LV-Beschluss 8-042/22

2 Jahre Hanau – Gedenken und Mahnung Rassismus immer und überall entgegenzutreten

Vor 2 Jahren hat ein Rassist am 19. Februar neun Menschen in Shishabars und einem Kiosk in Hanau ermordet. Er hat damit neun junge Menschen aus dem Leben gerissen. Menschen mit Träumen und Überzeugungen, mit Ideen und Hoffnungen, die sie nun nicht mehr verwirklichen können. Sie haben Familien und Freund:innen hinterlassen, in deren Herzen und Erinnerung sie weiterleben. Und auch wir werden sie niemals vergessen. Wir gedenken heute Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu.

Die Umstände und der Kontext, in dem die rassistischen Morde passiert sind, wurden immer noch nicht vollständig aufgeklärt. Das Handeln der Polizei vor, während und nach der Tatnacht deuten auf ein behördliches Versagen hin. Wie kann es sein, dass der Notausgang der Arena Bar versperrt war und die Polizei in der Tatnacht zunächst nicht erreichbar? Das im Anschluss an den Terroranschlag Gefährderansprachen bei den Angehörigen der Opfer durch die Polizei erfolgten, und sie so statt wie Opfer wie Täter behandelt wurden, deutet auf strukturellen Rassismus hin.

Bis heute erfolgte zudem keine angemessen finanzielle und psychosoziale Unterstützung für die Angehörigen von offizieller Seite.

Zurecht fordert die Initiative der Opferangehörigen „Initiative 19. Februar Hanau“ daher Aufklärung und Konsequenzen. Wir stehen solidarisch an ihrer Seite. Es ist zu hoffen, dass der Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag Licht ins Dunkel bringt und Empfehlungen erarbeitet, damit so etwas nicht wieder passiert.

Solche Missstände gibt es nicht nur in Hanau, sondern leider überall. Immer wieder wird von diskriminierenden Verhaltensweisen der befassten Behörden berichtet, wie auch bei dem antisemitischen und rassistischen Terroranschlag von Halle wenige Monate zuvor. Bundesweit und auch in Berlin bestehen rechte Chatgruppen in den Sicherheitsbehörden und der Verdacht von Verwicklungen in die rechte Szene. So auch bei der unaufgeklärten rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie. Daher haben wir entsprechend den langjährigen Forderungen der Opfer und Initiativen als LINKE Berlin dafür gestritten, dass ein Untersuchungsausschuss am Abgeordnetenhaus eingerichtet wird.  Er ist in der rot-grün-rote Koalition verabredet worden und muss nun zügig eingesetzt werden und seine Arbeit aufnehmen.

Teil des Problems ist auch das gesellschaftliche Klima, in dem solche Anschläge stattfinden. Im Vorfeld des Anschlags in Hanau und auch im Hinblick auf den Berliner Bezirk Neukölln wurden stigmatisierende „Clandebatten“ geführt und migrantische Orte wie Shisha-Bars als kriminell markiert, obwohl sie häufig der einzige Rückzugsort für Jugendliche sind, die woanders nicht willkommen sind.

In der aktuellen Pandemie haben rechte Bewegungen und Erzählungen, Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Rassismus weiter Zulauf erhalten und sind bis weit in die sogenannte „Mitte“ der Gesellschaft in Deutschland anschlussfähig.

Rassistische, antisemitische und antiziganistische Übergriffe sind bundesweit Alltag, wie auch der rassistische Übergriff auf die Berlinerin Dilan S. kürzlich gezeigt hat, bei dem die Polizei den Vorgang zunächst unrichtig darstellte und die rassistische Motivation der Angreifer nicht erwähnte. Das keine:r der Passant:innen der Jugendlichen versuchte zu helfen ist besorgniserregend.

Rassismus hat viele Gesichter und Formen. Struktureller Rassismus zieht sich durch alle staatlichen Institutionen und alle gesellschaftlichen Bereiche. Um das Thema als Querschnittsangelegenheit umfassend zu beleuchten und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, hat die rot-grün-rote Koalition vereinbart eine Enquetekommission gegen Rassismus am Abgeordnetenhaus einzurichten. Wir werden uns dafür einsetzen, das daraus auch etwas folgt.

Wir sehen uns und alle Demokrat:innen in der Pflicht jede Form von Rassismus konsequent anzugehen. Dazu mahnt uns auch die Erinnerung an Hanau.

Beschlussfassung: einstimmig