Mit dem neoliberalen Wettbewerbsföderalismus nicht abfinden

Rede von Gesine Lötzsch


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort. ]

Erst einmal vielen Dank für die Glückwünsche und die vielfältige Unterstützung im Wahlkampf.
Wir sind wie ihr jetzt in der aktuellen politischen Auseinandersetzung. Darum möchte ich an Klaus Lederer und Heidi Knake-Werner anknüpfen, die auf die Frage der Finanzen schon eingegangen sind.

Der Bayerische Ministerpräsident ist empört, dass »Bayerische Euros« in anderen Bundesländern einfach ausgegeben werden, ohne dass er persönlich um Erlaubnis gefragt wurde.
Am liebsten würde Herr Seehofer in jedem Landesparlament einen bayerischen Aufpasser sitzen haben, um die Vergabe der Mittel zu bestimmen.
Er kann es nicht verstehen, dass sogenannte Nehmerländer, wie Berlin, sich ein gebührenfreies Kita-Jahr und den Verzicht auf Studiengebühren leisten.

Aber: Berlin und andere Länder leisten sich das, weil sie - im Gegensatz zu Herrn Seehofer - die Zeichen der Zeit erkannt haben!
Wir müssen noch viel mehr in Kinder und wir müssen noch viel mehr in Bildung investieren!
Deshalb habe ich mich auch – wie viele andere Genossen – an der Demonstration der Studierenden in Berlin beteiligt.
Die Studierenden haben Recht, wenn sie auf die sehr unterschiedliche Behandlung von Banken und Universitäten in diesem Land hinweisen. Das ist nicht mehr länger zu ertragen!
 Und wenn Bildungsministerin Schawan behauptet, die Studenten hätten gegen SPD und Linke in Berlin und für die Bundesregierung demonstriert, dann ist das einfach lächerlich.
Den Ländern den Geldhahn abdrehen, ihnen immer weitere Aufgaben zuweisen und dann mit den Fingern auf sie zeigen – das ist eine verlogene Politik.
Herr Seehofer und einige andere Ministerpräsidenten wollen mit der Diskussion um den Länderfinanzausgleich den Keil zwischen arme und reiche Länder weiter vorantreiben.
Worüber leider wenig gesprochen und geschrieben wird ist, dass 1,8 Mio. Menschen von Ost- nach West- und vor allem nach Süddeutschland abgewandert sind und dort jedes Jahr ein BIP von rund 80 Mrd. € schaffen.
Ohne diese Entwicklungshilfe aus dem Osten, wäre in Bayern schon längst der Arbeitskräftenotstand ausgebrochen.

Doch DIE LINKE will Leistungen und Gegenleistungen nicht aufrechnen.
Wir werden uns mit dem neoliberalen Wettbewerbsföderalismus nicht abfinden.
Wir wollen einen solidarischen Föderalismus, von dem übrigens Bayern viele Jahre als Nehmerland profitiert hatte.

Die Kanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung fünf Punkte genannt, die sie in dieser Legislaturperiode umsetzen will.
Ein 6. Punkt fehlte in ihrer Rede: Sie wird alles tun, um ihren Machterhalt zu sichern, den Machterhalt ihrer Freunde wie Josef Ackermann, Friede Springer, Roland Koch - wobei der Grad der Freundschaft natürlich unterschiedlich ist. Dafür wird sie einen ganzen Satz von Daumenschrauben zum Einsatz bringen.

  1. Es ist schon jetzt klar, dass die Krisenkosten nicht durch die Banken getragen werden, sondern durch die Menschen, die nun gar keine Schuld an dieser Krise haben. Dabei geht es nicht nur um die kostenaufwendige Rettung der Banken. Allein die Körperschaftssteuer ist 2009 krisenbedingt um fast 60% eingebrochen.
  2. Die geplanten Steuersenkungen für Unternehmen und Erben werden nicht die Konjunktur beflügeln, sondern zusätzliche Löcher in die Kassen von Ländern und Kommunen reißen.
  3. Die FDP will die Arbeitsagentur ganz abschaffen. Das wird zwar so nicht passieren, doch klar ist, dass es spätestens nach der Wahl in NRW zu einem massiven Angriff auf die Arbeitsagentur kommen wird. Dabei wird die Kanzlerin die Finanzierung des ÖBS auf gar keinen Fall verschonen. Aber: Wir lassen uns den ÖBS nicht von der neuen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen weglächeln.
  4. Die Schuldenbremse und das Auslaufen des Solidarpaktes sind weitere Daumenschrauben, die uns auf lange Sicht Schmerzen bereiten werden.

Klar ist dass der finanzpolitische Druck auf die SPD-LINKE Regierungen enorm anwachsen wird.
Wir sollten alles dafür tun, dass dieser Druck diese Koalitionen nicht auseinander treibt, sondern fester zusammenschließt.
Wenn die Kanzlerin eins nicht gebrauchen kann, dann sind es funktionierende SPD-LINKE Koalitionen in den Ländern.
Nur der Zwist zwischen SPD, LINKE und Grünen sichert ihr langfristig die Kanzlerschaft.
Für mich ist eine funktionierende linke Koalition, eine soziales Bündnis, das von der großen Mehrheit der Bürger getragen wird, weil es sich tagtäglich und sehr konkret für eine gerechtere, sozialere und gewaltfreie Gesellschaft einsetzt.
Eine solche Koalition kann mit der 100prozentigen Unterstützung der Partei und der Bundestagsfraktion rechnen!