Flüchtlinge willkommen – rassistische Hetze und Neofaschismus bekämpfen – Solidarität organisieren

Beschluss 5 / 3 / 5

 

 

Flüchtlinge willkommen – rassistische Hetze und Neofaschismus bekämpfen – Solidarität organisieren

Noch nie seit dem 2. Weltkrieg waren so viele Menschen auf der Flucht, es sind mehr als 60 Millionen. Die meisten bleiben in der Nähe ihrer Herkunftsstaaten, wo sie unter schlechten Bedingungen leben müssen. Einigen gelingt es, unter Einsatz ihres Lebens bis in die EU zu kommen. Sie fliehen vor Krieg, Bürgerkrieg, rassistischer Verfolgung, Diskriminierung, Not und Hunger. Viele kommen auch aus Ländern, die immer noch von Kriegsfolgen gezeichnet sind wie Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien.

 

Krieg schafft Fluchtursachen

Für viele dieser Kriege tragen die Länder der EU zumindest Mitverantwortung, ob im ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan oder Irak. Deutschland und die EU haben beste Wirtschaftsbeziehungen zu Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen wie Syrien, Irak oder Iran unterhalten.

Die entwickelten kapitalistischen Gesellschaften des Nordens profitieren von der Ausbeutung dieser Länder. Unseren im internationalen Vergleich großen Reichtum verdanken wir der Verelendung und Verarmung großer Teile der Bevölkerungen. Deutschland trägt Verantwortung für Flucht und Vertreibung.

Wir brauchen eine humane Flüchtlingspolitik, die Flüchtlinge willkommen heißt und ihnen Wege zu schneller gesellschaftlicher Teilhabe zu öffnen.

Die politische Stimmungslage in Deutschland und Berlin ist zwiespältig. Auf der einen Seite steht das große Engagement tausender von Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen und die soziale Infrastruktur für ihre Unterbringung und Versorgung organisieren. Auf der anderen Seite sehen wir dramatisches institutionelles Versagen der staatlichen Stellen bundesweit und in Berlin. Und das obwohl hunderte von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hier in Berlin auf Landes- und Bezirksebene vieles tun, um das Versagen von der Spitze her abzumildern.

Auch nimmt die rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und gegen ihre Unterstützerinnen und Unterstützer dramatisch zu. Besonders die CSU, Teile der CDU, auch der Berliner CDU, verschärfen ihre Ausgrenzungsrhetorik. Sie rufen nach Grenzzäunen, Transitzonen, Begrenzung von Flüchtlingszahlen. Im Verein mit SPD und Grünen hat sie das Asylrecht im Oktober erneut verschärft. Jetzt soll die Bundeswehr Abschiebungen vornehmen, die Rechtswege für abgelehnte AsylbewerberInnen beschnitten werden. Die öffentliche Diskussion, die Flüchtlinge in »gute« und »schlechte«, »echte« und »falsche« einteilt, nimmt an Schärfe zu. Und die Propaganda, die alteingesessene Bevölkerung müsse für die Flüchtlinge zahlen, ihre Versorgung ginge zu Lasten der sozial benachteiligten Bürgerinnen und Bürger greift immer weiter um sich. Teile der Union, die rechtspopulistische AfD und rechtsextreme Formationen wie Bärgida, Pegida spielen mit dem Feuer und versuchen, die Bevölkerung gegen die geflüchteten Menschen aufzuhetzen. Neonazis führen sich als Exekutoren des organisierten Rassismus auf und verbreiten Terror auf den Straßen. Der Mordanschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die Morddrohungen gegen Petra Pau, André Stahl und viele andere AktivistInnen und PolitikerInnen stehen exemplarisch dafür. In Berlin hat es alleine bis 30. September diesen Jahres 31 rechtsextreme Angriffe auf Flüchtlingsunterbringungen gegeben, doppelt so viele wie im ganzen Jahr 2014.

DIE LINKE steht an der Seite der Geflüchteten und der sozial Benachteiligten. Wir stehen dagegen, dass einkommensarme Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden. Wir stehen für gesellschaftliche Solidarität und soziale Gerechtigkeit für alle hier lebenden Menschen, gegen Rassismus und die Ausgrenzung von Menschen. Deshalb fordern wir bezahlbaren Wohnraum für alle entsprechend ihrer Einkommen, wir treten für ein Bildungssystem von der Kita bis zur Hochschule ein, das soziale Auslese verhindert und allen jungen Menschen gleiche Chancen einräumt. Wir stehen für gleiche Rechte für alle Erwerbstätigen und fordern eine entschiedene Ausweitung der Arbeitsmarkt- und Integrationsmittel, um Flüchtlingen und Langzeiterwerbslosen gleichermaßen neue Perspektiven zu eröffnen. Die Bundesrepublik ist nicht überfordert von der Zahl der kommenden Flüchtlinge. Das System »schlanker Verwaltungen«, der organisierten Unzuständigkeit, der Verarmung öffentlicher Haushalte in Folge der neoliberalen Staatsabbaudoktrin ist überfordert. Das muss unser Ansatzpunkt für politisches Handeln sein. Wir begreifen die Zuwanderung der Geflüchteten als Chance zu einer umfassenden gesellschaftlichen Modernisierung: für eine gerechte Besteuerung der Reichen und Superreichen, für einen Umbau der öffentlichen Verwaltungen im Dienste der Bürgerinnen und Bürger, für eine Integrationsoffensive für Neu- und Alt-Bürgerinnen und -Bürger, für eine offensive Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik, die Schranken überwindet und allen gleiche Chancen und Möglichkeiten bietet, für eine Humanisierung und Demokratisierung der Gesellschaft.

 

Zur Situation Geflüchteter in Berlin

Die Bilder von am Landesamt für Gesundheit (Lageso) wartenden Flüchtlingen in der Turmstraße werden nicht weniger. Seit Monaten müssen die geflüchteten Menschen tage- und manchmal wochenlang anstehen um registriert zu werden, nun droht ihnen auch noch die gesundheitliche Gefahr durch die Nässe und Kälte. Nur den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die seit Monaten die Versorgung mit Nahrung, Wasser und medizinischen Leistungen übernommen haben, ist es zu verdanken, dass es noch nicht zu Toten gekommen ist. Noch immer ist der Senat nicht in der Lage, eine ausreichende medizinische Versorgung und die Aufnahme von Flüchtlingen am Wochenende und in der Nacht zu organisieren. Mit der Inbetriebnahme einer weiteren Registrierungsstelle in der Bundesallee in Wilmersdorf will der Senat zwar Entlastung für das LAGeSo schaffen, aber geändert hat sich bisher nichts.

In den Notunterkünften sieht es vielerorts nicht besser aus. Der Senat setzt einseitig auf Massenunterkünfte mit wenig bis keiner Privatsphäre, schlechten sanitären Bedingungen und völlig unzureichender Versorgung und hauptamtlicher Betreuung. Konflikte sind unter solchen Bedingungen programmiert. Und in den meisten Unterkünften ist ein Betrieb ohne das unermüdliche Engagement tausender ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer nicht denkbar. Der Senat ist jedoch nicht willens, von seiner Strategie der Massenunterbringung abzugehen. Dem Senat liegen rund 700 Angebote für die Unterbringung von Flüchtlingen vor, aber kaum eins wurde geprüft. Das ist organisierte Verantwortungslosigkeit und soll ganz offensichtlich der Abschreckung von Flüchtlingen dienen.
 

 

DIE LINKE. Berlin fordert einen grundlegenden Politikwechsel des Senats.

Dazu fordern wir, dass der Senat endlich seine Arbeit erledigt und sich nicht länger auf dem Engagement der tausenden von ehrenamtlichen HelferInen ausruht. Dazu zählen:

  • schnellstmöglich einen Überblick über verfügbare landes- oder bezirkseigene Immobilien sowie über zügig erwerbbare Immobilien vorzulegen, auch um darin Wohnraum für Flüchtlinge und andere Menschen zu schaffen, die auf bezahlbare Wohnungen angewiesen sind;
  • umgehend eine ausreichende Anzahl von Unterbringungsplätzen für Asylsuchende zu schaffen. Dabei sind Mindeststandards einzuhalten und zu kontrollieren;
  • den berlinweiten Leerstandsmelder zu popularisieren, seine Schwachstellen zu beseitigen und mit den Ergebnissen zu arbeiten, bei dem Bürgerinnen und Bürger leer stehenden Wohnraum anzeigen können, um so Spekulanten das Wasser abzugraben
  • ohne bürokratische Hürden die zeitweise Unterbringung von Flüchtlingen in privaten Haushalten zu ermöglichen und dafür zu werben
  • Der Senat möchte nun Wohnungen in Leichtbauweise errichten, um weitere 24.500 Wohnplätze zu schaffen. Dabei sind folgende Mindeststandards einzuhalten
    • Es muss sich um Wohnungen handeln, die Flüchtlingen und anderen einkommensarmen Berlinerinnen und Berlinern auch zu bezahlbaren Preisen offenstehen
    • Auch dort, wo kurzfristig neue Wohnungen gebaut werden sollen, müssen die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden.
  • Die Vereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, muss endlich ausgeweitet werden. Der Senat muss ernsthafte Bemühungen unternehmen, auch weitere genossenschaftliche und gemeinnützige Vermieter*Innen für eine solche Vereinbarung zu gewinnen;
  • es muss geprüft werden, inwieweit teils aus spekulativen Gründen leerstehende Wohnungen und Ferienwohnungen unverzüglich für eine vorübergehende Nutzung durch Flüchtlinge und andere einkommensbenachteiligte Bevölkerungsgruppen auch nach dem Vorbild von Bremen und Hamburg durch öffentliche Beschlagnahmung mit und ohne Einvernehmen des Eigentümers genutzt werden können;
  • die Bezirke mit ausreichenden finanziellen Mitteln und weiterem Personal auszustatten, damit sie die Flüchtlinge, die in ihre Zuständigkeit fallen, in Wohnungen Einrichtungen unterbringen können sowie die Betreuung und Integration von Flüchtlingen mit absichern können.
  • die Bezirke bei der Sicherstellung von ausreichend Plätzen in Schulen und Kitas für die Beschulung und die Betreuung von Flüchtlingskindern zu unterstützen;
  • gemeinsam mit den Bezirken sicherzustellen, dass die Gesundheitsversorgung für die Flüchtlinge und rechtlich erforderliche medizinische Erstuntersuchung gewährleistet ist;
  • die Bezirke, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Nachbarschaftszentren und -initiativen bei der Weiterentwicklung einer Willkommenskultur zu unterstützen und damit die schnelle Teilhabe der Flüchtlinge am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen;
  • mit den Agenturen für Arbeit, den Jobcentern, Kammern, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften Maßnahmen zu vereinbaren, um Flüchtlingen schnell den Weg in Erwerbsarbeit und Ausbildung zu öffnen und landesrechtliche und bürokratische Hürden zur Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen abzuschaffen.
  • Mit den Hochschulen die unkomplizierte Immatrikulation von studierfähigen Flüchtlingen zu vereinbaren
  • weitere Asylrechtsverschärfungen abzulehnen und sich gegenüber der Bundesregierung für eine ausreichende Finanzierung der Länder und Kommunen zur Schaffung einer humanen Flüchtlingspolitik einzusetzen
  • Die Familienzusammenführung von Geflüchteten unbürokratisch zu ermöglichen und auf lebenslange Verpflichtungserklärungen zu verzichten, wenn Berlinerinnen und Berliner bereit sind, als Patinnen und Paten für die Aufnahme von Flüchtlingen auf legalem Wege zu bürgen

 

Von der Bundesebene fordern wir

  • Schluss mit Asylrechtsverschärfungen. Wir wollen das Grundrecht auf Asyl wiederherstellen und alle Sondergesetze zulasten von Flüchtlingen abschaffen. Alle Flüchtlinge müssen schnell einen Zugang zum Gesundheitssystem und den übrigen sozialen Sicherungssystemen bekommen
  • Die Bundesregierung fordern wir auf, Abschied von der Politik der schwarzen Null zu nehmen, Haushaltsüberschüsse in die Ausfinanzierung der Kommunen, die Unterbringung und Versorgung für Flüchtlinge, den sozialen Wohnungsbau und die Öffnung des Arbeitsmarkts zu stecken. Wir fordern, dass weitere Mittel dafür durch einen Umbau des Steuersystems gewonnen werden, das Millionäre und Unternehmen stärker in die Finanzierung des Gemeinwesens einbezieht. Wir fordern, die Schuldenbremse abzuschaffen und lehnen jede Form von Sozialkürzungen ab, schon gar solche, die mit Verweis auf die Versorgung von Flüchtlingen angekündigt werden.
  • Der Grundsatz »Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit« gilt für geflüchtete Beschäftigte genauso wie für alle anderen ArbeitnehmerInnen. DIE LINKE weist alle Versuche der Arbeitgeberverbände aufs Schärfste zurück, den Mindestlohn für Flüchtlinge auszusetzen und sie so in besonderem Maße auszubeuten und für eine neuerliche Form des Lohndumpings zu missbrauchen
  • Die Entwicklung einer ernsthaften Strategie zur Bekämpfung der Fluchtursachen, nicht der Flüchtlinge. Dazu gehören diplomatische Offensiven der Bundesregierung und der EU zur Befriedung der Kriege und Bürgerkriege im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und auch in Europa, ein Ende der rassistischen Verfolgung von Sinti und Roma in vielen Ländern selbst der EU, ein Stopp der Waffenexporte, der Kriegseinsätze der Bundeswehr, der polizeilichen und geheimdienstlichen Kooperation mit Diktaturen.
  • Eine Offensive zur Humanisierung des Flüchtlingsrechts in der EU. Dazu zählen die Schaffung sicherer und legaler Fluchtwege in die Europäische Union, die Aufhebung des Dublin-Regimes, die sofortige Entfernung von Stacheldrähten und Grenzzäunen an den EU-Außengrenzen. Was für Dienstleistungen, Waren und Kapital gilt, muss auch für Menschen gelten: Freizügigkeit! Wir brauchen ein humanitäres Flüchtlings- und Asylrecht, das auch rechtsextrem und nationalistisch regierte Staaten wie Ungarn bindet.
  • Ein Einwanderungsgesetz, das die Zuwanderung nach Deutschland außerhalb des Flüchtlings- und Asylrechts nur nach ökonomischen Nützlichkeitskriterien regeln soll, wie von SPD und Teilen von Grünen und Union gefordert, lehnen wir ab. Wir sind für Einwanderungsregelungen, die auf dem Grundsatz der Freizügigkeit basieren, den Menschen die Chance auf ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben in Deutschland ermöglichen, die Ansprüche auf soziale, kulturelle und demokratische Teilhabe schaffen und humanitäre Aspekte in den Vordergrund stellen
  • Bleiberecht für alle. Die LINKE Berlin fordert den Stopp aller Abschiebungen 

 

 

DIE LINKE. Berlin bedankt sich bei den Willkommensinitiativen und Aktivistinnen und Aktivisten vorm Lageso, den Notunterkünften und Kiezgruppen, der Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden für ihr unermüdliches Engagement. Vieler unserer Mitglieder wirken in den Gruppen mit. Wir unterstützen sie mit unserer politischen Arbeit auf landes- und bezirklicher, auf parlamentarischer und außerparlamentarischer Ebene nach Kräften.

DIE LINKE. Berlin bedankt sich bei beivielen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für ihr Engagement und ihr Bemühen, die Politik- und Managementfehler des Senats auszubügeln.

DIE LINKE. Berlin unterstützt antirassistische und antifaschistische Mobilisierungen gegen Flüchtlingshetze und alle Versuche, verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen

Der Landesparteitag bittet die Abgeordnetenhausfraktion, einen Ratschlag »Refugees welcome« in Berlin mit antirassistischen Gruppen, Willkommensinitiativen, Mieter- und Sozialverbänden, FlüchtlingsvertreterInnen und Gewerkschaften einzuberufen, um weitergehende Maßnahmen zur Abwehr rassistischer Hetze und zur sozialen Umgestaltung Berlins mit den Flüchtlingen zu beraten.