Weder Bremsmatte noch Schutzschild für eine autoberuhigte Innenstadt

2. Parteitag, 4. Tagung

Rede von Philipp Wohlfeil


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort. ]

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich finde es nicht nachvollziehbar, wenn wir erklären zwischen Marzahn und der A 113 da haben wir aber ein »Anbindungsproblem«, da müssen wir mal, obwohl wir das grundsätzlich für falsch halten, in den sauren Apfel beißen und eine Straße bauen. Und gleichzeitig stellen wir in dem Antrag fest, dass der Ist-Zustand der Organisation des motorisierten Individualverkehrs im Treptower Norden okay ist und das unbestrittene Mehr an Verkehr, das mit der Eröffnung von BBI einhergehen wird, auch noch verträgt.

Hier hat die Senatsverwaltung schlicht und ergreifend Recht, wenn sie darlegt, dass in diesem Bereich eine übergeordnete Straße als Verbindung zwischen Ost- und Westberliner Hauptstraßennetz bzw. City Ost und dem Nordosten der Stadt einerseits und A100 und A113 andererseits fehlt. Diese Einschätzung wird durch einen nüchternen Blick auf den Stadtplan erhärtet. Leider führt dies nicht dazu, dass der Autoverkehr nicht stattfindet, sondern er fließt durch Wohngebiete in Plänterwald und Baumschulenweg. Selbst wenn es funktionieren würde, können wir den Menschen, die dort stadtökologisch korrekt in Mehrfamilienhäusern untergebracht sind, nicht zumuten, Bremsmatte und Schutzschild für eine autoberuhigte Innenstadt zu sein.

Mit der Realisierung des 16. Bauabschnitts der A100 würde in Baumschulenweg und Plänterwald ein Entlastungseffekt eintreten. Dies einfach zu bestreiten, wie es im Antrag steht, ist Realitätsverweigerung zulasten der Menschen, die dort wohnen.
Unstreitig ist aber, dass eine Autobahnverlängerung auch für den Mikrokosmos Treptower Norden nicht nur Vorteile mit sich bringt. Und deshalb ist es auch aus bezirklicher Sicht eine Abwägungsfrage, der sich Befürworterinnen und Befürworter und Gegnerinnen und Gegner gestellt haben. Für den 16. Bauabschnitt müssen Wohnhäuser weichen, der 17. würde den westlichen Eingangsbereich des S-Bahnhofes Treptower Park unter einer Autobahnbrücke begraben. Wie schön das alles werden soll, kann man sich in Westberlin entlang der A100 und der A103 angucken. Nach meinem Dafürhalten sind der Eingriff in das Stadtbild und die Belastungen durch eine Autobahn durch Alt-Treptow so massiv und störend, dass ich diese Lösung nicht als das kleinere, gerade so hinzunehmende Übel ansehen kann.

Der Kompromiss liegt auf der Hand: Eine abgespeckte Variante, eine vierspurige Stadtstraße, die geringere Lärm- und Schadstoffemissionen mit sich bringt, die weniger Fläche verbraucht, die in der Bilanz vielmehr Menschen entlastet als andere zu belasten, ohne deshalb den Verkehr ungebremst nach Friedrichshain-Kreuzberg zu führen und einen Autobahnringschluss Stück für Stück unabwendbar zu machen. Letztlich würde ein Ringschluss praktisch auch durch künftige Senate verunmöglicht.

Auch wenn die Kosten für die öffentliche Hand sehr viel niedriger wären, ist der Haken an diesem Kompromiss, dass bei Straßen innerhalb der Stadt, die keine Autobahnen sind, das Land der Baulastträger ist und somit die Finanzierung komplett oder wenigstens überwiegend an Berlin hängen bliebe.
Allerdings trifft das gleichermaßen auf die Straße durch die Wuhlheide, die vom Landesvorstand gewollt ist, und die von anderen angestrebte Verlängerung der Südostverbindung bis zur A113  zu.
So oder so – der Verkehr muss zumutbar und stadtverträglich organisiert werden. Keine Variante ist zum Nulltarif zu haben.

Es ist schon richtig, Verkehrspolitik ist auch Sozialpolitik. So wie der Verkehr dem Antrag A1 folgend geführt werden soll, würden durch die angestrebte Mini-TVO überwiegend Einfamilienhauseigentümerinnen und -eigentümer in Biesdorf entlastet, während die Belastungen für sehr viel mehr Mieterinnen und Mieter in der Großsiedelung entlang der Märkischen Allee in Marzahn und durch eine fehlende Anbindung zwischen B 96a und Autobahn in Baumschulenweg und Plänterwald zunehmen würden. Da freut sich bestimmt der VDGN, sozial-ökologisch sinnvoll ist das aber eher nicht.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu den Anträgen aus Treptow-Köpenick, finanzielle Anreize zur Nutzung des ÖPNV vom und zum Flughafen zu schaffen, die Straße durch die Wuhlheide abzulehnen und zu dem Antrag von Johann Eberlein, Peter Leiß, Tino Oestreich und mir, statt dem 16. Bauabschnitt der A100 eine Stadtstraße im Treptower Norden nach Neukölln zu errichten.