Bildung noch einmal mehr in den Mittelpunkt unserer Politik rücken

Rede von Tobias Schulze

[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

für manche ist Bildungspolitik ja ein zuweilen nerviges, und manchmal ein belächeltes Politikfeld.

Zwei Veränderungen spielen sich derzeit ab, die Bildung noch einmal mehr in den Mittelpunkt unserer Politik rücken sollten:

Fehlende Bildungsmöglichkeiten sind eine herausragende Fluchtursache, so sagt es UNICEF, so sagen es Umfragen unter Geflüchteten. Tausende Schulen in Syrien, im Irak, im Jemen und in Libyen sind zerstört. Die Lehrer sind geflohen, vielerorts schicken Eltern ihre Kinder nicht zum Unterricht, weil der Schulweg lebensgefährlich ist.

Die Hälfte der syrischen Kinder in den Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon und in Jordanien erhält keinerlei Schulunterricht. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien sind fünf Jahre vergangen – eine Grundschulgeneration.

Gerade Familien mit kleinen Kindern flüchten, weil sie ansonsten für diese keinerlei Zukunftsperspektiven sehen.

Die Menschen aus den Krisenregionen machen sich nicht nur auf den Weg hierher, weil sie Sicherheit suchen, sondern auch, weil sie wissen, dass ihre Kinder Bildung brauchen, um eine Zukunft zu haben.

Und wir LINKE sollten von Anfang an alles tun, um ihnen diesen guten Start in das Leben zu ermöglichen!

Liebe Genossinnen und Genossen, an fehlenden Bildungschancen darf die Integration der jungen Neuberlinerinnen und Neuberliner nicht scheitern!

Dazu gehört natürlich zuerst der Aufbau der notwendigen Kapazitäten – die Stadt hat praktisch über all einen Mangel – bei Fachkräften, bei Gebäuden, bei Sanierungen. Deswegen ist es nicht übertrieben, wenn wir im Antrag von einer Krise sprechen – von einer Bildungskrise, in der sich die Stadt seit Jahren befindet.

Wir LINKE wollen eine Bildungslandschaft, die sich genau so dynamisch entwickelt, wie unsere Stadt!

Aber Öffnung für Vielfalt braucht noch mehr als die materielle und personelle Basis des Lernens. Berlin hat viele Erfahrungen im Umgang mit Verschiedenartigkeit, mit Multikultur in KiTas, Schulen und Hochschulen. Der so genannte »Rütli-Schock« war vielerorts heilsam.

Die Reformen in der Ausbildung von ErzieherInnen und Lehrkräften in Richtung Interkulturalität müssen jedoch weitergehen. Wir sollten zudem gezielt MigrantInnen für diese Berufe werben. Wir werden uns weiter auf weltanschauliche, ja und auch auf religiöse Vielfalt einstellen müssen.

Das Verstehen dieser Vielfalt und der souveräne Umgang mit ihr dürften zukünftig noch wichtiger werden.

Wir haben soeben der Opfer der vielen Terroranschläge der letzten Wochen gedacht. Die Attentäter von Paris waren eben keine Flüchtlinge, sondern junge Menschen, die französische oder belgische Bildungseinrichtungen durchlaufen hatten. Und auch bei uns in Berlin berichten LehrerInnen von Anwerbeversuchen, von jungen Menschen, die sich radikalen salafistischen Bewegungen anschließen – etwa jüngst bei einer großen Tagung zu diesem Thema im Roten Rathaus.

Viele Wege gegen diese Radikalisierung werden diskutiert. Klar ist jedoch: nicht nur die Kinder und Jugendlichen, auch die Erwachsenen in den Schulen und Hochschulen müssen lernen.

In der Kompetenz von LehrerInnen, ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen liegt ein Schlüssel, um Hass und Gewalt vorzubeugen.

Der IS darf aus unserer Stadt, aus Berlin kein neues Kanonenfutter für seinen barbarischen Terror nach Syrien oder sonstwohin in die Welt exportieren.

Und genau so sollen Kinder in unseren KiTas und Schulen durch einen respektvollen Umgang mit Vielfalt immun werden gegen Rassismus und Nazi-Ideologie.

Der zweite Großtrend: nicht zuletzt verändert das Internet die Art, wie junge und auch ältere Menschen heute lernen. Das Digitale durchdringt ihre Lebenswelt und auch ihre Lernwelten. Jeder und jede hat von dem aus der Wikipedia zusammenkopierten Schulaufsatz gehört.

Aber digitale Bildung hat zum Ziel, sich kompetent im Netz zu bewegen und es zum selbstbestimmten Wissenserwerb zu nutzen.

Diese Fähigkeit ist eine Schlüsselqualifikation im 21. Jahrhundert. LINKE Stadtpolitik sollte die materiellen, personellen, aber auch inhaltlichen Voraussetzungen für eine gute, für eine chancengerechte digitale Bildung in Schulen und Hochschulen schaffen. Diese kosten Geld – etwa WLAN in Schulgebäuden, aber auch mobile Endgeräte für jedes Kind. Und natürlich eine gute Ausbildung der Lehrkräfte.

Das Internet ist eine Chance für das weitere Aufbrechen des Bildungsprivilegs und kann gerade bisher benachteiligten Gruppen neue Wege öffnen. Bislang sind wir noch zu oft auf das Engagement einzelner Lehrkräfte und Schulleitungen angewiesen, um das digitale Klassenzimmer voranzubringen.

Sorgen wir dafür, dass Berlin die Chancen der Digitalisierung endlich systematisch und konzertiert nutzt!