Kein Staatsvertrag mit der katholischen Kirche!

Erklärung der Landesarbeitsgemeinschaft Säkulare Linke bei DIE LINKE. Berlin

 

Die folgende Erklärung wurde an den Berliner LINKE-Landesvorstand und an die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus gesandt.

Am 21. Juni fasste der Berliner Senat seine Zustimmung zum Entwurf eines Staatsvertrags zwischen dem „Heiligen Stuhl“ und dem Land Berlin.[1] Der Vertrag soll u. a. das Studienangebot und die Berufung von Professorinnen und Professoren am Institut für Katholische Theologie der Humboldt-Universität betreffen. Nach Kenntnisnahme durch das Abgeordnetenhaus soll die Unterzeichnung durch die Regierende Bürgermeisterin und den apostolischen Nuntius erfolgen. So weit, so gut?

Dass dies alles andere als gut ist, zeigt das folgende Gedankenspiel: Man stelle sich einen Sportverein vor, der von einer fremden Regierung betrieben wird, die die UN-Menschenrechtserklärung nicht unterzeichnet hat. In dem Verein dürfen Frauen laut Satzung Frauen keine leitenden Positionen übernehmen. Die männlichen Mitarbeiter des Vereins verüben über Jahrzehnte in zahlreichen Ländern der Welt sexuellen Missbrauch an ihren Mitgliedern, vor allem an Minderjährigen. Der Verein schützt die Täter vor Strafverfolgung und versetzt sie zur Not einfach auf unauffällige Positionen. In Betrieben, die der Verein führt, werden für die Beschäftigten allgemeine Arbeits- und Persönlichkeitsrechte außer Kraft gesetzt. Wie sollte der deutsche Staat mit einem solchen Verein umgehen? Sollte er Verträge mit diesem Verein schließen, damit dieser Lehrstühle an Hochschulen bekommt, Kindergärten und Krankenhäuser betreiben darf? Sollte der Staat die Mitgliedsgelder für diesen Verein eintreiben, und ihm darüber hinaus jährlich hunderte Millionen Euro an Staatsleistungen in den Rachen werfen?

Kein vernünftiger Mensch würde wohl diese Fragen bejahen. Warum wird diese Sonderbehandlung dann der katholischen Kirche gewährt? Zumal diese Kirche für die deutsche Bevölkerung immer mehr an Relevanz verliert – 2021 traten bundesweit 360.000 Menschen aus der katholischen Kirche aus, der bei weitem höchste Jahreswert bisher. Mittlerweile sind nur noch 26 Prozent der Deutschen in der katholischen Kirche organisiert, der Anteil der beiden großen Kirchen an der Bevölkerung ist 2021 erstmals unter 50 Prozent gerückt.[2] In unserer Stadt liegt diese Zahl noch traditionell deutlich niedriger – nur 7,8 Prozent der Berlinerinnen und Berliner sind katholisch.[3] Warum also weiterhin Sonderregelungen für diese Kirche aufrechterhalten, damit diese sich über das Gesetz stellen kann?

Bereits in der Diskussion des LINKE-Programms zur Abgeordnetenhauswahl 2021 hatten wir als LAG Säkulare Linke uns mit der folgenden Empfehlung eingebracht: „Langfristige vertragliche Bindungen des Landes Berlin mit den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind wertvoll und müssen weiterhin eingegangen werden. Diese Bindungen sollte sich aber nicht mehr auf der Ebene der Gleichordnung bewegen, sollten einseitige Kündigungsmöglichkeiten vorsehen und zeitlich befristet sein. Als langfristiges Ziel streben wir deshalb eine Neugestaltung der Vertragsgrundlagen zwischen dem Land Berlin und den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften an. Staatskirchenverträge sind keine zeitgemäßen Instrumente zur Regelung des Verhältnisses von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und Kirchen. Berlin soll deshalb keine neuen Staatskirchenverträge abschließen. Die seit langem stockenden Gespräche hierzu mit der katholischen Kirche sind nicht fortzuführen.“ Leider konnten wir uns damit in der Partei nicht durchsetzen, und auch in der Koalitionsvereinbarung tauchte das Thema nicht auf. Nun ist es ausgerechnet ein rot-grün-rotes Regierungsbündnis, das Berlin als letztes Bundesland zu einem Staatsvertrag mit der katholischen Kirche verhilft und dem Ziel eines säkularen Staates einen Bärendienst erweist. So wird in dem Vertragstext z. B. bei Personalentscheidungen die Kirche rechtlich über das Land Berlin gestellt: Wird gegen eine Lehrkraft „wegen eines Verstoßes gegen die Lehre oder gegen die Erfordernisse eines Lebenswandels nach der Ordnung der Katholischen Kirche durch den Erzbischof von Berlin eine Beanstandung erhoben, so kann diese Lehrkraft keine Lehr - und Prüfungstätigkeit mehr in Katholischer Theologie ausüben“[4] - was haben solche Regelungen an einer öffentlichen Hochschule zu suchen?

Im Grundsatzprogramm der LINKEN, welches für uns die Grundlage unseres politischen Handelns darstellt, heißt es sehr richtig: „Laizismus bedeutet für uns die notwendige institutionelle Trennung von Staat und Kirche.“ In diesem Sinne sollte DIE LINKE sollte sich einer vertraglichen Sonderbehandlung der Kirchen klar entgegenstellen und für eine konsequente Trennung von Staat und Religion eintreten!

 

Kontakt:
lag.sael@dielinke.berlin
https://dielinke.berlin/partei/igag/lag-saekulare-linke/
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[1]www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1218846.php

[2]fowid.de/meldung/kirchenmitglieder-49-7-prozent

[3]download.statistik-berlin-brandenburg.de/b59486392f2d43ff/b5faad3d13a2/SB_A01-05-00_2021h02_BE.pdf

[4]www.parlament-berlin.de/adosservice/19/IIIPlen/vorgang/d19-0418.pdf