Berlin für alle, analog & digital. Eine Digitalisierungsstrategie im Namen der öffentlichen Daseinsvorsorge!
Beschluss 14 / 3 / 7
Berlin braucht eine Digitalisierungsstrategie im Interesse des Gemeinwohls, auf der Basis demokratischer und transparenter Verfahren, unter Einbeziehung des bereits vorhandenen digitalen Ökosystems aus Wissenschaft, Wirtschaft, öffentlichem Sektor und Zivilgesellschaft. Strategien, in denen Smart City vor allem von Digitalkonzernen gedacht und gemacht wurde, sind weder zeitgemäß noch nachhaltig. Vielmehr geht es darum, die Entwicklung von Datenbasen, Infrastrukturen und Software gerade nicht kommerziellen Akteuren zu überlassen. Wir wollen Digitalisierung gestalten, die informationelle Souveränität der Menschen in Berlin mit den Prinzipien digitaler Gemeingüter in Einklang bringt. Wo Private mit den Daten von Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt Geld verdienen, müssen sie sich nicht nur an Regeln halten, sondern der Stadt etwas zurückgeben und ihrerseits zur Allmende beitragen.
Berlin ist mit dieser Vision nicht allein: Städte wie Barcelona, Wien, Amsterdam oder Birmingham arbeiten ebenfalls daran, eine alternative Digitalisierungspolitik voranzubringen. Dass Berlin dem Netzwerk Cities Coalition for Digital Rights beigetreten ist begrüßen wir ausdrücklich und fordern die konsequente Implementierung der hierin verankerten Ziele in der Berliner Landespolitik.
Mehrwert – die digitale Infrastruktur in der öffentlichen Daseinsvorsorge entwickeln
Die öffentlichen Unternehmen Berlins digitalisieren sich bereits. Vorreiter sind dabei etwa die BVG, die BSR, aber auch die Berliner Wasserbetriebe und die Wohnungsbaugesellschaft degewo. Als DIE LINKE Berlin setzen wir uns dafür ein, dass die öffentlichen Unternehmen sich noch mehr als bisher zusammenschließen, Synergien untereinander aber auch mit Verwaltung, Wissenschaft und Digitalwirtschaft nutzen und neue digitale Dienstleistungen aufbauen.
Wir wollen, dass Modelle entwickelt werden, den von den Privaten vernachlässigten Breitband- und Glasfaserausbau im Rahmen der öffentlichen Hand voranzutreiben.
Das Free Wifi Berlin wollen wir weiter besonders auch jenseits der touristischen Zentren nämlich stadtweit und in allen Kiezen, aber auch in öffentlichen Einrichtungen ausbauen.
Das InfraLab als Initiative von Versorgungsunternehmen soll vom Senat stärker unterstützt und die Zusammenarbeit mit dem CityLab noch besser verzahnt werden.
Die Infrastruktur an Sensorik und Funknetzwerken, die für das Internet der Dinge und eine smarte Stadt benötigt werden, wollen wir im Rahmen offener Standards (etwa die LoRaWan-Initiative) entwickeln. Auch bei der Nutzung von Rechenkapazitäten und Cybersecurity können unsere Unternehmen der Daseinsvorsorge stärker zusammenarbeiten.
Für eine Datenpolitik im Gemeinwohlinteresse
Daten sind die wichtigste Ressource der digitalen Welt und sie bringen viel Geld, auch und gerade im urbanen Raum. DIE LINKE Berlin unterstützt die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in ihrem Bestreben, ÖPNV, Taxi und Sharing im Rahmen einer digitalen Plattform/App (Jelbi) in öffentlicher Hand zu verknüpfen. Nicht zuletzt soll damit gesichert werden, dass umwelt- und verkehrspolitische Aspekte bei der Gestaltung gesichert werden und keine Privaten Monopole auf das Routing im städtischen Verkehr bekommen. Wir fordern, dass Google und andere Anbieter, wenn sie die öffentlichen Verkehrsdaten der BVG nutzen, ihrerseits Verkehrsdaten als Gegenleistung zur Verfügung stellen müssen. Zudem wollen wir den Grundsatz «ÖPNV-Ticketverkauf nur durch öffentliche Verkehrsunternehmen» aufrechterhalten und so verhindern, dass private Plattformunternehmen auch im Verkehrsbereich den Zugang zu Kund*innen monopolisieren und öffentliche Mobilitätsanbieter gestaltungsunfähig machen.
Im Rahmen der Umsetzung der Konzeptionen zur „Gesundheitsstadt 2030“ wird der Ausbau der digitalen Kooperation von Vivantes und Charité angestrebt. Gemeinsam können die beiden Unternehmen einen immensen Bestand an Versorgungsdaten nutzen, um die Gesundheitsversorgung in Berlin zu verbessern. Zugleich kann auch jeder und jede einzelne Patient_in erfahren, dass gemeinsam genutzte Akten und Infrastrukturen weniger Bürokratie und mehr Zeit von Ärzt_innen und Pflegenden für den direkten Kontakt bedeuten. DIE LINKE Berlin erwartet in der Umsetzung, dass die besonders hohen Schutz- und Sicherheitsstandards für Patient_innendaten von Anfang eingehalten werden. Im Rahmen unseres Einsatzes für eine bessere Ausstattung der Berliner Krankenhäuser fordern wir besonders auch den Ausbau sicherer und moderner IT-Infrastrukturen.
Sozial-ökologische Digitalwirtschaft fördern!
Wir treten ein für die Förderung von alternativen Kooperationsmodellen und soziale Innovationen und setzen uns für die Errichtung eines ‚Coop-Fonds‘ (20 Mio. Euro) zur Unterstützung von in Gründung befindlichen Plattformgenossenschaften und anderen selbstverwalteten Unternehmensmodellen ein. Dazu gehören: eine Gründungs- und Förderberatung für sozial-ökologische Unternehmungen nach dem Vorbild des ‚Digital Innovation Office‘ in Barcelona. Wir wollen von Berlin aus alternative digitale Wirtschaftsformen als konkrete Alternative zu monopolistischen Sharing-Plattformen und Tech-Konzernen fördern und aufbauen.
Digitale Experimentierräume schaffen!
Als Teil einer linken Landesregierung setzen wir uns für die Überarbeitung der weitgehend gescheiterten alten Smart City Strategie Berlins ein und wollen darauf hinwirken, dass unsere Stadt ein Ort für digitale Experimente und Laborraum für eine Digitalisierung von unten ist. Das CityLab ist ein guter Anfang und muss deutlich besser unterstützt und finanziell ausgestattet werden. Hier können neue Ideen an der Schnittstelle von moderner Verwaltung, öffentlichen Unternehmen und digitaler Zivilgesellschaft entstehen. Wir wollen die Einrichtung weiter öffentlicher Labs in den Kiezen: entweder in Form moderner Bibliotheken, die heute längst multimediale Produktionsorte sind, oder als FabLabs nach dem Vorbild etwa Barcelonas.
Offene Daten als Grundprinzip in der öffentlichen Hand umsetzen
DIE LINKE Berlin unterstützt die Schaffung eines Transparenzgesetzes sowie aktiv den Volksentscheid Transparenz. Wir fordern den Senat auf, die Open Data Verordnung zügig in Kraft zu setzen. In der Berliner Verwaltung und in den öffentlichen Unternehmen schlummert ein riesiger Wissensschatz, dessen Potenziale wir für effiziente Bürgerdienste und öffentliche Dienstleistungen, aber auch für mehr Partizipation und eine bessere Politik heben wollen.
Das Berliner Stadtportal in die öffentliche Hand holen und umfassend ausbauen
Wir wollen die öffentlich-private Partnerschaft für das Berliner Stadtportal www.berlin.de beenden und das Portal in öffentlicher Regie werbefrei umfassend ausbauen. Um berlin.de zur zentralen Anlaufstelle für die Berlinerinnen und Berliner zu machen, sollten hier die Informationen zu Verwaltung, öffentlichen Dienstleistungen, Politik und Partizipation gebündelt und auf dem aktuellen Stand in Layout, Interoperabilität, Bedienbarkeit und Barrierefreiheit angeboten werden. Dazu müssen Personal und Infrastruktur deutlich ausgebaut werden.
Datengetriebene Geschäftsmodelle regeln und begrenzen
Wir wollen mehr Transparenz für kommerziell betriebene Plattformen, die die Basis für das öffentliche Leben (quasi-essential facilities) bestimmen, wie etwa AirBnB und Booking.com („Zweckentfremdungsverbot“) Google Maps sowie Taxi-Plattformen wie FreeNow. Wer in Berlin tätig ist, darf sich der Regulierung nicht entziehen. Zur Durchsetzung kommunaler Regulierung sollten Unternehmen zur Bereitstellung einer Schnittstelle für Kommunalbehörden verpflichtet werden, um somit illegale Angebote zu unterbinden helfen. Insbesondere bei den kommerziellen Sharingdiensten werden immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse und Ausbeutung jenseits der öffentlichen Kontrolle produziert und gleichzeitig traditionelle Unternehmensbereiche wie das Taxigewerbe regelrecht kanibalisiert. Dem muss auf allen Politikebene begegnet werden und wir nutzen alle uns in Berlin zur Verfügung stehenden Instrumente so gut es geht.
Berlin soll zudem alternative nicht-kommerzielle Alternativen zu Plattformen wie AirBnB, FreeNow oder Lieferando unterstützen.
Sharingdienste an sozial-ökologische Kriterien binden
Wir wollen die Zulassung von Sharingdiensten wie Roller-, Fahrrad- und Carsharing, stärker an sozial-ökologische Kriterien binden sowie auf einen besseren Datenschutz verpflichten. So muss die Klima-, Sozial- und Umweltverträglichkeit nachgewiesen werden. Anonymisierte Verkehrsdaten der Nutzer_innen sollen über offene Schnittstellen zur Verfügung stehen. Zudem müssen auch Gegenden jenseits der Innenstadt bedient und die Zusammenarbeit mit dem ÖPNV unterstützt werden. Anbieter, die diese Kriterien nicht erfüllen, sollen keine Zulassung mehr in Berlin bekommen.
Public Money – Public Code
Die Softwarewelt in der öffentlichen Verwaltung muss sich ändern – aus Sicherheits-, Datenschutz- und Wettbewerbsgründen. Auch wenn der Berliner Senat sich im Interesse der schnellen Umsetzung des eGovernments für Microsoft als Anbieter des Standard-Verwaltungsarbeitsplatzes „Berlin-PC“ entschieden hat, brauchen wir für die Zukunft Weichenstellungen in Richtung von offenen Systemen. Im Bereich der Server ist bereits heute mehr Open Source möglich. Wenn proprietäre Systeme von großen Herstellern angeschafft werden, ist auf dauerhafte Verfügbarkeit von Updates und die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung zu achten. Sicherheit und Datenschutz müssen angesichts täglicher Angriffe auf Softwaresysteme oberstes Gebot werden.
Digitale Bildung und Wissenschaft: OER und Open Science voranbringen
An den Berliner Schulen soll der Einsatz offener Lehr- und Lernmaterialien (OER) gefördert werden. Bildungsmaterialien unter offenen Lizenzen bereichern die Welt des Lernens und können gemeinsam von ExpertInnen, LehrerInnen oder SchülerInnen erarbeitet, genutzt sowie weiterentwickelt werden. Berlin soll die Einrichtung eines länderübergreifenden Zertifizierungssystem für offene Arbeitsmaterialien fördern. Wir fordern unsere Abgeordnetenhausfraktion auf, die Digitalpaktmittel beschleunigt zur digitalen Ausstattung im Unterricht, ob bei Endgeräten oder weiteren Ressorucen, zu nutzen.
Berlin soll mehr als bisher zu einem Zentrum digitaler Wissenschaft unter offenen Standards werden und das Open Access Büro in der Finanzierung verstetigt und ausgebaut werden.
Die digitale Stadt muss eine inklusive Stadt für alle Generationen sein
Dienste und Zugänge zur Verwaltung werden in den Zeiten elektronischer Akten und Geschäftsprozesse auf verschiedenen Wegen erreichbar sein. Effizienzgewinne beim digitalen Zugang wollen wir durch bessere Erreichbarkeit im Analogen und für mehr Service nutzbar machen. Bibliotheken, Senioreneinrichtungen und Stadtteilzentren wollen wir verstärkt nutzen, um Seniorinnen und Senioren im assistierten Zugang zu digitalen Angeboten zu unterstützen. Die mobilen Bürgerämter haben sich bewährt und sollen in Soft- und Hardware modernisiert und ausgebaut werden.