Wiederaufbau der Nordbahn

Wiederaufbau der Nordbahn

Gesundbrunnen – Wilhelmsruh – Birkenwerder

1. Handlungsbedarf

Die Deutsche Bahn AG (DB) wird aufgefordert,bei der Errichtung der Abstell- und Behandlungsanlage Schönholz und der Brückenerneuerung Wollankstraße die Strecke bis Schönholz von vornherein zweigleisig auszubauen unddie Trasse der durchgehenden Hauptgleise der Nordbahn neben der Abstellanlage freizuhalten.

Die DB und die beteiligten Länder Berlin und Brandenburg werden aufgefordert, die ersten Planungsstufen für den vollständigen zweigleisig elektrifizierten Wiederaufbau der Nordbahn unverzüglich einzuleiten und vorzufinanzieren. Die Kapazität der weiterführenden Teilstrecke Birkenwerder – Löwenberg ist zu erhöhen.

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und die DB werden aufgefordert, den Lückenschluss der Nordbahn konkret als Projekt zu definieren und im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans sowie im Deutschlandtakt zu platzieren.

2. Anlass

Der vollständige zweigleisig elektrifizierte Wiederaufbau der Nordbahn Berlin-Gesundbrunnen – Schönholz – Hohen Neuendorf ist wegen der hohen verkehrlichen Bedeutung seit langem Bestandteil der Länderplanungen und des mit dem Bund verabredeten Pilzkonzepts. Er ist im Zielkonzept des Bündnisses Schiene Berlin-Brandenburg (BSBB) vom März 2021 enthalten.  Auch der Fahrgastverband Pro Bahn forderte, zuletzt in der Presseerklärung vom 06.12.2023, die Reaktivierung dieser wichtigen, 1952 stillgelegten Fernbahn-Achse. Als erste Teilstrecke wird Gesundbrunnen – Wilhelmsruh benötigt, um die Heidekrautbahn über ihre Stammstrecke bis Gesundbrunnen zu führen.

Der Tagesspiegel – Newsletter Pankow – berichtete am 04.06.2024 unter Berufung auf den Brandenburger Verkehrsminister und den Geschäftsführer der Niederbarnimer Eisenbahn:

  • Die Anbindung der Heidekrautbahn von Wilhelmsruh über die Nordbahn an den Fernbahnhof und ÖPNV-Knoten Gesundbrunnen ist aktuell unwahrscheinlich.
  • Grund dafür ist ein nicht ausreichendes Ergebnis der ersten (vorläufigen) Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) für diesen Abschnitt.

Die gleichzeitig gegebene Information, dass die DB das letzte vorhandene durchgehende Hauptgleis der Nordbahn als Einfahrgleis in die Abstellanlage nutzen will, wurde später widerrufen.

Berlin und Brandenburg wollen sich „unabhängig von den Ergebnissen zur Durchbindung der Stammstrecke der Heidekrautbahn“ mit dem Bundesverkehrsministerium „zu weiteren Gesprächen“ zusammensetzen, „um eine gesamthafte Lösung abzustimmen und den Wiederaufbau der Nordbahn gesamthaft zu betrachten“.

Auf dem Fahrgastsprechtag am 21.10.2024 wurde bekanntgegeben, dass die Strecke Birkenwerder – Karower Kreuz – Gesundbrunnen als „überlasteter Schienenweg“ eingestuft werden soll oder schon wurde. Die nahe liegende Lösung mittels Entlastung durch die Nordbahn wurde dabei noch nicht genannt.

3. Verkehrsaufgaben und Ausbauziele

 

Die Nordbahn Berlin – Neustrelitz – Stralsund einschließlich der Lloydbahn Neustrelitz - Rostock, von der hier nur der Berliner und Brandenburger Teil Gesundbrunnen – Löwenberg betrachtet wird, wird fünf verschiedene Verkehrsaufgaben und komplexe Zielstellungen zu erfüllen haben.

3.1 Überregionale Bedeutung

Die Nordbahn hat überregionale Bedeutung für den Fernverkehr nach Rostock / Skandinavien und Stralsund sowie zu Zielen nördlich von Oranienburg im Regionalverkehr. Sie stellt den direkten und kürzesten Weg von Berlin (Gesundbrunnen) nach Oranienburg dar.

Die Fern- und Regionalzüge müssen zurzeit den Umweg über die Stettiner Bahn, die eingleisige Verbindungskurve am Karower Kreuz mit niveaugleichen Abzweigen und den nördlichen Außenring nach Birkenwerder nehmen. Das bedeutet Fahrzeitverlängerung und Behinderungen mit Fern- und Regionalverkehr auf der Stettiner Bahn sowie mit dem Güterverkehr auf dem Außenring.

Mit einer weitaus höheren Leistungsfähigkeit der Gesamtstrecke sollen folgende Ziele erreicht werden:

  • Aufnahmefähigkeit für wesentlich dichteren Zugverkehr zum Erreichen der politischen Vorgaben im Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz im Großknoten Berlin
  • Kürzere Fahrzeit der Fernzüge nach Rostock und der Regionalzüge nach Neustrelitz – Rostock / Stralsund
  • 30-min-Takt des RE mindestens bis Neustrelitz
  • Direktverbindungen und Taktverdichtung nach Templin und Rheinsberg
  • Kurze Übergangszeiten zwischen den Regionallinien in Oranienburg mithilfe von dichter Blockteilung auf der Strecke davor und danach.

3.2 Zugang der Heidekrautbahn zum Zentrum Berlins

Aufnahme der Züge der Heidekrautbahn von der Stammstrecke ab Wilhelmsruh bis Gesundbrunnen, um den Umsteigezwang in Wilhelmsruh zu vermeiden und die Reisezeiten von den Bahnstationen der Stammstrecke in die Berliner Innenstadt zu reduzieren.

3.3 Zugang für den Prignitz-Express zum Zentrum Berlins

Nach der Entscheidung, die Kremmener Bahn in Berlin vorerst nicht wieder für den Regionalverkehr und den Prignitz-Express zu nutzen, kann nur die Nordbahn eine schnelle Verbindung aus der Prignitz nach Berlin herstellen.

Um den Umweg des Prignitz-Expresses über Falkensee – Spandau zu verkürzen, wird im i2030-Projekt geplant, die Nordostkurve am Hennigsdorfer Kreuz aufzubauen. Für den zunächst vorgesehenen 60-min-Takt und sogar für den im BSBB-Zielkonzept verankerten 30-min-Takt kann sie mit leistungsfähiger Blockteilung und Sicherungstechnik eingleisig ausgeführt und niveaugleich in den Außenring eingebunden werden. Trasse und Brückenwiderlager sind aus unvollendeter Planung der 1950er Jahre bereits vorhanden.

Dann würde aber noch der Umweg über den stark mit Güterverkehr belasteten nördlichen Außenring, das begrenzt leistungsfähige Karower Kreuz und die Stettiner Bahn verbleiben. Nach Wiederaufbau der Nordbahn zwischen Gesundbrunnen/Abzweig Bornholmer Straße und dem Hohen Neuendorfer Kreuz/Birkenwerder kann der Prignitz-Express aufgenommen werden, um schneller und betrieblich unabhängiger Gesundbrunnen und die Nord-Süd-Verbindung zu erreichen.

3.4 Entlastung der Stettiner Bahn und des Außenrings

Mit der Aufnahme des Prignitz-Expresses trägt die Nordbahn dazu bei, Fahrwegkapazitäten auf der Stettiner Bahn, im Karower Kreuz und auf dem nördlichen Außenring für die dort notwendigen Fern-, Regional- und Güterzüge freizusetzen.

3.5. Ausweichstrecke bei Bauarbeiten und Störungen

Bauarbeiten und Störungen im Großraum Berlin aufgrund fehlender Redundanz des Schienennetzes sind ein Dauer-Hindernis beim Ziel, ein attraktives öffentliches Verkehrsangebot vorzuhalten. Zum Beispiel ist eine weiträumige Umfahrung des Raums Spandau oder Pankow sinnvoll und notwendig, um nicht bei kleineren Störungen die komplette Anbindung aus den jeweiligen Strecken nach Berlin aufgeben zu müssen. Mehr Redundanz ist bei aktuellen Großvorhaben des Bahnausbaus ein zunehmend wichtiges Thema.

4. Ausgangslage und Planungen

Außerhalb von i2030 plant die DB eine neue Abstell- und Behandlungsanlage für den Fernverkehr in Schönholz und die eingleisige Elektrifizierung Abzweig Bornholmer Straße – Schönholz. Bis zur Beräumung des Geländes lag noch das östliche der beiden durchgehenden Nordbahngleise, die Achse des westlichen ist ohne Gleis.  Die DB hat zugesichert, dass beide Gleisachsen für die durchgehenden Gleise der Nordbahn freigehalten werden. Die beiden S-Bahn-Gleise verlaufen südlich vom Bahnsteig Schönholz im Abstand der Bahnsteigbreite. Hier plant die DB, wieder Abstellgleise für die S-Bahn zu errichten.

Das Projekt i2030 enthält nur den Umbau des Bahnhofs Birkenwerder. Die Entflechtung Regionalverkehr / S-Bahn durch einen eigenen Regionalbahnsteig beseitigt die Abhängigkeiten zwischen S-Bahn und Fernbahn in der Stromversorgung, Fahrplankonstruktion und Betriebsführung. Sie stellt Umsteigemöglichkeiten zwischen der S-Bahn und den Regionallinien nach Berlin (Gesundbrunnen, Hohenschönhausen) und Hennigsdorf – Potsdam her. Planungsvertrag und Finanzierungsvereinbarung für die Vorplanung wurden Anfang August 2024 abgeschlossen.

Die Stammstrecke der Heidekrautbahn (Wilhelmsruh – Schönwalde) wird nur eingleisig und ohne Oberleitung geplant. Vorgesehen ist der Einsatz von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen. Als erste Baustufe sollen die Züge der Heidekrautbahn an einem Bahnsteig neben der Nordbahn in Wilhelmsruh enden. Im Ergebnis der Anhörung zu den Planfeststellungsunterlagen werden diese zurzeit überarbeitet, vor allem bei den Bahnübergängen und -querungen sowie beim Schallschutz. 2025 sollen die Planfeststellungsunterlagen zum zweiten Mal ausgelegt werden.

Zur Durchbindung der Heidekrautbahn nach Gesundbrunnen ist oder war vorgesehen, die Nordbahn-Teilstrecke Schönholz – Wilhelmsruh eingleisig ohne Elektrifizierung wiederaufzubauen. Selbst dies wird als Ergebnis der Nutzen-Kosten-Untersuchung jetzt wieder in Frage gestellt. Die Anfrage nach den Stellschrauben zur Verbesserung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses beantwortete der Senat am 23.08.2024 nicht; stattdessen verwies er auf die bekannten Regeln und den Gutachter.

Die Strecke ab Birkenwerder nordwärts ist zwar teilweise mit 160 km/h befahrbar, hat aber wegen sehr langer Blockabschnitte eine zu geringe Kapazität. Nach Neustrelitz und Templin bestehen nur 60-min-Takte, mit schlechten Anschlüssen untereinander. Nach Rheinsberg fahren nur Einzelzüge, zu denen in Löwenberg umgestiegen werden muss.

Laut Senatsantwort vom 23.08.2024 ist die Nordbahn inzwischen in den potenziellen Bedarf des Bedarfsplans Schiene aufgenommen worden. Der Abschnitt Berlin – Birkenwerder ist „allerdings nicht im Detail bewertet worden“. Weiter heißt es dort: „Die Länder Berlin und Brandenburg haben den Bund um eine eigene Bewertung für den Abschnitt Gesundbrunnen – Birkenwerder … im Rahmen der ABS Berlin – Stralsund gebeten.“

5. S-Bahn

Die S-Bahn-Gleise wurden in den 1980er und 1990er Jahren stellenweise auf dem Planum der Ferngleise verlegt. Die Teilstrecke Frohnau – Hohen Neuendorf ist nur eingleisig, so dass der 10-min-Takt in Frohnau endet und Oranienburg nur im 20-min-Takt erreichbar ist.

Ziel ist der 10-min-Takt der S-Bahn bis Oranienburg. Dafür ist das zweite Gleis Frohnau – Hohen Neuendorf zu errichten, für einen stabilen Betrieb auch das zweite Gleis Lehnitz – Oranienburg.

Die DB hat die Grundlagenermittlung mit einem ausreichenden Nutzen-Kosten-Indikator abgeschlossen. Planungsvertrag und Finanzierungsvereinbarung für die Vorplanung wurden Anfang August 2024 abgeschlossen. Die Realisierung soll sich jedoch bis 2038 hinziehen.

6. Fehlende Planungen und Entscheidungen

Aus den Verkehrsaufgaben resultiert die Forderung nach Wiederaufbau der Ferngleise der Nordbahn Bornholmer Straße – Birkenwerder, zweigleisig und elektrifiziert, leistungsfähig und für 160 km/h, auch wenn zum Teil S-Bahn-Gleise aus falscher Lage zurückverschwenkt und der Bahndamm verbreitert werden muss.

In Wittenau und Wollankstraße ist Platz für Regionalbahnsteige freizuhalten, um diese zu Umsteigeknoten zur S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahn zu entwickeln und das dortige Verkehrspotenzial zu erschließen.

Damit die Nordbahn als Ersatz für die Kremmener Bahn dienen kann, müssen die in Planung befindliche Nordostkurve am Hennigsdorfer Kreuz und eine neue Südwestkurve am Hohen Neuendorfer Kreuz errichtet werden. Die vom BSBB für das Hohen Neuendorfer Kreuz vorgeschlagenen Varianten müssen näher untersucht und abgewogen werden.

Die Streckenkapazität Birkenwerder – Löwenberg ist durch Blockverdichtung für kurze Zugfolgezeiten zu erhöhen. In Löwenberg und möglichst auch in Birkenwerder werden signaltechnische Anlagen zum Flügeln gebraucht.