Kriterien für eine Koalition
Rede von Hannah Rübig
[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]
Liebe Genossinnen und Genossen,
Ich werde den Änderungsantrag der LINKEN. Neukölln einbringen und begründen.
1.
SPD und Grüne halten an der Schuldentilgung fest und wollen weder eine Kampagne für die Reichensteuer noch eine Neuverschuldung. D.h. sie wollen ein »Weiter so« in Berlin. Somit fehlt jede Grundlage, einen Politikwechsel zu finanzieren und es würde weiter eine Mangelwirtschaft verwaltet werden. Denn ohne ein milliardenschweres Investitionsprogramm gibt es weiter verdeckte Schulden, in Form von nicht sanierten Schulgebäuden, Krankenhäusern und Schwimmbädern. In allen Schulgebäuden zusammen beziffern wir imWahlprogramm den Sanierungsbedarf auf 3,5 Mrd. Euro. Krankenhäuser brauchen eineMilliarde, dazu kommt die Tarifbindung im Öffentlichen Dienst etc. Die 500 Millionen jährlich, die die SPD teilweise zur Schuldentilgung einsetzen will und die die LINKE laut Tagesspiegel für Investitionen fordert, reichen nicht aus, um den Investitionsbedarf in Personal und Sanierung in Berlin zu decken. Damit gibt es nicht spürbar mehr Personal im Öffentlichen Dienst, die Kürzungen von rot-rot können nicht zurückgenommen werden. Es gibt kein Ende des Lohndumpings in den ausgegliederten Betrieben, es gibt keine 100.000 kommunalen Wohnungen. Selbst wenn wir uns durchsetzen, dass die Schuldentilgung aufhört und die 500 Millionen jährlich investiert werden, ist das nicht ausreichend.
Wir beteiligen uns dann weiter an einer Mangelwirtschaft und spielen verschiedene Interessengruppen gegeneinander aus. Deshalb haben wir in unserem Antrag Kriterien für eine Koalition aufgestellt.
Wenn die SPD und die Grünen jedoch die Haushaltskonsolidierung über das Wohl der Bevölkerung stellen, dann sollen sie das mit der CDU machen – nicht mit uns. Eine Kampfansage der LINKEN in Berlin ist ein Signal für den Bundestagswahlkampf, dass wir es ernst meinen mit der Besteuerung der Reichen. Es ist kein gutes Signal, wenn wir keine Bedingungen machen, die einen Politikwechsel finanzieren können.
2.
Die reale Bedrohungslage durch die AfD müssen wir ernst nehmen. Die AfD punktet mit Politik gegen »die da Oben«, die über die Not von Geflüchteten diskutieren aber Langzeitarbeitslose und Rentnerinnen vergessen haben. »Die da Oben«, die nicht verhindern, dass die Mittelschichten ihr Erspartes nicht verlieren. Die AfD punktet damit, eine Antiestablishmentpartei zu sein.
Um der AfD das Wasser abzugraben, ist es wichtig, dass die LINKE nicht einfach nur zu »denen da Oben« gezählt wird, zur Regierung, die wegen der miesen Haushaltslage kaum etwas an der Situation der Leute ändern kann.
Sondern als starke Opposition – gegen die da Oben. Als Kämpferin für soziale Gerechtigkeit und gegen Rassismus. Und wir dürfen nicht der AfD gemeinsam mit der CDU die Rolle der Opposition gegen das Establishment überlassen.
Keine Abschiebung, kommunales Wahlrecht für Nichtdeutsche und keinerlei Erschwernisse für die Durchführung von Volks- und Bürgerbegehren sind weitere Mindestbedingungen, die DIE LINKE für eine Regierungsbeteiligung stellen müsste. So könnte sie SPD und Grüne unter Druck setzen, ohne bei einem Scheitern der Gespräche über eine Koalition das Gesicht zu verlieren.
3.
Wenn DIE LINKE auf scharfe Kritik an der neoliberalen Politik der SPD verzichtet und statt konkreter Bedingungen für Regierungsbeteiligung einen unverbindlichen Forderungskatalog aufstellt, ist sie nicht für das Scheitern von Gesprächen und eventuelle Neuwahlen gerüstet. DIE LINKE muss die SPD und die Grünen während der Koalitionsgespräche und öffentlich dafür angreifen, dass sie weiter Schulden tilgen statt Schulen sanieren will, anstatt in Gesprächen mit ihnen Vertraulichkeit zu vereinbaren.
Vertraulichkeit heißt, dass wir heute als Parteitag keine inhaltliche Grundlage haben, was bei der Sondierung herausgekommen ist – außer ein paar Informationen aus dem Tagesspiegel. Umso wichtiger ist es, dass wir heute Kriterien aufstellen, die auch die Wählerinnen undWähler der SPD und Grünen nachvollziehen können, unsere Wählerinnen nicht enttäuschen, und uns zumindest unsere Grundziele durchsetzen lässt. Nur an die Regierung zu gehen ohne wirklich unsere Wahlkampfziele erreichen zu wollen, käme reiner Machtgier gleich.
Und ich hoffe, dass das nicht euer Interesse ist liebe Genossinnen und Genossen. Danke.