche und deren Familien. Sie sind Garanten des Kinderschutzes. Wir streben eine Stärkung der personellen Besetzung an.
  • Die Koalition stärkt die Rechte junger Menschen. Sie wird den gesetzlich festgelegten Anspruch auf Flächen und Räume durch Standardfestsetzung konkretisieren, in den Jugendförderplänen ausweisen und in der Infrastrukturplanung, auch im Rahmen von Mehrfachnutzungen, berücksichtigen. In städtebaulichen Verträgen soll die langfristige Sicherung sozialer Infrastruktur berücksichtigt werden. Um soziale Infrastruktur in den Bezirken zu sichern wird die Koalition prüfen, wie Bezirke als Bauträger gestärkt werden können. Die Koalition wird gemeinsam mit den Bezirken und den Trägern der Einrichtungen ein Konzept für Sanierung und Neubau von Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen entwickeln. Die Koalition setzt das Spielplatzsanierungsprogramm fort.[3]

Doch die SPD hat sich im April 2023 umentschieden. Trotz einer fortbestehenden Mehrheit für die Rot-Grün-Rote-Koalition nach der Widerholungswahl hat sie die bestehende progessive Mehrheit für Berlin aufgegeben und ist sie eine #Rückschrittskoalition mit der CDU eingegangen. Den Willen der Mehrzahl der Berliner:innen hat sie ignoriert. Alle Warnungen ihres Jugendverbandes hat sie in den Wind geschlagen.

Und nun erhalten die Schwächsten in der Stadtgesellschaft die Rechnung: Radwege, auf denen Schulkinder sicher zur Schule kommen können, werden nicht gebaut, Wohnungen in der Hand großer Immobilienkonzerne nicht kommunalisiert, obwohl damit allen ein sicheres Zuhause gegeben werden könnte, Jugendzentren und Spielplätze geschlossen, Schutz der Kinder und Jugendlichen in Schulen gestrichen.

Wir sagen: Es reicht! Es ist Zeit, dass die Basis der SPD sich besinnt und die #nogroko beendet, bevor sie noch mehr Schaden anrichten kann. Es ist genug für alle da, wir wehren uns gegen die Mehrung privaten Reichtums und Kürzungen im öffentlichen Bereich. Berlin verdient einen sozialen Senat, der allen Menschen und auch armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen ein gutes und sicheres Leben ermöglicht!

DIE LINKE. Berlin hat noch in Regierungsverantwortung entschieden, keinem Haushalt zuzustimmen, welcher Kürzungen der Finanzierung im Kinder-, Jugend- und Bildungsbereich auf Landesebene vorsieht und sich auch auf bezirklicher Ebene dafür einzusetzen, dass keine solche Kürzungen vorgenommen werden.[4] Daran halten wir uns auch in der Opposition!

Wir unterstützen den Protest des Bezirksverbandes DIE LINKE. Neukölln am 5. Juli 2023 um 17.00 Uhr vor dem Bezirksamt Neukölln.

Gegen diesen Senat und sein Verarmungsprogramm. Gegen eine Stadt, in der nur noch Reiche leben können. Austeritäts-Doppelhaushalt 2024/2025 verhindern!

LAG Kinderarmut der LINKEN, Juni 2023

 


[1]www.berlin.de/ba-neukoelln/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1339506.php

[2]www.berlin.de/sen/jugend/jugend-und-familienpolitik/kinder-und-familienarmut/

[3]www.tagesspiegel.de/berlin/downloads/koalitionsvertrag-zukunftshauptstadt-berlin

[4]dielinke.berlin/partei/parteitag/beschluesse-1/det/keine-kuerzung-im-kinder-jugend-und-bildungsbereich/