Bewiesen, dass wir mitten im Leben der arbeitenden Menschen stehen

Schlusswort von Wolfgang Albers


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort. ]

Genossinnen und Genossen,
lieber Kurt Neumann,
nun ist Klaus nicht da, ja gut, aber der Auseinandersetzung, die Du in deinem Diskussionsbeitrag aufgemacht hast, der stellt sich die ganze Partei hier in Berlin gerne.
Jederzeit und an jedem Ort.
Da brauchen wir uns nicht zu verstecken.
Diese Herausforderung nehmen wir gerne an.

Genossinnen und Genossen,
vor 18 Monaten sind wir unter der Prämisse: “Ein Weiter so darf es nicht geben“ nach kritischer Diskussion und unter den Argusaugen aller Gralshüter dieser Republik trotz unserer Wahlniederlage wieder in die Regierung gegangen, um, wie es im Koalitionsvertrag heißt: Berlins Zukunft zu gestalten- aus eigener Kraft!

Und schon hier wird deutlich: Regieren ist für die Linke kein Selbstzweck.

Regieren ist für uns verbunden mit dem Anspruch zu zeigen, dass linke Politik nicht appellatorisch bleiben muss, sondern konkrete Gestalt annehmen kann.

Wie man aus Versprechungen von vor der Wahl, Politik dann nach der Wahl macht, das ist unser Berliner Kriterium für linke Glaubwürdigkeit.

Mit unserer klaren Positionierung in den Tarifauseinandersetzungen, unserer konsequenten Haltung in Sachen LPersVG, unserm Nein zu jeder Art von Studiengebühren und unserm beispielhaften Vergabegesetz, auch wenn es vom EUGH zunächst kassiert wurde, haben wir auch in der öffentlichen Wahrnehmung stärker als vorher linkes Profil gezeigt.
Wir geben dem „Kein Weiter so“ ein Gesicht.
Diese Partei bewegt sich sehr wohl, man muss dann aber diese Bewegung, bitte schön, auch zur Kenntnis nehmen wollen.
Und – wir bewegen auch, und das ist wichtig,  die SPD, wie man am Tarifabschluss der GEW erkennen  kann.

Weshalb zum Beispiel ist für uns die Auseinandersetzung  um das LandesPersonalVertretungsGesetz  so wichtig?

Weil es hier um den Kern linker Politik geht, um den Anspruch struktureller Veränderung, den wir nicht aufgeben.

Es macht eben keinen Sinn, mehr direkte Demokratie bei Wahlen durchzusetzen, aber die Mitbestimmung am Arbeitsplatz zu schreddern.

Mit dem Sichern des Sozialtickets, mit der Schulspeisung für 23,50 €, dem Einschulungs-Starterpaket für bedürftige Erstklässler (allein dieses Wort muss einem die Nackenhaare aufstellen) und auch mit dem geplanten Sozialpass, der im Herbst kommt, alles Dinge, die wir der SPD in dieser Stadt abgetrotzt haben, verbindet sich jetzt in dieser Stadt der Name der LINKEN.

Es ist uns besser als zuvor gelungen, unsere Bedeutung in dieser Koalition deutlich zu machen.

Natürlich, auch das muss man sagen, bleibt der Handlungsspielraum für linke Politik in dieser Stadt
eng.
Nach wie vor drücken uns Schulden, die noch aus einer Zeit resultieren, als die CDU Auf-Pump-Leben zur Maxime ihrer Haushaltspolitik gemacht hat.

6,8 Millionen Euro Zinsschuld müssen wir täglich dafür zahlen.
Die Schulspeisung und das Starterpaket kosten uns im Jahr 4,25 Millionen Euro.
Nur um einfach mal die Verhältnisse zu zeigen.
Hier täglich 6,8 Millionen an die Banken, dort 4,25 Millionen im Jahr um Kinder satt zu machen und ihnen eine Schultasche und eine Griffeldose zu kaufen.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten böten sich uns, wenn wir diese Schuldlast los würden und deshalb bleibt auch unser Ansatz der Haushaltskonsolidierung im Prinzip  richtig.

Unter diesen  immer noch denkbar schlechten Voraussetzungen aber Möglichkeiten zu finden, die verbleibenden Handlungsräume konsequent zu nutzen, diese Stadt sozialer zu machen, muss das Ziel linker StadtPolitik bleiben.

Spielräume nutzen und Themenfelder offensiv besetzen:

Und das ist auch der Grund, warum wir uns auf dem heutigen Parteitag mit dem Thema:
„Gute Arbeit für Berlin“  beschäftigt haben.

Da setzen wir Pflöcke.


Genossinnen und Genossen,
Uns entzaubert man  nicht mehr so leicht.

Mit seinen Versprechungen entzaubert werden, kann nur der, der proklamatorisch vor einer Wahl Handlungsspielräume vorgaukelt, die er politisch überhaupt noch nicht errungen hat.

Dem wird der selbst gesetzte große Maßstab, an dem man ihn dann misst, in der Realität des Alltags sehr schnell zum Verhängnis.

Die LINKE muss sich dadurch auszeichnen, dass sie die Realität so wahrnimmt wie sie ist und nach nüchterner Analyse die Strategie entwickelt, sie zu verändern.

Und weil wir das hier in Berlin umsetzen, nicht ohne Fehler und nicht ohne Rückschläge, aber weil wir trotz Fehler und auch nach Rückschlägen nach wie vor Regierungsbeteiligung als strategische Option begreifen und nutzen und damit Akzeptanz bei Bündnispartner finden, ohne unsere linke Identität aufzugeben, deswegen wird unser Ansatz zum Modell für eine Veränderung auch in anderen Teilen dieser Republik werden.

Das ist kein unbescheidener Anspruch, Genossinnen und Genossen, aber wir entwickeln da zunehmend ein gesundes Selbstbewusstsein, umso mehr, wenn wir sehen, das anderswo unsere Projekte und unsere Erfahrungen dankbar übernommen werden.

 
Genossinnen und Genossen,
es gab Irritationen nach unserer Klausurtagung in Templin.
Die Partei wolle sich zur Mitte öffnen und sei quasi auf der Suche nach dem Bürgertum.

Genossinnen und Genossen,
wir sind eine sozialistische Partei und wir bleiben eine sozialistische Partei.

Wir arbeiten auf der Grundlage eines Programms der gesellschaftlichen Umgestaltung, das wir alle gemeinsam beschlossen haben.

Dieses Programm durchzieht der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit.

Aber der Kampf um soziale Gerechtigkeit ist nicht ein Kampf, den wir ausschließlich für andere führen, weil wir alle Philanthropen sind.

Dieser Kampf um soziale Gerechtigkeit zieht sich durch alle gesellschaftlichen Strukturen.

Wir haben als sozialistische Partei einen transformatorischen  Gestaltungsanspruch und wollen einen grundsätzlichen Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Dazu aber müssen wir breite Teile dieser Gesellschaft mitnehmen- sonst werden wir nicht hegemoniefähig.

Aber die holen wir nicht ab, indem wir einzig an ihr Gefühl für soziale Gerechtigkeit und an ihre gesellschaftliche Solidarität appellieren.

Die holen wir ab, an ihren eigenen Interessen.

Deswegen entwickeln  wir schul- und hochpolitische, umwelt-und frauenpolitische,  arbeitsmarktpolitische, gesundheitspolitische, und was weiß ich noch für Programme, um die Menschen an ihren eigenen Interessen abzuholen.

Und deshalb sind Aussagen, wie sie nach der Templiner Klausur in der Presse zitiert wurden grundfalsch, man brauche sich um bestimmte Klientele nicht zu kümmern, das täten schon die anderen.

Ja, verflixt noch mal, sollen wir diese Menschen wirklich den anderen überlassen?
Sollen wir also darauf verzichten, mehrheitsfähig zu werden, in dieser Stadt, in diesem Land, in einer Situation, in der die Linke so stark und so anziehend ist für so viele Menschen aus so vielen Bereichen wie niemals zuvor in unserer  Republik?

Wir sind auch Kümmerer-Partei:
Wir kümmern uns um Ausgegrenzte und sozial Schwache, um HartzIV –Betroffene,  aber
wir lassen uns nicht einzig auf diese Rolle einer Kümmerer-Partei reduzieren.


Kümmern -
das konnten die Grauen Panther auch.
Wir sind mehr!
Wir wollen mehr!

Mit unserem heutigen Parteitag haben wir bewiesen, dass wir mitten im Leben der arbeitenden Menschen stehen, das wir all ihre Sorgen und Nöte aufgreifen, dass wir uns auch um die sozial Schwachen kümmern, dass wir es aber gleichzeitig nicht nur ernst meinen mit dem Kampf um die zivilgesellschaftliche Hegemonie in diesem Land, sondern dass wir ihn auch aufgenommen haben.
So – und nun denkt morgen an die Taxi-Telefon-Nummer der ICAT und kommt alle gut nach Hause!

Vielen Dank

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