Gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen! - Sofortmaßnahmen für mehr Personal, Kita- und Schulplätze sowie Maßnahmen gegen Kinderarmut

Beschluss 19 / 2 / 9

Die tiefe Krise des Bildungssystems verschärft die Bildungsungerechtigkeit bei Kindern und Jugendlichen massiv. Tausende Pädagog*innen, Kita-, Schul- und Ausbildungsplätze fehlen. Der Fachkräftemangel beim pädagogischen Personal wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen und er ist in Berlin regional und über die Schularten hinweg sehr ungleich verteilt. Weil der neue schwarz-rote Senat die Steuerung zur gerechteren Personalverteilung an Schulen wieder aufgehoben hat, hat sich der Personalmangel meist dort verschärft, wo Kinder und Jugendliche die meiste Unterstützung brauchen.

Die Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft nimmt weiter zu. Die Kinderarmut stagniert auf hohem Niveau und minimiert Lebens- und Bildungschancen einer ganzen Generation, die ohnehin von multiplen Krisen betroffen war und ist. Unter dem Personalmangel in den pädagogischen Berufsfeldern leiden die Beschäftigten, die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie ihre Familien.

Fragen von Bildungsqualität, guten Arbeitsbedingungen und die Frage, welches Bildungssystem sich Kinder und Jugendliche wünschen, um gut aufwachsen zu können, treten angesichts der Mangeldiskussion in den Hintergrund. Dabei haben die junge Generation und die Beschäftigten einen Anspruch auf gute, gerechte und zeitgemäße Rahmenbedingungen in Kita, Schule, die nicht krank machen.

Mit den aktuellen politischen Entscheidungen entfernen wir uns immer weiter von diesem Anspruch. Das Schönrechnen des Personalmangels durch den Bildungssenat und die Privatisierung von Schulgebäuden und -grundstücken, die die aktuelle schwarz-rote-Koalition mit ihrem Public Private Partnership-Modell bereits plant, werden die bestehenden Probleme nicht lösen, sondern verschlimmern. Dass Berlin seinen aktuellen KMK-Vorsitz trotz klarer Beschlusslage nicht nutzt, um einen Staatsvertrag Lehrkräftebildung auf den Weg zu bringen und sinnvolle Lösungen für die bundeslandübergreifende Ausbildung und Steuerung des pädagogischen Personals zu erarbeiten, verschärft die Krise weiter. Die Kürzungsdiskussionen auf Landes- und Bundesebene in den Bereichen Bildung und Jugend zeigen, dass der Kampf für eine gute, gerechte und inklusive Kita und Schule sowie gegen Kinderarmut aktuell keine politische Priorität hat.

Angesichts dessen braucht es aus Sicht der Linken grundlegende Veränderungen des Bildungssystems, u.a. die Aufhebung des Kooperationsverbotes, eine Ausbildungsoffensive für Lehrkräfte, Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen inkl. eines Staatsvertrags für Lehrkräftebildung, ein Sondervermögen für nötige Zukunftsinvestitionen in Bildung sowie eine armutsfeste Kindergrundsicherung. Die Überlastung der Lehrkräfte und die daraus mangelnde, zu leistende Unterstützung in der Schule wird teils zwangsweise durch Hausaufgaben ausgelagert, um Unterrichtspläne erfüllen zu können. Die soziale Ungerechtigkeit wird dadurch weiter fortgeführt und verschärft. Noten bedingen den Druck in der Schule zusätzlich und gehören abgeschafft. Für gerechte Bildungschancen für alle Kinder und Jugendliche sind gute Rahmenbedingungen unabdingbar, damit die soziale Herkunft nicht mehr über Zukunftschancen junger Menschen entscheidet!

Seit langem fanden kürzlich wieder deutschlandweit Bildungsproteste statt. Auch in Berlin demonstrierten mehrere tausend Menschen für mehr Investitionen in Bildung und eine Fachkräfteoffensive.

Die aktuelle Bildungskrise duldet keinen Aufschub mehr, Die Linke Berlin setzt sich ein für folgende Sofort-Maßnahmen:

Mehr und gut ausgebildetes pädagogisches Personal:

  • Die aktuell an den Berliner Schulen arbeitenden Lehrkräfte und Erzieher*innen müssen entlastet und zusätzlich unterstützt werden. Den Schulen soll ein zusätzliches Budget für die Einstellung weiterer Berufsgruppen wie z.B. Verwaltungsfachkräfte,Schulhelfer*innen, Schulassistenzen, pädadogische Unterrichtshilfen oder Gesundheitsfachkräfte zur Verfügung gestellt werden, um so dauerhaft multiprofessionelle Teams an den Schulen zu etablieren. Diese zusätzliche Unterstützung soll dort beginnen, wo der Personalmangel am größten ist und dann schrittweise ausgeweitet werden.
  • Berlin legt ähnlich zum Landesprogramm Schulsozialarbeit ein Landesprogramm Schulpsychologie auf, mit dem Ziel, dass an jeder Schule ein*e Psycholog*in arbeitet (beginnend mit einer halben Vollzeit-Stelle).
  • Es soll eine Qualifizierung für weitere Lehrkräftegruppen angeboten & Laufbahnen geschaffen werden, u.a. für Pädagogische Unterrichtshilfen, Lehrkräfte für untere Klassen, Lehrkräfte für Fachpraxis, um so weitere Pädagog*innen für den Schuldienst zu gewinnen.
  • Es braucht die schnellstmögliche Zulassung von „Ein-Fach-Lehrkräften“ an den Schulen und im Quereinstieg. Internationale Lehramtsabschlüsse müssen deutlich schneller und mit geringem bürokratischem Aufwand anerkannt werden und auch dann, wenn die Bewerber*innen, wie es international oft üblich ist, nur ein Fach studiert haben.
  • Eine gerechte Verteilung des pädagogischen Personals ist notwendig. Dafür sollen die aktuellen Castingverfahren abgeschafft, ein zentrales Einstellungsverfahren aufgebaut und der von den neuen CDU-Bildungssenatorin abgeschafften Steuerungsmechanismen wieder einführt werden, so dass ausgebildete Lehrkräfte vorrangig in den Schulen mit dem größten Personalmangel eingestellt werden.
  • Die Ausbildungsoffensive in Lehramt, Sozialpädagogik und bei der Erzieher*innenausbildung muss als Qualitätsoffensive umgesetzt werden. Dazu gehört, die Studienbedingungen zu verbessern, indem mehr Lehrende und Professuren für die Betreuung eingestellt werden und das Praxissemester vergütet wird. Die Erzieher*innenausbildung muss attraktiver gestaltet und endlich flächendeckend vergütet werden, nicht nur in der berufsbegleitenden Ausbildung. Die

Kolleg*innen in Ausbildung sollen nicht mehr wie bisher voll auf den Personalschlüssel angerechnet werden.

Mehr Kita- und Schulplätze:

  • Es braucht eine Investitionsoffensive für den Kitaneubau und die Kitasanierung analog zur Schulbauoffensive.
  • Die Linke setzt sich dafür ein, dass jedes Berliner Kind in Wohnortnähe einen Kitaplatz angeboten erhält. Bestehende Ungleichheiten im Zugang zu frühkindlicher Bildung müssen beseitigt werden. Deshalb setzt sich die Linke im Land und in den Bezirken vehement für die Umsetzung der folgenden notwendigen strukturellen Veränderungen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung ein:
  1. Der Kita-Navigator wird zu einer zentralen und nutzer:innenfreundlichen Vergabeplattform von Kitaplätzen ausgebaut. Hierbei ist – unter Beteiligung der Landesstelle für Gleichbehandlung – sicherzustellen, dass eine Diskriminierung im Sinne des § 2 LADG  ausgeschlossen wird.
  2. Die Bezirke sollen in allen Kitas, einschließlich der freien Träger, welche über Kitagutscheine finanziert werden, Belegungsrechte erhalten und diese Plätze nach Wohnortnähe und sozialen Kriterien vergeben können.
  3. Alle Kitas der Berliner Eigenbetriebe sind finanziell so auszustatten, das dort ein qualitativ hochwertiges pädagogisches Angebot möglich ist, ohne dass für die Eltern zusätzliche Gebühren zu zahlen sind.
  4. Der Personalschlüssel in den Kitas der Berliner Eigenbetriebe muss geeignet sein, um auch bei (hohen) Krankenständen ein qualitativ hochwertiges Angebot aufrechtzuerhalten und gleichzeitig den Arbeitsschutz zu gewährleisten.
  5. Die Kitabetreuung soll künftig wieder zunehmend in öffentlicher / kommunaler Trägerschaft organisiert werden (Rekommunalisierung). Die Eigenbetriebe des Landes Berlins sind strukturell zu stärken.
  • Dringliche Anmietungen müssen unbürokratisch ermöglicht und durch das Land refinanziert werden. Ein Landescontainerprogramm für kurzfristige Kapazitätserweiterungen muss aufgesetzt werden. Ehemalige Schulgebäude werden, wo möglich, für die Schulnutzung reaktiviert und ggf. die Rekommunalisierung des Gebäudes geprüft. Strategische Ankäufe von Grundstücken für die Schulnutzung sollen über den Ankaufsfonds ermöglicht werden.
  • Die Privatisierung von Schulgebäuden und -grundstücken (Public Private Partnership) lehnen wir strikt ab.

Maßnahmen gegen Kinderarmut:

  • Die Öffnungsklausel zur Gewährung „weiterer tatsächlicher Aufwendungen“ in Bezug auf die Leistungen zu Bildung und Teilhabe (BuT) nach der Einführung einer Kindergrundsicherung im Bund müssen im Land Berlin zur Verbesserung der materiellen Situation armutsbetroffener Kinder und Jugendlichen maximal genutzt werden.
  • Die Koordinierungsstellen für Kinderarmutsprävention in den Bezirken müssen gestärkt werden. Es braucht mindestens eine Koordinierungsstelle (in Vollzeit) pro Bezirk, die mit einem eigenen Budget ausgestattet ist.
  • Familienzentren sind essentiell für die Versorgung in den Bezirken. Sie brauchen je mindestens zwei Fachkräfte in Vollzeit.
  • Die flexible Kinderbetreuung für Alleinerziehende muss für jeden Bezirk verankert und weiter ausgebaut werden.
  • Quartiersmanagements, bei denen die Förderung ausläuft, benötigen eine Anschlussfinanzierung.
  • Die Sprachförderung in der frühkindlichen Bildung muss ausgebaut und das Recht der Kinder auf Sprachförderung sichergestellt werden. Dazu soll das Verfahren der Sprachstandserhebungen durch weitere Angebote in den Familienservicebüros oder aufsuchende Sozialarbeit ergänzt werden. Zudem muss die Sprachstandsfeststellung so vorgezogen werden, dass Kinder mindestens zwei Jahre lange in den Genuss der frühkindlichen Sprachförderung kommen.
  • Die frühkindliche Sprachförderung muss im Rahmen einer hohen Qualität der frühkindlichen Bildung und Betreuung stattfinden. Das bedarf einer Ausfinanzierung und strukturellen Verbesserung der Angebote.
  • Der frühe Zugang zu kultureller Bildung ist essentiell für Teilhabe. Deswegen soll die Kooperation der Musikschulen mit den Kitas ausgebaut werden.
  • An Orten wie Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen sollen Periodenartikel kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Das Fachpersonal soll bei der Umsetzung unterstützt werden.
  • Die Linke setzt sich dafür ein, dass in allen Kindertagesstätten der Eigenbetriebe des Landes Berlin und in allen Schulen ein kostenfreies gesundes Frühstück angeboten wird, und dass das bereits vorhandene kostenlose Schulmittagessen auf alle Jahrgangsstufen ausgeweitet wird.