Die Zukunft der Stadt solidarisch entwickeln
Beschluss 1 / 1 / 9
Für ein Programm des sozialen Zusammenhalts
Das Ergebnis der Wiederholungswahl und der nachfolgenden Sondierungsgespräche zwingt unsere Partei zur Neuorientierung. Auch wenn das Landes-Wahlergebnis besser als die Umfragen war: der Verlust von Direktmandaten, Bürgermeister- und Stadtratsämtern, die Verkleinerung der Fraktionen in Land und Bezirken, der Verlust des Fraktionsstatus in einigen Bezirken und nicht zuletzt der Gang in die Opposition auf Landesebene – all dies sind Rückschläge für eine handlungsfähige, sichtbare, rebellische, linke Politik.
Die Regierungsbilanz des ersten Jahres dieser Wahlperiode, die Bewältigung der Aufnahme von Geflüchteten und der explodierenden Lebenshaltungskosten, kann sich sehen lassen. Aber wird sie auch gesehen? Auch wenn Rot-Grün-Rot nicht abgewählt wurde schwand das Vertrauen der Berliner*innen in die Lösungskompetenz der Mitte-Links-Koalition. Auf der anderen Seite wird auch der konservativen Wahlgewinnerin nicht zugetraut, die grundlegenden Probleme der Stadt in den Bereichen Wohnungs- und Mietennot, in Bildung, Verkehr und Verwaltung anzugehen.
Auch im Bereich Klima- und Umweltschutz ist von CDU und SPD keine positive Wende zu erwarten, wie sie u.a. mit ihrem Vorhabe der Randbebauung des Tempelhofer Feldes schon medial ankündigten. DIE LINKE steht nach wie vor für die Einhaltung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes und wird allen Änderungsabsichten der Regierungskoalition entgegenwirken.
Die Stadt driftet auseinander – politisch, kulturell und vor allem sozial. Die Multikrise, aber auch die Fliehkräfte einer forcierten kapitalistischen Metropolenentwicklung und sich dadurch verstärkende Ausschlüsse führen dazu, dass sich Menschen von ihrer Stadt entfremden. Wir kämpfen dafür, dass Berlin ein Zuhause für alle bleibt. Denn gerade Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen drohen an den Rand gedrückt zu werden. Dabei prägen sie das Herz und die Seele Berlins.
Dieser Situation des politischen Vertrauensverlustes begegnen wir als LINKE in Berlin mit einem Neustart. Die kommenden Jahre in der Opposition wollen wir nutzen, um programmatische Substanz auszubauen – gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, mit engagierten und fachkundigen Menschen aus Initiativen, Gewerkschaften und Bewegungen aus allen Bereichen der Stadt.
Wir wollen das Programm für eine Stadt, die Menschen vor Verdrängung schützt, mindestens 50 Prozent des Wohnraums in gemeinnütziger Hand hält und Menschen ausreichend bezahlbaren Wohnraum bereitstellt. Wir halten daran fest, dass 10 % aller neu zu vermietenden Wohnungen in öffentlicher Hand für wohnungs- und obdachlose Menschen zur Verfügung stehen sollen. Nur über eine verbindliche Quote wird ausreichend Wohnraum bereitstehen, um die Obdachlosigkeit in Berlin bis 2030 abbauen. Außerdem wollen wir die großen Wohnungskonzerne vergesellschaften. DIE LINKE Berlin unterstützt weiterhin die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co enteignen“, die bei der Beteiligung der Mieterinnen und Mieter imKampf umeine Stadt von unten, neue Maßstäbe setzt. Wir sind in Berlin Teil einer Vergesellschaftungsbewegung, um zentrale Lebensbereiche, wie Energie, Gesundheit, Bildung, Kultur und Mobilität in die Hand der Einwohnerinnen und Einwohner zu bringen.
Wir wollen ein Programm für eine soziale Stadt, die funktioniert und gute Arbeit bietet. Eine Stadt, die Klimaneutralität im Einklang mit den Pariser Zielen organisiert und die zugleich auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet ist. Eine Stadt, deren soziale und kulturelle Infrastruktur so ausgebaut und modernisiert wird, dass sie das Gemeinwesen trägt und die mit gut ausgestatteten, inklusiven Kitas und Schulen sowie längerem gemeinsamen Lernen echte Wege zur Chancengleichheit beschreitet. Wir erarbeiten ein Programm, das die nichtkapitalistischen, solidarischen Seiten dieser Stadt stärkt und weitere Bereiche und Räume der Verwertung entzieht. Wir wollen eine Stadt, in der „Arrival City“, Weltstadt und Zuhause für ein ganzes Leben zu sein, kein Widerspruch ist. Eine Stadt, die ihre Vielfalt nicht beklagt, sondern kultiviert, in der jede Form von Diskriminierung zurückgedrängt wird und die, die gleichen Chancen für alle bietet. Eine Stadt, die generationsübergreifend volle soziale Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen und ein gutes Leben für alle, auch für vulnerable gesellschaftliche Gruppen in der Stadt bietet, die Mobilität für alle garantiert. Der Zugang zur gesundheitlichen Versorgung und bedarfsgerechter Pflege muss für alle, unabhängig von Lebensalter, körperlichen und geistigen Einschränkungen sowie finanzieller Situation gesichert werden.
Wir werden in den kommenden Jahren bis 2026 eine Politik der „Stadt von unten“ entwickeln und erproben, die in der Lage ist, ein neues vertrauensvolles Miteinander von Zivilgesellschaft sowie Stadt- und Bezirkspolitik zu begründen, die Räume schafft für gemeinwohlorientierte, stadtpolitische Organisation, Selbstwirksamkeit und Empowerment. Die besondere Heraus-forderung dabei liegt in einer stärkeren Entscheidungsmacht der Berliner*innen, in einer Ver-bindung der Kieze innerhalb und außerhalb des S-Bahn Rings, der Überwindung von kulturellen und sozialen Barrieren und der Stärkung von Selbstorganisation auch in weniger politisch aktiven Bereichen.
Wir suchen dazu den Austausch mit lokalen Initiativen in unseren Kiezen, aber auch mit linker Politik aus Städten in Europa und der Welt, die mit den gleichen Problemen kämpfen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Wir kämpfen darum, bis 2026 auf dieser Grundlage mit der Vision einer sozialen und ökologischen Stadt in Land und Bezirken neue, auf Beteiligung beruhende Gestaltungsmacht zu erreichen.
Gleichzeitig intensivieren wir den engeren Austausch mit den Brandenburger Genoss*innen, weil wir eng mit Brandenburg vernetzt sind und unsere Themen wie Klimaschutz, Verkehrs-planung, Strukturpolitik etc. nur gemeinsam lösbar sind.
Der Landesvorstand wird beauftragt, gemeinsam mit den Bezirksverbänden und Zusammenschlüssen sowie Mitarbeit der Fraktionen in Land und Bezirken einen Fahrplan für einen solchen Neuformierungsprozess zu erarbeiten. In einen solchen sind Meilensteine einzuarbeiten, die die Kampagnen der Partei sowie dievor uns liegenden Wahlkämpfe (2023 ggf. Wiederholung Bundestagswahl, 2024 Europa-Parlament, 2025 Bundestagswahl sowie Berlin-Wahl 2026) integriert und produktiv aufgreifen.
Für eine starke LINKE in Berlin
Der Wechsel in die Rolle der Opposition auf Landesebene und der Verlust von Bezirksamtspositionen und Fraktionen auf der Bezirksebene sowie fortgesetzte Mitgliederverluste stellen unsere Partei auch finanziell und organisatorisch vor neue enorme Herausforderungen. Der Verlust vieler Mitglieder schwächt die inhaltliche, finanzielle und organisatorische Basis der Partei.
Der Landesvorstand wird beauftragt, mit den Bezirksverbänden und unseren Abgeordneten das Konzept räumlicher Präsenz zu überprüfen. Priorität hat der Erhalt der Geschäftsstellen in den Bezirken. Sie sollen ausgebaut werden zu unseren Zentren der stadtpolitischen Arbeit und Organisierung. Wo nötig und möglich, wird verstärkt die Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Abgeordnetenhausfraktion gesucht.
Der Landesvorstand wird gemeinsam mit den Bezirksverbänden und Linksjugend [`solid] Berlin beauftragt, eine Strategie für verstärkte Mitgliederarbeit und -gewinnung sowie eine Jugendstrategie mit attraktiven Angeboten des Jugendverbandes und junger Mitglieder zu entwickeln und umzusetzen.
Für eine weltoffene Stadt der Solidarität
Die LINKE. Berlin versteht sich als internationalistische Kraft in der multikulturellen Metropole Berlin. Soziale Gerechtigkeit, Frieden und Antimilitarismus, Klima- und Umweltschutz sind unsere DNA. Der Kampf gegen Antisemitismus, Antiziganismus und alle weiteren Formen des Rassismus, gegen Neofaschismus sowie gegen Queer- und Behindertenfeindlichkeit auf allen Ebenen und Altersdiskriminierung, sowie die grundlegenden Phänomene Kapitalismus, Faschismus und Militarismus, sind damit untrennbar verbunden.
Die Verteidigung Berlins als sicherer Hafen wird angesichts der Rückschrittskoalition von SPD und CDU eine strategische Herausforderung. Der schnelle und diskriminierungsfreie Zugang für Geflüchtete in Bildung, Arbeit, Wohnungsmarkt wird noch härter erkämpft werden müssen.
Wir stehen solidarisch an der Seite der Menschen, die vor Krieg (einschließlich Kriegsdienstverweigerern), Verfolgung, Hunger und Klima- und Naturkatastrophen fliehen mussten.
Wir stehen an der Seite der Angegriffenen und Entrechteten. DIE LINKE. Berlin wird sich noch stärker mit ukrainischen Linken und russischen Oppositionellen sowie anderen von Flucht und Verfolgung Betroffenen solidarischen vernetzen.
So lange der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine andauert, zeigt die Landesgeschäftsstelle zur Straßenseite das Transparent „Frieden für die Ukraine. Russlands Krieg beenden.“mit Friedenstaube auf blauem Grund. Wir danken unseren Mitgliedern, die in der Unterstützung für Geflüchtete aktiv sind und denen, die mit humanitärer Hilfe konkrete Solidarität mit den Opfern des Krieges gezeigt haben.
Wir wollen uns weiter öffnen in die Berliner Stadtgesellschaften, mehr Mitglieder mit Einwanderungsgeschichte, mehr von Rassismus betroffene Berliner*innen für uns gewinnen und den Anteil von Schwarzen Menschen und Personen of Colour in unseren Vorständen und Fraktionen erhöhen. Unser Anspruch ist es, die gesellschaftliche Vielfalt unserer Stadt auch in den eigenen Reihen abzubilden. Das muss integraler Bestandteil der Mitgliedergewinnung sein. Förderinstrumente und diskriminierungssensible Strukturen in der Partei weiter zu etablieren und zu stärken, bleibt eine zentrale Aufgabe.
Jetzt erst recht!
Als LINKE in Berlin nehmen wir die vor uns stehenden Herausforderungen an. Ob in der Regierung oder in der Opposition: Wir sind die politische Kraft, die das Wesentliche in den Blick nimmt. Dafür streiten wir alle gemeinsam, auf der Straße, in unseren Kiezen, in unserer Partei, in Initiativen und im Parlament. Wir sind die Kraft, die sich kümmert, um die kleinen Dinge vor Ort, genauso wie um das Ganze für unsere Stadt. Wir wollen und wir können. Wir sind DIE LINKE.