Die regierungspolitische Partizipation

Rede von Wolfgang Albers


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.

Es ist im Verlauf dieser Debatte schon vieles gesagt worden, Genossinnen und Genossen, ich will trotzdem noch einmal auf etwas Grundsätzliches eingehen.

Lothar hat vorhin darauf hingewiesen: 19 Prozent.

Die Akzeptanz für unsere Politik in dieser Stadt stabilisiert sich auf hohem Niveau. Allen – auch innerparteilichen – Unkenrufen zum Trotze. Und das, Genossinnen und Genossen, ist unsere besonnene Berliner Antwort auf die im Zusammenhang mit uns immer wieder aufgeworfene Frage nach der Glaubwürdigkeit linker Politik.

»Die Linke wirkt« sagen, ist das eine, »Die Linke wirkt« zeigen, ist das andere. Wir haben es immer betont Regierungsbeteiligung ist kein Selbstzweck. Sie ist aber auch kein Teufelszeug. Sie muss wesentlicher Bestandteil der Gesamtstrategie unserer sozialistischen Oppositionspolitik in diesem Land sein. In ihr verknüpfen sich Elemente defensiver und offensiver Oppositionspolitik, um die Lebenslage für die abhängig Beschäftigten und sozial Schwachen innerhalb der Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft real zu verbessern. Das leisten wir in Berlin.

Genossinnen und Genossen,

eine sozialistische Partei kann nicht im Status einer Protestpartei verharren.

Mit dem wachsenden Erfolg und der zunehmenden Stärke der Linken, die sich auch in guten Wahlergebnissen niederschlägt, gewinnt ein neues strategisches Element an Bedeutung: Die regierungspolitische Partizipation, eben als Ausdruck des sich verändernden Kräfteverhältnisses. Wobei wir uns nichts vormachen, der Gestaltungsspielraum für linke Politik bleibt begrenzt, aber diesen Spielraum nutzen wir und machen damit linke Politik für die Menschen real in ihrem Alltag erfahrbar.

Wir haben auf unserem Parteitag im November 2006 unter den Argusaugen der gesamten Partei gemeinsam beschlossen diese Option der regierungspolitischen Partizipation in Berlin zu versuchen.

Heute ziehen wir nüchtern eine erste Bilanz. Dazu haben wir den Leitantrag und unseren Bericht vorgelegt, dazu haben Klaus und andere gesprochen. Wir sind hier nicht zusammen, um irgendetwas schön zu reden. Die Ausgangslage ist klar: Der Aufbruch zur Veränderung unserer Gesellschaft erfolgt eben nicht aus irgendwelchen elysischen Feldern. Er erfolgt aus der Mitte eines ganz und gar real existierenden und sehr kampferfahrenen Kapitalismus.

Wenn zum Beispiel der Weg in die Gemeinschaftsschule auf Widerstand stößt und schwierig ist, dann liegt das schlicht auch daran, dass wir hier ins bildungspolitische Mark des bürgerlichen Berlins eindringen.

Ja, was haben wir denn erwartet, dass Frontstadt-Berlin Hosianna schreit, wenn wir das Bildungsprivileg aufbrechen?

Da braucht’s einen langen Atem, revolutionäre Geduld, Genossinnen und Genossen, nüchterne Einschätzung: keine Häme.

Genossinnen und Genossen,

wir haben nach der Entscheidung in die Koalition zu gehen, gesagt: Wir werden den Beweis anzutreten haben, dass man nicht nur in der Opposition, sondern auch in der Regierung kämpfen kann. Und das, Genossinnen und Genossen, ist der Maßstab, mit dem unsere Politik in den ersten zwei Jahren dieser Legislaturperiode gemessen werden muss. Das war keine Liebesheirat. Das bleibt harte Auseinandersetzung und täglich regierungskritisches Überprüfen unseres Handelns.

Ich habe damals gefordert: »Ab sofort, mit diesem Parteitag beginnend, muss eben stärker als beim letzten Mal in jeder Diskussion, in jeder Argumentation die angedachte, weitergehende linke Alternative mitgedacht und mit ausgesprochen werden.«

Das gelingt noch nicht immer, Genossinnen und Genossen, aber wir sind ein ganzes Stück weitergekommen. Erinnert euch an das Bild, das Wowereit kurz vor der letzten Wahl noch vermitteln konnte, dass wir der domestizierte Partner sind, der sich handzahm am Nasenring durch die politische Arena ziehen lässt: Das funktioniert schon vor der Halbzeitbilanz dieser Koalition so nicht mehr. Wowereit wollte über Tarife gar nicht reden und Körting wollte die Mitbestimmung schreddern. Wir haben uns behauptet, die SPD musste sich bewegen.

Das führt natürlich zu gewissen Befindlichkeitsstörungen bei der SPD und natürlich macht sie das nervös, – und das erklärt zum Beispiel auch zum Teil das Verhalten der SPD bei der Erbschaftssteuer –, sie müssen jetzt umdenken. Nichts mehr mit Entzaubern.

Jetzt können sie sich in ihrer innerparteilichen, aber auch in ihrer öffentlichen Darstellung nicht mehr defensiv quasi entschuldigend damit herausreden, dass die Linke in Berlin so pflegeleicht sei, jetzt müssen sie offensiv zu Rot-Rot stehen und dieses Bündnis politisch-inhaltlich begründen.

Wir haben damit eine neue Qualität in der Diskussion erreicht, die auch über Berlin hinaus von Bedeutung ist. Und in diesem Zusammenhang habe ich schon ein Problem damit, wenn führende Genossen unserer Partei in Fernsehdiskussionen und Talkshows aus dem Mustopf kommend sich immer wieder mit Berlin vorführen lassen, statt es als Modell für die notwendige Diskussion Rot-Rot auch bundesweit offensiv zu nutzen.

Etwas mehr Information und ein offensiverer Umgang mit dem, was wir hier erreicht haben und, natürlich auch kritisch, etwas mehr solidarische Nachfrage, warum wir manches noch nicht erreichen konnten, stünde den betreffenden Genossen gut an. Wir haben also noch reichlich zu tun. 19 Prozent!

Genossinnen und Genossen, der alte Landesvorstand hat die Partei auf einen guten Weg gebracht. Damit der neue Vorstand diesen Weg konsequent fortzusetzen kann, brauchen wir eure Unterstützung. Vielen Dank.

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