Wir müssen aber auch selbst politisch aktiv werden

Pascal Meiser

Pascal Meiser

[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir Friedrichshain-Kreuzberger begrüßen ausdrücklich, dass der Landesvorstand das Thema Gute Arbeit für Berlin zum Schwerpunkt unseres heutigen Landesparteitags gemacht hat. Die Zahlen sprechen da ja für sich:

  • Fast 30 Prozent der Beschäftigten in Berlin arbeiteten zuletzt für Niedriglöhne. Das waren mehr als 230.000 Berlinerinnen und Berliner.
  • Die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter hat sich in Berlin in den letzten 10 Jahren in Folge der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze verdoppelt.
  • Und schließlich, häufig wenig beachtet, die Minijobs: Schon 2003 gab es davon in Berlin 140.000. 10 Jahre später sind es heute 230.000!
  • 150.000 Berlinerinnen und Berliner leben ausschließlich von einem solchen Minijob. Sie verdienen sich mit ihrem Minijob nicht mal nebenher was dazu, wie oft behauptet, sondern haben nur diese eine Arbeit – und bekommen dafür maximal 450 Euro im Monat und damit viel zu wenig, um davon leben zu können.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wer gute Arbeit will braucht gute Tarifverträge, Betriebs- und Personalräte und vor allem starke Gewerkschaften. Ohne starke Gewerkschaften gibt es keine gute Arbeit – das muss uns allen klar sein. Von daher sind wir sehr froh, dass dies durch die Übernahme unseres Änderungsantrages 2.1 jetzt auch im Leitantrag deutlich herausgestellt wird.

Um gute Arbeit zu schaffen, um schlechte und unsichere Beschäftigungsverhältnisse zurückzudrängen, müssen wir aber auch selbst politisch aktiv werden. Handlungsmöglichkeiten gibt es dazu auch auf Bezirksebene einige. In Friedrichshain-Kreuzberg haben wir dazu vor kurzem einen Diskussionsprozess gestartet, um zu klären, was genau wir auf Bezirksebene tun können. Ein erstes Positionspapier findet Ihr dazu in Euren Unterlagen zu diesem Parteitag.

Der Diskussionsprozess ist noch nicht abgeschlossen und wir freuen uns über weitere Anregungen – auch von Euch. An dieser Stelle aber schon mal der Hinweis auf einige ausgewählte Fragen, die wir diskutieren:

Stichwort »Mindestlohn«:

Werner Schulten hat vorhin schon darauf verwiesen, wie lückenhaft der von SPD und CDU/CSU beschlossene Mindestlohn ist. Es bleibt ein Skandal, dass Langzeiterwerbslose und weitere Gruppen vom Mindestlohn ausgeschlossen werden! Doch ab dem 1. Januar wird es vor allem darum gehen, ob diejenigen, denen ein Mindestlohn von 8,50 Euro zusteht, diesen Anspruch überhaupt durchsetzen. Insbesondere dort, wo es keine Betriebsräte gibt, ist das keineswegs sicher.

So ist zu befürchten, dass der Mindestlohn vielerorts zwar auf dem Papier gewährt wird, die tatsächliche Arbeitszeit aber weit über die vertraglich vereinbarte Zeit hinausgeht. Der tatsächliche Stundenlohn sinkt dann und der Mindestlohn wird unterlaufen. Bei uns in Friedrichshain-Kreuzberg wird dies für die Beschäftigten im boomenden Gastronomiebereich, aber auch in anderen Branchen zu einem realen Problem werden. Daher wollen wir prüfen, ob der Bezirk hier in Abstimmung mit den Gewerkschaften Beratungsangebote schaffen kann, an die sich Betroffene wenden können, um zu ihrem Recht zu kommen.

Stichwort »Öffentliche Auftragsvergabe«:

Das Land Berlin vergibt jährlich Aufträge für rund fünf Milliarden Euro, den größten Teil über die Bezirke. Wir haben hier dank der LINKEN zwar ein gutes Vergabegesetz für Berlin. Doch die Kontrolle und Durchsetzung ist völlig unzureichend.

Wir sagen: Die Bezirksämter sind als Auftraggeber in der Pflicht dafür zu sorgen, dass die Vergaberegeln eingehalten werden! Der Personalabbau in den Bezirken macht das nicht immer leicht. Aber man muss auch feststellen, dass es in den Bezirksämtern nicht selten schlicht auch am notwendigen politischen Willen fehlt.

Auch bei den Freien Trägern und in den Jobcentern gibt es auf bezirklicher Ebene einige Handlungsmöglichkeiten, auf die ich angesichts der verbleibenden Zeit hier jetzt nicht weiter eingehen kann.

Um die verschiedenen Maßnahmen zur Bekämpfung von schlecht bezahlter Arbeit und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen im Bezirk zu koordinieren, haben wir in Abstimmung mit der DGB Region Berlin jedoch noch einen weiteren Vorschlag gemacht, den ich nicht unerwähnt lassen möchte: Wir wollen erstmals in unserem Bezirksamt einen bezirklichen Beauftragten für Gute Arbeit einsetzen!

Beschäftigte, Betriebs- und Personalräte sowie Gewerkschaften bekämen mit einem solchen Beauftragten eine einheitliche Anlaufstelle. Und das Thema bekäme im Bezirk einen deutlich höheren Stellenwert. Und das ist dringend notwendig! Denn leider ist es in unserem grün geführten Bezirk so, dass das Thema von selbst bei weitem nicht die Aufmerksamkeit genießt, die ihm aus unserer Sicht eigentlich zukommen müsste.


Liebe Genossinnen und Genossen,

ich verspreche Euch: Wir werden da in Friedrichshain-Kreuzberg dran bleiben und auch auf Bezirksebene weiter Druck machen im Kampf gegen unsichere und schlecht bezahlte Beschäftigungsverhältnisse.

Wir würden uns freuen, wenn das auch in vielen anderen Bezirken passiert. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!

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