Lasst uns das gemeinsam machen

Rede von Katina Schubert
Landesvorsitzende


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir alle stehen noch unter dem Eindruck des Urteils aus Karlsruhe zum Mietendeckel. Die Entscheidung ist ein herber Rückschlag – für uns, aber natürlich auch für alle Mieterinnen und Mieter in unserer Stadt.

Für sie tut es mir entsetzlich leid. Und es is gut, dass der Senat, dass Sebastian, Wenke und Regula sofort gehandelt haben und seit heute Hilfen an betroffene Mieterinnen und Mieter ausreichen können.

Wichtig ist mir in dem Zusammenhang: wir haben als Koalition, als Linke nicht fahrlässig gehandelt. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht über den Mietendeckel geurteilt. Es hat festgestellt, dass dem Land Berlin die Kompetenz fehlt, einen Mietendeckel zu erlassen. Ein auch in juristischen Kreisen hoch umstrittenes Urteil. Aber das nutzt jetzt weder uns noch den Mieterinnen und Mietern.

Daraus geht aber klar hervor: der Bund hat die Kompetenz. Und die muss er jetzt nutzen. Entweder in Form eines Bundesmietendeckels oder in Form einer Öffnungsklausel, damit Länder und Kommunen in angespannten Wohnungsmärken selbst regulieren dürfen.

Das ist das Gebot der Stunde.

Und das wird mit dieser Bundesregierung, dieser CDU nie und nimmer funktionieren

. Und deshalb ist es für uns völlig klar, die CDU muss raus aus der Regierung. Sie ist der parlamentarische Arm der Immobilienlobby, das sieht man schon an ihrem Spendenaufkommen. Sie sorgt fortgesetzt dafür, dass sich die Profite der großen Immobilienkonzerne, der Spekulationsgewinner realisieren lassen, notfalls mit Steuergeldern.

Dem müssen wir ein Ende setzen.

Wir haben immer gesagt, der Mietendeckel ist ein ganz wesentliches Element in unserem Mehrklang der Mieten- und Wohnungspolitik: wir setzen natürlich auch auf Neubau, aber auf bezahlbaren Neubau, und da ist in Berlin in den letzten vier Jahren so viel geschehen wie all die Jahre unter SPD-Senatoren zusammen nicht. Wir setzen auf die Sicherung von Grund und Boden in der öffentlichen Hand. Nichts darf mehr verkauft werden, neues muss gekauft werden, damit preiswerter Boden für preiswertes Bauen für gemeinnützige und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung gestellt  werden kann. Wir setzen auf Ankauf von Wohnungen. Auch da ist in den letzten vier Jahren so viel passiert wie Jahrzehnte vorher nicht. Wir setzen auf bauliche Ergänzungen wie Supermarktüberbauungen, aber unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Wir setzen auf die Ausweitung des Mileuschutzes, damit weitere Häuser vor dem Ausverkauf durch bezirkliche Vorkäufe geschützt werden können. Wir wollen die Obdachlosigkeit bis 2030 spätestens überwunden haben Und wir wollen die großen Immobilienkonzerne gemeinsam mit Initiative« Deutschen Wohnen und Co enteignen« in die öffentliche Hand bringen. Zur Halbzeit sind schon über die Hälfte der notwendigen Unterschriften zusammen. Danke allen Genossinnen und Genossen, die sich so engagiert einbringen.

 Jetzt erst recht. Das zeigte die Riesendemo am Tag des Gerichtsurteils, das zeigt der Zulauf zu DW enteignen, das zeigen die Zuschriften und Kommentare. Wir lassen uns nicht unterkriegen, nicht von einer korruptionsanfälligen CDU und ihren Klagen, nicht von der Immobilienlobby, nicht von dem Hass der Rechtsextremen, der uns jetzt mal wieder entgegenschlägt.

Mieten und Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit, es geht nicht nur um die Frage, wo und wie die Menschen wohnen, diese Entwicklung bedroht das soziale Gefüge und verändert unsere Nachbarschaften.

Es geht dabei nicht »nur« um Wohnraum, sondern auch um Gewerbe. Bei der Räumung der Meuterei, beim Syndikat überall waren viele von uns da, aber letztlich machtlos, weil es kein Gewerbemietrecht im Sinne von Schutzrecht gibt, weil Spekulanten und Briefkastenfirmen rücksichtslos Wuchermieten verlangen dürfen, die normales Handwerk, kleine Geschäfte, Kneipen, soziokulturelle Zentren niemals aufbringen können.

Ein ganz aktuelles Beispiel: Die Buchhandlung »Kisch und Co« in Kreuzberg (für die sich Klaus Lederer eingesetzt hat, ebenso wie Pascal Meiser) wurde diese Woche rausgeklagt, damit verschwindet wieder ein Stück Berlin, und davon gibt es so viele Beispiele, wo wir an unsere Grenzen stoßen, denn Gewerbemietrecht ist Bundessache,

Und auch hier: Fehlanzeige im Bund bei der CDU, von dieser Partei können die Menschen nichts erwarten, außer vielleicht noch mehr Skandale um Masken, Spenden und Korruption

Und ja, diese Vorgänge machen uns wütend. Aber: sie treiben uns auch an. Sie treiben uns an, weiterzumachen und ganz bestimmt nicht die Hände in den Schoß zu legen. Jetzt erst recht.

Und wenn ich dann höre, dass die Spitzenkandidatin der SPD meint, das alles besser zu können, dann empfehle ich doch mal eine kleine Rückschau auf das, was SPD-Senator:innen in den Bereichen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr in den vielen Jahren vor 2016 so zustande gebracht haben. Schaut euch die Zahlen im Neubau oder zum Beispiel mal beim Bau von Sozialwohnungen an: 2016, im letzten Jahr eines SPD-Senators, wurden 205 Sozialwohnungen neu gebaut. 205. Im letzten Jahr trotz Corona 5394 und in diesem Jahr werden es 8300 sein.

Auch insgesamt entstehen in Berlin derzeit so viele Wohnungen wie Jahrzehnte vorher nicht.

Berlin ist in 2019 um 21.300 Einwohner gewachsen. Im gleichen Zeitraum wurden 19.000 Wohnungen fertiggestellt. Statistisch leben 2,1 Einwohner in einer Wohnung. Wir bauen derzeit also mehr als die Zuzüge es erforderlich machen und holen so den Rückstand auf.

Auch im Vergleich mit anderen Städten hat Berlin aufgeholt. Während 2019 in München, Hamburg und Köln der Neubau zurückging, legte Berlin weiter zu und setzte sich mit 6,14 neuen Wohnungen pro 1.000 Einwohner erstmals an die Spitze, vor Hamburg mit 6,12 Wohnungen (München: 4,82, Köln: 1,99).

Und weil Frau Giffey und der Herr von der CDU so gerne nach Hamburg schauen mit seinem runden Tisch: Seit 2011, dem Beginn der SPD-Regierung und ihres »Bündnis für Wohnen« sind die Mieten in Hamburg um 21,1 Prozent gestiegen, waren drei Viertel der Neubauwohnungen teure Wohnungen (freifinanziert oder Eigentumswohnungen) . Also nix mit Drittelmix.

 Und die Zahl der Sozialwohnungen ist von 100.00 auf knapp 80.000 gesunken – trotz der vielen Neubauten, während sie in Berlin seit letztem Jahr auch absolut wieder steigt.

Soll das das Vorbild für Berlin sein?

Dieses Bauen Bauen Bauen Mantra der vereinigten Opposition plus SPD entbehrt jeder empirischen Grundlage. Sie wollen der Bevölkerung Sand in die Augen reiben, dass der Markt schon alles richten werde, wenn es nur genug Angebot gebe. Aber diesen marktwirtschaftlichen Kinderglauben hat doch kaum noch jemand. Man braucht sich nur auf den Immobilienportalen umzugucken.

Wer richtig gut verdient, findet schnell eine Wohnung. Aber für die Straßenbahnfahrerin, den Krankenpfleger, die Friseurin, den Feuerwehrmann, die oberhalb der WBS-Grenze verdienen, wird es ohne den Mietendeckel wieder ganz ganz schwer, bezahlbare Wohnungen zu finden. Und deshalb wollen wir auch, dass der Mietendeckel zumindest für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften weiter Anwendung findet. Und wenn die LWU Hilfe brauchen, um auch ihren Bauverpflichtungen nachzukommen, dann müssen sie die bekommen. Wir halten uns keine Wohnungsbauunternehmen, damit sie fette Gewinne machen, sondern damit sie die Berliner Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum versorgen. Das ist ihr Auftrag. Und deshalb brauchen wir mehr öffentliche und gemeinwirtschaftliche Wohnungen

Und dafür begeben wir uns in harte Auseinandersetzungen

Wir merken es doch jetzt in der Diskussion um die Entscheidung zum Mietendeckel, wer sich wirklich mit den Lobbys anlegen will und die Probleme radikal an der Wurzel packen will und wer lediglich Lippenbekenntnisse abgibt

Wir kämpfen mit Nachbarinnen und Initiativen um jedes einzelne bedrohte Haus, wir ringen um gute Lösungen. Das dürfen wir uns nicht kleinreden lassen! Und über Ressortverteilung wird nach Koalitionsgesprächen entschieden und nicht fünf Monate vor der Wahl.

Was aber jetzt schon feststeht: Die Berliner*innen wollen keine Basta-Politik! Sie wollen keine Politik mit »gute XXX« Gesetzen von oben herab, sondern sie wollen mitreden und mitmischen

Ja, das ist manchmal unbequem, es dauert und es kommt auch nicht immer das heraus, was wir uns wünschen, aber wir machen Politik mit den Berlinerinnen und Berlinern zusammen und nicht gegen sie.

Denn auch wenn wir immer wieder an Grenzen stoßen, haben wir in den letzten Jahren doch auch gezeigt und erlebt, was möglich ist. Wir haben Handlungsspielräume für Politik eröffnet und neue Beteiligungsformen etabliert. Wir haben die sachgrundlosen Befristungen im öffentlichen Bereich weitgehend abgeschafft, den Landes- und Vergabemindestlohn erhöht, das Schulmittagessen und das Schülerticket kostenlos gestellt und damit dafür gesorgt, dass grade Familien und Alleinerziehende mit Kindern, die hier das größte Armutsrisiko zu tragen haben, mehr Geld in der Tasche haben.

Wir haben das bundesweit erste Mobilitätsgesetz, mit dem Fußverkehr, fahrradverkehr und öffentlicher Nahverkehr in einem sinnvollen Verbund gefördert und ausgebaut werden und natürlich haben wir das Ziel, dass alle Berlinerinnen und Berliner sicher von Nord nach Süd, Ost nach West kommen, ohne auf ein eigenes Auto angewiesen zu sein. Und dazu braucht es schnell mehr Tramlinien, mehr Busse und dichtere Taktzeiten, eine funktionierende S-Bahn. Das ist aktiver Klimaschutz und aktive Sozialpolitik, selbstbestimmte Mobilität ist ein Grundbedürfnis in unserer Stadt.

Wir haben grade in der Pandemie erfahren, wie wichtig den Menschen in Berlin die Kultur ist, und das ist nicht nur die Hochkultur von Opern und Theater, das ist auch die kleine Bühne im Kiez, das ist die Stadtteilbibliothek, das sind die Clubs und Kiezkneipen, die für den Zusammenhalt und das Zusammenleben so wichtig sind. Und hier hat Klaus nicht nur vorbildliches Pandemiemanagement betrieben, um zu retten was zu retten ist, dazu wird er nachher selbst noch was sagen

Wir wollen doch nicht bloß verwalten, sondern das Leben der Berlinerinnen und Berliner verbessern.

Wir haben gezeigt, dass wir den Unterschied machen, dass wir der Motor für Politikwechsel und grundlegende Veränderungen sind, wir haben mit und an der Seite der vielen sozialen Stadtinitiativen die Stadt spürbar verändert.

Wir wollen diesen Weg weitergehen, weiter Verantwortung übernehmen, wir wollen dass das Rote Rathaus richtig rot wird

Wem gehört die Stadt? Mit dieser Frage sind wir 2016 angetreten und seitdem kämpfen wir um jeden Schritt, die Stadt Stück für Stück zurück in die Hände der Berlinerinnen und Berliner zu legen.

Dazu gehört, dass wir die öffentliche Infrastruktur, die soziokulturelle Infrastruktur ausbauen und krisenfest machen. Dazu gehört, dass wir den öffentlichen Gesundheitsdienst ausbauen und die Krankenhäuser wieder ihrem eigentlichen Zweck zuführen: Menschen gesund zu machen, nicht Profite abzuwerfen.

Vorgestern haben sich weit über 400 Menschen zu einer digitalen Stadtversammlung getroffen, Beschäftigte von Charité und Vivantes, Patient:innen, Betriebsräte und auch viele von uns. Sie bereiten jetzt zusammen eine der größten Streikaktionen für bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Personalausstattung und bessere Löhne vor, und das zurecht. Das was grade den Pflegekräften, dem Krankenhauspersonal insgesamt jetzt in der Pandemie-Zeit abverlangt wird, geht über jede Hutschnur und schon über 900 Pflegekräfte sind in Berlin gegangen. Das muss besser, das muss anders werden und deswegen stehen wir an der Seite der Beschäftigten und unterstützen sie nach besten Kräften.

Und lasst mich noch einen sidekick machen. Das große Drama dieser Wochen ist das Impfen. Die Zockerei und die Zögerlichkeit der Bundesregierung bei der Beschaffung von Impfstoffen haben für so viel Verdruss gesorgt, ein Grund mehr, dass seie einfach den Hut nimmt.  Ich bin froh, dass mittlerweile mehr als ein Fünftel aller Berlinerinnen und Berliner erstmals geimpft sind und dass es jetzt auch losgeht mit den Behinderteneinrichtungen, den Geflüchtetenunterkünften, den obdachlosen. Lasst uns jetzt nicht über guten oder schlechten Impfstoff diskutieren, alle Impfstoffe, die zugelassen sind, sind wirksam und okay. Und wer meint über Impfstoff, Weltpolitik machen zu können, sollte es gleich sein lassen. Natürlich müssen wir Sputnik verimpfen, sobald er zugelassen ist. Und natürlich müssen wir weiter darum kämpfen, dass die Patente frei gegeben werden, dass überall in der Welt Impfstoff verfügbar wird. Corona ist auch ein Armutsproblem. Und das müssen wir vehement bekämpfen.

Um die Stadt Stück für Stück den Berlinerinnen und Berlinern zurückzugeben, brauchen wir auch klimafeste Strukturen, die Verkehrswende, die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude, die Energiewende. Den Erhalt von Stadtgrün, Parks und Kleingärten. Das ist eine für uns zutiefst soziale Frage. Denn die allermeisten können der großen Sommerhitze zum Beispiel nicht durch Flucht auf die Datsche an der Ostsee oder in Brandenburg entfliehen. Alle haben ein Recht auf gesunde Luft, gesundes Wasser und die effiziente Bekämpfung des Klimawandels.

Und für all das brauchen finanziellen Handlungsspielraum. Deswegen muss die Schuldenbremse weg

Wer verhindern will, dass sich die Stadt aus der Krise in die Krise spart, muss DIE LINKE stark machen

Ein progressives Regierungsbündnis gibt es nur mit einer starken LINKEN

Und wenn Frau Giffey jetzt offen mit dieser CDU antichambriert ist das nur ein Argument mehr, die Linke stark zu machen.

Wir stehen an der Seite der Prekären, wir kämpfen für gute Arbeit – überall. Solidarität ist unsere schärfste Waffe.

Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Transfeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit – dagegen stehen wir – gemeinsam, jeden Tag, auf der Straße, im Alltag, im Parlament. Und das hat nix mit Identitätspolitik zu tun, das hat mit der Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse zu tun. Wir stehen gegen jede Form von Unterdrückung. Ausbeutung in Arbeitsverhältnissen im Kapitalismus, patriarchale Unterdrückung und rassistische Unterdrückung sind harte Unterdrückungsverhältnisse, die wir nur gemeinsam und Seite an Seite mit Betroffenen bekämpfen können.

Wir sind unteilbar

Das sagt unser Wahlprogramm. Dafür steht die Linke. Dafür kämpfen wir und dafür ringen wir um gesellschaftliche und parlamentarische Mehrheiten – im Land, im Bund und in den Bezirken

Und dafür werden wir im September mit hoffentlich wieder hunderttausenden auf die Straße gehen.
 

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir werden nachher unser Wahlprogramm Rot.Radikal.Realistisch beraten. Es ist entstanden in einem ganz breiten Prozess in der Partei und mit der Zivilgesellschaft, und das unter Pandemiebedingungen. Dafür ganz herzlichen Dank. Ganz herzlichen Dank auch an unsere Senatorin und Senatoren, Staatssekretär:innen und ihre Teams die sich trotzt des aktuellen Megastresses in der Pandemiebewältigung in den Programmprozess eingebracht haben, vielen Dank an unsere Bürgermeister:innen und  Stadträt:innen, für die das gleiche gilt.

Ich bin begeistert, was da in den letzten Monaten alles passiert ist, wie viele tolle und kreative Diskussionen und Aktionen es da gab.

Und jetzt lasst uns die letzten offenen Fragen mit großer Sachlichkeit und solidarisch diskutieren und uns dann mit unserem Wahlprogramm und der Landesliste, die wir ab morgen wählen werden, in die Auseinandersetzung stürzen. Wir wollen stärker werden, im Bund, im Land, in den Bezirken, wir wollen den Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co enteignen zum Erfolg bringen. Wir wollen diese Stadt, dieses Land, diese Welt  zum besseren verändern.

Dafür kämpfen wir, dafür stehen wir ein, lasst uns das gemeinsam machen