Eine gute Schule für Berlin!

Beschluss 1 / 2 / 2

Eine gute Schule für Berlin!

 
A. Der Landesparteitag stellt fest:

 
1. Wir wollen eine »Schule für alle«

DIE LINKE Berlin bekräftigt ihr Ziel, das gegliederte Schulsystem aus Kaiserzeiten endlich zugunsten einer nicht auslesenden Gemeinschaftsschule für alle zu überwinden. Wir können es uns aus sozialen, demokratischen und demografischen Gründen nicht länger leisten, Kinder aus benachteiligten Milieus und viele Kinder mit Migrationshintergrund von guter Bildung fernzuhalten. Weder soziale Herkunft noch Migrationshintergrund dürfen eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung verhindern.

 
2. Pilotphase erfolgreich gestartet

Zu Beginn dieses Schuljahres haben 17 Schulen in elf Schulverbünden begonnen, sich zu Gemeinschaftsschulen zu entwickeln bzw. zusammenzuschließen. Damit geben wir uns nicht zufrieden. Nächstes Schuljahr werden weitere vier Gemeinschaftsschulen hinzukommen. An einigen Gemeinschaftsschulen übersteigt die Zahl der Anmeldungen die Anzahl der vorhandenen Plätze deutlich. Viele bildungsbewusste Eltern haben die Chance erkannt. Sie wollen, dass ihre Kinder gemeinsam in Gemeinschaftsschulen lernen können – von der ersten Klasse bis zum Abitur.
Wir wissen – ein Jahr ist für eine neue Schulform ein zu begrenzter Zeitabschnitt, der nur eine bedingte Evaluation der Erfolge zulässt. Dennoch halten wir diesen Einstieg für politisch bedeutsam und ermutigend.

 
3. Berlin diskutiert endlich über neue Schulstruktur!

DIE LINKE Berlin hat die Gemeinschaftsschule als Schule für alle zum Thema gemacht. Dadurch wurde die nach PISA aufgebaute Blockade durchbrochen und endlich auch über notwendige Veränderungen in der Schulstruktur geredet. Der Start der ersten Gemeinschaftsschulen hat die Diskussion in der Stadt um Chancengleichheit befördert. Zugleich gibt es mit ihnen erste praktisch erfahrbare Beispiele für gute Schulen. Die Gemeinschaftsschule ist dadurch bundesweit zum Markenzeichen linker Bildungspolitik geworden. Trotzdem ist es uns noch nicht gelungen die Gemeinschaftsschule als einzige Alternative zu einem mehrgliedrigen Schulsystem im Bewusstsein einer Mehrheit der Gesellschaft zu verankern.

 
4. Berlin braucht verbindliche Bildungsziele

Eine Schulstrukturreform ist kein Selbstzweck. Wir wollen eine Vereinbarung darüber erzielen, welche Ergebnisse die Berliner Schule erreichen soll. Für DIE LINKE sind drei Bildungsziele zentral. Aus diesen Bildungszielen ergeben sich notwendige Veränderungen für Inhalt und Struktur der Schule. Reformschritte müssen daraufhin geprüft werden, ob sie im Sinne der Bildungsziele wirken.

  1. Der Bildungserfolg darf nicht von der sozialen Herkunft abhängen
    DIE LINKE will die sozialen Disparitäten in der Berliner Schule abbauen. In 10 Jahren wollen wir schrittweise die Zahl der Abiturabschlüsse von Kindern aus bildungsfernen und einkommensschwachen Haushalten mindestens verdoppeln.
  2. Alle Schülerinnen und Schüler erwerben einen Schulabschluss
    DIE LINKE will, dass innerhalb der nächsten 10 Jahre alle Schülerinnen und Schüler einen Abschluss der allgemeinbildenden Schule erreichen. Als Zwischenschritt wollen wir in den nächsten fünf Jahren die Abbrecherquote halbieren.
  3. Deutlich mehr Schülerinnen und Schüler erreichen das Abitur
    Die OECD attestiert der Bundesrepublik einen drohenden Fachkräftemangel, bedingt durch zu niedrige Studienabschlussquoten. Auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung ist es notwendig, insgesamt deutlich mehr junge Menschen zum bestmöglichen Schulabschluss zu führen und ihnen ein Hochschulstudium zu ermöglichen.

Dazu will die Linke die Voraussetzung dafür schaffen, dass es mehr Schülerinnen und Schülern ermöglicht wird, ein Studium aufzunehmen. Dazu müssen über eine gezielte Förderung die schulischen Leistungen den Anforderungen des Abiturs angepasst werden.

DIE LINKE will schrittweise innerhalb der nächsten 10 Jahre die Abiturquote in Berlin auf zwei Drittel eines Altersjahrganges erhöhen und damit mehr Schülerinnen und Schülern ermöglichen, ein Studium aufzunehmen.

 
5. Bildungsziele durch gute Schulen erreichen!

Um diese Bildungsziele zu erreichen, brauchen wir einen Paradigmenwechsel. Gute Schulen sind für DIE LINKE Schulen,

  • die alle Schüler/innen mit ihren unterschiedlichen Ausgangslagen akzeptieren und individuell fördern, statt sie nach vermeintlicher Eignung und Leistungsfähigkeit auszulesen,
  • die Verschiedenheit als Reichtum verstehen und sie kreativ als Ressource zur Entwicklung sozialer Kompetenzen und für gemeinsames Lernen nutzen,
  • die das Lernen der Schüler/innen als aktiven und individuellen Prozess in den Mittelpunkt stellen und sich nicht auf ein überwiegend frontales Belehren beschränken,
  • in der die LehrerInnentätigkeit als Teamwork begriffen und umgesetzt wird,
  • die sich als Schulen verstehen, in denen Mit- und Selbstbestimmungsprozesse der SchülerInnen ermöglicht und unterstützt werden, um Demokratieverständnis in der Praxis zu lehren,
  • die in ihrem Kiez verankert sind und sich der Gesellschaft öffnen.

 
6. Die geplante Strukturreform kann Sackgasse oder Zwischenschritt zur Gemeinschaftsschule werden

Der Vorschlag des Senates für die Schulstrukturreform betrifft vor allem die Sekundarstufe I. Kern des Vorschlages ist, ab 2010/2011 anstelle der bisherigen Haupt-, Real- und Gesamtschulen nur noch eine Schulform neben den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen zu etablieren. Die neue Oberschule, die dort als Sekundarschule bezeichnet wird, soll zu allen Schulabschlüssen führen und ausnahmslos als gebundene Ganztagsschule eingerichtet werden. Das Abitur kann dort in 12 oder 13 Jahren erworben werden.

Dieser Vorschlag überwindet die Hauptschule, reduziert die Gliederung des Schulsystems und führt eine Reihe integrativer Elemente der Gemeinschaftsschule über die Pilotphase hinaus in der Fläche ein.

Dieser Weg birgt – da er die auslesende Gliederung des Schulsystems letztendlich nicht überwinden kann – die Gefahr in sich, in die Sackgasse der endgültigen Zweigliedrigkeit zu führen.

Er bietet aber auch die Chance, einen Schritt in Richtung einer »... nicht auslesenden Schule, wie es dem Ziel und dem Selbstverständnis der Berliner Gemeinschaftsschule entspricht« zu gehen, wie sie das Senats-Papier selbst vorgibt.
Inwieweit der Reformschritt diesem Ziel gerecht wird, hängt von den Bedingungen, seiner Ausgestaltung und seiner Einbettung in eine Perspektive zur Gemeinschaftsschule ab. DIE LINKE steht für die Schaffung neuer Restschulen nicht zur Verfügung, sondern befördert einen Prozess, der zu mehr Chancengleichheit und individuellem Lernen führt.
Deshalb stellt DIE LINKE folgende Anforderungen an die anstehende Schulreform:

 
B. Anforderungen der LINKEN an die Schulstrukturreform

 
1. Ziel bleibt die Gemeinschaftsschule als Schule für alle

Auch ein Zwischenschritt muss Richtung und Maß haben. Die anstehende Strukturreform muss sich, um nicht in der Sackgasse der Zweigliedrigkeit zu enden, am Ziel einer Gemeinschaftsschule orientieren. Und sie muss sich daran messen lassen, inwieweit sie einer Entwicklung hin zu einer nicht auslesenden Schule zuträglich ist.

 
2. »Pilotphase Gemeinschaftsschule« wird fortgesetzt und ausgeweitet

Die Pilotphase wird fortgesetzt und ausgeweitet. In ihr gehen Schulen den direkten Weg zur nicht auslesenden Schule und gewinnen Erfahrungen für ein ungegliedertes Schulsystem, in dem das individuelle Lernen im Mittelpunkt steht. Die Praxis des gemeinsamen Lernens von der ersten bis zur zehnten Klasse ohne Auslese nach der Grundschule, trägt dazu bei, Vorbehalte abzubauen. Die Erfahrungen der Pilotphase werden wissenschaftlich begleitet und ausgewertet und liefern so Erkenntnisse für die Entwicklung der Berliner Schule. Für die Ausweitung der Pilotphase sind folgende Punkte maßgeblich und in die Schulstrukturreform einzubringen:

  • Die Ausweitung der Pilotphase darf nicht an den Beschränkungen des bisher dafür vereinbarten Pilotfonds scheitern. Für die Fortführung und Ausweitung der Pilotphase sind die entsprechenden Haushaltsmittel in den Doppelhaushalt 2010/2011 einzustellen.
  • Jedem Kind, das es wünscht, muss der Zugang zur Gemeinschaftsschule ermöglicht werden. Der Bedarf an Plätzen ist an vielen Gemeinschaftsschulen größer als das vorhandene Angebot. Dieser Bedarf seitens der Schüler/innen und Eltern muss gedeckt werden, z.B. durch die Aufnahme weiterer Klassenzüge an bestehenden Standorten oder durch neue Gemeinschaftsschulgründungen.
  • DIE LINKE wird sich in den Bezirken dafür einsetzen, dass die Entwicklung von Gemeinschaftsschulen mit entsprechender Finanzierung Priorität bekommt.
  • Um weitere Grundschulen zu diesem Schritt zu ermutigen, setzt sich DIE LINKE dafür ein, die laufbahnrechtlichen Hindernisse für die Gründung und Entwicklung von Gemeinschaftsschulen zu beseitigen
  • DIE LINKE will Schulen ermutigen, sich angesichts der bevorstehenden Schulstrukturreform zu entscheiden, sich zu einer Gemeinschaftsschule mit Grundstufe zu entwickeln und sich nicht auf die Reform in der Sekundarstufe I zu beschränken.

 
3. Alle Schulen sollen sich integrativ entwickeln

Ziel der Schulreform muss die Qualitätssteigerung in allen Schulen sein. Deshalb sollen sich alle Schulen – nicht nur die Gemeinschaftsschulen und die neuen Oberschulen – integrativ entwickeln.

3.1. Auf den Anfang kommt es an – Grundschulen und Kitas stärken

Die Kita und die Grundschule sind Bildungseinrichtungen, die bereits nach dem Prinzip des gemeinsamen Lernens arbeiten. Auch wenn der Kern des anstehenden Reformschrittes die Sekundarstufe I betrifft, dürfen wir die Grundschulen und die Kitas nicht vernachlässigen, weil hier die Grundlagen für Bildungserfolg und Chancengleichheit gelegt werden.
DIE LINKE wird sich deshalb weiter dafür einsetzen, dass:

  • der Zugang zu den Bildungsangeboten der Kitas erleichtert und ihre Qualität durch eine bessere Ausstattung erhöht wird,
  • der Übergang zwischen Kitas und Grundschulen durch eine stärkere Zusammenarbeit erleichtert wird und dafür auf beiden Seiten die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen,
  • die Lern- und Arbeitsbedingungen in der Schulanfangsphase wesentlich verbessert werden,
  • alle Kinder in der Grundschule ein Recht auf Ganztagsförderung ohne Bedarfsprüfung auch in den Klassenstufen fünf und sechs erhalten,
  • keine Ganztagsangebote allein aus Kostengründen in freie Trägerschaft verlagert werden,
  • für Ganztagsangebote qualifiziertes Personal in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt wird,
  • die fünften und sechsten Klassen und die Schnellläuferzüge an Gymnasien auslaufen,
  • die Bildungsgangempfehlungen abgeschafft werden.

3.2. Anforderungen an die neue Oberschule

Im Zentrum der Strukturreform steht die neue Oberschule. Damit sie sich im Sinne der Ziele der Reform entwickeln kann, muss sie eine gleichwertige Alternative zum Gymnasium werden und integrativ arbeiten.

3.2.1. Die neuen Oberschulen und Gymnasium müssen gleichwertig sein

Die neuen Oberschulen dürfen sich ihrem Selbstverständnis und ihrer Aufgabenstellung nach nicht darauf beschränken, Schulen für diejenigen zu sein, die es nicht ans Gymnasium geschafft haben. Sie müssen Kinder aller Leistungsvoraussetzungen zu einem größtmöglichen Lernfortschritt führen. Sie müssen deshalb explizit den Anspruch haben, auch Spitzenleistungen zu fördern.

Gleichwertigkeit in diesem Sinne bedeutet:

  • Keine unterschiedlichen Vorgaben zur Anzahl der Klassenzüge
  • Gleiche Übergangsregelungen
  • Keine Schule existiert auf Kosten der anderen. Es gibt kein zwangsweises Abschulen mehr.
  • Beide Schulformen führen zu den gleichen Abschlüssen, einschließlich des direkten Weges zum Abitur, und bieten die entsprechenden Standards an.
  • Beide Schulformen führen alle Schüler/innen zum bestmöglichen Abschluss.

3.2.2. Die neue Oberschule muss eine integrativ arbeitende Schule sein

Die neue Oberschule soll eine nicht auslesende, eine integrative Schule sein, in der die Lernenden auch im Inneren nicht mehr in Bildungsgänge eingeteilt werden. Sie muss das Organisationsprinzip der verpflichtenden Aufteilung der Schüler/innen in nach Leistungsniveaus differenzierte Lerngruppen zugunsten von Binnendifferenzierung und individuellem Lernen überwinden. Das Sitzenbleiben wird abgeschafft, stattdessen wird auf individuelle Förderung gesetzt. Jahrgangswiederholungen sollen nur noch im Einzelfall und auf Grundlage einer Fördervereinbarung zwischen Schüler/innen, Eltern und Schule erfolgen.

3.3. Neue Anforderungen an das Gymnasium

Das Gymnasium muss sich weiterentwickeln. Es darf nicht mehr auf Kosten anderer Schulformen existieren. Das heißt, Schülerinnen und Schüler, mit denen das Gymnasium bisher nicht zurechtkommt, darf es nicht mehr gegen ihren Willen abschieben. Es muss sie am Gymnasium zu den bestmöglichen Lernfortschritten und Abschlüssen führen und so seinen Beitrag dazu leisten, die Bildungsziele zu erreichen.

 
4. Übergang in die Sekundarstufe I neu regeln

Im Zuge der stufenweisen Überwindung des gegliederten Schulsystems, muss der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I neu geregelt werden. Dabei geht es nicht vorrangig um eine Zugangsregelung für die Gymnasien, sondern in erster Linie um eine Regelung für alle Schulen der Sekundarstufe I, an denen die Nachfrage auf Grund des Elternwillens die Zahl der vorhandenen Plätze übersteigt. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass jede Schule einen Beitrag zum Abbau der sozialen Disparitäten leistet.

Die Regelungen für den Übergang von der Grundschule in die Schulen der Sekundarstufe müssen sich daran messen lassen, ob und inwieweit sie einer sozialen Segregation entgegenwirken und der Gleichwertigkeit beider Schulformen in der Sekundarstufe Rechnung tragen.

In jedem Fall soll der gemeinsame Übergang von Lerngruppen aus der Grundschule in die Schulen der Sekundarstufe auf Elternwunsch ermöglicht werden.

 
5. Inklusion und Integration weiter vorantreiben

Eine Schulreform, die sich am Ziel der nicht auslesenden Schule orientiert, muss die Inklusion und Integration auch in Bezug auf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf verwirklichen. Die notwendige Überwindung der Hauptschule darf nicht zu einem Abschieben von Schülerinnen und Schüler insbesondere an die Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt »Lernen« führen.

Mittelfristig setzt sich DIE LINKE für die Integration aller Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen ein. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende personelle, bauliche, infrastrukturelle und finanzielle Ausstattung der Regelschulen, die sicherstellt, dass Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch in den Regelschulen entsprechend ihren Bedürfnissen gefördert werden.

Die Mittel aus den Sonderschulen müssen sukzessive in den gemeinsamen Unterricht überführt werden.

Der Vorrang des gemeinsamen Unterrichts muss an allen Schulen – auch am Gymnasium – umgesetzt werden. Das erfordert auch dort eine entsprechende Ausstattung. Die Deckelung der dafür zu Verfügung stehenden Ressourcen muss aufgehoben werden. Im Rahmen der baulichen Investitionen ist darauf zu achten, dass auch die Schulen barrierefrei gestaltet werden.

 
6. Praktisches Lernen für alle

Praktisches Lernen ist ein wichtiger Bestandteil eines ganzheitlichen Bildungsangebots. Deshalb soll das duale Lernen nicht nur an der neuen Oberschule, sondern in allen Schulen seinen Platz haben und allen Schüler/innen offenstehen. Es darf nicht als abschlussbezogenes Lernangebot für ehemalige HauptschülerInnen behandelt werden. Großer Anstrengung bedarf das Bereitstellen einer entsprechenden Anzahl geeigneter Schülerarbeitsplätze.

 
7. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen.

Wenn über die Ausstattung von Schule diskutiert wird, sind »Klassenfrequenzen«, »Zügigkeit« und »Unterrichtsstunden« zentrale Begriffe. Organisatorischer Rahmen für erfolgreiches Lernen sind allerdings nicht zwingend der Klassenverband, der Jahrgang oder die 45minütige Unterrichtsstunde. Entscheidend ist vielmehr, dass die Schulen eine gute Ausstattung erhalten, mit der sie eigenverantwortlich und flexibel das Lernen gestalten können. Die folgenden Aussagen zu Frequenzen und Zügigkeit sollen daher lediglich der Berechnung der Ausstattung dienen. Die Bewertung der Arbeitsbelastung muss neuen Erfordernissen Rechnung tragen.

7.1. Keine unterfinanzierte Schulreform, sondern verlässliche Voraussetzungen

DIE LINKE steht nicht für Schulreformen zur Verfügung, die nicht vernünftig finanziert sind. In der Vergangenheit haben viele sinnvolle Bildungsreformen daran gekrankt, dass sie unterfinanziert waren. Das hat innerhalb der Kollegien und bei Schülerinnen und Schülern wie Eltern zu Recht zu Protesten geführt und ist auch ein Grund für die Reformverdrossenheit an vielen Schulen. Die bevorstehende Schulstrukturreform braucht deshalb verlässliche Voraussetzungen. Das gilt sowohl für die künftige Ausstattung der Schulen als auch den Prozess der Errichtung der neuen Oberschulen.

  • Die Schulleitungen und das pädagogische Personal müssen an der Gestaltung und Umsetzung der Reform beteiligt und dabei unterstützt werden. Sie brauchen daher schulbezogene Fortbildungsprogramme insbesondere für das Lernen in heterogenen Gruppen, Hilfe und Coaching bei der Entwicklung der Schulen und Hilfe für selbstorganisiertes und freies Lernen.
  • Eine starre Vierzügigkeitsvorgabe für die neuen Oberschulen ist nicht sachgerecht. Bei einem entsprechenden pädagogischen Konzept muss mit der Schulgröße flexibel umgegangen werden.
  • Ein Musterraumprogramm für die neuen Oberschulen muss entsprechend den pädagogischen Anforderungen den Raumbedarf definieren. Es muss insbesondere die räumlichen Bedingungen für den Ganztagsbetrieb, für die Arbeit in kleinen Gruppen und Arbeitsmöglichkeiten für das pädagogische Personal schaffen.

Das System der Bezirkszuweisungen für die Schulträgerfunktion muss die Reform unterstützen. Es muss für den Übergangszeitraum der Umsetzung der Reform das parallele Auslaufen und die Neugründung an verschiedenen Standorten finanziell gesichert werden.

7.2. Zusätzliche Aufgaben brauchen zusätzliche Mittel.

Die Ausstattung der neuen Oberschulen soll zum einen der der bisherigen Gesamtschulen entsprechen und zum anderen sollen sie darüber hinaus für zusätzliche Aufgaben auch zusätzliche Mittel erhalten. Dies gilt für die Angebote praktischen Lernens ebenso wie für den Wegfall des Sitzenbleibens. Die Ausweitung des Ganztagsangebotes muss mit einer entsprechenden zusätzlichen Ausstattung mit Lehrer/innen, Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen einhergehen.

Durch den Wegfall der äußeren Differenzierung können frei werdende Ressourcen zur Senkung der Klassenfrequenzen eingesetzt werden. Auf dieser Grundlage streben wir eine Frequenz von 25 Schüler/innen je Klasse an. Für die integrative Bildung und Betreuung von Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen an den neuen Oberschulen Sonderpädagogen/innen tätig sein.
Dieser kindbezogene Mehrbedarf muss auch für die Arbeit mit dem Kind zum Einsatz kommen.

7.3. Unterschiedliche Voraussetzungen unterschiedlich behandeln.

Darüber hinaus fordert DIE LINKE, die Sach- und Personal-Ausstattung von der sozialen Lage und dem daraus erwachsenden Förderbedarf der Schüler/innen abhängig zu machen.

  
8. Lehrer/innen-Ausbildung auf die neuen Erfordernisse der Berliner Schule ausrichten

Sowohl der weitere Ausbau der Pilotphase Gemeinschaftsschule als auch die Weiterentwicklung der Schulstruktur, insbesondere in der Sekundarstufe, erfordern Veränderungen in der Lehrer/innen - Ausbildung, die über die bisherigen Reformen hinausgehen. Dazu gehören

  • die Befähigung künftiger Lehrerinnen und Lehrer zum Umgang mit der Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler, zum Lehren und Lernen in heterogenen Schülergruppen und zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Herkunftssprachen,
  • der Übergang zu einer einheitlichen Lehrer/innen - Ausbildung mit einem 4-semestrigen Masterstudium für alle Lehramtsstudiengänge,
  • die deutliche Erhöhung des Praxisbezugs und der Berufswissenschaften sowie der Praxisanteile im Studium insgesamt und insbesondere in der Bachelorphase.

8.1. Personalmangel entgegenwirken

Angesichts des bundesweiten Lehrermangels und der bundesweit zu geringen Ausbildungszahlen soll sich Berlin dafür einsetzen, dass eine ruinöse Abwerbungspraxis verhindert wird. Das ist nicht durch das Engagement einzelner Bundesländer zu lösen. Durch gemeinsame Regelungen von Bund und Ländern muss sichergestellt werden, dass bundesweit ausreichend Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden und für überdurchschnittliche Ausbildungsleistungen einzelner Länder ein finanzieller Ausgleich stattfindet. Gleichzeitig muss in Berlin die Kapazität der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, aber auch von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Erzieherinnen und Erziehern dem Berliner Bedarf entsprechen. Die Anhebung der Einstiegsgehälter für Lehrerinnen und Lehrer muss umgesetzt und tariflich abgesichert werden. Punktuelle Verbesserungen für eine begrenzte Beschäftigtengruppe beseitigen die Ursache für den vorhandenen Lehrermangel nicht auf Dauer.

Ein Grund für den Mangel an Lehrkräften ist der Weggang von Lehrerinnen und Lehrern aus Berlin in andere Bundesländer aus tariflichen Gründen. Auch deshalb setzt sich DIE LINKE für den Wiedereintritt Berlins in den Tarifverbund der Länder und Kommunen ein.

 
C. Nächster Schritt zur »Schule für alle«

Die Schulreform kann unter den zuvor benannten Bedingungen ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur »Schule für alle« sein. Weitere Schritte sind notwendig und dürfen durch die Schulstrukturreform ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden. Nurso bleibt das Ziel der flächendeckenden Gemeinschaftsschule erreichbar.

DIE LINKE schlägt daher für die nächste Wahlperiode die schrittweise Zusammenführung der Grundschulen mit den neuen Oberschulen vor. Dadurch würde das längere gemeinsame Lernen von der ersten bis zur zehnten Klasse – ohne Zäsur nach der Grundschule – zum Regelfall werden.

 
D. Schule gemeinsam verändern

Veränderung in der Schule ist nötig, aber wir wissen, dass Lernen eine lebenslange Aufgabe ist und nicht nur in der Schule stattfindet. Wenn in diesem Antrag frühkindliche und vorschulische Bildung, Jugendhilfe, Berufliche Bildung, Studium, Weiterbildung kaum erwähnt sind, heißt das nicht, dass wir diese Felder für unwichtig hielten oder dort nichts zu verändern wäre. Es ist lediglich der begrenzten Themenstellung dieses Antrages geschuldet.

Dieser Schritt der Schulstrukturreform wird umfangreiche Veränderungen notwendig machen. Gerade weil sie für uns nur ein Zwischenschritt ist und wir weitere Veränderungen wollen, drängt DIE LINKE auf einen partizipativen Reformprozess. Wir wollen, dass sich gerade die Betroffenen einbringen können. Sie sind es, die die Bedingungen vor Ort kennen. Deshalb kann die Reform nur mit ihnen gelingen.

Wenn wir erreichen wollen, dass die Schulreform nicht im Zwischenschritt stecken bleibt, müssen wir die gesellschaftliche Unterstützung für die Idee der Gemeinschaftsschule verbreitern. Wir werden mit unseren Bündnispartnern weiter eng zusammen arbeiten und neue gewinnen.

Beim Ringen um die Gemeinschaftsschule geht es nicht nur einfach um einen Punkt in einem Wahlprogramm. Sondern wir führen eine gesellschaftliche Auseinandersetzung um Chancengleichheit in der Bildung und damit um Gerechtigkeit und Emanzipation. Wir werden darin nur erfolgreich sein, wenn wir sie gemeinsam bestreiten.