Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer

Resolution

 

 

Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer – Neofaschismus und Rassismus bekämpfen

Wir trauern um Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kiliç, Yunus Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michéle Kiesewetter.

Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer der neofaschistischen Morde, und wir bedauern es zutiefst, dass sie erst jetzt Gewissheit bekommen, wer ihre Angehörigen ermordet hat.

Die Mordserie durch die neofaschistische Terrorzelle NSU hat zu einem großen Polizei- und Geheimdienstskandal geführt. Nach dem, was jetzt öffentlich bekannt ist, hat es schon zu Beginn der Morde eindeutige Hinweise ins rechtsextreme Milieu und auf die Tätergruppe gegeben. Führende Polizei- und Verfassungsschutzbeamte haben jedoch angewiesen, diese Spuren nicht weiter zu verfolgen. Sie gingen von der rassistischen Hypothese aus, dass die Morde an den Händlern mafiöse, in migrantischen Milieus wurzelnde Hintergründe haben müssten.

Wir verlangen eine lückenlose Aufklärung, welche Beamten wann an welcher Stelle vorhandene Spuren der NSU ignoriert und für Desinformation der Öffentlichkeit, vor allem der Angehörigen der Opfer gesorgt haben. Wir verlangen lückenlose Aufklärung, was die Sicherheits- und Justizbehörden wussten und was sie ignorierten. Wir lehnen alle Forderungen nach mehr Befugnissen für Polizei und Geheimdienste – wie die Einführung einer Zentraldatei für neofaschistische Terroristen, eines »Abwehrzentrums Rechts« und die Vorratsdatenspeicherung – ab. Wir haben keinen Mangel an technischen Möglichkeiten und Behörden, sondern offenkundig einen Mangel an demokratischem Bewusstsein in den Sicherheitsbehörden. Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft und damit auch aus der Mitte der Institutionen. Den müssen und werden wir weiter bekämpfen. Unser Gedenken gilt allen Opfern rassistischer und rechtsextremer Gewalt, die in den vergangenen Jahren zu Tode oder zu Schaden kamen.

Wir fordern die Abschaltung aller V-Leute der Verfassungsschutzbehörden aus der NPD, den Kameradschaften und dem gesamten rechtsextremen Milieu. Die V-Leute sorgen nicht für mehr Information der Sicherheitsbehörden. Im Gegenteil: Vor allem die Verfassungsschutzbehörden finanzieren über die V-Leute zumindest indirekt den Aufbau neofaschistischer Strukturen mit, weil sie die V-Leute bezahlen.

Die Verfassungsschutzbehörden dienen nicht der Aufklärung rechtsextremer Aktivitäten, ihre V-Leute sind oftmals Beteiligte. Wir bekräftigen unsere Forderung, die verfassungsfeindliche NPD zu verbieten und die Geheimdienste aufzulösen. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Berliner Antifaschistische Pressearchiv, die Opferberatungsstelle »reach out« oder das mobile Beratungsteam »mbr« tragen weit mehr zur öffentlichen Aufklärung rechtsextremer Umtriebe und Gewalt bei als irgendeine Verfassungsschutzbehörde.

Wir fordern die Stärkung solcher zivilgesellschaftlicher Projekte und Organisationen gegen Neofaschismus und rechtsextreme Gewalt. Wir fordern die Bundesregierung auf, den Ansatz für die Projektfinanzierung zu erhöhen und den Zwang zur Kofinanzierung zu streichen. Denn der führt dazu, dass viele Projekte die Mittel für ihre zwingend notwendige Arbeit nicht beantragen können. Darüber hinaus ist die sogenannte Extremismusklausel zu streichen. Sie behindert nicht nur die Projekte, sie fußt auf dem Zwang zur Gesinnunsschnüffelei und verhindert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Wir fordern den neuen Senat von Berlin auf, das Landesprogramm gegen »Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus« nicht nur fortzuführen, sondern weiter zu entwickeln. Dazu gehört auch die finanzielle Absicherung der Strukturprojekte wie die Opferberatung und die mobilen Beratungsteams und die Weiterführung des Aktionsprogramms gegen Rassismus. Die Anwendung der sogenannten Extremismusklausel darf es auch in Zukunft in Berlin nicht geben. Wer die Demokratie gegen rassistische und neofaschistische Gewalt stärken will, muss die demokratische Zivilgesellschaft stärken und nicht unter Verdacht stellen. Wir sehen uns in der Verantwortung, jeder Form von Rassismus und Neofaschismus entgegenzutreten und uns aktiv an Protestaktionen dagegen zu beteiligen.