Profil zu Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes

2. Parteitag, 3. Tagung

Rede von Jürgen Schimrock


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort. ]

Guten Morgen, liebe Genossinnen und Genossen,

ein guter Freund von mir wohnt in Franken in der Nähe von Hof. Seit ca. drei Jahren gibt es dort inzwischen auch die WASG bzw. nun die LINKE. Bei einem unserer Telefonate hat mir von einer der letzten Ortsversammlungen erzählt. Dort wurde dort über Vieles gesprochen: über die Finanzkrise, Schwarz-Gelbe Koalition und anderes. Dann meldete sich mein Freund zu Wort und bemerkte, dass die Themen Klimawandel und Umweltschutz bislang nicht vorgekommen waren. Was passierte: In der Pause wurde er von Genossen angesprochen, dass man dieses Thema ja im großen Rahmen der Kapitalismuskritik sehen müsse, dass es Klimawandel schon immer gab, dass man den in diesem System sowieso nicht aufhalten könne - und anderes.......
Warum erzähle ich das?
Mein Eindruck ist, dass dies, so wie es dort passiert ist, leider noch relativ typisch für unsere Partei ist.
Ich finde, dass auch wir, die LINKE in Berlin, derzeit eine Chance vertun, unser politisches Profil zu Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes zu schärfen und zu stärken.
Ich meine die aktuellen Debatten zur Nachnutzung der Flughafengelände in Tempelhof und Tegel, beziehe mich als Reinickendorfer aber nur auf Tegel.
Die Beschlusslage vom Parteitag April 2008 ist eigentlich sehr klar. Nur drei Sätze kurz als Erinnerung:

Wir wollen in den kommenden Wochen und Monaten die Schließung des Flughafens Tegel vorbereiten...
Der Landesvorstand und die Fraktion werden dafür ein Kompetenzteam bilden, das beide Debatten begleitet und in den Landesverband kommuniziert.
Der Landesparteitag erwartet, dass diese Debatte als Aufgabe durch den gesamten Landesverband angenommen wird.

Was ist bisher passiert? So gut wie nichts.
Anfang des Jahres hat der Bezirksvorstand Reinickendorf nun erste Vorschläge gemacht, wie sich die LINKE in die öffentliche Debatte bezüglich zur Nachnutzung von Tegel einbringen könnte.
Wir haben uns mehrfach an den Landesvorstand und die Fraktion gewandt, auch persönliche Gespräche geführt.
Zwar gab es überall Schulterklopfen und Zustimmung - das war und ist auch nett - aber das führt nicht wirklich weiter.
Heute, zehn Monate später, gibt es wenige konkrete Ergebnisse. Ausnahmen sind die Teilnahme von Stefan Liebich an einer Diskussionsrunde im Bezirk und eine kurze gemeinsame Presseerklärung von Katrin Lompscher und Felix Lederle im September.
Diese Presserklärung hat es aber noch nicht einmal auf die Homepage des Landesverbandes geschafft.
Meine Frage: Nehmen sich Parteitag und Landesvorstand, nimmt sich die Fraktion hier selbst ernst?
Für uns in Reinickendorf, einer schwarzen Hochburg, ist dieses Thema sehr wichtig, einer unserer politischen Schwerpunkte. Und so soll und wird es bleiben.
Vor zwei Wochen gab es nun einen parteiinternen Workshop.
Der war ursprünglich öffentlich geplant, aber es mangelte an entsprechender Vorbereitung.
Der Workshop war inhaltlich trotzdem fruchtbar.
Auch aufgrund der Beteiligung von Katrin, sowie Marion Platta und Felix für die Fraktion, die ich hier für ihr Engagement und Fachwissen loben möchte.
Er fand meines Erachtens aber drei bis vier Monate zu spät statt.
Vorgeschlagen wurde beim Workshop für die LINKE eine eher pragmatische Herangehensweise an die Nachnutzungsdebatte - was eben heißt, keine eigenen konkreten Vorschläge zu machen.
Ich frage noch mal: Kann uns das wirklich ausreichen?
Eigentlich sind wir inhaltlich, zumindest auf dem Papier, doch schon weiter. Ich weise auch auf das Positionspapier der Fraktion vom Oktober hin. Dort heißt es - nur zwei Sätze:

"Ein nicht zu unterschätzender Stellenwert wird dem für Berlin wichtigen öffentlichen Nahverkehr sowie dem Kompetenzfeld Energietechnik zukommen.
Es kommt darauf an, ökologische Nachhaltigkeitspolitik mit einer neuen sozialen Idee zu verbinden."

Ziehen wir doch Schlussfolgerungen daraus! Es gibt ja auch schon konkrete Vorgaben. Im Bundestagswahlprogramm z. B. heißt es u. a.:

"Der Verkehr ist der einzige Sektor in Deutschland, der steigende Klimabelastungen verursacht. DIE LINKE kämpft daher für eine ökologische Verkehrwende.
Öffentlicher Verkehr muss massiv ausgebaut, barrierefrei und erheblich preiswerter werden."

Wir haben doch etwas zu sagen, etwas anzubieten, das neue Qualitäten beschreibt.
(Großstädte, und das heißt dann eben auch Berlin, sind zu, je nachdem wie man es rechnet, 60 bis 80 Prozent für die oben genannten Zahlen verantwortlich.
Ich will hier sehr deutlich machen, dass speziell der Verkehr, und dies im globalen Maßstab, zu 80 Prozent, für die Emissionen von klimaschädlichen Gasen steht. Dieser Verkehr wiederum findet natürlich vorwiegend in Großstädten bzw., bei anderer Betrachtungsweise in den westlichen bzw. nördlichen Industriestaaten, also hier bei uns, statt.)
Wir Reinickendorfer wollen und können natürlich nur Denkanstöße gegeben. Aber das wollen wir tun:
Wir schlagen daher vor, ein integriertes, an ökologischen und sozialen Kriterien orientiertes Verkehrkonzept für den ÖPNV in Berlin zu entwickeln. Die Möglichkeiten sind mit Rot-Rot in Brandenburg natürlich erheblich gestiegen.
Denn das Berliner Umfeld, der sogenannte Speckgürtel, muss natürlich in solch ein Konzept einbezogen werden. Nutzen wir doch diese Chance - denn auch die Brandenburger LINKE ist an diesem Thema dran. Es gibt dort ein ausführliches Thesenpapier dazu. Dort heißt es:
"Der Mobilitätsbedarf von Menschen gehört zum Grundbedarf und muss zunehmend über öffentliche und abnehmend über individuelle Angebote gesichert werden. Dazu ist ein konsequenter Ausbau von SPNV und ÖPNV nötig ... Die Verkehrsinfrastruktur ist nach ökologischen und volkswirtschaftlichen Kriterien zu gestalten ... Für gering besiedelte ländliche Gebiete, in denen ein attraktives ÖPNV-Angebot nicht mehr oder noch nicht existiert, müssen alternative Angebote wie Anrufbusse oder Sammeltaxis...entwickelt werden."
 Aber zu einem alternativen oder auch nur weiterentwickelten Verkehrkonzept gehört auch das Nachdenken über ein alternative Antriebstechnik auf nicht-fossiler Basis - eventuell elektrisch.
Dies kann unserer Meinung nach zumindest ein Schwerpunkt eines ja avisierten Forschungs- und Innovationszentrums für Neue Technologien, das ist ja inzwischen fast Konsens in der Debatte, im Terminal in Tegel sein.
Im kommenden Jahr sind vier Konferenzen zu den Themen Verkehr, Klimaschutzgesetz, Flächennutzung Flughäfen und Umwelt und Soziales geplant. Alles Gelegenheiten, linke Umwelt- und Klimapolitik zu diskutieren, zu präzisieren, übehaupt zu entwickeln und in die Öffentlichkeit zu tragen.
Ich würde mich freuen, wenn dies, so wie schon beschlossen, endlich Themen für den ganzen Landesverband werden.
(Wir sehen uns mit unseren Überlegungen auch in Übereinstimmung mit dem Flughafenarchitekten Meinhard von Gerkan, der an den Anfang seiner Visionen, seiner Vorschläge die Frage stellt: Was braucht diese Welt heute, woran muss sich ein Nachnutzungskonzept für ein so herausragendes Projekt wie den Flughafen Tegel orientieren?
Vieles wird davon abhängen, ob es gelingt, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sozial vertäglich zu gestalten. Hier hat die LINKE eindeutig eine Verantwortung. Aber, das sage ich ganz deutlich, eine Lösung der sozialen Frage wird es ohne die Lösung der ökologischen nicht geben - schon gar nicht im globalen Maßstab. Dafür werden die Folgen für die Menschen in Afrika, Asien und Südamerika zu verheerend sein.
Noch ist es Zeit umzusteuern. Aber, so der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Schellnhuber, bis spätestens 2020 müssen die Weichen gestellt sein. Sonst droht eine Klimakatastrophe, deren Auswirkungen auf die Kultur, den sozialen Zusammenhalt, auf die Weiterentwicklung der Menschheit heute noch nicht abzuschätzen sind.)

Vielen Dank

Passagen in Klammern wegen Zeitmangels nicht vorgetragen, J.S.