Wir sind die Lebensversicherung unserer Partei.

Rede von Katina Schubert
Landesvorsitzende


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort

Liebe Genossinnen und Genossen,

herzlichen Dank an Marco Pavlik und alle Kolleginnen und Kollegen der CFM, die heute hier sind und die weiter streiken, um endlich einen Tarifvertrag und die stufenweise Angleichung an den TVÖD zu erreichen. Was die Geschäftsführung der CFM da abzieht, ist beschämend. Das hat nichts mit Corona und oder der Unterfinanzierung der Krankenhäuser zu tun. Das ist der Versuch, Beschäftige, die für ihre Rechte eintreten, einzuschüchtern, zu gängeln und mit Rauswurf zu drohen. Da drückt sich eine Gewerkschafts- und Beschäftigtenfeindlichkeit aus, die eine rot-rot-grüne Koalition nicht hinnehmen darf. Deshalb brauchen wir jetzt sehr schnell eine Lösung im Tarifkonflikt und den sofortigen Stopp des Outsourcings. Hier ist die Charité genauso in der Verantwortung wie der Finanzsenator und der Wissenschaftssenator.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

das ist unser erster Parteitag, der unter Corona-Bedingungen stattfindet. Die Pandemie hat die ganze Welt erfasst und verändert.  

Angst, Unsicherheit, Trotz, Abwehr – diese Pandemie verändert die Menschen, verändert uns in unserem täglichen Verhalten, in unseren Arbeitsweisen, in unserer Kommunikation.

Der Lockdown hat die größte Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten hervorgerufen. Und natürlich trifft uns das in Berlin als Dienstleistungsmetropole besonders hart. Denn wichtige Branchen wie die Kultur, das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Einzelhandel sind noch weit von früheren Umsätzen entfernt, viele Beschäftigte in Kurzarbeit oder arbeitslos. Die Zahl der Erwerbslosen und Hartz IV-Beziehenden steigt ständig. Wir haben hier viele prekär Beschäftigte und  Soloselbständige, für die sich Corona zur persönlichen Katastrophe auswächst.

Corona verschärft die soziale Ungleichheit. Den Befund der Hans Böckler-Stiftung können wir hier 1:1 nachvollziehen. Und es sind vor allem die wenig Verdienenden, die Prekären und Transfergeldbeziehenden, die um ihre Existenzgrundlagen fürchten müssen. Es sind vor allem diejenigen, die keiner Tarifbindung unterliegen, die das Nachsehen haben. Und es sind vor allem Frauen, die ihre Arbeitszeiten reduziert haben, um im Lockdown die Kinderbetreuung zu organisieren und es sind vor allem Geflüchtete und Menschen mit Einwanderungshintergrund, die ihre Arbeit verlieren, es sind vor allem Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden und deren Start ins Berufsleben verbaut ist. Deswegen ist es gut, dass Elke für nächste Woche einen Arbeitsmarktgipfel einberufen hat, dass sie alles in Bewegung setzt, um hier gegenzusteuern.

Ja, die strukturelle Ungleichheit, die wir haben, verschärft sich mit Corona.

Der Bund und die Länder haben auf die Krise mit Milliardenprogrammen reagiert und die Schuldenbremse ausgesetzt.

Der Senat hat sehr schnell reagiert und tut mehr als die Bundesregierung, um hier das schlimmste zu verhindern. Die Soforthilfen etwa im Kulturbereich etwa sind beispielhaft und finden in Kulturkreisen bundesweit Anerkennung. Es geht darum, dass Künstlerinnen und Künstler ihre Berufe weiter ausüben können, dass sie über die Krise kommen, ohne alles zu verlieren. Es geht darum Spielstätten, grade im Bereich der freien Kultur und Clubs zu erhalten, die kulturelle Infrastruktur zu erhalten, die für Berlin so wichtig ist. Und nicht nur für das Renomée oder für Touristinnen und Touristen, sondern für uns, für die Berlinerinnen und Berliner. Wir wissen aus Fokusgruppenbefragungen, dass viele Berlinerinnen und Berliner erst durch den Lockdown gemerkt haben, wie wichtig ihnen die Kultur in ihren Kiezen, in der Stadt insgesamt ist und dass es das Verdienst der Linken, das Verdienst unseres Kultursenators Klaus Lederer ist, dass wir hier so viel wie möglich durch die Krise bringen.

 

Genossinnen und Genossen,

Durch Corona haben auch alle gemerkt, wie wichtig ein funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen ist.

Wie wichtig es ist, dass die Krankenhäuser leistungsfähig sind und nicht im Profitinteresse privater Eigentümer kaputt gespart werden, wie wichtig es ist, dass wir ausreichend Personal haben, das gut qualifiziert und engagiert ist. Wie wichtig, ein gut funktionierender öffentlicher Gesundheitsdienst ist. Es geht nicht, dass man den Pflegerinnen und Pflegern, den Ärztinnen und Ärzten, dem technischen Personal, den Reinigungskräften Applaus spendiert, aber wenn es um die Bezahlung geht, sich nichts verändert. Wir wollen, dass die Forderungen des Volksbegehrens Gesunde Krankenhäuser in Berlin umgesetzt werden. Dazu braucht es mehr Geld. Und das müssen wir aufbringen, wenn wir die die Arbeitsbedingungen verbessern, die Wertschätzung und Anerkennung der Beschäftigten erhöhen wollen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

in der Corona-Krise leisten sehr viele Leute unglaublich viele und wichtige Arbeit. Die weitaus meisten Beschäftigten konnten sich im lockdown nicht ins homeoffice zurückziehen, sondern mussten das gesellschaftliche Leben aufrecht erhalten: die Fahrerinnen und Fahrer im öffentlichen Personenverkehr, die Verkäuferinnen und Verkäufer, klar die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer in der Notbetreuung, die Polizei, Feuerwehr, alle sie waren ständig draußen und ihnen gehört allen gleichermaßen unser Dank. Und natürlich hat auch das homeoffice viele Menschen vor immense Herausforderungen gestellt, insbesondere dann, wenn sie parallel Kinder betreuen und beschulen mussten, wenn sie Arbeitgeber haben, die keine vernünftige digitale Ausstattung für das homeoffice zur Verfügung stellen können wie zunächst in weiten Teilen der Berliner Verwaltung. Auch sie haben großes geleistet und leisten es noch.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

Die Krise wird zu massiven Verteilungskämpfen führen. Die Anhebung des Hartz-IV-Satzes um grade mal sieben Euro lassen erahnen, wohin die Reise gehen wird, zulasten derjenigen, die auf den Sozialstaat angewiesen sind. Und das dürfen wir nicht zulassen.

Hier öffnen sich für uns aber Möglichkeitsfenster für linke Politik. Der Wert öffentlicher Güter hat sich für viele Menschen deutlich erhöht. Wie wichtig ein funktionierender Sozialstaat ist, spüren jetzt viele am eigenen Leib. Und sie spüren auch, wie lückenhaft dieser Sozialstaat ist, wie wichtig es ist, dass es starke Gewerkschaften gibt, die dafür sorgen, dass das Kurzarbeitsgeld aufgestockt wird, dass es Sozialpläne gibt, dass Betriebsräte in ihrer Arbeit unterstützt werden, dass es überhaupt Betriebsräte gibt.

Und es hat sich gezeigt, dass die Schuldenbremse ein Krisenbeschleuniger ist, wenn sie gilt. Deshalb müssen wir jetzt die Chance nutzen, Mehrheiten zu gewinnen, um die Schuldenbremse und das neoliberale Dogma vom zurückhaltenden Staat endgültig zu brechen.

So richtig es ist, dass die Bundesregierung massiv Geld in die Hand genommen hat, um in der Krise gegenzusteuern, so falsch ist es, dass sie damit keine Strukturveränderungen im Hinblick auf eine sozial-ökologische Transformation vorgenommen hat.: Wie kann es sein, dass ein Konzern wie die Lufthansa Milliarden bekommt, ohne dass es eine Arbeitsplatzgarantie gibt, ohne dass es Vorgaben gibt, den Luftverkehr klimaverträglicher umzugestalten? Es ist ja nicht so, dass Corona die dramatischen Klimaveränderungen verdrängt hat. Eine Strategie der sozialökologischen Transformation aus der Krise heraus zu entwickeln und in umsetzbare Konzepte zu gießen, das ist unsere Aufgabe, dafür gibt es einen Haufen guter Ideen und das wird mit Sicherheit eines der bestimmenden Themen im Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr.  Was wir brauchen ist ein neuer green new deal, der die Klima- und die Beschäftigungskrise gleichermaßen in den Fokus nimmt, Produktionsweisen klimagerecht umstellt, die Arbeitszeiten mit Lohnausgleich verkürzt.

Wir müssen also nichts weniger als den Kapitalismus erst mal an die Kette zu legen und dann überwinden. Ja, und da werden wir massiven Gegenwind erhalten, so wie wir es hier in Berlin schon im Immobilienbereich Tag für Tag erleben. Aber genau dafür sind wir da. Wir sind dafür da, dass alle Menschen ein zu Hause haben, dass sie gute Arbeit haben, wenn sie das möchten, dass sie gesund leben können, dass saubere Luft, reines Wasser und ausreichende Frei- und Grünflächen kein Privileg der Reichen, sondern Gemeingut für alle sind.

  

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir haben schwierige Wochen hinter uns. Mit Harald Wolf hat ein jahrzehntelanges politisches Schwergewicht unsere Fraktion verlassen, aus nachvollziehbaren Gründen, halt weil er umgezogen ist. Er hat die Entwicklung der Linken und vorher der PDS in Berlin maßgeblich mit geprägt, hat die strategische Ausrichtung mitentwickelt auf eine Partei, die die Klaviatur politischen Handelns von außerparlamentarischer Opposition über parlamentarische Arbeit bis zur Regierungsbeteiligung beherrscht und dabei den Bezug auf die Zivilgesellschaft, auf die emanzipatorischen Bewegungen in der Stadt immer im Blick hat. Er war Fraktionsvorsitzender, Senator und dann wieder einfacher Abgeordneter und alles mit voller Kraft. Das hätten nicht alle gemacht. Und er bleibt uns ja als Bundesschatzmeister erhalten. Da guckt er auch öfter mal bei uns in der Landesgeschäftsstelle vorbei

Carola und Udo haben schon vor der Sommerpause für viele überraschend den Fraktionsvorsitz niedergelegt. Auch das ist eine Zäsur für die Arbeit der Fraktion, die beide so viele Jahre mit Einsatz, Klugheit und strategischem Weitblick geprägt haben. Viele Konflikte in der Koalition, ob es der Mietendeckel, das ASOG, die Haushalte und vieles mehr waren, haben sie mit bewundernswerter Geduld abgeräumt und unsere Handlungsspielräume Stück für Stück erweitert. Beide hören nicht auf Politik zu machen. Im Gegenteil: sie sind weiter Abgeordnete. Und auch wenn wir am Ende ein paar Meinungsverschiedenheiten hatten, ändert das nichts an meiner Wertschätzung und Hochachtung. Ich möchte mich bei Carola und Udo für ihre Arbeit, ihr Engagement ganz herzlich bedanken.  

Katrin Lompschers Rücktritt hat uns alle kalt erwischt, und sie selbst ärgert sich am Meisten darüber, dass ihr so ein Fehler unterlaufen ist. Das ändert aber nichts an ihren Leistungen, die sie für die Berlinerinnen und Berliner, für uns als Partei, für die Koalition erbracht hat. Mit dem Mietendeckel ist es erstmals gelungen, die Mietpreisspirale zu durchbrechen und den Berlinerinnen und Berlinern das Gefühl zu vermitteln, dass Politik handlungsfähig ist und auch mal den Kapitalinteressen die Stirn bietet, dass sie keine Angst mehr um ihre Wohnungen haben müssen. Das ist verdammt viel wert und ich danke Katrin von ganzem Herzen für ihre Arbeit, ihr Engagement und ich bin sicher, sie steht uns weiter mit Rat und Tat zur Seite. Sie hinterlässt große Fußstapfen. Und es gehört eine Menge Mut dazu, so kurz vor Ende einer Wahlperiode in ein solches Mammutressort zu gehen. Deshalb auch großen Dank an Sebastian Scheel, dass er den Schritt gewagt hat.  Ich weiß, dass sich viele wieder eine Frau gewünscht haben. Aber eine zweite Katrin gibt es nicht und in der Abwägung aller Überlegungen war es vor allem wichtig, dass die Person die Berliner Verhältnisse und Akteure kennt, dass sie schnell in die Arbeit einsteigen kann und dass unser Kurs in der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik beibehalten wird.

 

Wem gehört die Stadt haben wir 2016 gefragt. Und die Strategie, die Stadt vor dem Ausverkauf an betongoldberauschte Investoren zu schützen, ist weiter unser Leitmotiv. Wir haben es in den vergangenen vier Jahren geschafft, durch gezielten Ankauf auch von großen Gebäudekomplexen und durch das bezirkliche Vorkaufsrecht viele Mieterinnen und Mieter vor der Verdrängung zu schützen und den Bestand landeseigener Wohnungen deutlich zu erhöhen. Das muss weiter gehen.

Die landeseigenen Wohnungsunternehmen sind ein Schlüssel für eine sozial gerechte und klimafreundliche Wohn- und Mietenpolitik. Sie haben einen Versorgungsauftrag für bezahlbare Wohnungen und für die Sicherung der sozio-kulturellen Infrastruktur. Sie sollen und müssen neue bezahlbare Wohnungen bauen, aber bitte so, dass die Bürgerinnen und Bürger ernsthaft beteiligt werden, dass Freiflächen, Frischluftschneisen und gemeinschaftliche Flächen von vornherein eingeplant und nicht zerstört werden.

Fast die Hälfte der Berliner Mieterinnen und Mieter können einen Wohnberechtigungsschein haben, so ist hier die Einkommenssituation. Da ist es logisch, dass die landeseigenen Unternehmen mindestens zwei Drittel ihrer Wohnungen, besser mehr, für WBS-Inhabende bereit halten, die Privaten tun es halt nicht. Im Gegenteil: sie laufen Sturm gegen den Mietendeckel, verunsichern Mieterinnen und Mieter. Wenn in der privaten Immobilienwirtschaft einzig und alleine der Profit handlungsleitend ist und sich mit Immobilien so viel Geld verdienen lässt, führt das dazu, dass weder soziale noch ökologische Kriterien irgendein Gewicht bei den Privaten haben. Das Nachsehen haben die Mieterinnen und Mieter. Und deswegen ist es richtig, die Marktmacht der Großen zu brechen und Unternehmen wie die Deutsche Wohnen zu vergesellschaften. Nein, wir brauchen nicht stolz drauf zu sein, dass zwei Berliner Unternehmen in den DAX aufgestiegen sind, wenn diese ihre Umsätze und Profite vor allem durch Lohndumping und Mieterauspressung erzielen.

Es ist gut und wichtig, dass das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co jetzt endlich weiter gehen kann, dass in Kürze die Zulässigkeit festgestellt werden kann und es Anfang nächsten Jahre endlich weiter geht mit dem Sammeln der Unterschriften. Genossinnen und Genossen, das wird unseren Vorwahlkampf im nächsten Jahr maßgeblich beeinflussen. Lasst uns alle Kräfte mobilisieren, um der zweiten Stufe und dann dem Volksentscheid zum Erfolg zu verhelfen.

Liebe Genossinnen und Genossen, genauso wichtig wie der Erhalt der Kieze, die Umkehr der Gentrifizierung und Mietpreisspirale ist der Erhalt der soziokulturellen Infrastruktur. Anders als das Wohnungsmietrecht ist das Gewerbemietrecht nämlich kein bisschen reguliert.

Das treibt viele kleine und mittlere Geschäfte in die Pleite, soziale und kulturelle Träger können ihre Räume nicht mehr bezahlen, Handwerksbetriebe ihre Werkstätten nicht mehr unterhalten. Die Gentrifizierung und Verdrängung führen dazu, dass die Kieze veröden. Man muss nur mal mit offenen Augen durch die Straßen gehen, und nicht nur innerhalb des Rings, um zu sehen, wie viele Läden um ihre Existenz kämpfen, weil Investoren sie vertreiben. Das Syndikat und seine brutale Räumung steht da nur beispielhaft für massenhafte Verdrängungsprozesse in der Stadt.

Wir brauchen deshalb auch für das Gewerbe einen Mietendeckel. Dringend. Und wenn der Bund nicht endlich aktiv wird, wenn unsere rot-rot-grüne Bundesratsinitiative keinen Erfolg hat, müssen wir kreativ nach Lösungen suchen. Der Ausverkauf der Stadt muss aufhören.

 

Dafür steht beispielhaft auch das Verhalten von Signa.

Sehr viele von uns haben vor den Sommerferien mit den Beschäftigten von Kaufhof und Karstadt vor den Warenhäusern gestanden und für den Erhalt der Häuser demonstriert.  Es standen rund 850 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die meisten besetzt von Frauen in mittlerem und höherem Alter. Genossinnen und Genossen, das ist heftig. Ich erlebe grade im unmittelbaren sozialen Umfeld, was es heißt, mit Ende 50 den Job im kaufmännischen Bereich zu verlieren. Insofern ist es erstmal gut, dass es gelungen ist, für vier der sechs Filialen von Kaufhof und Karstadt eine Verschnaufpause zu erlangen und die Arbeitsplätze vorerst zu sichern.

Aber: der Preis dafür kann sehr hoch werden. Signa hat den Senat mit seiner Schließungsandrohung erpresst, um seine eigenen Baupläne vor allem am Hermannplatz, der City West und am Alex durchzusetzen. Und die währen dann nicht 3 bis 10 Jahre, sondern viele Jahrzehnte. Ein klassischer Zielkonflikt. Aus dieser strukturellen Erpressbarkeit muss sich Politik befreien. Signa hat kein Interesse an gut geführten Kaufhäusern, die nicht nur Arbeitsplätze bieten, sondern auch eine wichtige Ankerfunktion für eine breit gefächerte und bunte Nahversorgungsstruktur für die dort wohnende Bevölkerung haben.  

Signa will ihre Immobilien zu höchstmöglichen Preisen verwerten. Und es ist sicher zutreffend, dass die Signa-Pläne zum Beispiel am Herrmannplatz dazu führen, dass die dortige Gewerbestruktur zerschlagen, weitere Verdrängungsprozesse in Gang gesetzt werden und mit dem Aufbau einer teuren Mall mit teuren Läden auch gut verdienendes Publikum angezogen wird. Jetzt kommt es darauf an, in den Verhandlungen mit Signa Lösungen zu finden, die die befürchteten Verdrängungsprozesse unterbinden. Und natürlich müssen da die anliegenden Bezirke, die AnwohnerInnen und die Inis ganz eng eingebunden werden.

Auffallend ist ja übrigens, dass Signa sich nicht darauf eingelassen hat, auch die  Häuser in Hohenschönhausen und Gropiusstadt zu retten. Da lebt halt nicht das zahlungskräftige Publikum. Hier ist aber die Schließung der Kaufhäuser ziemlich dramatisch, denn sie sind halt vor allem im Linden-Center der Anker für weitere Läden und einen sozialen Treffpunkt im Viertel. Hier ist jetzt Politik gefordert, alternative Möglichkeiten zu finden, den Kiez lebendig zu halten und dort Alternativen anzusiedeln. Warum kann es nicht landeseigene oder genossenschaftliche Kaufhäuser geben? Der Senat fördert bereits Projekte der solidarischen Ökonomie. Das muss jetzt verstärkt werden. Politik darf nicht abhängig sein von Konzernen, sondern muss selber handeln können.

 

Und damit komme ich zur S-Bahn. Die S-Bahn ist das Rückgrat der öffentlichen Nahverkehrsversorgung in Berlin und Brandenburg. Deshalb können und wollen wir keine Zerschlagung der S-Bahn zulassen. Wer die Verkehrswende will hin zu mehr Klima- und sozialer Gerechtigkeit, muss den öffentlichen Personenverkehr ausbauen. Und dann wird er niemals profitabel sein, wenn er bezahlbar bleiben soll. Ich weiß, dass die S-Bahn-Ausschreibung viele Genossinnen und Genossen sehr bewegt. Wir möchten, dass die S-Bahn in einer Hand bleibt. Solange die S-Bahn-GmbH zu 100 Prozent der Deutschen Bahn gehört, kann das Land den Betrieb aber nicht direkt an die S-Bahn-GmbH vergeben. Die Ausschreibungsbedingungen sind in den Verhandlungen wesentlich geschärft worden, die Beschäftigtenrechte weitgehend gesichert. Danke in dem Zusammenhang auch noch mal an Harald Wolf im Lenkungsausschuss der S-Bahn und an Elke Breitenbach und Alex Fischer, die im Senat das Stoppschild gezeigt haben und auf weitere Präzisierungen der Beschäftigtenrechte bestanden haben. Aber: die Ausschreibung ist raus. Um sie abbrechen zu können, braucht das Land eine Beteiligung an der S-Bahn-Gmbh. Das müssen wir anstreben, zum Bestandteil unseres Wahlprogramms und der nächsten Koalitionsverhandlungen machen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

lasst uns von hier solidarische Grüße nach Hanau senden, wo heute die Angehörigen und Freundinnen und Freunde der Opfer des brutalen rassistischen Anschlags vom 19 Februar demonstrieren, trauern, gedenken und endlich eine lückenlose Aufklärung dieses Anschlags fordern.

Auch wir möchten an dieser Stelle der Opfer gedenken.

Hanau, vorher Halle, München, der Mord an Walter Lübcke, die rechtsextreme Terrorwelle in Neukölln.

Menschen mit Einwanderungsgeschichte, mit nicht-weißer Hautfarbe und jüdischer Herkunft müssen in diesem Land um ihr Leben fürchten. In der Flüchtlingshilfe engagierte Menschen, AntifaschistInnen, Linke, SozialdemokratInnen, Grüne, vor allem Frauen werden mit dem Tod bedroht. Das alles schafft Ängste und Unsicherheit. Wir sind solidarisch mit allen, deren Leben so eingeschränkt wird.

Und wir fordern, dass endlich die Konsequenzen aus den Untersuchungsausschüssen zum NSU gezogen werden, dass endlich alle diese rechtsextremen und rassistischen Straftaten lückenlos aufgeklärt werden.

Wie wird es Opfern gehen, wenn sie erfahren, dass PolizistInnen, die sie betreut haben, selbst an rechtsextremen Umtrieben beteiligt sind, dass Staatsanwälte möglicherweise befangen sind, weil sie selbst rechtsextremen Positionen anhängen. Die SPD und die Opposition hier im Abgeordnetenhaus sind ganz schnell in der Versicherung, dass es in der Berliner Polizei keine rechtsextremen Netzwerke geben kann. Woher wissen sie das so genau, wenn die Anschläge auf Ferat, Mirjam Blumenthal und weitere immer noch nicht aufgeklärt sind? Und das wo wir wissen, dass auch einzelne Polizisten, Soldaten, Geheimdienstler Mitglieder rechtsextremer Geheimbünde, Prepper sind, die nur darauf warten, die Demokratie hierzulande zu stürzen. Wo wir wissen, dass es Polizisten waren, die personengebundene Daten aus Polizeicomputern gezogen haben, darunter die von Anne Helm und Janine Wissler. Genossinnen und Genossen, wir wissen nicht, ob es rechtsextreme Netzwerke in den Sicherheitsbehörden gibt, aber wir wollen und fordern, dass das endlich aufgeklärt wird. Deshalb brauchen wir endlich einen Untersuchungsausschuss.

Der 19. Februar von Hanau war ein Schock, und viele Menschen haben gehofft, dass es jetzt endlich eine Trendwende gibt, dass Rassismus als treibende Kraft für Hass, Gewalt, Terror und Mord endlich gesellschaftlich ernst genommen und als ganz hartes Thema wahrgenommen wird. Der Mord an George Floyd in den USA durch einen Polizisten hat weltweit zu Protesten in kaum gekannter Form geführt.

Aber führt das zu Änderungen in der Politik hierzulande? Nein. Es gibt ein elendes Hickhack zwischen der Bundesregierung und Berlin und Thüringen um die Aufnahme von Geflüchteten aus den Elendslagern auf den griechischen Inseln. Berlin ist wie Thüringen bereit, Seehofer blockiert. Das ist erbärmlich. Und ja, das Land Berlin muss gegen den Bund klagen.

Aber vor allem muss die Politik der Bundesregierung grundsätzlich geändert werden. Seehofer verbietet eine Studie zu racial profiling mit der Begründung, das sei ja verboten, also gebe es das nicht. Auch das ist schlicht ein Skandal und ein Hohn für alle BPOC, alles schwarzen Menschen und People of Colour.

Als wir Dienstag den Wahlprogrammauftakt hatten sagte Noa K. Ha im Zusammenhang mit der Diskussion um die Krise für Menschen mit Einwanderungsgeschichte und BPOC herrscht seit 30 Jahren Krise, seit den Pogromen von Hoyerswerda, Mölln, Rostock, Solingen. Rassismus nehmen sie als strukturelles Element unserer Gesellschaft wahr, das ihnen gleichberechtigte Teilhabe und ein gutes Leben verwehrt. Das ist für uns Auftrag und Aufgabe.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir entscheiden heute auch über unseren Wahlantritt im nächsten Jahr. Das wird für uns ein Super-Wahljahr: Bundestags- Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahl alles an einem Tag. Da geht es für uns, unsere Partei, für diese Stadt, für dieses Land um extrem viel. Wenn wir die Politik auf Bundesebene ändern wollen, brauchen wir eine starke Linke. Nur mit uns wird es nicht zu einer Schleifung des Sozialstaats zur Krisenfinanzierung kommen, nur mit uns wird es gelingen, das Öffentliche zu stärken und Privatisierungen öffentlichen Eigentums zu verhindern, nur dann wird es gelingen, Europa weiter zu demokratisieren und die Festung Europa abzubauen. Nur wenn wir stark sind, können wir genug Druck für einen Politikwechsel auf der Bundesebene entfalten.

Und in Berlin haben wir in den letzten vier Jahren viele Erfolge erzielen können, auch etliche Rückschläge einstecken müssen. Aber wir müssen dran bleiben, die Stadt Stück für Stück in die Hand der Berlinerinnen und Berliner zurück zu geben, sie weiterzuentwickeln zu einer sozialen, klimaneutralen und weltoffenen Metropole. Und auch dafür müssen wir ein starkes Wahlergebnis einfahren.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, dass unsere Spitzenleute aus Senat, Fraktion und Partei in der ganzen Stadt wählbar sind, dass wir eine Fraktion brauchen, in der die Abgeordneten alle Politikfelder kompetent bearbeiten und mit dem Senat auf Augenhöhe agieren können, in der alle Bezirke der Stadt vertreten sind, denn wir sind die Partei für die ganze Stadt in der ganzen Stadt. Und wir brauchen eine Fraktion, die bunter als unsere jetzige sehr gute Fraktion ist. In der mehr Menschen selber eine Flucht- oder Einwanderungsgeschichte oder eine nichtweiße Hautfarbe haben. Und das können wir mit einer Landesliste hinbekommen. Deshalb werbe ich sehr intensiv für den Antrag A 2, den Kompromissvorschlag des Landesvorstands.

Wir sind eine plurale Partei, wir können in der Sache streiten, aber: unsere Stärke ist, dass wir unsere  Diskussionen so führen, dass wir uns nicht gegenseitig lähmen, sondern dass wir dynamisch nach vorne kommen.

Die LINKE. Berlin wird als geschlossene Partei wahrgenommen und das ist im nächsten Jahr extrem wichtig, zerstrittene Parteien werden nicht gewählt. Deshalb auch meine Bitte, lasst uns diskutieren, lasst uns streiten, aber lasst uns am Ende zu einem Kompromiss kommen, der uns einen starken Wahlantritt ermöglicht. Denn selbstverständlich geht es dabei auch um die Bundestagswahl. Wir wollen als Landesverband auch hier alles geben, dass wir erfolgreich abschneiden, dass wir unsere Direktmandate verteidigen und um Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte kämpfen. Wir sind die Lebensversicherung unserer Partei.

Genossinnen und Genossen, lasst uns diesen Parteitag erfolgreich gestalten und in die Stadt ausstrahlen: wir wollen weiter machen, wir wollen jeden Bezirk, diese Stadt, dieses Land, dieses Europa sozialer, gerechter, friedlicher, ökologischer und demokratischer gestalten. Dafür treten wir an, dafür kämpfen wir.