Forderungen für ein Anti-Krisenprogramm

2. Parteitag, 1. Tagung

Rede von Marianna Schauzu


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich habe mich schon sehr gewundert, als ich den Vorschlag des Landesvorstands für den Leitantrag gelesen habe. Da sind die Medien tagtäglich voll mit Schreckensmeldungen über immer neue gigantische Finanzlöcher bei den Banken, da fällt die kapitalistische Wirtschaft in eine tiefe Krise, und von all dem findet sich in dem Leitantrag kein einziges Wort! Kein Wort darin auch über die Antworten der Linken. Und dies alles geschieht in Berlin, hier, wo die LINKE an der Regierung beteiligt ist, und wo wir sogar den Wirtschaftssenator stellen!

Ich kann mir nicht vorstellen, dass in dieser Situation dieser wichtige Landesparteitag auseinander geht, ohne eine Reaktion auf die Krise. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir uns nicht auf unsere wichtigsten Forderungen für ein Anti-Krisenprogramm verständigen.

Eine Reihe von Genossinnen und Genossen, haben dazu eine an den Bundesvorstand unserer Partei gerichtete Resolution mit der Überschrift »Aktiv werden für linke Alternativen gegen die Krise!« vorgelegt. Sie wird gerade im Saal verteilt. Ich werbe dafür, sich mit dieser Resolution auseinanderzusetzen und sie durch eure Unterschrift zu unterstützen. Und ich werbe um Zustimmung zu dem hierzu vorgelegten Änderungsantrag Nr. 1.11 von Sascha Kimpel, Fanny Zeise und Ralf Krämer.

Die Politik der Bundesregierung, die Krise einfach auszusitzen, muss von uns entschieden zurückgewiesen werden. Während fast alle großen Industrieländer, von China bis zu den USA, der Rezession mit großzügigen Konjunkturprogrammen begegnen, begnügt sich die Bundesregierung mit einem völlig unzureichenden »Maßnahmepaket«. Und der von der SPD gestellte Bundesfinanzminister gefällt sich darin, die von der EU-Kommission auch für Deutschland geforderten Mehrwertsteuersenkungen strikt abzulehnen. Dabei würde die Rücknahme der dreiprozentigen Anhebung des Mehrwertsteuersatzes sofort Geringverdienern und sozial Schwachen helfen. Genauso wie die im Änderungsantrag 1.1 der LAG Hartz geforderte Anhebung des Regelsatzes für Hartz IV-Empfänger, die sofort den Konsum beleben würde.

Statt Steuersenkungen für Autokäufer und Gutverdiener brauchen wir ein öffentliches Konjunktur- und Zukunftsinvestitionsprogramm, mit dem das Geld dorthin gelangt, wo in den letzten 25 Jahren massiv gekürzt wurde: In die Kinderbetreuung, in Bildung und Wissenschaft, in das Gesundheits- und Sozialwesen, in die Verkehrsinfrastruktur und in den ökologischen Umbau der Wirtschaft. Das hier durch Kürzungen und Privatisierungen herausgezogene Volksvermögen hat zur spekulativen Aufblähung der Finanzmärkte ja erheblich beigetragen.

Diese Forderungen nach Sofortmaßnahmen sind aber für eine LINKE, die diesen Namen verdient, nicht ausreichend. Wir müssen sie verbinden mit der Propagierung unserer weitergehenden gesellschaftlichen Vorstellungen.

Wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Augenblick, um die Vergesellschaftung des gesamten Finanzsektors zu fordern? Immer mehr Menschen stimmen uns doch zu, dass die für das Funktionieren der gesamten Wirtschaft so unentbehrlichen Finanzunternehmen unter öffentliche Kontrolle zu stellen sind.

Auch die Partei der Europäischen Linken fordert in ihrer Plattform für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009: »Gemeinschaftsgüter und strategische Wirtschaftsbereiche einschließlich das Kredit- und Finanzwesen sind zu vergesellschaften (nationalisieren)«.

Es war deshalb ein großer Fehler, dass bei der parlamentarischen Durchpeitschung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes von der LINKEN in Berlin keinerlei Forderungen nach effektiver Einflussnahme des Staates auf die geretteten Banken gestellt wurden. Es war falsch, dass das Land Berlin diesem Gesetz seine Zustimmung im Bundesrat gab. Die Berliner Partei hat sich damit innerhalb der Bundespartei isoliert!

Auch deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, muss von diesem Landesparteitag die Botschaft ausgehen, dass wir Antworten auf die Krise haben und dass wir für ihre Durchsetzung kämpfen!