LV-Beschluss 1-23/08

Für die Schließung des Flughafens Tempelhof

  1. DIE LINKE. Berlin beteiligt sich gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den Grünen an einem Bündnis zur Schließung des Flughafens Tempelhof. 
     
  2. DIE LINKE. Berlin wird sich mit eigenen Akzenten intensiv in die stadtöffentliche Auseinandersetzung um die Perspektiven des Areals Tempelhof einmischen und im Rahmen der politischen Auseinandersetzung besonders die sozialen und ökologischen Dimensionen für die Berlinerinnen und Berliner zum Thema machen. 
     
  3. Der GLV wird beauftragt, die Mobilisierung zu dem Thema für den wahrscheinlichen Fall eines Volksentscheides zu organisieren, die finanziellen Ressourcen darzulegen und ihren wirksamen Einsatz vorzuschlagen. 
     
  4. Dem Landesvorstand ist der aktuelle Stand zu berichten. Der Landesvorstand beteiligt sich intensiv an der innerparteilichen Thematisierung und Mobilisierung und unterstützt aktiv die politische Begleitung der Auseinandersetzung um den Volksentscheid zu Tempelhof. 
     

Beschlussfassung: einstimmig

Zum Hintergrund:

Aller Wahrscheinlichkeit nach kommen die Unterschriften für ein Volksbegehren zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof zusammen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Abgeordnetenhaus mit seiner Regierungsmehrheit, aller Voraussicht nach mit Unterstützung der Grünen, das Volksbegehren ablehnen. Hierfür gibt es gute Gründe: Der Zusammenhang zwischen dem Konsensbeschluss zur Errichtung des BBI Schönefeld, der die Schließung der innerstädtischen Flughäfen nach sich zieht. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Zusammenhang noch einmal gerichtsfest bestätigt. Aber auch die ökologische und Lärmbelastung, nicht zuletzt die Gefahren des Flugbetriebs in dicht besiedelten Lagen (wie sie zuletzt noch einmal durch die zum Glück ohne schlimmste Folgen verlaufene Kollision deutlich wurde, die vor wenigen Jahren nur ein Kleinflugzeug verursacht hat), machen die Notwendigkeit deutlich, den Verkehrsbetrieb in Tempelhof und Tegel zu beenden. Die Kampagne zielt auf einen rechtlich und politisch entschiedenen Sachverhalt, dessen Wurzeln zehn Jahre zurückliegen. Damals hat die Berliner CDU in dem Bestreben, den Standort Sperenberg zu verhindern, Schönefeld unter »Preisgabe« von Tempelhof und Tegel favorisiert. Der Konsensbeschluss zwischen Bundesregierung und den Landesregierungen Berlins und Brandenburgs trägt die Unterschrift Eberhard Diepgens.

Kommen – wie zu erwarten ist – 170.000 Stimmen zusammen, wird es einen Volksentscheid geben. Hier sind zum Erfolg die zustimmenden Voten von rund 600.000 Wahlberechtigten erforderlich. Wir, die wir politisch den Weiterbetrieb von Tempelhof ablehnen, müssen uns zwischen Passivität und Mobilisierung entscheiden. Es spräche neben allen vernunftgeleiteten Argumenten aus sozialer Verantwortung schon allein die durch die CDU betriebene und mit der vergangenheitsgerichteten, quasi traditionalistischen Aufladung der »Luftbrücke« begleiteten Kampagne dafür, klar zu machen, welche Debatten die Perspektive Berlins bestimmen müssen: die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven der Stadt und nicht die Sicherung einer VIP-Landebahn mit angeschlossenem Krankenhausbetrieb. Es spricht alles dafür, schleunigst ein möglichst breites Bündnis für die Schließung des Flughafens Tempelhof zu schaffen.

Ein weiterer entscheidender Aspekt: sich mit der Lobbysteuerung dieser Kampagne auseinander zu setzen, heißt für den Geist von Volksbegehren zu streiten. Wir müssen deutlich machen, welche sechsstelligen Summen diese Kampagne finanzieren, welche städtischen Eliten diese Kampagne für sich zu nutzen versuchen.

Wir haben uns entschieden für die Weiterentwicklung der Möglichkeiten von Volksbegehren und Volksentscheid eingesetzt und halten dies für einen politischen Erfolg. Für die Nichtteilnahme zu werben bei einer Frage, die offensichtlich viele Menschen (aus welchen Gründen auch immer) bewegt, ist kontraproduktiv und führt zur Entwertung unseres politischen Erfolgs, eine solche Gesetzgebung mit durchgesetzt zuhaben. Diese Position ist schlicht unglaubwürdig. Die CDU befördert und instrumentalisiert (mit Unterstützung der Springerpresse und privater Airlines) das Volksbegehren und auch die Kampagne des Volksentscheids zu einer Auseinandersetzung mit dem rot-roten Senat. Hierauf nicht mit einer inhaltlichen Gegenkampagne des aktiven Handelns zu reagieren, wäre ein Misstrauensvotum gegenüber den kritischen Kräften und produktiven Milieus unserer Stadt.

ICAT führt eine Kampagne nicht nur mit Verweis auf den kalten Krieg, sondern auch mit fadenscheinigen Versprechungen. Sie werben in der Innenstadt (West) mit der »Luftbrücke« und in Treptow-Köpenick mit dem Slogan »Jeder Flug nach Tempelhof entlastet uns in der Einflugschneise von Schönefeld«, ohne die Größenverhältnisse zwischen unter einer Million derzeit abgefertigter Passagiere in Tempelhof und den geplanten 30 Millionen in Schönefeld zu benennen. Es geht also um die Emotionalisierung der Auseinandersetzung, nicht um sachliche Erörterung. Dies wird sich beim Ringen um den Volksentscheid noch weiter verstärken, auch dies spricht dafür, eine argumentative »Nein«-Kampagne aufzubauen.

Eine prinzipielle Position der PDS (LINKE) war und ist, dass Flughäfen nicht in die Stadt gehören. Dies hat unsere gesamte Anti-Schönefeld-Kampagne bestimmt, war aber immer damit verknüpft, die noch innerstädtischeren Flughäfen Tempelhof und Tegel aus der Schutznotwendigkeit gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern zu schließen. Dieser Position hat sich das Bundesverwaltungsgericht nur zum Teil angeschlossen, was Schönefeld betrifft. Mit seinen Feststellungen zur Lärmbilanz aber ist für den Bau und Betrieb des Großflughafens Schönefeld die Schließung von Tegel und Tempelhof zwingende Voraussetzung. Würde einer der beiden Flughäfen geöffnet bleiben, verschiebt sich die Betroffenheitsbilanz für die Berliner Bevölkerung und damit verändert sich die Zumutbarkeitsbegründung für die Betroffenen im Einflussbereich von Schönefeld. Dies käme einer weiteren Niederlage derjenigen gleich, die sich gegen den Bau von Schönefeld ebenfalls mit einer großen Volksinitiative gewehrt haben. Es sind also in der Kampagne zum begründeten Nein die Schutzbedürfnisse der Berliner Bevölkerung offensiv gegen die gesammelten Einzelinteressen der an der Tempelhof-Kampagne beteiligten Akteure ins Feld zu führen – und damit auch klar zu machen, das die CDU eine Kampagne gegen die Interessen der Berlinerinnen und Berliner führt.

In der Kampagne zum Nein müssen die Entwicklungschancen des Areals von Tempelhof stärker Thema sein. An dieser Diskussion, gleichermaßen an der zu den Perspektiven von Tegel, müssen wir uns beteiligen und die Beteiligung der Berlinerinnen und Berliner stark machen. Damit würde aus der Kampagne zum »Nein« eine Kampagne zum »Ja« für öffentliche, die Lebensqualität tatsächlich steigernde Zwecke. Wir werden uns um Ideensammlung, Kampagnenmobilisierung und Ressourcen für diese Auseinandersetzung der Stadtpolitik intensiv kümmern und uns intensiv einmischen.