LINKE stehen für soziale Gerechtigkeit

2. Parteitag, 4. Tagung

Rede von Marianna Schauzu


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort. ]

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,

im Gegensatz zum Motto unseres Parteitags »Öffentlich - weil's besser ist« könnte man das real existierende Kontrastprogramm »Profit vor Sicherheit« nennen. Der gerade zu Ende gegangene Konflikt mit den privaten Fluggesellschaften über die staatlich angeordneten Flugverbote hat uns gezeigt, um was es geht: Es ist, wie schon bei den Ausfällen und Mängeln bei der Deutschen Bahn und bei der S-Bahn, der antagonistische Interessengegensatz zwischen Gemeinwohl und Renditezwang.

Wir als LINKE stehen für soziale Gerechtigkeit. Und heute ist die Gelegenheit, nicht nur durch das gewählte Motto sondern auch durch Beschlüsse zu zeigen, dass wir uns dieser Verantwortung bewusst sind.

Mit dem Antrag »Öffentlich – weil's besser ist« wird gefordert, den öffentlichen Einfluss in der Daseinsvorsorge wiederzugewinnen bzw. zu erhöhen – weil's besser ist. Das können wir sicher alle uneingeschränkt unterschreiben!

Mit den Wasserbetrieben, der S-Bahn, dem Energiesektor, den öffentlichen und den landeseigenen Unternehmen werden darin die wichtigsten Einrichtungen der Daseinsvorsorge benannt.
Doch ein ganz wesentlicher Bereich – die Wohnungs- und Mietenpolitik – wird nicht angesprochen. Und das ausgerechnet in einem Moment gravierender Unsicherheit von Tausenden Mietern. Mieter, die vom Börsengang der GSW nichts Gutes zu erwarten haben, und Mieter in Wohnungen landeseigener Gesellschaften, die von der Beendigung der Anschlussförderung für Sozialwohnungen betroffen sind. So richtig die Beendigung der Anschlussförderungen für Sozialwohnungen war, so notwendig ist es jetzt, sich gegen drastische Mieterhöhungen dort zu stellen. Ich freue mich, dass dazu kurzfristig ein Dringlichkeitsantrag vorgelegt wurde.

Aber auch in den Aussagen des Antrags zu den Wasserbetrieben und zur S-Bahn kommt die klare Haltung der LINKEN gegen Privatisierung und für den Erhalt und die Wiedergewinnung der öffentlichen Kontrolle nicht deutlich genug zum Ausdruck. Zu den die Wasserbetriebe und die S-Bahn betreffenden Kapiteln des Antrags wurde deshalb eine Reihe von Änderungsanträgen mit weitergehenden Vorschlägen und Präzisierungen vorgelegt.

Ich will hier nur auf das Kapitel zur S-Bahn eingehen. Darin wird die kommunale Kontrolle über den S-Bahn-Betrieb angestrebt. Wir - der Sozialpolitische Arbeitskreis - haben im Februar in Charlottenburg-Wilmersdorf eine Diskussionsveranstaltung zum S-Bahn-Problem mit unserer Genossin Jutta Matuschek, dem Verkehrsexperten Winfried Wolf und dem Vorsitzenden des S-Bahn-Betriebsrates Heiner Wegner – der heute hier ist – durchgeführt, die Anlass für unsere Anträge 7 und 8 war. Beide Anträge wurden inzwischen durch die Änderungsanträge 2.2 und 2.6 ersetzt.
Im Antrag »Öffentlich – weil's besser ist« wird die kommunale Kontrolle über den S-Bahn-Betrieb angestrebt, entweder durch Direktvergabe der Verkehrsleistungen an die BVG oder mit Hilfe eines neuen Landesunternehmens bzw. durch Übernahme der S-Bahn in Berliner Landeseigentum.
Wir wissen aber alle: Beides ist nicht kurzfristig realisierbar, denn der Verkehrsvertrag mit der Eigentümerin der S-Bahn, der Bahn AG, gilt bis 2017. Die Bahn AG ist zudem nicht bereit, die S-Bahn zu verkaufen. Die vorgeschlagene Direktvergabe der Verkehrsleistungen an ein Berliner Unternehmen wäre somit nur für ein ausgeschriebenes Teilnetz möglich. Die damit verbundene Aufsplitterung des Netzes wird aber die gravierenden Probleme der S-Bahn nicht lösen. Im Gegenteil!

Wir dürfen daher die vom Senat angekündigte Teilausschreibung des S-Bahn-Verkehrs nicht nur skeptisch sehen, wie es im Antrag heißt, sondern wir müssen – wie im Änderungsantrag 2.2 gefordert – klar und eindeutig sagen, dass mit der LINKEN eine Teilausschreibung der S-Bahn nicht zu machen ist.

Unser Ziel ist doch der Erhalt der S-Bahn als integriertes Unternehmen in einer Hand. Das entspricht sowohl den Interessen der Mitarbeiter wie denen der Nutzer der S-Bahn.

Wir müssen daher auch ein Konzept für die verbleibenden Jahre bis 2017 entwickeln. Ein Vorschlag für ein solches Konzept liegt euch mit dem Änderungsantrag 2.6 vor. Die darin angeregte Neuverhandlung des S-Bahn-Vertrags wegen andauernder Schlechtleistung und gravierender Mängel steht nicht im Gegensatz zum angestrebten Ziel der Kommunalisierung. Darüber hinaus sollten wir uns auch dafür einsetzen, dass die Zuordnung der S-Bahn zur DB Regio rückgängig gemacht wird, denn die jetzige Regelung macht eine Teilprivatisierung nur noch leichter. Notwendig ist auch die Übertragung des Fahrwegs an das Unternehmen S-Bahn durch Herauslösung aus der DB Netz AG.

Zur Verhinderung der Privatisierung und zur Wiederherstellung eines sicheren und zuverlässigen S-Bahn-Verkehrs bedarf es zudem einer öffentlichen Kampagne. Wir müssen den verbreiteten Wunsch der Berlinerinnen und Berliner nach Erhalt »ihrer« S-Bahn aufgreifen. Diese Kampagne sollten wir an der Seite des Betriebsrates der S-Bahn und der Fahrgastverbände führen. Diese Organisationen kämpfen bereits seit Jahren gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn und für eine bessere S-Bahn.

Nur wenn es uns gelingt, die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass wir uns wirklich um die Rettung der S-Bahn kümmern, werden wir im nächsten Jahr einen erfolgreichen Wahlkampf führen können. Ich bitte deshalb um eure Zustimmung zu beiden Änderungsanträgen.