LV-Beschluss 6-028/17

Leitantrag zum Landesparteitag am 1. Juli 2017

Sozial. Gerecht. Für alle. Eine andere Politik ist möglich.

1. Die Bundestagswahl 2017 – eine Richtungsentscheidung für die Demokratie

Die Bundestagswahl 2017 entscheidet nicht nur über die Frage, welche Parteien die künftige Bundesregierung stellen werden. Sie wird auch eine Abstimmung über die Zukunft der Demokratie, über die offene Gesellschaft, über ein friedliches Zusammenleben, über Aufklärung und Rationalität, über eine Politik sozialer Spaltung oder des sozialen Zusammenhalts, über das Primat der Politik oder der Ökonomie, über das Prinzip ziviler Konfliktlösung oder der Inkaufnahme von Krieg als Mittel der Politik.

Entscheidende Grundwerte unserer Gesellschaft werden von ihren Gegnern, insbesondere aus dem politisch rechten Spektrum, offensiv in Frage gestellt. Mehr denn je ist es notwendig, auch und gerade aus der Metropole Berlin heraus das Beispiel für das Funktionieren einer vielfältigen und offenen Gesellschaft zu geben. Einer Gesellschaft, die sich nicht einschüchtern lässt von Scharfmachern und Spaltern – ob aus dem rechtsextremistischen Spektrum oder aus anderen fanatischen religiösen oder nationalistischen Richtungen.

Wir, DIE LINKE. Berlin, kämpfen an der Seite all derjenigen, die soziale Gerechtigkeit, Offenheit, Freiheit und Liberalität auch und gerade in den Zeiten verteidigen, in denen sie hier und in anderen Teilen der Welt unter Druck geraten. Gerechtigkeit und Freiheit gehören zusammen, auch und gerade für linke Politik in einer internationalen Stadt wie Berlin.

Wir wissen, dass eine verfestigte soziale Ungleichheit und Perspektivlosigkeit Hass, Gewalt und Ausgrenzung den Boden bereitet. DIE LINKE. Berlin stellt im Einklang mit der Wahlstrategie unserer Bundespartei die Auseinandersetzung um die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums und die Teilhabe aller in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes. Arbeiten, Leben, Familie, Partizipation, Wohnen, Kultur – grundlegende Werte eines selbstbestimmten Lebens müssen für alle in der Gesellschaft gesichert werden. Wir stehen für »Hoffnung statt Angst!«.
 

2. Aus Berlin in die Bundeshauptstadt – eine andere Politik ist möglich

Die LINKE. Berlin geht aus einer Position der Stärke in den Bundestagswahlkampf. Mit dem guten Ergebnis aus den Abgeordnetenhauswahlen und den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen wurde uns Verantwortung für die Stadt übertragen. Dieser Verantwortung für einen Politikwechsel stellen wir uns – im Alltag unserer politischen Arbeit, aber auch im Hinblick auf die Bundestagswahl am 24. September. Uns ist bewusst, dass die Akzeptanz unserer Politik in der rot-rot-grünen Koalition wichtig für ein gutes Wahlergebnis bei den Bundestagswahlen ist und Wegweiser für einen wirklichen Politikwechsel sein kann. Besonders aber wissen wir, dass ohne die Unterstützung der aktiven Zivilgesellschaft, von Gewerkschaften und Initiativen politische Bewegung kaum zu erreichen ist. Unsere Politik entwickeln wir im intensiven Austausch mit Bündnispartner_innen und sozialen Bewegungen der Stadt.

Wir konnten bereits in den ersten Monaten von #r2g in Berlin erste Schritte für mehr Teilhabe und soziale Gerechtigkeit gehen: So wurde der Preis für das Sozialticket von 36 auf 27,50 Euro abgesenkt. Wir haben mehr Schlafplätze für Wohnungslose im Winter geschaffen, wir schaffen ein Jugendfördergesetz und haben endlich die geflüchteten Menschen aus der unwürdigen Turnhallenunterbringung geholt. Die AV Wohnen wird überarbeitet, damit Hartz-IV-Empfangende ihre Miete bezahlen und in ihrer Wohnung bleiben können.

Aber in vielen Bereichen der Bekämpfung von Armut und sozialer Ungerechtigkeit stoßen wir an die Grenzen der Landespolitik. Deshalb treten wir auf der Bundesebene für mehr Einkommensgerechtigkeit ein. Wir wollen die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, damit Menschen von ihrer Arbeit leben können und im Alter vor Armut geschützt sind. Als LINKE wollen wir Leiharbeit einschränken und Befristungen ohne Sachgrund abschaffen. Wir wollen eine armutsfeste Rente – mit einem Niveau von 53 Prozent und mindestens 1.050 Euro pro Monat. DIE LINKE. tritt für die Einführung einer sanktionsfreien Mindestsicherung von 1.050 Euro sowie eine Kindergrundsicherung ein.

Wir nutzen in Berlin die uns zur Verfügung stehenden Spielräume, um die Mietenexplosion zu begrenzen und Wohnraum sowie Grund und Boden der Spekulation zu entziehen. So hat Rot-Rot-Grün im Zusammenspiel mit Bezirken und Initiativen das Dragoner-Areal zum Land und das Neue Kreuzberger Zentrum in den öffentlichen Bereich geholt. Wir begrenzen die Mieterhöhungen bei den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften auf zwei und die Modernisierungsumlagen auf sechs Prozent. Für Mieter_innen im sozialen Wohnungsbau sind die Mieterhöhungen ausgesetzt. Wir erhöhen bei neu zu bauenden Wohnungen den Anteil der Wohnungen mit Mietpreisbindung. 6.000 städtische Wohnungen sollen jedes Jahr neu in den Bestand kommen.

Um der Mietenexplosion auch im privaten Wohnungsmarkt begegnen zu können, brauchen wir einen Politikwechsel auf Bundesebene. Die Mietpreisbremse muss so geschärft werden, dass sie ihren Namen verdient – keine Ausnahmen, rechtliche Verbindlichkeit und flächendeckende Gültigkeit anhand verbindlicher Mietspiegel. Wir brauchen einen neuen sozialen Wohnungsbau und die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit. Und nicht zuletzt: Vorkaufsrechte für Kommunen, Mieterinnen und Mieter sowie ein wirksames Kündigungsschutzrecht für Mieterinnen und Mieter. Und wir kümmern uns auch um die Gewerbemieten. Immer mehr soziale Projekte wie Kitas, Senior*innenstätten, betreute WGs, aber auch kleine Kiezläden sind von Verdrängung oder dem Aus bedroht. Wir wollen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften auch zur Sicherung der sozialen Infrastruktur in die Pflicht nehmen, doch vor allem muss der unkontrollierbaren Entwicklung der Gewerbemieten von Bundesebene her Einhalt geboten werden.

Berlin geht voran beim Kampf um eine bessere Bildung. Berlin bezahlt Lehrer_innen und Lehrer besser und stellt zudem Grundschullehrkräfte beim Gehalt denen von Oberschulen gleich. Wir schaffen die Bedarfsprüfung für den zukünftig gebührenfreien KiTa-Besuch ab und stellen jedem Kind ab dem ersten Lebensjahr ohne Antrag einen KiTa-Gutschein zur Verfügung. Aber auch hier gilt: Der Bund muss sich beteiligen – für mehr Qualität in der Bildung, für digitale Bildung, für Investitionen in Schulen, KiTas und Hochschulen. Das Kooperationsverbot muss fallen.

Rot-Rot-Grün hat nach Jahren des Sparens ein Jahrzehnt der Investitionen ausgerufen. Die gesamte Infrastruktur – Schulen, Verkehrsnetze, Polizeiwachen, Krankenhäuser u.v.m – soll endlich saniert und dem Wachstum der Stadt entsprechend ausgebaut werden. Wir haben einen bundesweit einmalig innovatives Radverkehrsgesetz unter Beteiligung verschiedener Initiativen angeschoben und ein Berliner Stadtwerk hochgefahren, dass für Berlin saubere und bezahlbare Energie liefert. Auch der öffentliche Dienst muss dringend modernisiert und ausgebaut werden. Wir werden im Lauf der Legislaturperiode die Bezahlung auf das bundesweite Niveau anheben und setzen auf gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Für diese Maßnahmen ist jedoch eine verbesserte Finanzausstattung der öffentlichen Hand unabdingbar. DIE LINKE steht für eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Spitzeneinkommen, damit unser Gemeinwesen besser funktioniert.

Wir stehen mit der Koalition für Weltoffenheit – gegen Rassismus, Antisemitismus, Homofeindlichkeit, Hass und Islamfeindlichkeit. Deshalb statten wir die Projekte gegen Rechtsextremismus besser aus, arbeiten an besseren Antidiskriminierungsregelungen unter anderem auf dem Wohnungsmarkt und sorgen für erweiterte Zugänge für Geflüchtete zu Spracherwerb, Bildung, Ausbildung und Arbeit. Aber: das ist nicht konfliktfrei möglich. Zum einen setzen uns die restriktiven Bundesgesetze im Aufenthalts- und Flüchtlingsrecht enge Grenzen. Zum anderen gibt es auch koalitionsintern durchaus unterschiedliche Herangehensweisen. Wir werden für einen Abschiebestop nach Afghanistan streiten, für die Durchsetzung des Koalitionsvertrags in allen Fragen der Abschiebung. Dazu braucht es eine starke LINKE in Berlin und bundesweit.

Wir stehen für ein Europa der Solidarität. Nur ein Politikwechsel auf Bundesebene wird der Austeritätspolitik der Bundesregierung und damit der Erpressung großer Teiler der EU unter das Diktat neoliberaler Deregulierung ein Ende bereiten. Gleichzeitig braucht es eine starke EU der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit, um der Ausbreitung rechtspopulistischer, nationalistischer, homophober und frauenfeindlicher Regierungen in europäischen Ländern zu begegnen. Berlin ist eine internationale Metropole, in der auch Menschen aus allen EU-Ländern leben. Berlin braucht ein demokratisches Europa des Friedens. Dafür streiten wir.
 

3. Wahlkampf im Dialog

Wir haben unseren erfolgreichen Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus unter dem Motto »Zuhören statt Ansagen« geführt. Dialog und Austausch sind wichtige Elemente, um Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie zu motivieren. Diese Haltung führen wir im Bundestagswahlkampf weiter. Politik über die Köpfe der Menschen hinweg hat keine Zukunft. LINKE klingeln an Wohnungstüren, stehen vor Supermärkten, gehen durch Kneipen und Clubs, kommunizieren im Netz und fragen, wo der Schuh drückt. Wir wollen wissen, was Politik ganz konkret für ein gutes Leben jeder und jedes Einzelnen tun kann. Zugleich gehen unsere Ideen einer solidarischen Gesellschaft weit über Tagespolitik hinaus.

Wir wollen Hoffnung auf Veränderung machen und den Kampf gegen Hass, Ausgrenzung, Krieg und Gewalt führen. DIE LINKE. Berlin kämpft dafür gemeinsam mit Bündnispartnerinnen und –partner für eine solidarische Stadt, für eine solidarische Gesellschaft, für einen Politikwechsel in Deutschland und Europa.

 

Beschlussfassung: einmütig bei drei Enthaltungen