Probleme der Gesellschaft in die Partei tragen

Beitrag von Wolfgang Albers

zur Generaldebatte


[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]

 

Genossinnen und Genossen,

die Botschaft höre ich gern: Wir sollten die Probleme der Gesellschaft in die Partei tragen und nicht länger die Probleme der Partei in die Gesellschaft.

In der Partei diskutieren wir Lösungen, entwickeln Vorschläge und Forderungen, auch gemeinsam mit anderen und bringen sie dann gesellschaftlich ein, überall dort, wo wir im gesellschaftlichen Alltag stehen, aber dann müssen wir da auch stehen. Das ist – verflixt – unsere Aufgabe: Rein in die Gesellschaft.

In diesem gesellschaftlichen Alltag Andockungspunkte finden, um daran konkrete linke Politik zu entwickeln, die für die Menschen spürbar und erlebbar wird.

Hier ist der neue Parteivorstand gefordert, die Partei daran auszurichten.

Und genau so ist das neue Parteiprogramm zu sehen: Als Handlungsanleitung, nicht als Refugium für Auslese und Exegese. Wir haben jetzt ein Programm, wir müssen es uns jetzt nicht bei jeder Gelegenheit gegenseitig vorlesen.

Unsere Politik erschöpft sich nicht im Erklären der Welt. Unser Ziel ist immer noch, sie zu verändern. Und wenn uns dabei Strömungen helfen, dann nur wenn sie aus ihrer jeweiligen Perspektive Brücken in die Gesellschaft bauen. Nicht, wenn sie die Partei als Biotop losgelöster politischer Existenz betrachten.

Der Widerspruch – Bernd – ist doch nicht Kommunalpolitik und ausserparlamentarische Aktion. Der Widerspruch ist doch, dass ich dabei in der wirklichen Welt politische Kompromisse mache und Veränderung als Weg über diese Kompromisse definiere und dann nicht wegen dieses Kompromisses als Knecht der Sozialdemokratie gegeisselt werden will.

Es muss deutlich werden, dass unsere linke Politik strategisch angelegt ist und angelegt sein muss und deshalb auch so beurteilt werden muss, in ihrer ganzen dialektischen Widersprüchlichkeit. Gesellschaftliche Veränderung ist auch ein Weg mit Rückschlägen.

Der Göttinger Parteitag macht mich nur bedingt optimistisch: Zu viele Reden, die nur Losungen enthielten, zu viele Aufrufe, zu viele Bekenntnisse und viel zu wenig praktische Nutzanwendung.

Es hilft nicht, griechische Verhältnisse zu beschwören und sich konkrete Antworten z.B. zu NRW zu verkneifen. Dort haben wir in zwei Jahren 241 000 Stimmen verloren. 90 000 an die SPD und das aus einer dezidiert antikapitalistischen Position der dortigen Landesorganisation heraus.

Es bleibt eine Herausforderung des neuen Parteivorstands, der ja der alten Partei vorsteht, die Partei in die Gesellschaft zu öffnen, den Thüringer Weg auch in West kenntlich zu machen. Es reicht nicht mehr, Appelle zu richten an soziale Gerechtigkeit. Wir müssen mehr Politik für diejenigen und mit denjenigen entwickeln für die wir allzuoft bisher eben nur Appelle hatten. Wir müssen in die Mitte der Gesellschaft: Dort stellen wir die anderen. Mit Selbstbewusstsein und linkem Programm. Und das machen wir dann auch selbstbewusst. Warum sollte eine selbstbewusste sozialistische Partei eigentlich Angst vor Kompromissen haben?
Die sind der Weg nicht das Ziel. Danke.

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