Selbst Kompromisse bei Koalitionen haben ihre Grenzen!

5. Parteitag, 1. Tagung
Parteitag

Diskussionsbeitrag von Lampros Syvvidis

[Manuskript]

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde!

Mein Hauptanliegen auf diesem Parteitag besteht in der Analyse der Umstände, die dazu geführt haben, dass unsere Partei bei mehreren Wahlen in den Jahren 2013 und 2014 zahlreiche Stimmen verloren hat. Das schmerzt sehr und wir müssen alles daran setzen, um diese Stimmen zurück zu gewinnen. Besonders die hohen Stimmenverluste bei den Bundestagswahlen 2013 in den östlichen Bezirken Berlins und noch viel mehr die Verluste bei der Landtagswahl in Brandenburg 2014 mit einem Rückgang der Stimmen um 8,6% (vielleicht wegen der Braunkohletagebaue, denen Die Linke zugestimmt hat) müssen wir kritisch betrachten.

Für mich liegt es auf der Hand, dass die zu starke Kompromissbereitschaft unserer Partei bei Koalitionsregierungen mit der SPD in den beiden genannten Bundesländern zu Wählerenttäuschung und Stimmenverlusten geführt hat.

SPD und Grüne sind die Parteien, die 2003 die Agenda 2010 verabschiedet haben. Nun verlangen sie von der Linken das Aufgeben von Grundsätzen, damit wir für sie koalitionsfähig werden. Nicht wir müssen uns verändern, sondern diejenigen, die Hartz IV und Altersarmut geschaffen haben; diejenigen, die Staats- und kommunales Eigentum privatisieren und die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas, Wasser, Wohnung, öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr gewährleisten. Das war falsche Politik, mit der wir, Die LINKE, unser sozialistisches Profil und unsere Kernkompetenz verlieren. Glaubwürdig sind wir nur, wenn wir die Interessen des Volkes vertreten, und nicht die Interessen weniger, nämlich der Konzernmanager und Bänker. SPD und Grüne können und dürfen uns nicht diktieren, welche Grundsätze wir vertreten! Damit muss Schluss sein! Der AFD ist es auch deshalb gelungen, uns zahlreiche Stimmen wegzunehmen, weil wir uns zu wenig mit der Politik der EU und insbesondere mit der Eurofrage auseinandergesetzt haben.

Lasst mich bitte in diesem Zusammenhang eine Besonderheit Berlins ansprechen: Unser Bezirksvorstand von Steglitz/Zehlendorf hat sich für die sofortige Abschaltung des schon seit Jahren schadhaften atomaren Forschungsreaktors in Berlin-Wannsee ausgesprochen. Die Schadhaftigkeit ergibt sich aus einer Reihe feiner Risse in einer Schweißnaht im Inneren des Reaktorbeckens und eines nicht fachgerecht ersetzten zentralen Bauteils, das nur mit einer Belastung von 5 bar und nicht wie vorgeschrieben mit 30 bar getestet wurde. Beides konnte bisher nicht behoben werden. Eine Beton-Ummantelung, die das Reaktorgebäude schützen könnte, fehlt. Der Reaktor ist der unsicherste in Deutschland. Die Unterhaltung dieses Atomreaktors, der nach Angaben des Betreibers u.a. für die Erforschung der Dinosaurier und zur Überprüfung der Echtheit von Gemälden betrieben wird, kostet den Steuerzahler jährlich 35 Millionen Euro. Ich frage: Warum fordert unsere Partei in ihrer Gesamtheit nicht entschlossen die sofortige Abschaltung dieses unnötigen, nicht mehr betriebssicheren und teuren Forschungsreaktors im Berliner Stadt- und Wohngebiet?

Ich möchte noch kurz einige Punkte ansprechen :

  1. Die DDR war ein Unrechtsstaat, sagen die Gaucks und Co, sagen SPD und Grüne, die Hartz IV, mehr Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit geschaffen haben. Es sind dieselben, die den Kündigungsschutz ausgehebelt, die Renten gekürzt haben, die Waffen liefern und Kriege führen. Das alles gab es in der DDR nicht. Ja, es gab in der DDR keine freien Wahlen, keine freie Meinungsäußerung und keine Reisefreiheit, aber das allein macht einen Staat nicht zu einem Unrechtsstaat! Wir haben in der BRD freie Wahlen, aber ein gewaltiger Teil der Wahlberechtigten, 52% zuletzt in Brandenburg, beteiligt sich nicht daran, weil sie zutiefst enttäuscht und verzweifelt sind. Wir haben jetzt freie Meinungsäußerung, aber der große Enthüller, Edward Snowden, wird von den USA gejagt und darf von der BRD-Regierung nicht eingeladen werden bzw. es wird ihm kein Asyl gewährt! Wir besitzen Reisefreiheit, aber immer weniger Menschen besitzen die Mittel, um davon Gebrauch zu machen. Das ist die Wahrheit und nicht das Geschwätz der Vertuscher, Verdreher und Schönredner.
  2. Immer wieder hört man in den letzten Tagen und Wochen in den Medien von einer friedlichen Volksrevolution von 1989. Von wegen Revolution! Es war der gute und zugleich gutgläubige Michail Gorbatschow, der ohne irgendwelche Gegenleistungen für die Sowjetunion die deutsche Vereinigung ermöglichte. Gorbatschow war auch derjenige, der dem Nato-Beitritt des vereinigten Deutschlands zugestimmt und die Auflösung des Warschauer Paktes in die Wege geleitet hat.
  3. Die Auflösung der nun wirklich überflüssig gewordenen NATO ist dringlicher denn je, denn jeder militärische Pakt ist eine Bedrohung für den Weltfrieden und der Anfang von jedem kalten und heißen Krieg. Wenn die USA und Europa den Frieden in Nahost (Syrien, Irak, Palästina) wirklich wollen, genügt es, wenn sie auf ihre Freunde, Türkei, Saudi-Arabien und Katar, einwirken, die mit Geld und modernen Waffen den Islamischen Staat, IS, beliefern.
  4. Alle sowjetischen Soldaten sind längst aus Deutschland abgezogen worden. Wieso gibt es 25 Jahre nach der deutschen Vereinigung noch immer US-Soldaten, 20 Atombomben (auf dem amerikanischen Stützpunkt Büchel in der Südeifel, zwischen Koblenz und Trier) und jede Menge Überwachungsanlagen der USA auf deutschem Staatsgebiet? Warum hat die Bundesrepublik statt des 2 plus 4 Vertrages nach der Vereinigung keinen echten Friedensvertrag mit den einstigen Siegern des 2. Weltkrieges geschlossen? Dann hätten vielleicht die amerikanischen Soldaten ebenfalls abgezogen werden müssen. Vielleicht hätte man allerdings bei dieser Gelegenheit auch über Reparationszahlungen nach dem 2. Weltkrieg, z.B. an Griechenland, verhandeln müssen.

Ich kehre zurück zu meinen Ausgangsfragen: Wieviel Kompromissbereitschaft will sich unsere Partei erlauben, um an Landesregierungen beteiligt zu werden? Und wie stellen wir wieder das Vertrauen unserer Wählerinnen und Wähler her?
Ich sage: Selbst Kompromisse bei Koalitionen haben ihre Grenzen und Grundsätze der Partei darf man nicht über Bord werfen!