Ziele, für die wir gewählt worden sind, auch umsetzen wollen

ParteitagLVVGesine Lötzsch

Rede Gesine Lötzsch


[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich komme gerade aus Nordrhein-Westfalen, und unsere Genossen dort sind ja in einer ähnlichen Situation, in der wir vor einigen Jahren waren. Da hat eine rot-grüne Landesregierung – in diesem Fall – mit Unterstützung der LINKEN einen Haushalt ausgearbeitet, der Sozialkürzungen vermeiden sollte, und die Reaktion war, dass CDU und FDP gegen diesen Haushalt geklagt haben. Wir kennen diese Situation, wir haben uns damals in Berlin aktiv dagegengestellt, wir haben diesen Unsinn, auf den Senat zu schimpfen, was er alles nicht  tut, und auf der anderen Seite zu erklären, jetzt müsse aber gespart und gekürzt werden, erfolgreich die Stirn geboten, und darum bitte ich euch auch, liebe Genossinnen und Genossen in Berlin, unterstützt unsere Genossinnen und Genossen in Nordrhein-Westfalen und sagt ihnen, dass man sich diesem Unsinn auch entgegenstellen kann.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich möchte natürlich die Gelegenheit nutzen, einige Themen der Bundespolitik aufzugreifen.

Wir sind ja gestern mit der Tatsache konfrontiert worden, dass sich die Bundesregierung nun doch eine Teilnahme am Krieg gegen Libyen vorstellen kann.
Es ist in fast jedem Krieg das gleiche Muster: Erst werden aus angeblich humanitären Gründen Flugverbotszonen eingerichtet, was nichts anderes heißt als Bombardierung und Tod von Zivilisten, und danach kommen dann die Bodentruppen, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Kriegspropaganda ist so verlogen wie immer.

Wir als LINKE sagen ganz klar: Mit Krieg kann man keine Probleme lösen. Und wenn Herr Westerwelle meint, er müsse nun eine 180-Grad-Wende vollziehen, dann ist das auch ein Ausdruck des Autoritätsverfalls des Außenministers. Ich hatte eigentlich gedacht, Parteivorsitzender und Außenminister – das muss nicht in einer Hand sein, aber wenn man die politische Autorität so verliert wie Herr Westerwelle, dann sollte man auch nicht mehr Außenminister sein.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wahrscheinlich hat sich die Bundesregierung gedacht, wenn die Landtagswahlen vorbei sind, könne man wieder zur Tagesordnung übergehen und sich an Kriegen beteiligen. Und da frage ich mich, wie ernst nimmt diese Bundesregierung überhaupt die Demokratie? Ist das nicht ein Verhalten, das in der Politikwissenschaft als »defekte Demokratie« beschrieben wird? Ich finde es richtig, dass sich Wählerinnen und Wähler nicht auf Dauer belügen lassen. Herr Mappus musste das schmerzvoll erfahren.

Liebe Genossinnen und Genossen,

nun werden wir eine Regierung aus SPD und Grünen in Baden-Württemberg haben, und wir dürfen gespannt sein, wie es dieser Regierung gelingen wird, das Atom-Moratorium und Stuttgart 21 umzusetzen bzw. zu verhindern.

Eine wichtige Erfahrung ist, dass man vor einer Wahl nicht mehr versprechen sollte, als man halten kann. Ich finde es richtig, dass wir vor vierzehn Tagen ein realistisches Wahlprogramm beschlossen haben, dass wir den Menschen nicht das Blaue vom Himmel versprechen, sondern sagen: Das können wir erreichen, wenn ihr uns den nötigen Rückenwind gebt. Und diesen Rückenwind werden wir uns im Wahlkampf erarbeiten, liebe Genossinnen und Genossen.

Nun freut sich die Bundesregierung ja öffentlich über die Konjunktur und vermittelt den Eindruck, dass alles wunderbar laufe.

Die offiziellen Arbeitslosenzahlen sinken und die Finanzkrise scheint überwunden. Uns wird die Botschaft vermittelt, hier in der Bundesrepublik ist alles in Butter. Aber gleichzeitig geht in Europa alles drunter und drüber, und Frau Merkel und Herr Schäuble tun so, als ginge uns das alles nichts an.

Portugal muss unter den EU-Rettungsschirm, Irland ist schon unter dem Rettungsschirm, und Griechenland droht an dem Kürzungspaket der Kanzlerin zu ersticken. Das Land ist in der schwersten Rezession seit Ende des 2. Weltkrieges, und wer weiß, ob es jemals seine Schulden zurückzahlen kann.

Doch, liebe Genossinnen und Genossen, der EU-Rettungsschirm geht uns sehr wohl etwas an!

Denn 22 Milliarden Euro soll die Bundesregierung direkt in den Rettungsfonds einzahlen. Und wo soll das Geld herkommen?

Neue Schulden sollen aufgenommen werden. Wir als LINKE sagen, wir wollen dafür keine neuen Schulden.

Wir wollen, dass endlich eine Finanztransaktionssteuer von denen erhoben wird, die sich mit Spekulationen dumm und dämlich verdienen, wie Herr Ackermann und seine Deutsche Bank.

Es ist doch empörend, dass die Bundesregierung die Schulden der Zocker auf die Schultern der Steuerzahler abwälzt und sich dann unsere Kollegen von CDU und FDP im Bundestag hinstellen und uns erzählen, was wir hier in Berlin angeblich alles nicht finanzieren würden. Das ist eine verlogene Politik, der wir uns deutlich entgegenstellen. Das machen wir nicht mehr länger mit, liebe Genossinnen und Genossen.

Schauen wir ein wenig genauer hin. Irland wollte gar nicht unter den EU-Rettungsschirm. Aber das Land wurde von der Kanzlerin gezwungen, weil sie Angst hatte um die Einlagen der Deutschen Banken in Irland. Wenn ich mich recht erinnere, hat man uns – und versucht es auch heute noch – immer erklärt, im Kapitalismus herrsche freier Wettbewerb, und die Besten setzten sich durch. Doch ich sage, wenn die Banken immer risikolos darauf spekulieren können, dass ihre Verluste durch den Steuerzahler getragen werden, dann haben die Banken die Staatskasse in Geiselhaft genommen, und das dürfen wir nicht dulden, liebe Genossinnen und Genossen.

Gerne wird uns erzählt, Kapitalismus habe etwas mit Unternehmern zu tun, die ihre Ärmel hochkrempeln, die den Staat nicht brauchen, ihn manchmal sogar verachten, die durch eisernen Willen und durch eigene Anstrengung eine Million nach der anderen verdienen, und wir sollen doch nicht so neidisch sein.

Aber diese Staatsverachtung hat sie nicht daran gehindert, immer die Hand aufzuhalten, wenn sie finanzielle Schwierigkeiten hatten, so wie jetzt die Commerzbank.

Ich finde, es ist nicht hinnehmbar, dass diese Herren, die Milliarden von den Steuerzahlern nehmen, um ihre eigene Haut zu retten, da es ihnen wieder besser geht, nur einen Bruchteil der Zinsen zahlen wollen, die sie hätten zahlen müssen, wenn es hier nach Recht und Gesetz ginge.

Das ist ein weiterer Betrug an den Steuerzahlern, und so muss man das auch aussprechen, liebe Genossinnen und Genossen!

Ich fordere den Finanzminister auf, keinen müden Euro mehr für spekulierende Banken auszuzahlen und endlich eine europäische Finanztransaktionssteuer durchzusetzen!

Die Finanzkrise ist also noch längst nicht überwunden, und auch die Konjunktur ist immer noch gespalten.

Ich will nur eine Zahl nennen, um das zu verdeutlichen: Elf Prozent der Leiharbeiter bekommen so wenig Lohn, dass sie davon nicht ihr Leben bestreiten können, dass sie zusätzlich zum Amt gehen und »aufstocken« müssen.

Die Lohnsubvention an Unternehmen, die keine ehrlichen Löhne zahlen wollen. Wir aber verlangen von den Unternehmen, dass sie ehrliche Löhne zahlen, liebe Genossinnen und Genossen!

»Gute Arbeit« – das ist ein Markenzeichen der Linken  – dafür kämpfen wir auf der Bundesebene genauso wie in den Ländern.
Und ich will auch unterstreichen, wie viel hier in Berlin schon erreicht wurde.
Ohne DIE LINKE hätte es niemals die Klage und das erfolgreiche Urteil gegen die sogenannten Christlichen Gewerkschaften gegeben, die nicht tariffähig sind. Es ist ein großer Erfolg, dass wir diesen Dumpinggewerkschaften höchstrichterlich haben sagen können: Ihr seid nicht tariffähig. Und ich möchte für das Engagement in dieser Frage insbesondere bei der Sozialsenatorin Carola Bluhm und ihrer Vorgängerin Heidi Knake-Werner danken.

Und wir, DIE LINKE, werden weiter daran arbeiten, dass das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit in allen Bereichen durchgesetzt wird, für Frauen und Männer, für Festangestellte und für Leiharbeiter und – da der 1. Mai naht – auch für Menschen, die aus anderen Ländern, aus den östlichen Ländern zu uns kommen. Es nutzt allen, wenn vernünftig bezahlt wird, Neid und Missgunst hat eine Gesellschaft noch nie vorangebracht, liebe Genossinnen und Genossen.

Wir sind ja in einem Superwahljahr, und deshalb möchte ich einiges sagen zu den Wahlen, die hinter uns liegen, und auch zu denen, die vor uns liegen. Zwei Wahlen haben wir in diesem Jahr bestanden – die in Hamburg und die in Sachsen-Anhalt. Und in zwei Bundesländern haben wir unsere Ziele nicht erreicht – im Südwesten unseres Landes, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Heute setzt sich im Neuen Deutschland eine ganze Leserbriefseite mit dieser Problematik auseinander. Darum sage ich ganz deutlich: Natürlich haben alle die recht, die sagen, dass die Atomkatastrophe in Japan, in Fukushima nicht die einzige Ursache für unsere Wahlniederlagen im Südwesten ist. Das ist doch völlig klar. Und natürlich gibt es die Notwendigkeit zur Selbstkritik auf vielen Ebenen der Partei.

Ich glaube aber, dass wir beide Ursachen betrachten müssen.

Die externen Ursachen für die Wahlniederlage, die natürlich gravierend waren für den Ausgang der Wahl, was man belegen kann an Hand der Wählerwanderungen.

Aber auch ganz selbstkritisch die internen Ursachen. Im Parteivorstand waren wir uns einig, dass wir die Parteistrukturen im Südwesten unserer Republik deutlich stärken müssen. Wahlzeiten sind Erntezeiten, und mit Wahlkämpfen allein kann man  Stimmung machen, kann man Sympathien gewinnen oder auch verlieren, aber Wahlkämpfe allein ersetzen nicht jahrelange, kontinuierliche Arbeit.

Um nur mal eine Zahl zu nennen: In Rheinland-Pfalz gibt es weniger Genossen als in Berlin-Lichtenberg. Und so bedeutend Berlin-Lichtenberg auch ist – das Bundesland Rheinland-Pfalz ist 380mal größer als Lichtenberg. Da kann man sich vorstellen, mit welchem Einsatz die Genossinnen und Genossen in Flächenländern ihr Material an die Frau und den Mann bringen muss. Gerade in Baden-Württemberg, wo unsere Partei hervorragend gekämpft hat und organisiert war, gibt es immer noch Orte, in denen selbst ein SPD-Mitglied als linksradikal gilt. Da ist es ein Weltereignis, wenn man überhaupt mal einen richtigen Linken sieht. Der wird nicht verprügelt, sondern neugierig betrachtet wie ein Exot. Aber das zeigt, unsere Partei muss gerade dort gestärkt werden, und wenn es uns gelingen wird – wofür sich auch Halina Wawzyniak den Hut aufgesetzt hat –, Patenschaften, Erfahrungsaustausch zu organisieren, dann sind wir dort sicherlich einen Schritt weiter.

Liebe Genossinnen und Genossen ,

es ist nicht nur ein Strukturproblem. Wir haben uns vielleicht auch ein bisschen zu stark darauf verlassen, dass Oskar und Gregor im Wahlkampf schon Stimmen einfahren werden. Damit ich nicht falsch verstanden werden: Beide haben sich unermüdlich, fast rund um die Uhr in beiden Ländern engagiert, auf Plätzen und in Sälen gesprochen.

Da fällt mir ein Zitat aus der Internationale ein:

Es rettet uns kein höh'res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun!

Nun sind Oskar und Gregor keine höheren Wesen, und wir befinden uns nicht im Elend, aber wir können langfristig unsere Erfolge sichern, wenn wir uns nicht nur auf unsere Ausnahmetalente verlassen. Wir brauchen auch hier in Berlin jede Genossin und jeden Genossen, und dann können wir auch wieder gemeinsam erfolgreicher sein.

Liebe Genossinnen und Genossen,

in die Schlussfolgerungen aus den Landtagwahlen will ich auch das Land Sachsen-Anhalt mit einbeziehen. Ich glaube, egal ob wir in der Regierung oder in der Opposition sind, wir müssen uns wieder stärker mit den außerparlamentarischen Bewegungen verbünden.

Die Mehrheiten und unsere Stärke in den Parlamenten werden uns nur dann etwas nutzen, wenn wir auch Rückenwind aus den außerparlamentarischen Bewegungen haben. Wenn wir sagen können – zum Beispiel hier in Berlin –, lieber Koalitionspartner, es werden Tausende Menschen auf der Straße stehen, wenn du uns den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor kaputtmachen willst. Wir wollen, dass die Positionen der LINKEN durchgesetzt werden. So müssen wir mit den außerparlamentarischen Bewegungen zusammenarbeiten, und auch wir müssen sie unterstützen, liebe Genossinnen und Genossen.

Ich finde es gut und richtig, dass Harald Wolf in seiner Rede ganz klar angesprochen hat, wie die Arbeit der Koalition hier im Augenblick erschwert wird, wie vernünftige Lösungen behindert werden. Ich glaube, wir müssen in diesem Wahlkampf ganz deutlich machen, was durch die Arbeit der LINKEN in Berlin erreicht wurde, was wir noch hätten erreichen können, wenn uns die Arbeit nicht erschwert worden wäre und wenn in vernünftigen Fragen SPD und LINKE an einem Strang gezogen hätten.

Nun sind ja in der Wahlauswertung fast jeden Tag wieder die Begriffe Porsche und Kommunismus gefallen. Zunächst zum Kommunismus: In der Tat waren Genossinnen und Genossen irritiert, über den Aufsatz den ich geschrieben und die Diskussionen, die sich ergeben haben. Was ich aber auch konstatiert habe, ist, dass viele Menschen innerhalb, aber auch außerhalb der Partei diese Diskussion aufgegriffen haben, um daran anzuknüpfen und politische Grundsatzfragen zu stellen. Und unsere Aufgabe ist es – und darin unterscheiden wir uns von anderen –, unsere Vorstellungen von einem demokratischen Sozialismus so zu erklären, dass die Menschen zuhören und wir mit einer Provokation auch mal ins Gespräch kommen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich sage auch etwas zum Porsche. Manchmal glaube ich, da wird auch mit falschen Karten gespielt und gezockt, was Klaus Ernst betrifft. Wenn ich den Porsche-Fahrer Klaus Ernst mit der Radfahrerin  Renate Künast vergleiche, dann muss ich feststellen, dass Klaus Ernst gegen Hartz IV und gegen Kriegseinsätze gestimmt hat, und dass Renate Künast sehr häufig für den Krieg gestimmt hat und dass sie dabei war, als Hartz IV konstruiert wurde. Sie war - wie wir es früher in der Schule gesagt haben - bestimmt nicht Kreide holen. Ich sage Euch, man kann nicht vom Fortbewegungsmittel auf den Menschen schließen, und nicht jeder Radfahrer ist automatisch ein guter Mensch, liebe Genossinnen und Genossen.

Auch hier in Berlin müssen wir uns genau überlegen, wie wir unsere Strategie umsetzen und unser Profil unverwechselbar gestalten können. Und nun gibt es ja einige Genossinnen und Genossen, die in Anbetracht der Wahlergebnisse im Südwesten eine Änderung der Strategie, einen Themenwechsel ansprechen. Ich denke, wir brauchen verstärkt eine Diskussion darüber, ob unsere Strategie richtig ist und wie wir sie überzeugender unter die Leute bringen können. Wir diskutieren ja intensiv unser Wahlprogramm, und das ist natürlich auch Teil unserer Strategiedebatte. Vor einem vollständigen Strategiewechsel kann ich aber nur warnen. Wir können bei der SPD sehr genau beobachten, wohin das führt. Nach jeder Wahl änderte sich ihre Strategie. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2009 wollte sie sich halbherzig von der Agenda 2010 verabschieden. Nach der Landtagswahl in Hamburg ruderte sie zurück und war wieder die Hartz IV-Partei. Die Quittung bekam sie dann in Rheinland-Pfalz – zehn Prozent minus. Und in Baden-Württemberg ist die SPD nicht Koch, sondern nur Kellner.

Wir, liebe Genossinnen und Genossen, wir müssen keine Haken schlagen. Wir müssen für unsere Wählerinnen und Wähler berechenbar und zuverlässig sein. Auch wenn die Atomkatastrophe von Fukushima alle anderen Themen überlagert hat und die Frage der sozialen Spaltung in der Gesellschaft zurückgedrängt wurde, werden diese Fragen auch wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein zurückkehren. Und dann werden die Menschen fragen: Welche Aufgaben übernimmt DIE LINKE, und welche Antworten hat sie auf unsere Fragen?

Es gibt natürlich Leute – auch aus den Medien –, die finden unsere Ziele nicht schick oder langweilig. Im Morgenmagazin in dieser Woche sagte mir die Moderatorin auf unsere Forderung nach gerechten Löhnen: »Gerechte Arbeitsverhältnisse, das ist so ein bisschen die programmatische Einöde, die man so bei der Linken hört...« Eine Zuschauerin sprach mich hinterher an und sagte, sie sei fassungslos gewesen.

Natürlich kann eine Moderatorin, die mit unseren Gebührengeldern fürstlich bezahlt wird, gerechte Arbeitsverhältnisse öde finden.

Aber ich bin überzeugt, viele Menschen in unserem Land, in unserer Stadt wären glücklich und zufrieden, wenn sie in einer solchen Öde leben würden. Wir müssen uns doch anschauen, wie die Verhältnisse sind, wie die Durchschnittseinkommen sind. Wir haben noch immer keine Mindestlöhne, und auch wir hier in Berlin setzen uns dafür ein, dass wir endlich Mindestlöhne bekommen, liebe Genossinnen und Genossen.

Das Durchschnittseinkommen liegt bei 27.000 Euro pro Jahr, und man kann nicht sagen, dass Leute damit reich sind. Und selbst von den vier Millionen Selbstständigen in unserem Land haben 30 Prozent weniger als 1.100 Euro im Monat. Das sind Menschen, die durch die Verhältnisse häufig in die Selbstständigkeit gezwungen wurden, die diesen Weg oft nicht freiwillig gegangen sind und sich nun für einen Hungerlohn jeden Monat quälen müssen. Auch sie müssen wir vertreten. Wir sind nicht nur die Partei der Arbeitnehmer und Arbeitslosen, wir sind auch die Partei der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Wir kennen deren Situation am besten, und auch mit dieser Situation müssen wir uns auseinandersetzen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

in der Strategiedebatte werden wir uns neue Felder erschließen, aber ich glaube, die entscheidende Frage ist, alle neuen Herausforderungen, alle wichtigen neuen Themen so mit den Themen der heutigen Zeit zu verbinden, dass nicht der Eindruck entsteht, DIE LINKE mache nun etwas völlig anderes. Wir haben uns über 20 Jahre politische Felder erarbeitet: soziale Gerechtigkeit, Friedenspolitik und andere mehr. Die können wir nicht einfach links liegen lassen. Denn wenn wir aufhören, diese Felder zu beackern, dann entsteht eine große Brache, weil sich keine andere Partei um diese Fragen so kümmern wird wie wir. Und darum bin ich der Auffassung, wir müssen uns neuen Herausforderungen stellen, aber alle neuen, wichtigen Themen mit den Fragen der sozialen Gerechtigkeit verbinden. Wir müssen zum Beispiel die Fragen des Atomausstiegs mit den Fragen nach sozialen Strompreisen verbinden. Wir müssen die soziale Gerechtigkeit mit der Eigentumsfrage verbinden, wie es Harald Wolf mit den Wasserbetrieben versucht. Wir müssen dafür sorgen, dass wir endlich wieder kommunales Eigentum haben, dass wir nicht mehr abhängig sind von dem Diktat der Großen. Und wir, liebe Genossinnen und Genossen, das ist unsere Spezifik, wir sind die einzige Partei, die die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Demokratie und Eigentum stellt. Denn wer nichts hat, der kann auch nichts entscheiden. Wir wollen, dass man Politik gestalten kann, und für Gestaltung braucht man öffentliches Eigentum, und darum müssen wir gemeinsam unser öffentliches Eigentum zurückerobern, liebe Genossinnen und  Genossen.

Wir sollten uns als Partei darauf einigen, dass wir unsere neue Ziele, für die wir gewählt worden sind, auch umsetzen wollen. Dass wir uns nicht pausenlos neue Ziele setzen. Wenn wir die alten erreicht haben, dann können wir uns neue suchen. Ich sage es mal mit einem Vergleich: Ein Marathonläufer, der die vierten Platz belegt hat, der sagt doch auch nicht, jetzt suche ich mir mal eine andere Sportart, jetzt mache ich Eiskunstlauf, sondern der sagt, ich trainiere so, dass ich beim nächsten Mal weiter vorn bin.

Wir wissen aus unserem Alltagsleben viel über die Spaltung der Gesellschaft. In den Medien wird die Spaltung der Gesellschaft immer mehr ausgeblendet und damit auch die Partei, die sich gegen diese Ausblendung wendet.

Doch wir sollten nicht die Augen vor dieser Spaltung schließen, denn sie setzt negative Energien frei, wie Hass, Gewalt, Neid und Gier.

Diese negativen Energien können eine Gesellschaft sprengen. Wir sind die Partei, die die Gesellschaft zusammenhalten will, wir sind die Partei der Solidarität, und auch dafür werden wir im Berliner Wahlkampf antreten und streiten, liebe Genossinnen und Genossen.

Wir fordern soziale Gerechtigkeit, d.h. gesetzliche Mindestlöhne, gerechte Renten, die Überwindung von Hartz IV, eine gute Gesundheitsversorgung und gute Bildung unabhängig vom Geldbeutel. Wir wollen eine Stadt für alle, nicht nur als Slogan, sondern in der Realität.

Dafür brauchen wir ein gerechtes Steuersystem, das die Umverteilung in dieser Gesellschaft wieder vom Kopf auf die Füße stellt.

Zur sozialen Gerechtigkeit gehört für uns natürlich immer dazu, dass wir Kriege ablehnen – sie sind zutiefst ungerecht und zerstören die Umwelt. DIE LINKE wird niemals Kriegen zustimmen!

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir wollen gemeinsam im September ein gutes Wahlergebnis erreichen, damit wir die Gesellschaft ändern können. Das ist unser Anspruch, dafür sind wir als Partei da. Darum lasst uns gemeinsam kämpfen, lasst uns heute unseren Kandidatinnen und Kandidaten guten Rückenwind geben, und lasst uns dann gemeinsam in die Wahlauseinandersetzungen ziehen. Wenn wir einig sind, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, dann werden wir es schaffen.