Bundeswehr an den Schulen

2. Parteitag, 4. Tagung

Rede von Stefan Liebich


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort. ]

Liebe GenossInnen,
Zuviel Menschen sterben täglich im Krieg in Afghanistan. Jeder und jede Tote, ob Soldat aus D. oder A., jedes zivile Opfer zeigen, dass die militärisch dominierte Strategie für das Land gescheitert ist.
Erst diese Woche wieder hat Gregor Gysi im Bundestag in einer Erwiderung auf die Regierungserklärung der Kanzlerin deutlich gemacht, dass wir den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan für falsch halten.

Wir dürfen nicht zulassen, dass hier in D. eine Gewöhnung an das Militärische eintritt. Dass die Bundeswehr, auch an Berliner Schulen versucht, für ihr Tun zu werben, als sei es eine allgemeine Information zur Verkehrspolitik mit ein paar guten Ausbildungsplätzen, nehmen wir nicht unwidersprochen hin. Militärpolitik ist so nicht nur ein Thema der Bundesebene, sondern wird ganz konkret im Land und in den Bezirken. Das Auftreten der Bundeswehr mit Jugendoffizieren in Schulen ist ein Punkt für politische Auseinandersetzungen. Sebastian Schlüsselburg ist mit der SchülerInnenvertretung an dem Thema dran und engagiert sich bei Protesten vor Schulen.
Und DIE LINKE in Pankow und in Lichtenberg haben Initiativen in den BVVn gestartet.

Es gäbe ohnehin historisch und aktuell genug Grund, den Auftrag und Einsatz von Militär zu hinterfragen.
Ganz besonders muss dies jedoch für Bildungseinrichtungen gelten. Deshalb sind wir LINKE da so empfindlich.
Ich war im Wehrlager, hatte Wehrkundeunterricht und beim Abitur obendrein noch den Leistungskurs Militärpolitik.
Zu Recht wurde diese Vermischung von NVA und Schule in der DDR kritisiert. So etwas wollen wir nicht mehr!
Wer darf wie an Schulen im Unterricht über sicherheitspolitische Fragen referieren? Wie kann hier Ausgewogenheit erreicht werden? Das sind politische Streitfragen, aber auch verfassungsrechtliche, mit Blick auf Neutralität, Erziehungsauftrag und Schulpflicht.

Deshalb habe ich beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nachgefragt.
Dessen Antwort lässt vier Aussagen zu:
Erstens ist eine Information durch die Bundeswehr an Schulen grundsätzlich leider zulässig. Der staatliche Erziehungsauftrag greift hier und ist - bei Beachtung der Neutralität und Toleranz gegenüber Eltern - hinzunehmen.
Zweitens gilt leider auch die Schulpflicht und damit Teilnahmepflicht für SchülerInnen  uneingeschränkt, wenn die Veranstaltung Teil des Lehrplanes ist.
Das sind die politisch für uns nicht so erfreulichen, aber erwartbaren Antworten.
Drittens wird darauf verwiesen, dass die Leitung der Veranstaltung unbedingt in der Hand der Schule liegen muss und diese mit Blick auf die Neutralität für eine Ausgewogenheit der Informationen sorgen muss. Das ist eine große Herausforderung für die Schulen, aber auch für die Eltern, ihre Vertretungen und die Schülervertretungen.
Viertens kann man in Abstufungen sagen, dass je umstrittener ein Thema in der Öffentlichkeit ist, umso stärker auf die ausgewogene Darstellung zu achten ist.
D.h. wenn über Karrierewege informiert wird, muss auch die berufliche Vielfalt jenseits der Bundeswehr aufgezeigt werden. Soldat ist kein beruf wie jeder andere. Man kann getötet werden oder muss töten.

Wenn über Auslandseinsätze der Bundeswehr gesprochen wird, dann muss die Schule ausgewogene Sichtweisen vermitteln.
Wenn über Wehrpflicht informiert wird, sollte auch der Zivildienst erwähnt werden.
Praktisch kann ich mir das so vorstellen, dass man Podiumsdiskussionen mit verschiedenen Akteuren organisiert und dann neben dem Jugendoffizier Vertreter von NGO (wie der Kampagne gegen Wehrpflicht, ai oder Human Rights Watch oder Arbeitsstelle für Frieden und Abrüstung oder Stiftungen etc.) auftreten.
Politisch wünsche ich mir natürlich auch eine weitere kritische Begleitung oder auch zivilen Ungehorsam von SchülerInnen. Ich hielte es für gut, wenn die Schulen einen bewusste Entscheidung zur Nichtteilnahme an solchen Informationsveranstaltungen tolerieren würden.
Es bleibt wichtig, das Thema Bundeswehr an den Schulen weiter zu thematisieren. Unser Dank gilt daher den protestierenden Schülerinnen und Schülern. DIE LINKE ist an Eurer Seite!