Regierungsalltag heißt: dicke Bretter bohren

Rede von Katina Schubert

Landesvorsitzende


[Manuskript - es gilt das gesprochene Wort.]

Liebe Genossinnen und Genossen,

vermutlich wir alle schauen derzeit mit großer Sorge nach Syrien. Seit sieben Jahren tobt dort ein brutaler Bürgerkrieg, der Millionen von Menschen in die Flucht geschlagen hat und jetzt droht eine internationale Eskalation, die der helle Wahnsinn ist. Die Anschläge von heute Nacht sind völkerrechtswidrig. Die internationale Kommission zur Untersuchung der Vorwürfe eines Giftgasangriffs ist noch unterwegs. Trotzdem haben USA, Großbritannien und Frankreich losgeschlagen. Einen internationalen Krieg kann niemand wollen. Und die Menschen, die noch in Syrien sind, können das nicht aushalten. Deshalb muss Schluss sein mit der Eskalation von Gewalt und Drohungen, muss Schluss sein mit diesem Krieg. Alle fremden Staaten müssen sich aus Syrien zurückziehen.

Die Situation ist verfahren. Die demokratischen, säkularen Oppositionsgruppen gegen die Assad-Regierung sind längst geflohen. Es stehen sich islamistische Organisationen und die Regierung gegenüber. Da gibt es nicht die Guten und die Bösen.

Und die Türkei nutzt die Situation aus, in Syrien, in Afrin einzufallen, wo sie gegen jedes Völkerrecht einen Angriffskrieg gegen die Kurdinnen und Kurden führt und ihre innenpolitischen Auseinandersetzungen im Krieg gegen die Kurden fortführt. Die türkischen Truppen müssen raus aus Syrien

Stefan Liebich hat das gestern im Fernsehen gut zusammengefasst: Eine Bombardierung Syriens wäre völkerrechtswidrig und jetzt seien internationales Recht und Ordnung am Zug. Das heißt dann eben auch, dass es nicht reicht, wenn die Bundesregierung mitteilt, sie will sich nicht an einem Militärschlag beteiligen. Sie muss alles daransetzen, eine internationale Eskalation des Krieges zu verhindern. Das heißt auch, dass alle Waffenexporte, auch in EU-Staaten, ab sofort unterbleiben, dass es keinerlei logistische Unterstützung für Kriegsvorbereitungen gibt und dass die Bundeswehr sofort aus den Auslandseinsätzen zurückgezogen wird. Am nächsten Mittwoch um 18 Uhr macht unsere Bundestagsfraktion noch mal eine Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Wer Zeit hat, kommt bitte dorthin.

 

Genossinnen und Genossen,

seit dem letzten Parteitag sind vier Monate vergangen, immerhin gibt es jetzt eine Bundesregierung, keine gute.

Während sich die Lage in Syrien, in Afghanistan verschärft, plant die Regierung eine noch rigidere Flüchtlingspolitik, etliche Unionspolitiker sind auf der Suche nach sicheren Gebieten in Syrien, in die sie abschieben können, so wie sie behaupten, in Afghanistan gebe es sichere Gebiete. Die weitere Aussetzung des Familiennachzugs ist unmenschlich und läuft jeder Integration zuwider. Der Bundesheimatminister bürgert mehrere Millionen Menschen aus, indem er behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland

Der Gesundheitsminister Spahn darf ungehindert Hartz-IV-beziehende verhöhnen, Pflegerinnen und Pfleger veralbern und Menschen in Angst und Schrecken versetzen mit der Behauptung, es gebe rechtsfreie Räume vor allem hier in Berlin.

 

Aber ein gutes haben die Ausfälle des Herrn Spahn. Die Gesellschaft insgesamt diskutiert wieder über Hartz IV.

Es geht hier aber, und das sage ich in Richtung Sozialdemokratinnen und demokraten, nicht um eine Umetikettierung von Hartz IV, es muss um die Überwindung gehen. Wir brauchen eine bedarfsorientierte sanktionsfreie Mindestsicherung von derzeit 1050 Euro. Der Niedriglohnsektor, eine Armutsfalle ersten Ranges muss zurückgedrängt werden. Der Mindestlohn erhöht werden.

Und schauen wir doch mal, wie weit die Berliner SPD und auch die Grünen gehen, wenn wir ihnen eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Sanktionen vorschlagen. Es ist an der Zeit.

Genauso wie es an der Zeit ist, im Ausbildungsbereich Mindestvergütungen zu verankern. Die Spanne in der betrieblichen Ausbildung ist enorm hoch. Und hier zeichnen sich schon manche Ungerechtigkeiten ab: klassische Frauenberufe werden schon in der Ausbildung so mies bezahlt, dass es zum Leben nicht reicht, während die Maurerazubis schon ganz gut verdienen. Die Thüringer planen dazu eine Bundesratsinitiative. Das könnten wir gut mitmachen.

Begrifflichkeiten sind in der Politik keine Nebensächlichkeit. Michael Müller hat mit seinem Vorschlag eines solidarischen Grundeinkommens ziemlich viel Öffentlichkeit bekommen. Das Gute daran ist, dass wieder über Sinn und Zweck öffentlich geförderter Beschäftigung diskutiert wird. Und auch wir sind gut beraten, den Ansatz aufzunehmen. Denn in Wirklichkeit geht es nicht um Grundeinkommen, sondern um Beschäftigung, und dafür bekommt man Lohn oder Gehalt. Wir wollen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor für Langzeiterwerbslose, aber zu ganz bestimmten Bedingungen. Die Beschäftigung muss freiwillig sein, sie muss zusätzlich sein. Das heißt, sie darf nicht reguläre Beschäftigung verdrängen, sie muss tariflich entlohnt werden und sie muss einen gesellschaftlichen Mehrwert bringen. Was heißt das? Sie muss den dort Beschäftigten neue berufliche Perspektiven eröffnen, sie müssen von guter Arbeit leben können.

 Erwerbsarbeit ist für viele Menschen immer noch sehr wichtig und ein Schlüssel, um sich anerkannt, gebraucht und wertgeschätzt zu fühlen. Ich weiß, das ist für viele in der Linken alter Arbeitsfetischismus, aber wir dürfen unsere Politik nicht an den Herzen und Bäuchen vieler Menschen vorbei entwickeln.

Und die Tätigkeiten müssen sinnvoll sein, im besten Falle gesellschaftlichen Nutzen bringen. Im alten ÖBS haben wir zum Beispiel viele Projekte von Integrationslotsinnen und -lotsen gefördert. Menschen mit eigener Einwanderungsgeschichte helfen anderen, den Weg in diese komplizierte Berliner Gesellschaft zu finden und sich dort zu behaupten bei den Ämtern, in den Schulen. Heute spielen die Integrationslotsinnen und -lotsen eine wichtige Rolle für viele Geflüchtete, die hier Fuß fassen wollen. Wir hatten noch viele solcher Beispiele: die Kinderbetreuung außerhalb der Kita-Öffnungszeiten zum Beispiel. Und zwar zu Hause bei den Kindern. Oder die Sozialmärkte Das sind Projekte, wie wir sie in einem sozialen Arbeitsmarkt hier in Berlin und bundesweit brauchen.

 

Genossinnen und Genossen,

 

gute Arbeit ist unser erklärtes Ziel. Deshalb haben das Abgeordnetenhaus und letzte Woche auch der Senat beschlossen, dass es künftig keine sachgrundlosen Befristungen mehr im öffentlichen Dienst, in den öffentlichen Unternehmen und ihren Töchtern geben darf. Das gefällt nicht allen, denn auch in manchen der landeseigenen Unternehmen wurden die sachgrundlosen Befristungen als viel zu lange Probezeit genutzt, als Druckmittel auf die Beschäftigten. Deshalb werden wir sehr genau hinschauen, damit diese Beschlüsse auch wirklich umsetzt werden und sich die Arbeitsbedingungen verbessern.

Die Berliner Feuerwehr demonstriert seit drei Wochen für bessere Arbeitsbedingungen. Nachher wird der Sprecher der verdi-Betriebsgruppe Feuerwehr ein Grußwort halten.

Hier muss sich der Senat auf die Kolleginnen und Kollegen zu bewegen, ja und das wird Geld kosten. Aber gute Arbeit und die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner kostet Geld. Und wir müssen es in die Hand nehmen.

Ähnliches Problem Kitas. Ende Mai wird es eine große Demo von Erzieherinnen und Erziehern, Eltern, Kindern, Gewerkschaften geben. Wir haben nicht nur einen Mangel an Kitaplätzen, wir haben einen Riesenmangel an Erzieherinnen und Erziehern. Das Recht auf einen Kita-Platz droht ins Leere zu laufen, wenn wir hier nicht ganz schnell gegensteuern. Es geht gar nicht, wenn es im Jugendamt heißt, es gibt keinen Platz, suchen sie sich eine Oma. Die Privatisierung der Kinderbetreuung kann nicht die Strategie sein. Deshalb muss der Erzieherberuf attraktiver werden, er muss besser bezahlt werden, und : die Erzieherinnen und Erzieher brauchen mehr Anerkennung und Wertschätzung. Es geht nicht um ein bisschen singen und malen. Die Kitas sind Bildungseinrichtungen. Die Ausbildung dauert vier Jahre, Geld gibt’s dafür keines und am Ende der Ausbildung steht dann ein Arbeitsalltag der ständigen Überforderung, weil die Gruppen zu groß und das Personal zu wenig ist und auf dem Konto erscheinen dann vielleicht 1600 bis 1800 Euro, für harte Arbeit. Deshalb müssen wir mit den Koalitionspartnern über einen Berliner Weg verhandeln. Die Gehälter innerhalb des TVL müssen hoch, dazu gibt es nächstes Jahr Tarifverhandlungen. Aber das Land Berlin kann Zuschläge zahlen wie es bei Lehrerinnen und Lehrern auch geschieht.

„Mehr von uns ist besser für alle“ war der Leitspruch der Streikenden an der Charite, und sie haben in einem langen Arbeitskampf einen Tarifvertrag zur Personalmindestbemessung durchgesetzt, der bundesweit vorbildlich ist. Und tatsächlich geht es nicht nur um die Arbeitsbedingungen, sondern auch um die Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten. Eigentlich müsste die Bundesregierung die Mindestvorgaben für die Besetzung von Stationen gesetzlich regeln. Sie tut es nicht. Jetzt gibt es ein Volksbegehren auf Landesebene, damit das Land alle Spielräume nutzt, um diesem Ziel näher zu kommen. Auch dort bekommen wir nachher ein Grußwort. Wir unterstützen das Volksbegehren. Denn gute Arbeit für die Pflegerinnen und Pfleger sind uns zentral wichtig als Partei, als Bürgerinnen und Bürger, als potentielle Patientinnen und Patienten. Aber auch das ist klar. Die Umsetzung der Forderungen wird sehr viel Geld aus dem Landeshaushalt kosten.

Wir sind froh, dass es in langen Auseinandersetzungen gelungen ist, die CFM ab nächstes Jahr nicht nur zurück ins Landeseigentum zur führen, sondern dass die Beschäftigten auch besser bezahlt werden. Jetzt streiken die Kolleginnen und Kollegen der VSG, der vivantes Servicegesellschaften. Und auch für sie geht es um eine bessere Bezahlung wie ihre Kolleginnen und Kollegen bei Vivantes selbst. Wir unterstützen sie.

  

Liebe Genossinnen und Genossen,

Die Stärkung des Öffentlichen innerhalb unserer Frage „wem gehört die Stadt“ ist das Leitmotiv unseren heutigen Arbeitsparteitags. Dabei gehen wir von den real existierenden Problemen aus, die wir auch nach 16 Monaten r2g immer noch haben. Denn wir leben auf keiner Insel, sondern inmitten eines kapitalistischen Systems, in dem das private Eigentum wohl mit das höchste Gut ist.

Die soziale Ungleichheit wächst bundesweit. Und auch wenn es jetzt gelungen ist, dass weniger Menschen in Berlin auf Hartz IV angewiesen sind, ist das Risiko zu verarmen viel zu groß. Die Privatisierungen öffentlichen Eigentums der Vergangenheit sind ein Motor für diese wachsende Ungleichheit. Denn private Unternehmen sind nicht der öffentlichen Daseinsvorsorge verpflichtet, sondern dem Profit.

Deswegen ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass wir das öffentliche stärken, dass wir die Energienetze in öffentliche Hand bekommen, dass die S-Bahn-Wagen in Landeseigentum beschafft werden, dass das Land und die Bezirke mehr Zugriff auf Grund und Boden haben.

Berlin ist immer noch ein El Dorado für Grundstücks- und Immobilienspekulation. Die Expertinnen und Experten streiten, wann das abflaut. Was wir dazu beizutragen können, tun wir. Die Ausweitung von Milieuschutzgebieten schafft die Grundlage, dass die Bezirke Mietpreistreiber ausbooten können und die Gebäude selber kaufen. Dieses Vorkaufsrecht wurde 2015 einmal ausgenutzt, 2017 bereits 13 mal, und es wird noch viel häufiger passieren. Das hat zwei Folgen: eine zunehmende Zahl von Wohnungen kann geschützt werden und die Spekulanten und Investoren lernen, dass sie hier keine unbegrenzten Verwertungschancen haben. Das ist wichtig. Die Zweckentfremdungsverbotsregelung zielt nicht nur auf Ferienwohnungen, sondern auch auf Spekulation mit Wohnraum. Wer seine Gebäude absichtlich leer stehen lässt, um auf höhere Erträge zu spekulieren, kann am Ende leer ausgehen, wenn dann von Senatsseite ein Treuhänder eingesetzt wird, der die Wohnungen wieder vermietet. Auch das ein wichtiges Element. Eigentum verpflichtet, heißt es im Grundgesetz. Und das ist auch die Grundlage, um Spekulation zu unterbinden. Auch im Grundstücksbereich. Wer mit Brachen spekuliert, muss damit rechnen, dass die Grundstücke für sozialen Wohnungsbau auch enteignet werden können.

Warum soll das nur für Autobahnen gemacht werden?

Bezahlbare Mieten sind die zentrale Herausforderung für Berlin, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt und deshalb muss die Stadt die gesamte Klaviatur ihrer Möglichkeiten bespielen, Wohnungsankäufe, Neubauten, intelligente Verdichtungen, Vorkaufsrechte, Milieuschutzgebiete, aktive Durchsetzung von Zweckentfremdungsverboten, Ankauf von Grundstücken, notfalls Enteignungen, die Wohnungstauschbörse, Mietpreisbegrenzungen für die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, geschützte Marktsegmente für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit Bedrohte – das sind die Hebel des Landes.

Die wirklichen Weichenstellungen finden auf Bundesebene statt. Und hier bedarf es eines Paradigmenwechsels zugunsten von Mieterrechten und des sozialen Wohnungsbaus. Es ist großartig, dass über 220 Initativen, Gruppen, Organisationen für heute Nachmittag zur großen Mietendemo aufrufen. Ich wünsche ganz viel Erfolg. Wir brauchen den Druck der außerparlamentarischen Arbeit nicht nur für die Bundesebene, sondern auch hier für die Politik im Senat, im Abgeordnetenhaus, in den Bezirken.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir haben in den 16 Monaten seit der Senatsbildung einiges auf den Weg gebracht, Regierungsalltag heißt: dicke Bretter bohren, es ist ein ständiger Dauerlauf zwischen den berechtigten Anforderungen aus der Stadtgesellschaften und der Umsetzung in praktisches Regierungs- und Verwaltungshandeln. Und nicht alles geht so schnell und so reibungslos wie wir es uns erhofft haben, aber unsere Senatorinnen und unser Senator, unsere Staatssekretärin und unsere Staatssekretäre, ihre ganzen Teams, unsere Bürgermeisterin und Bürgermeister, Stadträtinnen und Stadträte, Abgeordnete, BVV-Verordnete, die Mitglieder unserer Partei arbeiten hart daran, die Stadt zu öffnen für die Stadtgesellschaft. Dafür herzlichen Dank.

Gestern kam die Meldung, dass Herr Dercon  die Volksbühne verlässt, das ist gut, denn es bietet der Volksbühne die Chance, wieder als integraler Teil der Stadtgesellschaft zu einem kulturellen Ort von Kontroverse, Diskurs, Kunst zu werden.

Genossinnen und Genossen,

Das Sozialtickt ist schon im letzten Jahr deutlich gesenkt worden, ab Sommer bekommen alle Schülerinnen und Schüler, die Sozialleistungen bekommen, ihre Schültertickets kostenlos. Auch das entlastet die Familien und ist ein Beitrag zur Armutsbekämpfung. Gut so.

Da ist es nur folgerichtig, dass wir im nächsten Schritt das Schülerticket für alle Schülerinnen und Schüler kostenlos ausgeben wollen. Warum? Damit vermeiden wir Stigmatisierungen und gehen einen weiteren Schritt hin zu einem generellen ticketfreien Nahverkehr für alle Berlinerinnen und Berliner. Dazu ist es noch ein weiter Weg, aber wir müssen ihn gehen.

Wir haben im Moment das Mobilitätsgesetz in der Beratung im Abgeordnetenhaus. Die rechte Opposition behauptet, es sei nur ein Fahrradgesetz, das die Autos verteufelt. Völliger Quatsch. Klar ist es auch ein Fahrradgesetz, es ist aber auch ein ÖPNV-Gesetz, und das ist zentral wichtig, wenn wir Mobilität für alle garantieren wollen, in ganz Berlin, in der Innenstadt genauso wie in den äußeren Bezirken und zwar jeweils entsprechend der Notwendigkeiten in den Bezirken. Und damit ist es ein soziales Gesetz, das die Stadt den Berlinerinnen und Berliner wieder ein Stückchen mehr zurückgibt.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

für viele auch von uns ist auch die öffentliche Sicherheit ein wichtiges Feld. Und die lässt sich nicht durch Videokameras und Lauschangriffe herstellen, wie es uns Heilmann und Buschkowsky in ihrem Volksbegehren glauben machen wollen.

Ich freue mich sehr, dass sich jetzt ein breites Bündnis gegen diese rechte Volksbegehren gegründet hat, BAF, die Berliner Allianz für Freiheitsrechte, und dass unsere beiden LAGn für Netzpolitik und Bürgerrechte und Demokratie führend dabei sind. Wir sollten sie nach Kräften unterstützen.

Bleibt die Frage, wie wir für Sicherheit sorgen wollen Hört euch um, wovor viele grade ältere Menschen, vor allem Frauen Angst haben. Z.B. wenn sie von der Bushaltestelle über unbeleuchtete Wege quer durchs Wohngebiet müssen, wo jedes Knistern bedrohlich erscheint. Öffentliche Sicherheit ist eine städtebauliche Herausforderung. Wir müssen Plätze und Wege beleben und beleuchten. Und: Öffentliche Sicherheit wächst, wenn es genügend Personal bei Polizei, den Verkehrsbetrieben und der Feuerwehr gibt. Deshalb ist es gut, wenn jetzt mehr Polizistinnen und Polizisten eingestellt werden. Genauso wichtig ist, dass sie wie die anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst vernünftig bezahlt werden und ordentliche Arbeitsbedingungen haben. Da hat Berlin noch viel Nachholbedarf.

 Ihr seht, Genossinnen und Genossen, wir werden, wenn wir unseren Zielen nach guter Arbeit und Stärkung des Öffentlichen näher kommen wollen, sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen. Und dabei haben wir noch gar nicht von der Investitionsoffensive in die Infrastruktur und den Schulbau gesprochen.

Den Schulbau haben wir nachher noch mal. Deshalb nur so viel: Wir werden ihn nicht über zehn Jahre alleine aus dem Landeshaushalb stemmen können, wenn wir auch andere Ziele erreichen wollen. Deshalb brauchen wir Kredite, die das Land wegen der  von uns abgelehnten Schuldenbremse ab 2020 nicht mehr aufnehmen kann. Deshalb der Weg über die Howoge, die zum 100% im Eigentum des Landes Berlin ist. Deshalb findet keine Privatisierung des Schulbaus und der Schulen statt. Die Schulen bleiben in der Trägerschaft und der Verantwortung der Bezirke. Nun gibt es die Befürchtung, dass andere Mehrheiten im Senat privatisieren könnten. Das stimmt. Deshalb brauchen wir drei Dinge: erstens wir kämpfen um linke Mehrheiten. Zweitens: wir brauchen einen Zustimmungsvorbehalt des Parlaments zu Unternehmensverkäufen oder Teilen davon. Diese kleine Privatisierungsbremse kann das Abgeordnetenhaus mit einfacher Mehrheit beschließen und wird es hoffentlich in den nächsten Wochen tun. Und wir brauchen eine Privatisierungsbremse in der Verfassung, die heißt dann, dass die Bevölkerung einer Privatisierung zustimmen muss. Dazu brauchen wir im Parlament eine zwei Drittel Mehrheit. Wenn überhaupt, wird es die nur mit massivem gesellschaftlichem Druck auf die CDU geben. Und genau diese Debatte brauchen wir jetzt. Und wenn es parlamentarisch nicht geht, bleibt der Stadtgesellschaft immer noch der Weg eines Volksbegehrens.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

derzeit bewegt das Neutralitätsgesetz viele unserer Mitglieder und Sympathisanten. Darüber legt sich die neue Diskussion um Kopftuchverbote für Mädchen unter 14 Jahren an den Schulen Das ist ein schwieriges Thema, bei dem es nicht schwarz oder weiß gibt. Wir müssen feststellen, dass sich die Gesellschaft seit Einführung des Neutralitätsgesetzes verändert hat. Viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben sich unter dem Eindruck jahrelanger Ausgrenzung und der Mitteilung „ihr gehört nicht zu uns“ zurückgezogen, ihre Religion stark gemacht, die vielleicht früher gar nicht wichtig war. Damit einher geht ein erheblicher Druck auf andere Angehörige der Community. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Genauso müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das Neutralitätsgesetz vor allem junge Frauen trifft, die ein Kopftuch tragen, die damit ihren Wunschberuf nicht ausüben können. Das ist eindeutig diskriminierend und wieder das Signal, ihr gehört nicht dazu. Wir haben heute hier einen Antrag zum Neutralitätsgesetz, den wir aber nicht abstimmen. Wir brauchen Zeit und Expertise, um als Partei zu einer Positionierung zu kommen, die wir dann auch gemeinsam tragen können. Und diesen Prozess gehen wir jetzt an.

 

Vor zwei Tagen war Jom HaShoa – der 75. Jahrestag des Aufstands der Jüdinnen und Juden im Warschauer Ghetto. Ich war mit vielen anderen bei der Gedenkveranstaltung der jüdischen Gemeinde und zeitgleich wurden in Berlin die Echo-Preise vergeben, unter anderem an zwei Rapper, die nicht nur homophob und frauenfeindlich sind, sondern auch noch antisemitisches Zeug rappen. Das zeigt: Antisemitismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft, nicht nur von Nazis, auch nicht nur von judenfeindlichen Muslimen. Sonst wäre eine solche Preisverleihung nicht denkbar. Und das müssen wir angehen, da sind auch wir als Linke gefordert, hier in der Stadt und im ganzen Land. Auch antisemitisches Mobbing an Schulen geht gar nicht, auch für uns eine große Herausforderung.

 

Der öffentliche Diskurs verschiebt sich massiv nach rechts, in ganz Europa und vielen Teilen der Welt. Am letzten Wochenende hat Viktor Orban die ungarischen Wahlen gewonnen mit massiver Anti-Flüchtlingshetze, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus. Und CSU und AfD überboten sich in ihren Gratulationen. Österreich wird auch von Rechtsextremen mitregiert, in Polen herrschen nationalistische Kräfte. Und hier machen CDU, CSU, FDP, selbst Teile der SPD die AfD erst hoffähig, indem sie ihre Positionen übernehmen. Das stärkt die Rechtspopulisten und schwächt die Demokratie.

Deshalb müssen wir kämpfen, um jede und jeden einzelnen, die sich abgewandt haben, die sich von Politik nicht mehr vertreten fühlen, die aber für linke Politik gewinnbar sind.

Rassisten sind das nicht. Aber Enttäuschte und Abgehängte schon. Es wird in unserer Partei oft kontrovers diskutiert, ob wir uns eher den urbanen linken Wählerinnen und Wählern oder den Prekären zuwenden sollen. Das ist doch aber kein Widerspruch. Wir müssen beides tun, wir sind die linke Partei für abhängig Beschäftigte genauso wie für Erwerbslose, für Urbane wie für Menschen im ländlichen Raum, für schlecht bezahlte wie für gut bezahlte Menschen, die sich mit den Verhältnissen nicht abfinden und für eine bessere, gerechtere, sozialere Welt mit uns kämpfen wollen.

Wir haben in diesem Jahr noch zwei Landtagswahlen, in Bayern und in Hessen. In Bayern geht es darum, zum ersten Mal in den Landtag einzuziehen und die AfD klein zu halten, in Hessen geht es darum, dass wir zum dritten Mal in den Landtag einziehen. Das wäre ein wichtiges Signal für die dauerhafte Verankerung in westdeutschen Flächenländern und ist wichtig für die Gesamtpartei. Deshalb meine herzliche Bitte an euch als Delegierte und auch an die vielen neuen Mitglieder, die hier in Berlin dieses Jahr gar keinen Wahlkampf machen können; haltet euch im August und im Oktober/November ein Wochenende frei, damit wir die Genossinnen und Genossen in Bayern und Hessen unterstützen können. Wir sind aus den Bundestagswahlen als stärkster Landesverband hervor gegangen und haben damit auch eine Gesamtverantwortung für unsere Partei.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

Eine Nazi-Bande ist in Neukölln unterwegs und hat unter anderen auch das Auto unseres Genossen Ferat Kocak in Brand gesteckt. Dass Ferat und seine Familie am Leben sind, ist ein Riesen-Glück, denn hinter dem Carport verlaufen die Gasleitungen des Hauses. Unsere Solidarität hat Ferat und wir fordern die neue Polizeipräsidentin auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um dieses und die weiteren Anschläge in Neukölln und in Berlin endlich aufzuklären. Nach den Erfahrungen mit dem NSU wissen wir, dass diese Mörderbanden vor nichts zu zurückschrecken.

Der Kampf gegen Rechts ist für uns tägliche Aufgabe. Für Pfingsten oder die Woche drauf mobilisiert die AfD für eine rechtsextreme Demo nach Berlin, am 17. Juni wollen die Identitären marschieren, am 18 August die NPD und andere Nazis für Rudolf Hess und am 3. Oktober die Neonazis von Wir für Deutschland. Sie alle haben in Berlin keinen Platz und wir müssen jede und jeder nach den jeweiligen Kräften und Möglichkeiten gegen sie mobilisieren und ihnen den öffentlichen Raum streitig machen.

In diesem Sinne wünsche ich uns einen produktiven Parteitag.