Starke Bezirke für ein starkes Berlin

Beschluss 1/3/1

Starke Bezirke für ein starkes Berlin

Das Ziel der LINKEN Berlin ist es, die Bezirke in ihrer Verantwortung und ihrer Leistungsfähigkeit zu stärken. Sie spielen die entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung der Bürgerkommune Berlin. Sie sind wegen ihrer Nähe zu Problemen und Entwicklungsmöglichkeiten ein entscheidender Faktor zur Politikentwicklung in der Einheitsgemeinde.

Es gilt, bessere Rahmenbedingungen für direkte Demokratie, bürgerschaftliche Mitwirkung, bürgernahe Dienstleistungen und nachhaltige Politik vor Ort zu schaffen. Unser Ziel ist es, die Bezirke zu stärken, um die Einheitsgemeinde Berlin zu stärken.

Die politische Handlungsfähigkeit der mit Großstädten vergleichbaren Bezirke muss aufrechterhalten und ausgebaut werden. Das heißt auch, dass die vom Land zugemessenen Globalsummen für bezirkliche Aufgaben und die eigenverantwortlich erzielbaren Einnahmen einen Handlungsspielraum für politische Entscheidungen und Schwerpunktsetzungen im Bezirk ermöglichen müssen. Bei allen Überlegungen zur Zukunft der Bezirke muss die Qualität der Aufgabenerfüllung für die Bürger/-innen Vorrang haben.

Deshalb ist es unerlässlich, politische Veränderungen zu erreichen bei der:

  • Stärkung der demokratischen Formen der Mitwirkung und Mitbestimmung,
  • Neugestaltung der Aufgabenzuordnung zwischen Land und Bezirken,
  • Verbesserung der personellen und finanziellen Ausstattung der Bezirke.

Die Durchsetzung dieser drei Forderungen soll entscheidend zu einer Stärkung der Bezirke und ihrer politischen Handlungs- und Entscheidungskompetenzen beitragen.

Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, die Rolle und das Gewicht von Bezirkspolitik in der Berliner Landespolitik auszubauen.

DIE LINKE unterstützt deshalb die Forderungen, die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) aufzuwerten und die Arbeit der BVV-Fraktionen durch eine bessere Personal- und Sachausstattung zu qualifizieren.

Zugleich soll die Rolle der Bezirksbürgermeisterin/ des Bezirksbürgermeisters durch die Ansiedlung zentraler Steuerungsaufgaben (Personal und Finanzen) in seinem Geschäftsbereich gestärkt werden.

Der Landesparteitag fordert deshalb die Fraktion im Abgeordnetenhaus auf, bei den Verhandlungen über eine Änderung der Verfassung von Berlin vorrangig über die notwendige Stärkung der Handlungs- und Entscheidungskompetenzen der Bezirke und deren angemessene personelle und finanzielle Ausstattung zu verhandeln. Nur auf dieser Grundlage ist die Einführung des politischen Bezirksamtes sinnvoll.

Eine politische Bezirksamtsbildung in einer Vollzugsverwaltung lehnt DIE LINKE ab.

Der Parteitag der LINKEN Berlin fordert deshalb: 
 

I. Stärkung der Demokratie in den Bezirken

Die Bezirke sind der wichtigste Ansatzpunkt für direkte Demokratie, für bürgerschaftliche Mitwirkung und Selbstorganisation – kurz für die Bürgerkommune. Deshalb ist es unser Ziel, die Möglichkeiten der direkten Demokratie auszuweiten und die Transparenz des Verwaltungshandelns zu verstärken.

Die LINKE Berlin fordert daher die Vorstände und Fraktionen auf Landesebene und in den Bezirken sowie die Mitglieder der Bezirksämter auf, ihre Arbeit an folgenden politischen Leitlinien auszurichten:

  • Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind wichtige Instrumente der Mitbestimmung. Die Initiatoren von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden haben somit Anspruch auf konstruktive Auseinandersetzung.
  • Bürgerfragen im Plenum der BVV sowie Bürgeranträge in den Ausschüssen der BVV sollen – soweit noch nicht geschehen – in den Geschäftsordnungen der BVV verankert werden. Weitere Beteiligungsmöglichkeiten bis hin zu handhabbaren Formen des Rederechtes von Bürgerinnen und Bürgern in der BVV sollen in den Bezirken entwickelt werden.
  • Weitere Beteiligungsformen wie stadtteilbezogene Bürgerforen und projektbezogene Werkstätten, in denen Betroffene und Verwaltung gemeinsam agieren, sollen auf Bezirksebene eingerichtet werden.
  • Kinder- und Jugendparlamente dienen der politischen Beteiligung von jungen Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie dem Erlernen der parlamentarischen Demokratie und der Entwicklung sozialer Kompetenz. Sie sollen bei ihrer Arbeit unterstützt werden.
  • Die Aufstellung von Bürgerhaushalten soll ausgeweitet werden.
  • Kommunikation zwischen Bürger/innen und Verwaltung/Politik – insbesondere als Grundlage unterschiedlicher Beteiligungsformen – setzt ausreichende Information voraus. Entscheidungs- und Verwaltungsprozesse müssen daher nachvollziehbar (transparent) und sprachlich verständlich, vor allem aber zugänglich sein.
  • Die Einführung eines kommunalen Wahlrechtes auch für Nicht-EU-BürgerInnen bleibt politisches Ziel der LINKEN Berlin.
  • Partizipationsmöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten sind weiterzuentwickeln, die bezirklichen Integrationsbeiräte gesetzlich zu verankern. Der kommunale Auftrag von bezirklichen Integrationsbeauftragten soll klar definiert werden.

Im Rahmen der finanziellen Zuweisungen an die Bezirke sind die erforderlichen Personal- und Sachmittel für die vorstehend aufgeführten Aufgaben zu berücksichtigen.
 

II. Neugestaltung der Aufgabenzuordnung zwischen Land und Bezirken

Obwohl die Berliner Bezirke keine selbstständigen Kommunen, sondern Teil der Verwaltung der Einheitsgemeinde sind, erbringen gerade sie im Wesentlichen die bürgernahen kommunalen Dienstleistungen.

DIE LINKE tritt für eine Stärkung der bezirklichen Selbstverwaltung ein – ohne die Notwendigkeit einer gesamtstädtischen Steuerung infrage zu stellen.Die Aufgabenabgrenzung zwischen den Senatsverwaltungen und den Bezirksverwaltungen sieht vor, dass es bezirkseigene Angelegenheiten gibt, die der Rechtsaufsicht und einem rechtlich klar begrenzten, fachlich begründeten Eingriffsrecht des Senats unterliegen. An diesem System will DIE LINKE grundsätzlich festhalten. Allerdings werden diese eindeutigen Regelungen zum Verhältnis zwischen Land und Bezirken immer wieder durch tatsächliches Verwaltungshandeln und unzureichende Instrumente infrage gestellt. Das führt zu Doppelarbeit und unnötiger Bürokratie mit der Gefahr von finanziellem Mehraufwand und mangelndem Service. Deshalb hält DIE LINKE es für erforderlich, die Aufgabenteilung zwischen Landes- und Bezirksebene weiter zu konkretisieren und wo es nötig und möglich ist, gesetzlich zu regeln.

Die LINKE Berlin tritt für eine deutliche Stärkung der politischen Gestaltungsmöglichkeiten der Bezirke und die Festschreibung folgender Grundsätze in der Landesverfassung bzw. in entsprechenden Gesetzen ein:

  • Dem Land und den Bezirken müssen jeweils klar definierte und voneinander abgegrenzte Aufgaben zugeteilt werden. Eine Präzisierung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) und ggf. des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) hält DIE LINKE für sinnvoll. Auf dieser Grundlage sollten dann auch die Zuständigkeitskataloge überarbeitet werden. Die Aufgabenverantwortung der Bezirke soll nicht mehr vermutet, sondern explizit geregelt werden. Deshalb soll die Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Bezirke durch einen eindeutigen Aufgabenkatalog ersetzt werden. Wer die Verantwortung für eine Aufgabe trägt, soll prinzipiell auch über sie entscheiden können.
  • Die Aufgabenverantwortung der Bezirke soll nicht mehr vermutet, sondern explizit geregelt werden. Zu diesem Zweck ist im Benehmen mit und zugunsten der Bezirke ein eindeutiger Aufgabenkatalog zu erstellen nach dem Grundsatz: wer die Verantwortung für eine Aufgabe trägt, hat auch die Entscheidungskompetenz
  • Doppel- und Mehrfachverantwortlichkeiten innerhalb eines Aufgabenbereichs sind grundsätzlich aufzuheben.
  • Bei der Übertragung von Aufgaben sind die erforderlichen finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen beim Aufgabenträger bereitzustellen. Dieses Konnexitätsprinzip ist in der Landesverfassung zu verankern.
  • Für die gesamtstädtische Steuerung sind die Instrumente der Rechtsaufsicht und der Fachaufsicht bezogen auf die nachgeordneten Landesbehörden und des Eingriffsrechts in bezirkliche Entscheidungen – eingeschränkt durch die oben genannten Grundsätze – angemessen und ausreichend.
  • Zustimmungen und/oder Genehmigungen für bezirkliche Entscheidungen durch den Senat sollen im Sinne eines einfacheren und transparenteren Verfahrens deutlich reduziert werden. Soweit sie bestehen bleiben und der Senat binnen einer festzuschreibenden Frist keine Eingriffsnotwendigkeit anzeigt, soll die Zustimmung/Genehmigung als erteilt gelten.
  • Die Aufsichtsbeziehungen zwischen dem Land und den Bezirken sollen so geregelt werden, dass Eingriffsmöglichkeiten und Zustimmungserfordernisse nur bestehen, wenn tatsächlich auch gesamtstädtische Aufgaben bzw. Anliegen berührt sind. Den Bezirken soll hier ein Einspruchsrecht zustehen. Im Falle des Einspruchs liegt die Entscheidung beim Abgeordnetenhaus von Berlin.
  • Es ist ein Konfliktmanagement bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen Land und Bezirk installieren. Zur Behandlung von Beschlussvorlagen aus dem Senat sind dem Abgeordnetenhaus die Stellungnahmen des Rates der Bürgermeister, sofern dieser befasst wurde, zuzuleiten. Kommt es zwischen Senat und Rat der Bürgermeister zu grundsätzlichen und nicht ausräumbaren Konflikten, sind die Argumente beider Seiten sowie die Abwägungsgründe dem gesamten Abgeordnetenhaus vor der Beschlussfassung zur Kenntnis zu geben. Im diesem Zusammenhang setzt sich DIE LINKE auch für ein Rederecht von Bezirksbürgermeisterinnen und –bürgermeistern im Abgeordnetenhaus ein. 
     

III. Verbesserung der personellen und finanziellen Ausstattung der Bezirke

Als Einheitsgemeinde und zugleich Stadt mit zwölf Bezirken werden in Berlin die Leistungen nach dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung erbracht. Die Finanzbeziehungen zwischen Berlin und seinen Bezirken müssen diesem Doppelcharakter gerecht werden und beide Aspekte widerspiegeln.

DIE LINKE tritt für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Bezirke ein. Dies bedeutet, dass die Zumessung der Globalsummen die sachgerechte Erfüllung der Aufgaben und Dienstleistungen sicherstellen muss, die die Bezirke gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erbringen und aufgrund gesetzlicher Aufgaben erbringen müssen.

Die Finanzzuweisung an die Bezirke muss von einem vorrangig finanztechnischen Verwaltungsvorgang zu einem transparenten politischen Gestaltungsprozess im Land Berlin unter Einbeziehung der Bezirke entwickelt werden.

Der mit der Erfüllung der Aufgaben und Dienstleistungen verbundene Finanzbedarf für die Bezirke wird wesentlich über die produktbasierte Budgetierung auf Basis der Daten der bezirklichen Kosten- und Leistungsrechnung bestimmt.

Bei der Neugestaltung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land Berlin und seinen Bezirken verfolgt DIE LINKE folgende Ziele:

  • eine auskömmliche finanzielle Ausstattung gemessen an den Aufgaben der Bezirke,
  • die Beibehaltung der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) unter der Voraussetzung, dass die Nivellierung nach unten über das derzeitige Mediansystem abgeschafft wird und stattdessen Standards für Leistungen der Bezirke gelten,
  • die Rückgewinnung bezirklicher Gestaltungsspielräume unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten,
  • Transparenz der Systematik der Finanzzuweisungen sowie
  • die Qualitätssicherung der Leistungsprozesse.

Das Abgeordnetenhaus ist vor Festsetzung des Bezirksplafonds durch den Senat einzubeziehen. Dem Abgeordnetenhaus ist dazu eine transparente Modellrechnung des Produktsummenbudgets vorzulegen, die den aufgabenbezogenen Finanzbedarf der Bezirke abbildet.

Daraus ergibt sich notwendigerweise eine Veränderung in den zeitlichen Abläufen zur Beratung der Bezirkshaushalte im Abgeordnetenhaus, in den Bezirksämtern und Bezirksverordnetenversammlungen.

A. Bildung der bezirklichen Globalsummen

Grundlage für die Bildung der Globalsummen der Bezirke sind die Ergebnisse der Kosten- und Leistungsrechnung.

Pauschale und systemfremde Eingriffe in die so ermittelten Budgets müssen abgeschafft werden.

Die Haushaltsrisiken für gesetzliche Sozialleistungen mit individuellem Rechtsanspruch sind durch das Land Berlin zu tragen. Dies umfasst auch die Hilfen zur Erziehung.

Sonderprogramme des Landes Berlin für bezirkliche Aufgaben sind in die bezirklichen Globalsummen zu überführen.

Neue Aufgaben bzw. höhere Anforderungen an die bezirkliche Aufgabenerfüllung sind durch entsprechende Aufstockung der bezirklichen Globalsummen auszugleichen.

Veränderungen in der bezirklichen Aufgabenerfüllung, wie z.B. Übertragung kommunaler Jugendfreizeiteinrichtungen an Freie Träger, sind dauerhaft finanziell und mengenmäßig nachhaltig abzusichern.

Die LINKE fordert die verbindliche Festlegung von quantitativen und qualitativen Standards für die kommunalen Aufgaben durch Beschluss des Abgeordnetenhauses. Der Prozess der Festlegung Standards soll mit den Aufgaben der soziokulturellen Infrastruktur begonnen werden.

Für die Liegenschaften des Landes und der Bezirke muss ein sachgerechter und einheitlicher Umgang mit den kalkulatorischen Gebäudekosten eingeführt werden. 

B. Altschulden

Die Stärkung der Eigenverantwortung der Bezirke erfordert wieder mehr Handlungsspielräume im Rahmen der Globalsummen. Deshalb sind rückwirkend die Jahresabschlüsse der Bezirke um die Sachverhalte zu bereinigen, die nicht durch die Bezirke selbst zu verantworten waren, insbesondere die Nichtabfederung der Transferleistungen seit dem Jahr 2002, die wesentlich zur Bildung von Defiziten beigetragen haben.

C. Personal

Die LINKE fordert das uneingeschränkte Recht für die Bezirke, selbst über die Einstellung von externem Personal nach einer angemessenen Frist der Prüfung des Personalüberhangangebotes des Zentralen Personalmanagements (ZeP) entscheiden zu können.

D. Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in Berlin

Auch für Berlin als Einheitsgemeinde und für die zwölf Bezirke gilt der Grundsatz, gleichwertige Lebensbedingungen herzustellen. Zur Sicherung dieses Verfassungsgrundsatzes müssen Standards bestimmt und auf Landesebene ein zusätzlicher Ausgleichsfonds geschaffen werden, der zur gezielten Förderung von Sozialräumen mit schwierigen sozialen Problemlage eingesetzt wird.

Das bisherige Wertausgleichsverfahren zwischen den Bezirken ist aufzugeben.

Auf der Ebene des Abgeordnetenhauses soll der Ausgleich für die einbezogenen Produkte in Form einer Festsetzung von politisch definierten Standards erfolgen, die für alle Bezirke verbindlich sind. Die Festsetzung soll in einem transparenten Verfahren unter Einbeziehung der Bezirke vorgenommen werden.

Die Verteilung der Mittel aus dem Landesausgleichsfonds an die Bezirke erfolgt auf Grundlage des Indikators »Sozialräumliche Entwicklungstendenz« und zur Verwendung in Form von sozialräumlichen bzw. stadtteilbezogenen Projekten. Die zugewiesenen Mittel werden Teil der bezirklichen Haushaltspläne. Bezirken, die die ihnen zugewiesenen zusätzlichen Mittel nicht zweckentsprechend einsetzen, werden diese wieder abgezogen.