Dass die soziale Frage weit vor dem Thema Flüchtlinge bei den Menschen in Deutschland als Problem rangiert

7. Parteitag, 1. Tagung

Wortmeldung von Stephan Jegielka zur Generaldebatte

[ Manuskript ]

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,

ein paar Worte zu den Landtagswahlen in Hessen und Bayern. Ich sehe nur noch  selten Fernsehen. Aber nach der Landtagswahl in Bayern tat ich mir »Anne Will« an. Wenn man bedenkt das die Bayernwahl eine historische Zäsur einleitete, erwartete ich zumindest etwas Selbstkritik von den bürgerlichen Parteien.

Aber das Gegenteil war der Fall! Das gipfelte in der Feststellung des Mitgliedes des Parteivorstandes der SPD und niedersächsischen Innenministers Pistorius, er verstehe das Wahlergebnis nicht. Orginalton: »Deutschland geht es doch so gut wie nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr.« Da fragt man sich, wen er wohl meinte?

Er meinte wohl die Konzerngewinne in Deutschland. Die unter der CDU/SPD-Regierung von 2014 bis 2017 um 12 Prozent stiegen. 2016 betrugen die Konzerngewinne 746 Mrd. Euro!

Oder er meinte die Zahl der Einkommensmillionäre in Deutschland. Sie war 2017 doppelt so hoch wie 2004 und betrug 17.192. Übrigens in der Zeit regierte die SPD 9 Jahre.

Er meinte aber sicher nicht die Armen in Deutschland, wo mittlerweile 16 Prozent in der Mittellosigkeit leben!

Eins zeigte jedoch die Debatte: Die Stimme der Linken fehlte schmerzlich! Während sich Grüne bis AfD mehr oder weniger an der Flüchtlingsfrage abarbeiteten, wurde die soziale Frage, die sozialen Verwerfungen in der BRD nicht thematisiert.

Dabei zeigen alle Umfragen das die soziale Frage weit vor dem Thema Flüchtlinge bei den Menschen in Deutschland als Problem rangiert. Welche Sorgen haben die Menschen?  Für 79 Prozent ist es die Altersarmut, für 76 Prozent die Bildungsungleichheit, für 74 Prozent das Kranken- und Pflegesystem, für 69 Prozent bezahlbarer Wohnraum, für 59 Prozent  die Unterstützung von Familien, für 54 Prozent die Arbeitslosigkeit und die gerechte Reichtumsverteilung. Danach kommt erst das Flüchtlingsthema mit 38 Prozent.

Was heißt das für uns als Linke?

1. Wir sollten nicht vergessen wen wir im Kern als Partei vertreten. Und das sind die, die den  gesellschaftlichen Reichtum produzieren, die Arbeiter! Vor lauter schielen auf  das sogenannte »linksliberale« Spektrum , lagen wir bei der Hessenwahl bei den Arbeitern bei 7 Prozent, die AfD bei 22 Prozent! Bei der Bayernwahl waren die Verhältnisse gleich. Unter Gewerkschaftern wählen mittlerweile 14,5 Prozent die AfD. Das müssen wir ändern!

2. Wir sollten in diesem Zusammenhang wieder grundsätzlicher argumentieren. Der 200. Geburtstag von Marx mahnt uns an den folgenden Widerspruch im Kapitalismus: »Die Akkumulation von Reichtum auf den einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol.« Diesen Widerspruch gilt es zu beseitigen, und das geht nur über die Lösung der Eigentumsfrage!