»Danke Klaus Lederer«
Rede Petra Pau
[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]
1.
Klaus Lederer ist /war der 5. Landesvorsitzende der Berliner PDS bzw. der Partei DIE LINKE Berlin. Ich betone: erst der 5. Vorsitzende und das in nunmehr 26 Jahren. Das spricht für ihn und für einen vergleichsweise stabilen Landesverband.
Die berüchtigten innerlinken Querelen waren in Berlin eher selten. Zunehmend war das Politische bestimmend. Und das im einzigen Ost-West-Landesverband bundesweit. Dafür gilt auch Dir, lieber Klaus, mein erster Dank.
2.
Und doch gab es keinen Mangel an Grundsatz-Debatten. An einige will ich im Rückblick erinnern.
Als Geburtsstunde der Berliner PDS gilt der Februar 1990. Damals wurde überraschend Wolfram Adolphi Vorsitzender. Ihm folgten André Brie und im Herbst 1992 ich. Das waren höchst bewegte Zeiten. Für alle Beteiligten unvergessen waren damals wohl zwei Parteitage.
Der eine fand in der Wilhelminenhof-Straße statt. Es ging um die Geschichte der DDR. Delegierte aus Prenzlauer Berg waren ausgezogen und nur bereit wiederzukommen, wenn sich die PDS strikt von der Sicherheitspolitik SED und den Praktiken der Staatssicherheit distanziert.
Der zweite fand vordem in der Fröbelstraße statt. Massiv gestritten wurde über ein weißes und ein grünes Papier. Im Kern ging es darum, ob die PDS 1992 Stadträte stellen sollte oder ob Bezirksämter nur den Imperialismus verwalten.
1995 gab es wieder Berliner Wahlen und die Frage wurde praktisch beantwortet. Wolfram Friedersdorf wurde erster PDS-Bürgermeister.
3.
Erinnern möchte ich auch an den Beitrag der Berliner PDS zu Bundestagswahlen. 1994 zog die PDS wieder im Gruppenstatus ein, weil in Berlin vier Direktmandate gewonnen wurden, eines dank Stefan Heym.
Und 1998 schaffte die PDS erstmals den Fraktionssprung, wieder mit kräftiger Berliner Hilfe.
4.
Zu jener Zeit begannen wir uns als Landesverband übrigens auf eine Berliner Regierungsbeteiligung vorzubereiten. Auf Parteitagen befassten wir uns mit Themen, die für Linke bis dato eher untypisch waren. Z.B. die öffentliche Sicherheit, also auch mit der Polizei.
Carola Freundl und Harald Wolf hatten mit einem Papier »Vor der Kür kommt die Pflicht« zu solchen und weiteren Themen gedrängt. Intern hatten wir gehofft, 2003 die große Koalition aufbrechen und sie durch ein Regierungsbündnis mit der PDS ersetzen zu können. Doch dann ging alles viel schneller.
Ein Bankenskandal mit Verwicklungen der CDU führte zu vorgezogenen Neuwahlen. Gregor Gysi wollte damals Regierender Bürgermeister werden. Wir errangen mit ihm über 22% aller Stimmen. Immerhin wurde er Frauensenator, dass Wirtschaftsressort bekam er dazu.
Die Sondierungen für diese erste rot-rote Landesregierung fanden für die PDS noch unter meiner Leitung als Landesvorsitzende statt. Dann, Anfang Dezember 2001 wurde Stefan Liebich neuer Vorsitzender. Die Führung der Koalitionsverhandlungen oblag bereits ihm.
Es war eine für Linke äußerst komplizierte Zeit. Zur Erinnerung empfehle ich das Buch von Harald Wolf »Rot-Rot in Berlin«. Und auch daran sei erinnert: Am 1. August 2002 trat Gregor als Senator zurück. Die Berliner PDS stürzte daraufhin in Umfragen auf 8% ab.
5.
2005 wurde Klaus Lederer neuer Landesvorsitzender. Ein Jahr später begann die zweite rot-rote Legislatur in Berlin. Sie endete 2011 mit einem denkbar schlechten Wahlergebnis, und mit einem sehr nachdenklichen Klaus. Wer ihn näher kennt, weiß: Er kann auch sehr spontan sein. Aber das Nachdenken und das besser Machen überwiegen immer.
Fakt war: Die Berliner Linke musste sich berappeln und sie tat es. Mit Klaus als Landesvorsitzenden und das ist mein zweiter Dank.
6.
Das alles schoss mir kürzlich, im September, am Wahlabend, durch den Kopf. Die Berliner LINKE hatte gegen den Bundestrend zugelegt. Wieder waren ganz viele beteiligt. Aber Klaus hatte daran einen Mammut-Anteil, als Spitzenkandidat im unermüdlichen Dauerlauf. Und dafür gebührt dir unser dritter Dank.
7.
Natürlich hat Klaus auch viele inhaltliche Spuren hinterlassen. Bürgerrechte und Demokratie trieben ihn immer um. Dass im Land Berlin die Hürden für Volksabstimmungen deutlich gesenkt wurden, hat auch mit seinem Engagement zu tun.
Ironie der Geschichte dabei: Jene, die immer gegen mehr direkte Demokratie waren, die CDU, rannten als erste auf die Straße. Sie sammelten Unterschriften »Pro-Reli« und verloren doch. Die Kirche wurde im Dorf gelassen. Berlin blieb bunt.
8.
Weil es auch schon wieder zehn Jahre her ist, will ich auch daran erinnern. 2005-2007 ging es um die Vereinigung von Linkspartei. PDS und WASG. Auf Bundesebene galt sie längst als vereinbart. Aber in Berlin schien sie schlicht ausgeschlossen. Beide Landesverbände, die Linke und die WASG, waren so beieinander, wie Profi-Boxer im Nahkampf. An obskuren Episoden aus jener Zeit mangelt es nicht. Ich lasse sie jetzt alle mal weg.
Dass es dennoch gut ging, hat auch mit Klaus zu tun.
9.
Nun ist Klaus Lederer Bürgermeister, Kultur- und Europa- Senator. Ich war dabei, als die Mitglieder des neuen Senats im Abgeordnetenhaus vereidigt wurden.
Seine erste innerparteiliche Bewerbung für dieses Amt liegt inzwischen auch schon 18 Jahre zurück. 1998 sang er mir mit seinem Quartett ein wohlklingendes Ständchen, in der Oderbergerstraße, im vormaligen Wahlkreisbüro von Stefan Heym.
Von der PDS im Abgeordnetenhaus bekam ich am selben Tag eine Zeitung. »Fraktionsspitze kocht!«, war der Leitartikel überschrieben. Diese lukullische Einladung von Carola Freundl und Harald Wolf habe ich noch heute gut. Wir sollten uns endlich dafür Zeit nehmen.
Diese Woche wurde ich gefragt, ob denn irgendjemand diese und weitere Episoden aus der Geschichte der Berliner LINKEN festhält. Wohl leider nicht. Aber vielleicht fühlen sich nach meinem kleinen Ausflug durch die Jahre Genossinnen oder Genossen dazu ermutigt?
Ein Ereignis gehört bestimmt zu den Höhepunkten. Die Urabstimmung über den aktuellen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag. Beides hat wieder ganz viel mit Klaus Lederer zu tun.
Und auch sein Abschied von der Spitze der Berliner Linken ist durchaus typisch. Ich war rekordverdächtige zehn Jahre Landesvorsitzende. Das ließ Klaus nicht auf sich sitzen. Er setzte forsch noch ein Jahr drauf.
Lieber Klaus,
es gäbe noch viel mehr zu erzählen. Und so lade ich dich nach Marzahn ein, 2017 nach Marzahn zur IGA mit Seilbahn. (Übrigens mit einer Bitte, Berlin besteht aus seinen Kiezen, mit Besonderheiten und spezifischen Interessen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, dies gilt auch für Außenbezirke wie Spandau oder MaHe…) Bis dahin sei unser Dank mit dir und unsere Wünsche für deine neuen Herausforderungen als Bürgermeister und Senator von Berlin.