Innenpolitik, Bürger*innenrechte und Justiz
Demokratie ist kein »fertiger« Zustand; Demokratie muss Tag für Tag von Bürger*innen gelebt werden. Sie muss aber auch gelebt werden können: auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Es ist und bleibt Aufgabe der Politik, Bürger:innen mehr Beteiligung zu ermöglichen. Alle Menschen sollen sich in die Stadtpolitik einmischen und mitentscheiden können.
Wir wollen die benötigten Quoren für Volksbegehren auch bei verfassungsändernden Volksbegehren senken und das Zustimmungsquorum abschaffen. Außerdem sollen auch digitale Unterschriftsverfahren datenschutzkonform möglich werden.
Wir wollen die Fragen, über die per Volksentscheid abgestimmt werden darf, erweitern, so dass auch über die Tarife von öffentlichen Unternehmen oder zu zahlende Abgaben entschieden werden kann. Bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen sollte immer ein Volksentscheid durchgeführt werden. Darüber hinaus wollen wir die Einführung eines Einspruchsreferendums. Das heißt, dass ein Volksentscheid über vom Abgeordnetenhaus bereits beschlossene Gesetze herbeigeführt werden kann. Somit sollen die Berliner:innen direkten Einfluss auf Entscheidungen des Parlaments nehmen können.
Bürger*innen sollen auf lokaler Ebene Entwicklungen in ihren Kiezen und Nachbarschaften mitgestalten können. Wir wollen weitere Beteiligungsgremien unterstützen, etwa bei Projektentwicklungen oder durch die Bildung von Quartiers- oder Stadtteilräten im Losverfahren. Beteiligungskonzepte sollen die Formate verbindlicher werden lassen. Um den Dialog zwischen Anwohner:innen, der Politik und der Verwaltung zu verbessern und alle in Planungsprozesse vor Ort einzubeziehen, sollen niedrigschwellige Formen zur digitalen Beteiligung an Planungsprozessen und Abstimmungen in Kiezen weiterentwickelt werden. Dafür braucht es ein besseres Beteiligungsportal, mit dem die unterschiedlichen Wünsche nach digitaler Beteiligung umfassend erfüllt werden können. Bezirkliche Leitlinien der Bürger:innenbeteiligung wollen wir unterstützen und Beteiligungsbüros in allen Bezirken schaffen. Beteiligungsformen sind oft noch nicht perfekt, daher wollen wir Pilotprojekte fördern, die innovative Ideen und deren Umsetzung ermöglichen. Die Möglichkeiten und die rechtliche Verbindlichkeit von Einwohneranträgen, Bürgerbegehren sowie Bürgerentscheiden auf Bezirksebene sollten ausgebaut und gestärkt werden.
Berlin ist eine Stadt des Ehrenamts. Die Corona-Krise hat in Berlin und deutschlandweit eine Welle der Hilfsbereitschaft von Bürger:innen ausgelöst. Aktive Nachbarschaftshilfe in Form von Hilfezetteln an den Haustüren, Chatgruppen, Einkaufshilfen oder Spendenzäunen hat Unterstützung für die Menschen schnell und solidarisch organisiert. In der Krise haben sich die Vielfalt des ehrenamtlichen Engagements und die Notwendigkeit von funktionierenden Strukturen in den Stadtteilzentren, Freiwilligenagenturen, Kirchen und Vereinen gezeigt.
Für bessere Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliche Organisationen, Initiativen sowie Ehrenamtliche wollen wir die Handlungsempfehlungen der Berliner Engagementstrategie 2020 bis 2025 umsetzen.
Nur mit stabilen Strukturen kann die Zivilgesellschaft innovativ, wirksam und teilhabeorientiert agieren. Es bedarf einer stabilen, flächendeckenden Infrastruktur, die Menschen vor Ort in ihrem Engagement unterstützt. Wir wollen Freiwilligenagenturen weiterentwickeln, Stadtteilzentren ausbauen und Beteiligungsbüros nach den Leitlinien für Bürger:innenbeteiligung schaffen. Unterstützt wird das mit im Bezirksverwaltungsgesetz zu verankernden Beauftragten für bürgerschaftliches Engagement in den Bezirken.
Das Engagement junger Menschen im Ehrenamt wollen wir mit der Stärkung der gesetzlichen Freiwilligendienste fördern.
Oft verwehrt der Arbeitsalltag der Menschen ehrenamtliches Engagement. Daher soll bei Arbeitgeber:innen dafür geworben werden, Engagierte für ehrenamtliche Tätigkeit freizustellen und Arbeit flexibler gestalten zu können. Wir wollen die Berliner Verwaltung dafür als Vorbild entwickeln. Die Kommunikation und Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen sollte Teil der Aus- und Fortbildung für alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung sein. Freiwilliges Engagement der Beschäftigten muss bei der Personalentwicklung stärker berücksichtigt werden, z.B. durch eine Aufnahme in die Leitlinien zur Personalentwicklung sowie in Ausschreibungen und Anforderungsprofile.
Ebenso wollen wir ehrenamtliches Engagement von Studierenden im Hochschulgesetz positiv berücksichtigt sehen.
Der Berliner Demokratietag fand 2020 erstmalig statt. Wir wollen diesen verstetigen und weiterentwickeln. Der Tag des Ehrenamts soll in Berlin sichtbarer werden, so dass dieser Dank an die Ehrenamtlichen tatsächlich wahrgenommen wird. Zur innovativen Weiterentwicklung des Ehrenamts wollen wir eine jährliche Engagementkonferenz etablieren.
Zur Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement wollen wir die Nutzung des ÖPNV für Ehrenamtliche kostenfrei und die Ehrenamtskarte attraktiver machen. Beim Bund setzen wir uns ein, dass etwaige Aufwandsentschädigungen zukünftig nicht mit Sozialleistungen verrechnet werden.
Räume fehlen überall, so auch für ehrenamtliche Initiativen. Daher soll geprüft werden, welche landeseigenen Räume bereitgestellt werden können, dauerhaft oder zeitweise. Bei der Planung von öffentlichen Gebäuden und von Gebäuden städtischer Wohnungsbaugesellschaften wollen wir, dass Räume für die Zivilgesellschaft mitgedacht werden. Eine weitere Möglichkeit sind Zwischennutzungen von Räumen.
Wir wollen digitales Engagement und Beteiligung stärken, die Förderung von Pilotprojekten kann hierfür eine Hilfe sein. Die Erweiterung von digitalen Kompetenzen zivilgesellschaftlicher Organisationen und Initiativen ist ebenso erforderlich. Quelloffene Softwarelösungen für ehrenamtliches Engagement sollen geschaffen, das Engagementportal des Landes Berlin soll attraktiver werden.
Wir wollen das Wahlalter für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus sowie für Volksentscheide auf 16 Jahre absenken. Jugendliche sind in der Lage, politische Vorgänge zu bewerten und sich selbst politisch einzubringen. Auch sie sollen aktiv über ihre Zukunft mitentscheiden können. Nicht nur Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft sollten in unserer Stadt das Wahlrecht haben, sondern alle Menschen, die hier leben. Wir werden uns daher weiter auf allen Ebenen dafür einsetzen, ein Wahlrecht für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft zu schaffen. Die undemokratischen Sperrklauseln und Prozenthürden bei Wahlen sollen entfallen.
Die beste Prävention gegen Korruption und Misswirtschaft ist größtmögliche Transparenz staatlichen Handelns. Das Recht auf Informationsfreiheit ist hierfür ein elementarer Bestandteil. Wir setzen uns dafür ein, dass der Staat seine Daten und Informationen allen Bürger:innen proaktiv in offenem Format und kostenfrei zur Verfügung stellt. Die bisherigen Regelungen sollen erweitert werden und neben Behörden auch privatrechtlich organisierte, öffentliche Unternehmen erfassen. Wir setzen uns weiterhin für eine starke Lobbyregulierung ein. Dazu gehört das bereits vorgeschlagene Lobbyregister mit der Ergänzung um den legislativen Fußabdruck, um den Entstehungsprozess der Gesetzgebung transparent und die Beteiligung sichtbar zu machen. Außerdem schlagen wir vor, dass Abgeordnete, Senator:innen sowie Staatssekretär:innen verpflichtet werden, ihre Einkünfte sowie das Verhältnis von Nebeneinkünften und Mandatsbezügen detailliert offenzulegen. Nicht nur die Höhe der Einkünfte, sondern auch der zeitliche Umfang der Nebentätigkeit soll nachvollziehbar sein.
Wir setzen uns für die Einrichtung einer Kommission ein, die Vorschläge zur Reform der Berliner Verfassung vorlegt. Beraten werden sollen u. a. Reformen im Wahl- und Abstimmungsrecht, die Rolle der Berliner Bezirke sowie der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Kommission soll Möglichkeiten der Bürger*innenbeteiligung vorsehen.
Trotz Verbesserungen besteht für viele Jugendliche mit Migrationsgeschichte die Pflicht, sich zwischen zwei Staatsbürgerschaften zu entscheiden. Das wird dem Umstand einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft nicht gerecht; Doppel- und Mehrfachstaatsbürgerschaften sind in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft als Normalzustand anzuerkennen. Wir werden uns weiter auf Bundesebene für ein demokratisches Staatsbürgerschaftsrecht einsetzen, das die Einbürgerung erheblich erleichtert und doppelte und Mehrfachstaatsangehörigkeiten ohne Einschränkungen zulässt. Wir werden weiter für eine Politik der gesellschaftlichen Teilhabe, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, auf allen Ebenen kämpfen.