Es ist eine Chance

8. Parteitag, Ao. Tagung

Wortmeldung von Franziska Brychcy

 [ Manuskript ]

Liebe Genoss*innen,
liebe alle,

gefühlt liegt es ja schon fast eine Ewigkeit zurück, aber wir haben als LINKE. Berlin – in allen Bezirksverbänden – in allen Kiezen – gemeinsam einen großartigen Wahlkampf bestritten. Und auch wenn unsere Ergebnisse sehr unterschiedlich ausgefallen sind von herben Niederlagen – über stabil geblieben – bis fulminant dazu gewonnen – möchte ich euch allen noch einmal danke sagen. Danke für eure Kraft, eure Zeit& euer unermüdliches Engagement für die LINKE. in Berlin!

Heute entscheiden wir gemeinsam, ob wir in Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grüne eintreten werden.
Das Sondierungspapier, das uns dazu vorliegt, enthält sicherlich einige gute Punkte, aber bleibt in zentralen Bereichen hinter unseren Erwartungen zurück. Im Bereich Wohnen und Stadtentwicklung, den wir mit dem Claim #Mietenwahl und #DamitBerlinDeinZuhauseBleibt zum Wahlkampfthema Nummer eins gemacht haben, steht nichts mehr von der herausgehobenen Stellung der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, sondern gleichsam das Wohnungsbündnis mit privaten, profitorientierten Immobilienentwicklern.
Auch wenn ich weiß, dass um die Formulierung zum Volksentscheid DW & Co. enteignen sehr gerungen worden ist: das Ergebnis ist leider kein klares Bekenntnis der künftigen Koalition zur Umsetzung des Volksentscheides per Gesetzesentwurf!

Auch im Bildungsbereich ist das Sondierungspapier eine schwere Hypothek für uns, denn die Lehrkräfteverbeamtung soll kommen ohne dass klar ist, wie eine rechtssichere Kompensation für diejenigen, die nicht verbeamtet werden können, aussehen kann. Und das größte Problem ist, dass beides – Verbeamtung und Kompensation – das Kernproblem nicht löst, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen müssen, viel mehr pädagogisches Personal auszubilden, ohne dass die Ausbildungsqualität leidet und auch die Arbeitsbedingungen für das pädagogische Personal spürbar zu verbessern. Und auch dafür bräuchte es Finanzmittel, die nicht unendlich zur Verfügung stehen! Populismus, ohne dass sich am tatsächlichen Problem etwas ändert, dürfen wir nicht mitmachen!

Trotz alledem bin ich dafür, jetzt nicht aufzugeben und zu versuchen, die gemeinsamen Vorhaben in Koalitionsverhandlungen in eine progressive Richtung nach links zu verschieben. Der Landesvorstand hat in seinem Antrag A1 viele wichtige Ziele skizziert, die ich teile.
Ich finde aber auch richtig, nur dann in eine Koalition einzutreten, wenn der Volksentscheid, den knapp 60% der Berliner*innen unterstützt haben, auch eine Chance auf Umsetzung erhält. Ob das in den Verhandlungen gelingen wird, weiß ich nicht. Aber wir sollten gemeinsam dafür kämpfen: alle, die verhandeln, die gesamte Partei und die Initiative.

Wenn es überhaupt gelingen kann, dann nur gemeinsam in einem breit angelegten, partizipativen Prozess! – und am Ende müssen wir bewerten, ob die Ergebnisse für ein progressives, linkes Koalitionsprojekt tragfähig sind oder nicht. Ich bin bereit, mich dafür zu engagieren und werbe dafür, es zu versuchen, ohne sich Illusionen zu machen, aber auch den Mut zu haben, den Eintritt in eine Koalition abzulehnen, sollten unsere Minimalziele nicht erreicht werden können.

Ich stimme Katina zu: Es ist eine Chance – und wir sollten sie ergreifen!

Danke!