Antworten auch für die restlichen 80 Prozent

Rede von Wolfgang Albers


[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]

Genossinnen und Genossen,

wir haben uns einmal auf den Weg gemacht, – jetzt ist Katrin gerade draussen –, diese Gesellschaft, diese Stadt zu verändern, und zwar am besten, bevor das Ziel explodiert. Diese Niederlage ist deshalb besonders bitter. Da mag auch nicht trösten, dass der Weg zur gesellschaftlichen Veränderung eben nicht geradlinig erfolgt. Er kennt Rückschritte und Niederlagen, auch selbstverschuldete, natürlich.Wir sind nicht die ersten, die das erfahren. Es gibt objektive Ursachen und es gibt auch subjektive Fehler. Will hier dazu nichts weiter sagen, will aber vor einer Illusion warnen, wir hätten diese Wahlen nach »links« verloren, in eine »linke Szene« hinein. Das ist der falsche Ansatz: Wir haben sie in die Stadtgesellschaft hinein verloren. Es macht keinen Sinn, uns auf 15 oder 20% dieser Stadtgesellschaft zu konzentrieren, wir brauchen Antworten auch für die restlichen 80 Prozent. Dazu gibt es kluge Analysen und weniger kluge. Wir müssen als Partei mit beidem umgehen. Dass wir das können, beweisen wir gerade, im offenen Dialog, den braucht man nicht zu fordern, Marianna Schauzu. Dass sie es nicht können, zelebrieren gerade die Grünen, die sich, mit aufrichtiger Liebe zum Detail, in aller Öffentlichkeit und ihrem Klientel spezifisch, angemessen von Mediatoren begleitet, selber zerlegen. Das macht eben den Unterschied.

Wir erarbeiten uns, auch in kontroverser Diskussion und sehr wohl in kontroverser Diskussion, eine nüchterne Analyse, weil wir sie brauchen als Grundlage unserer weiteren Arbeit, nicht zur Generalabrechnung.

Es gilt politisch und strategisch die Konsequenzen zu ziehen. Der Landesvorstand hat in Auswertung der bisherigen Diskussion seinen Leitantrag überschrieben: »Offensiv in die Opposition«.

Wir definieren darin nicht nur die nächsten Aufgaben für die nun folgende strategische Etappe Opposition. Wir machen darin auch gleichzeitig deutlich, dass diese Arbeit und wie diese Arbeit, parlamentarisch und ausserparlamentarisch, angelegt sein muss. Wir sollten uns da auch nichts vormachen, Genossinnen und Genossen vom Studierendenverband.

Unsere Aufgaben sind dabei vielgestaltig. Auch bei euch an den Hochschulen. So hat der SDS, Genossinnen und Genossen, bei den letzten Wahlen zum Studierendenparlament an der FU von 3726 gültigen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 11,36% ganze 140 Stimmen bekommen, das macht 3,7%.
Da bleibt viel zu tun, also gemeinsam ran an die Arbeit.

Noch etwas Grundsätzliches, Genossinnen und Genossen,

ein Antrag heute fordert dazu auf, sich nicht darauf zu beschränken, auf die Vorzüge der rot-roten Koalition zu verweisen. Genossinnen und Genossen, wer macht denn das? Da liegt offenbar immer noch ein großes strategisches Missverständnis unserer Arbeit der letzten 10 Jahre zugrunde. So wenig es einer kritischen Aufarbeitung gerecht wird, Rot-Rot zu preisen, so wenig hilfreich ist die Position: Wenn man nicht alles erreicht, dann hat man nichts erreicht. Das wird der linken Regierungsarbeit in den letzten 10 Jahren nicht gerecht. Unser Ziel war doch nicht Regierungsbeteiligung als Selbstzweck. Unser Ziel war und bleibt die gesellschaftliche Veränderung und dazu nutzen wir eben auch das Instrument Regierungsbeteiligung. Als Marxisten – und ich sage das bewusst in Richtung der Kommunistischen Plattform- haben wir gesellschaftliche Prozesse in ihrer Veränderung und auch in den Nuancen ihrer Veränderung wahrzunehmen. Und diese Veränderung verläuft vielschichtig und manchmal eben auch nur in diesen Nuancen.
Wir haben immer gesagt, Regierungsbeteiligung ist eine strategische Option, die es zu nutzen gilt.

Und daran ist unsere gemeinsam hier auf Parteitagen der letzten Jahre beschlossene Politik nun zu messen:

Wie haben wir dieses Instrument genutzt? Wir haben in dieser Stadt 10 Jahre mitregiert. Was haben wir verändert? Ich werde jetzt nicht wieder Bilanz ziehen, das sprengt den Rahmen. Aber einer der Vorredner hat mehr Selbstbewusstsein der Linken eingefordert. Kann er sofort hier haben: Wir haben diese Stadt verändert. Und daran knüpfen wir jetzt in der Opposition an. Ich erinnere mich an die heftige Diskussion mit der SPD in den ersten Monaten der letzten Legislaturperiode, aber auch an Diskussionen auf unseren Parteitagen, als uns immer wieder vorgeworfen wurde, in dieser Frage einzuknicken: In Berlin wird es auch weiterhin keine Studiengebühren geben!

Wir haben uns durchgesetzt. Und zwar so nachhaltig, dass auch Rot-Schwarz nicht daran zu rütteln wagt. – Ja Genosse Arenz, man kann nach 10 Jahren auch mal abgewählt werden. Das ist in einer Demokratie eben so.Wir können jetzt noch zwei Jahre darüber heulen. Entscheidend ist doch jetzt dort anzuknüpfen, wo wir begonnen haben, um beim nächsten Mal wieder stärker zu werden-. Ein weiterer Punkt. Es war diese Koalition aus SPD und CDU, die die Privatisierung unserer kommunalen Krankenhäuser mit Macht vorangetrieben hat. Im neuen Koalitionsvertrag steht drin: Die öffentlichen Krankenhäuser werden nicht privatisiert.

Und das schreiben jetzt die Parteien da rein, die vor unserer Regierungsbeteiligung damit begonnen haben aber auch alles an öffentlichem Eigentum zu verhökern, was ein Preisschild tragen konnte. Eben auch daran macht sich gesellschaftliche Veränderung bemerkbar.

Wir haben ers erreicht, dass es für bestimmte Sauereien im stadtpolitischen Diskurs keine Akzeptanz mehr gibt. Das kann sich auch wieder ändern, ja.
Aber das liegt dann eben auch an uns. Diesen gesellschaftlichen Konsens unumkehrbar zu machen, wird eine unserer Aufgaben jetzt in der Opposition sein.

Wir haben diese Themen in der Regierung gesetzt, wir müssen sie jetzt auch in der Opposition besetzen. Hier greift die strategische Anlage unserer Arbeit.
So entwickelt sich gesellschaftlicher Fortschritt und nur so. Die proletarischen Massen, die uns die Arbeit abnehmen, sehe ich nirgendwo. Genossinnen und Genossen, jede Etappe auf dem Weg gesellschaftlicher Veränderung hat ihre spezifischen Forderungen und ihre spezifischen Aufgaben. Wir können auch Opposition, aber wir wollen natürlich wieder mehr. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass aus dieser sicher bitteren Niederlage auf unserem Weg nur ein zeitweiliger Rückschlag wird.

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