Erfolge auch wahrnehmen können

Rede von Wolfgang Albers


 

[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.

Genossinnen und Genossen,

Wir sind hier nicht zusammengekommen, uns die Welt schön zu reden, wir sind zusammengekommen, sie zu verändern.

Wenn wir heute kritisch Bilanz ziehen, dann zum einen, um zu zeigen, was wir nach fast drei Jahren Rot-Rot II erreicht haben und wo wir stehen nach acht Jahren Regierungsbeteiligung in dieser Stadt. Zum anderen aber auch, denn vieles haben wir ja auch noch nicht erreicht, um aus dieser Bilanz heraus die nächsten strategischen Schritte zu bestimmen und die nächsten Aufgaben zu definieren. Genossinnen und Genossen, ich habe neulich unsern Spitzenkandidaten aus Thüringen gehört, unsere Partei bräuchte Visionen. Ich weiß nicht, ob wir Visionen brauchen: Wir brauchen vor allem und zuallererst eine strategisch angelegte Politik, mit klaren, abrechenbaren Etappenzielen, die unseren Weg der politischen Veränderung dieser Gesellschaft markieren und seinen Fortschritt kenntlich machen. Daran arbeiten wir und dazu haben wir als Landesvorstand in Zusammenarbeit mit der Fraktion einen Leitantrag vorgelegt.

Genossinnen und Genossen:

Im Sommer 2007 hat der Landesvorstand zu den Tarif-Auseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst eine Erklärung verabschiedet: „Solidarität ist keine Einbahnstraße.“ Wir haben uns darin mit den berechtigten Forderungen der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes solidarisiert.

Das waren keine leeren Worte.

Wir haben diese Erklärung sehr ernst genommen und daraus entsprechendes politisches Handeln abgeleitet. Wir sind zur SPD auf Kollisionskurs gegangen und haben unsere Position intern in der Koalition und im Senat sehr deutlich gemacht und wir haben uns in dieser Frage öffentlich erkennbar von der Haltung der SPD abgesetzt.

Wir erinnern uns: Wowereit steuerte einen harten Kurs, konfrontativ und zeigte keinerlei Gesprächsbereitschaft.

Wir haben auf Bewegung gedrängt.

Diese Position ist sehr wohl wahrgenommen worden, von den Medien, aber auch von den Gewerkschaften, mit denen wir auf verschiedenen Ebenen Gespräche geführt haben und die unsere Unterstützung auch entsprechend zu würdigen wussten.

Im Ergebnis musste sich die SPD bewegen, ein Erfolg der Streikaktionen der Beschäftigten, die unsere Unterstützung hatten, aber auch eine Konsequenz aus unserer konsequenten Haltung. Im Mai 2009 hat der Landesvorstand aus diesen Erfahrungen und in der Kontinuität dieser Politik in Kooperation mit Gewerkschaftern, mit Personal- und Betriebsräten einen Grundsatz-Beschluss gefasst: »Unterstützung gewerkschaftlicher Positionen«.

Wir haben darin bewusst in Vorbereitung auf die anstehende Tarifrunde unsere Position bekräftigt und konkretisiert. Es heißt da:
DIE LINKE darf auch unter der Bedingung einer Regierungsbeteiligung in der Öffentlichkeit und bei den Beschäftigten nicht mit einer »Verzichtspolitik« identifiziert werden…

Mit Blick auf die Jahre 2009 und 2010 muss es nun darum gehen, die Weichen für eine Rückkehr in die Arbeitgeberverbände und die schrittweise Angleichung an die Einkommensverhältnisse in den anderen Bundesländern zu stellen. Diese Zielsetzung, …, werden wir auch vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht aufgeben:

  • weil die Beschäftigten einen begründeten Anspruch auf Gehaltszuwächse habe;
  • weil es angesichts von Milliardenschweren Rettungsmaßnahmen für Banken und Industrie nicht vermittelbar ist und keinen Sinn hat, hinter der Krise her zu sparen, sondern Einkommenszuwächse Massenkaufkraft stärken und über eine verstärkte Nachfrage konjunkturwirksam sind;
  • weil Tarifpolitik immer auch ein Stück weit Gesellschaftspolitik ist und DIE LINKE dem Ziel einer gerechten Verteilung des Volkseinkommens verpflichtet ist.

In der Kontinuität dieser Politik, die wir konsequent weiterverfolgen und mit der wir klares linkes Profil in der Frage der Tarifauseinandersetzungen zeigen, dafür steht auch der Antrag, den wir heute geeint vorlegen. Unsere Politik erschöpft sich eben nicht im Formulieren von Anträgen, auch eine Kunst, ich weiß, aber unsere Aufgabe ist es, aus unseren Anträgen politische Handlungsweisen zu entwickeln. Das haben wir in dieser Frage getan und darüber sollt ihr befinden. Wir kommen ja nicht so fröhlich zusammen, um Appelle aneinander zu richten. Diese Partei ist kein Appellationsorgan. Diese Partei ist eine handelnde Struktur, auch und gerade zwischen den Parteitagen: Wem sage ich das?

Und weil das so ist, müssen wir auf unseren Parteitagen endlich mehr danach fragen, was ist eigentlich aus unseren Anträgen geworden? So wird der Weg erkennbar, auf dem wir sind, dass wir auf diesem Weg vorwärtskommen und nicht immer wieder bei Null anfangen, wie es mancher Antrag manchmal suggerieren mag. Ja, Genossinnen und Genossen, wir sind vorwärts kommen. Wir haben dabei in den Jahren der Regierungsbeteiligung ganz besonders lernen müssen, mit Kritik umzugehen. Mit viel berechtigter Kritik, auch mit manch unberechtigter. Genossinnen und Genossen, wir müssen jetzt aber auch lernen, mit unseren Erfolgen umzugehen. Ebenso wichtig, wie die Kritik, ist für Sozialisten die Fähigkeit, Erfolge des politischen Kampfes auch als Erfolge wahrnehmen zu können. Und da haben wir allerdings noch erheblichen Entwicklungsbedarf.

Ein aktuelles Beispiel: Gestern berichtet das »Neue Deutschland« auf der ersten Seite über eine aktuelle Stunde im Bundestag am Donnerstag: »Linke solidarisiert sich mit den Studierenden« –»Bundestagsfraktion kritisiert Studiengebühren und Umsetzung der Bologna-Reformen«.
Über die aktuelle Stunde hier im Abgeordnetenhaus zur gleichen Problematik zur gleichen Zeit, auf der die CDU, die in den 90iger Jahren den Berliner Universitäten rund 500 Millionen Euro weggenommen hat, rot-rote Hochschulpolitik geißeln wollte, kein Wort.

Wir haben hier in Berlin keine Studiengebühren, wir haben niedrige Sozialbeiträge für’s Studentenwerk, wir geben in den nächsten Jahren trotz Haushaltskrise rund 950 Millionen Euro pro Jahr und noch einmal insgesamt zusätzlich 334 Millionen Euro bis 2013 in die Hochschulen, 3,5% Aufwuchs, mehr als in allen anderen Ressorts, wir schaffen 6.000 zusätzliche Studienanfängerplätze in dieser Stadt.
Dazu gestern kein Wort im ND, stattdessen darüber, dass sie von der Aue den Tee und ein paar Akten aus dem Auto geklaut haben, dafür hatten sie eine ganze Spalte. Wir haben also noch eine ganze Menge zu tun. Offensichtlich auch in den eigenen Reihen. Also, Genossinnen und Genossen, lasst uns Bilanz ziehen: Nicht überschwänglich: nüchtern, die Schwierigkeiten sehend, aber die Erfolge eben auch als Erfolge wahrnehmend.

Apropos Erfolg: Wir freuen uns für unsere Brandenburger Genossen, ihr habt unsere Unterstützung. Wir wissen es gut und haben es selbst erfahren, welche Widerstände und Widrigkeiten sich zusätzlich auftun, wenn man eine solche Entscheidung getroffen hat. Da tut Unterstützung gut. Aber diese Freude ist natürlich nicht ganz uneigennützig: Wir freuen uns vor allem auch, weil wir jetzt nicht mehr nur aus unseren eigenen Fehlern lernen müssen.

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