Zu einigen Baustellen der Berliner Linken

1. Parteitag, 1. Tagung
Parteitag

Cornlia Hildebrandt in der Generaldebatte

[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Genossinnen, liebe Genossen, liebe Freunde,

Zum Gründungsparteitag der neuen Linken sind die Berliner mit einer Morgengabe gekommen: die Nichtprivatisierung der Berliner Sparkasse. Das war wichtig, denn damit wurde nicht nur ihre Privatisierung verhindert, nicht nur das Drei-Säulen-Modell für Deutschland gegen den Willen der Europäischen Kommission verteidigt, sondern damit wurde unterstrichen, dass auch für die neue linke Partei Handeln in Regierungsverantwortung als eine Option politischer Handlungsfähigkeit bleiben muss.

Die Verhinderung dieser Privatisierung wie auch die Verhinderung der Privatisierung von Vivantes und Charité, der Berliner Verkehrsbetriebe und auch der Verkauf von weiteren städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind nicht nur Option, sondern Voraussetzung für Gestaltung linker Politik auch auf Landesebene.  Aber diese Gestaltung steht z.T. noch aus. Es muss erkennbar sein, warum wir öffentliche Betriebe und öffentliche Güter erhalten wollen, was den Unterschied zur Privatisierung ausmacht für jene, die sie nutzen und für jene, die im öffentlichen Sektor arbeiten.

Wir haben mit unserem Protest und mit unserem Wirken im Parlament die Privatisierungen stoppen können, und das ist viel. Wir müssen nun das, was wir nicht privatisiert haben, als Eigentümer gestalten und das ist schwieriger. Denn noch hat die Linke – weder auf Bundesebene noch auf der Ebene der Landesverbände ein Gesamtkonzept zur öffentlichen Daseinsvorsorge  entwickelt. In Berlin z.B. ist das Sanierungskonzept für die Berliner Wohnungsbaugesellschaften noch immer in Arbeit. Die Prozesse des Outsourcens von Bereichen  öffentlicher Betriebe laufen unterhalb der Schwelle von Privatisierungen. Hier haben wir eine unserer wichtigsten Baustellen.

Die Linke steht für soziale Gerechtigkeit, auch in Berlin. Dafür stehen das Sozialticket, die AV-Wohnen, das Kulturticket, dafür steht auch, dass es keine Studiengebühren gibt und das neue Integrationskonzept. Denn Gerechtigkeit heißt soziale und demokratische Teilhabe und ein solidarischer Umgang miteinander, unabhängig davon, welcher sozialer, ethnischer oder weltanschaulicher Herkunft wir sind.

Aber was wir noch nicht geschafft haben, ist die Entwicklung einer Strategie für eine soziale Stadt als ein Landesentwicklungskonzept für Berlin, wie es andere Landesverbände der Linken in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg schon haben. Es muss erkennbar sein, wo wir hinwollen, welches unsere Wege und unsere Projekte sind,  die es ja gibt. Wir haben ja im Wahlkampf um den öffentlichen Beschäftigungssektor und um die Gemeinschaftsschule gestritten. Wir müssen sie zu Knotenpunkten machen, an denen sich vieles bündeln lässt, und sie in einem Gesamtkonzept zusammenbringen.

Das aber schafft nicht die Fraktion oder der Landesvorstand allein, dazu braucht man den ganzen Landesverband. Dazu gibt es auch nicht nur eine Strategie, sondern diese wird je nach konkreter Fragestellung und politischer Verantwortung, nach Wirkungsmöglichkeit auf Landes- und Bezirksebene unterschiedlich und ebenso auch widersprüchlich sein. Aber bei aller Widersprüchlichkeit und Unterschiedlichkeit muss die gemeinsame Idee stärker erkennbar sein, wie auch eine stärkere Verzahnung von Landes- und Bezirksebene.

Natürlich gehört hierzu auch die Verknüpfung von parlamentarischer und außerparlamen¬tarischer Arbeit. Konkret: Regelmäßige Gespräche mit Gewerkschaften, Vertretern von Sozialverbänden und Vertretern sozialer Bewegungen gehören in die Arbeit des Landesvorstandes. Es reichen nicht die Gespräche in der Fraktion, sondern hier muss es eine stärkere Verknüpfung mit der inhaltlich konzeptionellen Arbeit des Landesvorstandes geben, die weiterentwickelt werden muss.   

Und noch etwas haben wir im letzten Jahr begonnen, aber noch nicht zu Ende bringen können: die Reform unserer Partei auf Landes- und Bezirksebene. Das ist nicht nur wegen unserer Altersstruktur wichtig. Die Mitgliederbefragung in Marzahn-Hellersdorf kam u.a. zu dem Ergebnis, dass es die intensivste Bindung der Mitglieder an ihre Basisorganisationen gibt, etwas schwächer ist sie an die Bundespartei, deutlich schwächer an die Landespartei. Das verweist auf ein Problem. Begründet wird dies vor allem mit dem fehlenden Profil der Linken auf Landesebene, ihrer mangelnden Öffentlichkeitsarbeit über Erfolge, Niederlagen und auch Probleme der Arbeit.

Aber zurück zur Basis. Wir müssen die Funktionsfähigkeit und Attraktivität unserer Basisstrukturen stärken, sie stärker in unsere Entscheidungsprozesse einbinden. Wir müssen wieder bürgernäher auch für unsere eigene Mitgliedschaft sein. Und wir brauchen nach Innen und nach Außen eine neue Qualität von Seniorenarbeit.

Wir brauchen auch neue Formen von politischer Bildung für uns selbst, das unterschiedlichen Ansprüchen, Sozialisationen, und Alter gerecht wird. Hier liegt ein erstes Konzept vor. Ich möchte mich an deren Umsetzung gerne beteiligen und hoffe auch hier auf weitere Mitstreiter.

Und wir brauchen wirklich arbeitende Projektgruppen und Landesarbeitsgemeinschaften, die sich zu erweiterten Kompetenzzentren entwickeln, denn es bleibt zunächst so, dass wir mit einer kleineren Fraktion arbeiten, die als Juniorpartner linke Projekte parlamentarisch durchsetzen soll. Dabei geht es natürlich nicht nur um Projekte, sondern um den Anspruch, Lebensbedingungen konkret zu verbessern, als „Kümmererpartei“ erkennbar zu sein.

Viele kennen ja den Satz inzwischen: Eine andere Welt ist möglich. Ich möchte diesen ergänzen: Diese beginnt vor der eigenen Haustür.

Vielen Dank.