EU-Recht schreibt Lohndumping vor

Brisante Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Zur Entscheidung des EuGH über die Unzulässigkeit von Tarifbindungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erklärt der Vorsitzende der Partei DIE LINKE.Berlin, Klaus Lederer:

Die aktuelle EuGH-Entscheidung im Fall Rüffert gegen Niedersachsen zur Tarifbindung öffentlicher Auftragsvergabe ist ein politischer Skandal und macht den dringenden Handlungsbedarf bei der sozialen und demokratischen Reform der EU-Institutionen deutlich. Es zeigt erneut, dass die europäischen Institutionen die ihnen im EG-Vertrag zugestandenen Kompetenzen und Handlungsspielräume im Zweifelsfall zulasten lokaler politischer Entscheidungsspielräume und zugunsten marktradikaler Ordnungsvorstellungen einsetzen. Damit werden sowohl die ohnehin schon sehr schwachen sozialpolitischen Integrationsvorschriften als auch das Subsidiariätsprinzip schlicht ignoriert.

Eine Änderung dieser politisch verheerenden Linie von Kommission und Gerichtshof kann nur durch die Mitgliedstaaten als »Herren der Verträge« im Rahmen von Vertragsänderungen durchgesetzt werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, jeden möglichen Einfluss in dieser Hinsicht geltend zu machen. Das Beispiel dieser EuGH-Entscheidung zeigt, dass die gegenwärtigen zentralen Leitlinien in die falsche Richtung führen. Auch die im Lissaboner Vertrag enthaltenen sozialen Bekenntnisse bieten keine ausreichende Gewähr für eine demokratischere und sozialere Ausrichtung europäischer Politik.

Das Urteil ist zunächst eine Entscheidung über das Vergabegesetz Niedersachsens. Unser Berliner Vergabegesetz, das Tarifbindung vorschreibt, ist bereits 2006 vom Bundesverfassungsgericht als Ausdruck der Sozialstaatsbindung für verfassungskonform erklärt und erst vor wenigen Tagen in seiner Schutzwirkung auf Mindestlöhne ausgeweitet worden. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass durch den Spruch des EuGH wichtige Schritte, die der Berliner Landesgesetzgeber zur Unterbindung von Dumpinglöhnen und prekärer Beschäftigung gegangen ist, gefährdet sind. Die rot-rote Koalition wird prüfen lassen, wie dieses Ziel auch weiterhin erreicht werden kann. Besser wäre es aber, wenn es endlich auch in Deutschland flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne gäbe. Die große Koalition muss sich hier endlich bewegen und dem Gebot der Stunde folgen. Die meisten anderen europäischen Staaten sind uns hier um Meilen voraus.