»Wer nichts weiß, muss alles glauben«

Zur Debatte Regina Kittler

[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]

 

Wozu das führen kann, ist gegenwärtig erschreckend bei Pe-, Bär- und sonstigen -gidas zu beobachten und dem müssen wir uns entgegenstellen.

Und da geht es eben nicht nur darum, Wissen zu speichern, sondern auch darum, zu lernen, Infrage zu stellen, nicht den leichtesten Weg zu wählen und neben der Geistes- auch eine Herzensbildung zu erwerben, die zu einem solidarischen Miteinander führt.

Wir haben hier heute ein Papier vorgelegt, dass unsere Vorschläge für die nächsten 15 Jahre und darüber hinaus enthält.

Das Papier enthält Visionen, die ohne die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht umsetzbar sein werden. Dafür muss sich einiges nicht nur in Berlin ändern. Das ist unser Angebot an unsere Stadt. Wir wollen in Berlin gleiche Bildungschancen für alle, denn es muss in unserem Land doch zu schaffen sein, dass der Bildungserfolg eines Kindes nicht von seiner sozialen Herkunft abhängig ist, nicht davon abhängig ist, ob Mama und Papa zum sogenannten Bildungsbürgertum gehören.

Die Schule muss sich so verändern, dass alle Schülerinnen und Schüler, egal, ob sie leistungsstark sind oder nicht, ob sie eine Behinderung haben oder nicht, ob sie aus einer Migrantenfamilie kommen oder nicht, bestmöglich gefördert werden, so wie es die Gemeinschaftsschulen bereits besser als alle anderen schaffen.

Unser Bildungsprojekt aus rot-roter Regierungszeit hat sich schon jetzt bewährt und muss auch unsere Antwort auf das CDU-Modell »Zurück in die Vergangenheit«, erschreckend auf ihrem Landesparteitag im Frühjahr vorgestellt, bleiben.

Da müssen auch die Sozialdemokraten endlich Farbe bekennen und nicht, wie auch in anderen Bildungsthemen revolutionäre Beschlüsse auf ihren Parteitagen fassen, die sie dann im Senat und im Parlament ganz schnell vergessen.

Wir haben jetzt 4 Jahre erlebt, wie eine begonnene Entwicklung gebremst und sogar aufgehalten wurde. So nicht nur bei der Gemeinschaftsschule, wo es so großartige Erfolge gibt, dass viele von ihnen gar nicht alle Schülerinnen und Schüler aufnehmen können, die sich bewerben. Auch die inklusive Schule bleibt ja offensichtlich der Flughafen der Berliner Bildung – sie wird seit 2011 verschoben. Bis wann, ist auch anhand des vorliegenden Haushaltsentwurfs nicht wirklich klar. Die inklusive Schule ist doch nicht vordergründig eine Strukturfrage, sondern vor allem eine Frage des politischen Willens.

Das gilt auch für alle anderen dringend zu lösenden Aufgaben.

  • Ob es die maroden Schulen, von Eltern jetzt Einstürzende Schulbauten genannt, mit ihrem Sanierungsstau von mindestens 2 Mrd. € sind,
  • fehlende Schulen
  • oder ob wir Schülerinnen und und Schülern, die einen Schultag haben, der so lang wie ein Arbeitstag ist, ein gesundes Mittagessen als Bildungsangebot geben wollen.
  • Oder ob es die Mehrklassengesellschaft in den Lehrerzimmern ist, die darin gipfelt, dass im Auftrag des Landes Berlin Schulhelferinnen und Schulhelfer sowie Honorarlehrkräfte in den Volkshochschulen und Musikschulen für einen Lohn arbeiten, der geradewegs in die Altersarmut führt.

Wir, die Linken fordern hier dringend Veränderungen!

Und dafür trägt nicht nur das Land Berlin Verantwortung, sondern natürlich auch der Bund, allen voran die Bundesregierung und der Bundestag. Um die mit der Inklusion, Sanierung und Veränderungen in der Bildung verbundenen Aufgaben bewältigen zu können, fordert die Linke ein bundesweites Investitions- und Aktionsprogramm. Und dazu muss zu allererst das Kooperationsverbot für die Bildung zwischen Bund und Ländern fallen! Es kann in der reichen Bundesrepublik doch nicht sein, dass für Bildung nicht genug Geld da ist.

Während meiner Redezeit ist das Nettoprivatvermögen in Deutschland um etwa 2 Mrd. € angestiegen. 64% davon sind im Besitz von 10% der Bevölkerung! Da fällt mir sofort ein, wie alles finanzierbar wäre, wenn der politische Wille da wäre. Die Linke hat diesen Willen!

Verändern wir die Berliner Bildungslandschaft! Schaffen wir in Berlin eine Bildungspolitik für Kinder und Jugendliche, die sie als unsere Zukunft werden lassen, was aus ihnen werden kann.

In Abwandlung von Brecht sage ich: Wer gegen eine gerechte Bildungs-Politik ist, ist für die Bildungs-Politik, die mit ihm gemacht wird.
 

Bildungshaushalt: Mehr ist nicht genug

Was den neuen Haushalt betrifft, behauptet die Senatsbildungsverwaltung, dass sie den Anforderungen der wachsenden Stadt gerecht wird. Doch bei genauer Betrachtung der Zahlen, ist unübersehbar: 500 Millionen € mehr in 2016/17 und 2.000 zusätzliche Stellen beim pädagogischen Personal, die außer für den Schulbereich auch noch für Kitas, den außerschulischen Bildungs- und den Wissenschaftsbereich reichen müssen, werden dafür nicht reichen. Denn im gleichen Zeitraum werden zirka 6.000 Schülerinnen und Schüler mehr als dort heute sind in unseren Schulen erwartet und Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher gehen in Größenordnungen in den Ruhestand. Auch angesichts des immer größer werdenden »Sanierungsstaus« in den Berliner Schulen in Höhe von schätzungsweise 2 Milliarden € (!) relativieren sich die jetzt euphorisch verkündeten Zahlen ganz schnell, das zeigt gerade die Misere mit der Achard-Schule in Kaulsdorf. Die auch für die kommenden Jahre erwarteten steigenden Schülerzahlen nicht nur Schulergänzungsbauten, sondern ein gezieltes Schulneubauprogramm. Erst das wäre eine Lösung für die Zukunft.

Die inklusive Schule bleibt offensichtlich der Flughafen der Berliner Bildung – sie wird weiter verschoben. Bis wann, ist anhand des vorliegenden Haushaltsentwurfs nicht wirklich klar. Die Aufhebung der Deckelung für die Integration ist da ein wichtiges Schrittchen, von einer Offensive zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, wie sie die Linksfraktion fordert, ist allerdings noch nichts zu erkennen. Dass aber 2.050 Kinder und Jugendlichen mehr, die zu uns geflüchtet sind, auch besondere Anforderungen an die Berliner Schule stellen, die nicht nur mit den 472 bereitgestellten Stellen und 3 Millionen Euro Sofortprogramm erfüllbar sind, wird nicht thematisiert. Es ist anzuzweifeln, dass die hier eingesetzten Lehrkräfte auch alle die notwendige Qualifikation dafür besitzen. Ausgebildete Lehrkräfte für »Deutsch als Fremdsprache« stellt der Senat prinzipiell nicht ein. Genauso wie es offensichtlich nicht gewollt ist, die sich unter den Geflüchteten selbst befindenden Lehrkräfte oder anderes pädagogisches Personal schnell zu finden und ihnen einen notwendigen qualifizierenden Deutschkurs zu ermöglichen, um sie dann so schnell wie möglich in die Berliner Schulen holen zu können.

Völlig unbeachtet bleibt zudem das Problem der im Auftrag der Stadt Berlin in den Bildungseinrichtungen arbeitenden prekär Beschäftigten. Schulhelferinnen und Schulhelfer sowie Honorarlehrkräfte in den Volkshochschulen und Musikschulen arbeiten für einen Lohn, der geradewegs in die Altersarmut führt. Auch hier erwartet die Linksfraktion endlich ein Handeln der Koalition.

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