»Weil wir in der Sache hart streiten können«
Rede der Landesvorsitzenden Katina Schubert
[Manuskript – es gilt das gesprochene Wort.]
Liebe Genossinnen und Genossen
heute ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Jedes Jahr am 25. November rufen Terre de femmes und Frauenorganisationen in der ganzen Welt zum Kampf auf gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Wir als Linke unterstützen das nach besten Kräften. Nein heißt Nein. Jede Frau und jedes Mädchen bestimmt selbst über ihren Körper, ihre Sexualität und ihr Leben. Und an uns ist es, die Strukturen auszubauen, um das zu ermöglichen.
Genossinnen und Genossen,
hinter uns liegen aufregende Wochen – politisch gesehen – und vor uns offenkundig auch. Egal, ob die SPD jetzt Koalitionsverhandlungen für eine neue GroKo aufnimmt oder wir uns auf Neuwahlen einrichten – schnell oder mittelfristig. Die letzte Bundestagswahl hat das Land nachhaltig verändert. Der Rechtsruck, der sich schon in den Landtagswahlen der letzten Jahre angekündigt hatte, hat sich auch bei den Bundestagswahlen deutlich gezeigt.
Für uns als LINKE ist die Wahl nicht schlecht ausgegangen und für uns als Berliner LINKE sogar richtig gut. Wir haben alle unsere Wahlziele erreicht, alle vier Direktmandate verteidigt und unsere beiden Listenmandate und zwei Direktmandate haben wir sehr knapp verpasst. Nochmals herzlichen Glückwunsch unseren MdB und noch mal vielen vielen Dank allen Kandidatinnen und Kandidaten, allen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern. Wir haben gemeinsam großartig gekämpft und deshalb zurecht gewonnen. Wir kommen nachher noch mal darauf zurück.
Wir haben in diesem Jahr über 1000 neue Mitglieder gewonnen, fast 500 nach den Wahlen. Herzlich willkommen bei uns. Und ich möchte euch alle ermutigen, bringt euch ein, macht mit, bringt neue Ideen mit, neue Themen, neue Methoden. Wir sind eine lernende Partei, eine offene Partei und eine veränderungswillige Partei mitten in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.
Auch bundesweit hat unsere Partei zugelegt, wir sind auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen Partei ein gutes Stück weitergekommen, und das ist gut so. Aber: unsere nachlassende Stärke im Osten ist ein Problem, vor allem dann, wenn dadurch die AfD und mit ihr die Union immer stärker werden, wenn das Autoritäre wächst und die Demokratieverachtung steigt.
Mit der AfD ist erstmals seit Jahrzehnten eine offen rechtspopulistische Partei mit Nazis in ihren Reihen in den Deutschen Bundestag eingezogen. Das ist eine Zäsur. Und die Probleme bei der Regierungsbildung zeigen: das etablierte Parteiensystem weiß noch nicht damit umzugehen.
Denn eines hat die AfD schon geschafft, bevor sie überhaupt im Bundestag war: den öffentlichen Diskurs nach rechts zu verschieben und zwar heftig. An den Sondierungsverhandlungen der Jamaika-Parteien konnte man es nachvollziehen.
Ein Beispiel: der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, also Flüchtlinge, die eine befristete Aufenthaltserlaubnis haben und einen geringeren Schutzstatus als Asylberechtigte. Schon die Aussetzung des Rechts, die eigene Familie nachzuholen, durch die GroKO ist ein familienpolitisches No Go und im Kern zutiefst rassistisch, sagt es doch, dass Familien geflüchteter Menschen nicht unter dem Schutz des Grundgesetzes gehören. Schon diese Regelung war vorauseilender Gehorsam vor der Propaganda der AfD. Bei der Auseinandersetzung um die Verlängerung stehen Union, FDP und AfD Seite an Seite der Menschenverachtung.
Das Beispiel beschreibt ein bisschen das Problem, vor dem auch der neue Bundestag stehen wird: Die AfD wird versuchen, die bürgerlichen Parteien vor sich her zu treiben und Stück für Stück das Panel des „Das wird man doch mal sagen dürfen“ weiter nach rechts zu schieben. Sie wird Union und FDP immer wieder ins Dilemma stürzen, dass sie ihre eigenen Positionen doch eigentlich mit den Rechtspopulisten umsetzen könnten, weil sie eine rechnerische Mehrheit im Bundestag haben.
In diesem Zusammenhang ist es umso wichtiger, dass wir erkennbar als linke Partei der sozialen Gerechtigkeit, der Internationalität, der Menschenrechte um ein gesellschaftliches Klima der Solidarität kämpfen und all unsere Kräfte und Möglichkeiten in diese Richtung nutzen. Wer soll sich dem Weg der Lemminge nach rechts entgegenstellen, wenn nicht wir. Das können wir nicht alleine und das machen wir nicht alleine. Die hunderttausenden von Menschen, die in Flüchtlingsinis, in antirassistischen Gruppen, in Kirchen, Synagogen und Moscheen, in Gewerkschaften auf der Seite der Solidarität stehen, sind alle da, aber sie sind leiser als 2015.
Deshalb ist es gut, wenn die Arbeit der Inis, der Organisationen und das antirassistische Engagement der Gewerkschaften honoriert wird. Deshalb ist es toll, dass Aufstehen gegen Rassismus diese Woche den Silvio Meier -Preis bekommen hat. Danke Friedrichshain-Kreuzberg. Deshalb ist es wichtig, dass Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler, Prominente aller Art sich immer wieder auf die Seite der Solidarität stellen.
Das Klima der Entsolidarisierung ist so viel schärfer geworden. Bei aller Zustimmung, die wir im Wahlkampf erlebt haben, so habe zumindest ich auch die Kehrseite erlebt: Das „ist mir doch egal, was mit Geflüchteten, was mit Obdachlosen, mit Menschen mit Behinderung ist“. Hauptsache mein Parkplatz vor der Tür bleibt bestehen. Diese zunehmende Verrohung von sozialen Beziehungen in einer Gesellschaft, in der Konkurrenz und Hass so um sich greifen, die hässliche Fratze des Neoliberalismus, ist für uns mindestens so eine große Herausforderung wie gute Wahlergebnisse. Und für Menschen mit nichtdeutschem Aussehen wirkt sich die Klimaverschärfung noch mal viel stärker aus. Ihre Ängste nehmen zu – ich werde nie vergessen, wie Hamze am Wahlabend vor mir stand, grau im Gesicht, und sagte, jetzt wird es für uns ganz hart. Der Kampf um ein Klima der Solidarität muss unser gemeinsamer sein.
Nun wird viel diskutiert, wie wir mit den Wählerinnen und Wählern umgehen sollten, die wir hier und bundesweit an die AfD verloren haben. Wer diese Woche ND gelesen hat, wird auch die neue Studie zur Kenntnis genommen haben, dass die AfD vor allem da stark ist, wo schon vorher die NPD stark war, wo es ein Klima von Demokratieverachtung und Rassismus gibt. Menschen mit gefestigt autoritären rassistischen und nationalistischen Denkmustern werden wir nicht zurückgewinnen können. Aber Menschen, die mit der Wahl der AfD auf ihre eigene marginalisierte Lebenssituation aufmerksam machen wollen oder ihre Angst vor Abstieg zeigen wollen, die können wir vielleicht zurück gewinnen, wenn wir die soziale Frage, den sozial-ökologischen Wandel in den Mittelpunkt unserer Politik stellen, um den Prozess der sozialen Spaltung, der Erosion fester sozialer Beziehungen umzukehren, Armut zurückzudrängen.
Und dazu müssen wir weiter in den Mühen der Ebene arbeiten, auf der Straße, in den Zentren gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Wir müssen unsere Büros und Geschäftsstellen weiter darauf ausrichten, sie zu Begegnungsorten und Kümmerzentren zu machen. Ich weiß, dass Hausbesuche nicht jedermanns Sache sind. Aber auch die können – je nach Gegend – ein sinnvolles Instrument sein. Ich werde es jedenfalls mit meinem Büroteam bewusst in wahlkampffreier Zeit ausprobieren, um Menschen zu erreichen, die nie an einen Infostand oder in ein Bürgerbüro kommen würden, aber dennoch reden wollen. Ich werde euch über die Erfahrungen im Märkischen Viertel berichten, einem der westlichen Ortsteile mit hohen AfD-Stimmanteilen.
Die strategische Herausforderung ist deutlich zu machen, dass es nicht die Geflüchteten sind, die für soziale Spaltung und Armut sorgen, sondern die falsche Politik der Bundesregierung, die auch dafür gesorgt hat, dass Unternehmen und Konzerne sich wieder aufführen können wie im Steinzeitkapitalismus.
Diese Woche haben die Beschäftigten von Siemens gegen die Schließung ganzer Werke und die Vernichtung von über 3000 Arbeitsplätzen protestiert, davon 870 in Berlin. Wir waren natürlich dabei mit Elke, mit Pascal und Evrim, Bernd Riexinger und vielen weiteren. Siemens hat seinen Gewinn im letzten Jahr von 5,5 auf 6,1 Milliarden Euro gesteigert. Die Gewinnmarge im industriellen Bereich lag bei 11,2 Prozent, Profite, die die Beschäftigten erschuftet haben, denen der Konzern jetzt den Stuhl vor die Tür setzt. Genossinnen und Genossen, das geht nicht. Ein Konzern wie Siemens hat genug Forschungs- und Entwicklungskapazität, um sich auf neue Entwicklungen wie die Energiewende einzustellen und die entsprechende Technik zu entwickeln. Dass das nicht geschieht, ist verantwortungslos. Siemens verdient an der öffentlichen Hand einen Haufen Kohle, unter anderem am BER. Es ist dieser Stadt und den Beschäftigten verpflichtet. Aber Siemens ist ja kein Einzelfall. Knorr-Bremse, Osram-Ledvance, MAN, um im Industriebereich zu bleiben kommen dazu.
Air Berlin, um in den Dienstleistungssektor zu wechseln, überall schwere Managementfehler, die auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden und dazu eine Bundesregierung, die die Konzerne füttert und die Beschäftigten in den Hintern tritt.
Genossinnen und Genossen, auch bei Air Berlin ist eines deutlich: Es macht einen Unterschied, wer regiert. Die Bundesregierung schiebt schnell einen 150 Millionen Kredit an die Geschäftsleitung, damit Lufthansa sich bedienen kann. Um die Zukunft der Air Berlinerinnen kümmert sie sich nicht. Nur Berlin finanziert eine Transfergesellschaft mit, um den vor allem dem Bodenpersonal in der Verwaltung und Technik Zeit zu verschaffen, sich neu zu orientieren. Das macht den Unterschied. Danke an Elke unsere Arbeitssenatorin und an den Senat.
Und Genossinnen und Genossen, wir können uns drauf einstellen, die Kämpfe werden härter. Wir stehen dabei fest an der Seite der Gewerkschaften. Doro Zinke, die Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg wird nachher hier sprechen, voraussichtlich zum letzten Mal als Vorsitzende. Doro, dir alles Gute, ich denke wir werden weiter voneinander hören. Und alles Gute unserer Genossin und Delegierten Sonja Staak, die für das Amt der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden nominiert ist. Auf uns kannst du dich verlassen! Und damit liebe Genossinnen und Genossen, komme ich zu einem Jubiläum, was sicher auch medial Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. In zwölf Tagen ist der rot-rot-grüne Senat sein einem Jahr im Amt. Und bei allem, was uns noch nicht ausreicht und woran wir als Partei gemeinsam mit Fraktion und unseren Leuten im Senat arbeiten müssen. Es ist schon viel geschehen und ich glaube auch in der Stadt ist angekommen, es ist ein Unterschied, wer regiert und wir machen den Unterschied. Das scheinen unsere Koalitionspartner auch zu glauben, sonst wären sie nicht machmal so missgünstig.
Lasst mich ein paar Beispiele nennen:
Berlin ist Mieterinnen und Mieterstadt – und das muss auch so bleiben. Zentral wichtig, um den Mietenanstieg hier zu bremsen, sind die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Und die haben jetzt einen gesetzlichen Auftrag, für die soziale Wohnraumförderung zu sorgen. Ja, das ist ein Paradigmenwechsel – von Katrin Lompscher und dem Mietenvolksbegehren gemeinsam erreicht. Und das verlangt den Wohnungsbaugesellschaften neues ab, was sie bisher nicht gewohnt waren. Sie dürfen auch nur noch 2 Prozent Mieterhöhungen nehmen, Schluss ist mit einem Verhalten wie private Eigentümer. 30.000 neue Wohnungen sollen sie bauen und weitere 10.000 kaufen, und davon müssen mindestens die Hälfte der Wohnungen für Menschen mit Wohnberechtigungsschein zur Verfügung stehen. Ein wichtiger Beitrag zur Mietpreisdämpfung. Es macht einen Unterschied, ob wie früher ein Investor einfach zum Senat marschiert und verlangt, dass er die Zuständigkeit an sich zieht, wenn Einwohner oder Bezirke renitent sind oder ob wie jetzt die Bausenatorin diese privaten Investoren nach Hause schickt und ihnen mitteilt, dass sie sich gefälligst auf demokratische Verfahren einlassen müssen. Ja, Partizipation dauert – aber wir nehmen unser eigenes Wahlkampfmotto sehr ernst – wem gehört die Stadt? Und das heißt dann eben auch, dass Demokratie von unten gelebt werden muss, dass Widersprüche und widerstreitende Interessen ausgestritten werden müssen. Wir meinen es ernst, dass Schluss ist mit BASTA-Politik. Und wir meinen es ernst, dass wir dem Spekulantentum und dem Raubtierkapitalismus auf dem Immobilienmarkt soweit das landesrechtlich möglich ist, die Zähne ziehen wollen.
Dazu gehört die Verschärfung der Zweckentfremdungsregeln, dazu gehört das Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand, dazu gehören Milieuschutzgebiete. Und wo der Senat selbst nicht handeln kann, gibt es oder muss es Bundesratsinitiativen geben: zur Verschärfung der Mietpreisbremse, zu neuen Regelungen für Menschen, die ihre Mieten nicht mehr zahlen können, um Zwangsräumungen zu vermeiden. Zentraler Akteur ist der Bund: er muss die Modernisierungsumlagen massiv senken, damit sie nicht weiter als Vertreibungsinstrumente genutzt werden können, er muss das Gewerbemietrecht regulieren, damit soziale und kulturelle Träger ihre Räume behalten können, damit sich die kleinen Kiezläden gegen die großen Ketten behaupten können, um unsere soziokulturelle Infrastruktur zu erhalten!
Und die steht massiv unter Druck. Aber auch hier macht die LINKE den Unterschied. Es ist gelungen, wichtige Projekte, die schon gekündigt waren, zu erhalten.
Wir haben eine AV Wohnen, die für über 86.000 Bedarfsgemeinschaften, also wesentlich mehr Menschen bedeutet, dass ihre Mietkosten wieder voll bezahlt werden. Das betrifft vor allem Familien und Alleinerziehende, ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung. Aber klar ist, wir brauchen weit mehr Wohnungen zu niedrigen Preisen. Das kann die AV Wohnen nicht alleine auffangen. Es gibt ein Bündel von Maßnahmen wie Neuvermietungszuschläge, Ausnahmeregelungen, um Menschen in ihren Kiezen und Wohnungen halten zu können, Zwangsumzüge oder Obdachlosigkeit zu vermeiden. Das ist gut.
Obdachlosigkeit stand in den letzten Wochen ziemlich im medialen Fokus. Nun ist das keine neue Erscheinung. Der seit Jahren andauernde Verdrängungskampf auf dem Wohnungsmarkt führt dazu, dass viele Menschen ihre Wohnungen nicht mehr halten können. Die meisten kommen bei Freunden Verwandten irgendwo vorübergehend unter. Aber jetzt trifft es auch Familien mit Kindern, für die es nicht irgendwo leicht ein Eckchen gibt. Deshalb ist es gut, dass die Plätze für obdachlose Familien ausgebaut werden. Und wir haben eine steigende Zahl von Obdachlosen, die eben nicht mehr unterkommen, die bei Wind und Wetter draußen sind, viele psychisch oder suchtkrank, viele aus osteuropäischen EU-Ländern, denen die Bundesregierung jeden Anspruch auf Leistung gestrichen hat.
Und das liebe Genossinnen und Genossen geht gar nicht. Die Europäische Union hat vier Säulen der Freizügigkeit, eine ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Menschen, die aus Osteuropa hierherkommen, haben jedes Recht dazu. All die Abschiebephantasien von Teilen der Grünen und der Union sind bodenlos.
Viele sind hierhergekommen, um zu arbeiten. Und wer sich einmal mit der DGB-Beratungsstelle für entsandte Arbeitnehmerinnen unterhält, erfährt, was es in Deutschland, auch in Berlin für Ausbeutungsverhältnisse gibt, wo Menschen für Hungerlöhne arbeiten, im Transportwesen, in der Gastronomie, Schlachtereien etc. Und wenn sie sich beschweren, verlieren sie nicht nur den Job, sondern auch gleich noch die Unterkunft und ihnen bleibt nur die Straße. Wir wollen ein soziales Europa. Deshalb muss Schluss sein mit diesen Dumpinglöhnen, müssen solche Unternehmen hart bestraft werden und müssen Betroffene hier Leistungen bekommen, damit sie wieder auf die Beine kommen. Es ist gut, dass der Senat eine Stelle gegen Schwarzarbeit eingerichtet hat und dass die Beratungskapazitäten hier ausgebaut werden. Das ist das, was wir auf Landesebene machen können, und auch hier macht die Linke den Unterschied.
Genossinnen und Genossen, dieser Senat hat eine der größten Investitionsoffensiven der Stadt angeschoben. 2,2 Milliarden Euro werden sich im nächsten Doppelhaushalt finden. Dazu kommen die Schulsanierung und der Neubau. 5,5 Milliarden Euro müssen in den nächsten zehn Jahren verbaut werden, um die vorhandenen Schulen zu sanieren und die notwendigen neuen in der wachsenden Stadt Berlin zu bauen. Wie das funktionieren kann vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, die auch das Land Berlin ab 2020 trifft, darüber haben wir schon bei der Erstellung des Wahlprogramms diskutiert, vor zwei Wochen hatten wir im Landesausschuss dazu eine intensive Debatte und wir werden auch nachher noch einmal darüber diskutieren. Der Vorschlag liegt auf dem Tisch: eine Tochtergesellschaft der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge soll Bau- und Sanierungsmaßnahmen ab 10 Millionen Euro übernehmen, wenn es die beteiligten Bezirke wünschen auch Maßnahmen zwischen 5,5 und 10 Millionen Euro. Denn diese zu 100% öffentliche Gesellschaft kann im Gegensatz zur öffentlichen Hand dann billige Kredite aufnehmen und das Mammutvorhaben finanzieren. Selbstverständlich ist die Tochtergesellschaft nur Bauherrin, nicht Schulträgerin. Das bleiben die Bezirke. Und selbstverständlich dürfen unsere Schulen nicht zu Spekulationsobjekten werden, deshalb auch die Erbbaupachten für die Grundstücke, die bleiben in Berliner Eigentum. Eine Privatisierung findet mit uns nicht statt. Und alles, was an Privatisierungsbremsen einziehbar sind, müssen in der Koalition vereinbart werden. Und wir sollten eins machen: Wir wollen eine Privatisierungsbremse in der Verfassung haben. Wegen der vereinten rechten Opposition gibt es dazu derzeit keine Mehrheit im Parlament. Lasst uns über ein Volksbegehren zur Privatisierungsbremse nachdenken, um die Forderung voranzutreiben.
Eine Investitionsoffensive gibt es auch im Krankenhausbereich. Die Investitionen werden in den nächsten zwei Jahren erheblich ansteigen, auch wenn wir uns mehr gewünscht hätten. Die Eigenkapitalzuführung für Vivantes wird erhöht. All das sind wichtige Maßnahmen, um die Spielräume für eine ausreichende Personalbemessung an den Krankenhäusern zu erhöhen. Auch hier ist eigentlich der Bund gefragt, er muss die Kostenerstattungen für die Krankenhäuser neu regeln. Aber die Situation auf Bundesebene ist bekannt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass das Land tut, was irgend geht. Und ich begrüßte es, dass die Kolleginnen und Kollegen von verdi und der Charite die Diskussion vorantreiben, ein Volksbegehren in petto haben. Gute Arbeit für die Beschäftigten ist auch gut für uns alle, denn krank können alle mal werden. Lasst uns daran weiterarbeiten.
Auch auf dem Energiesektor haben wir einiges erreicht. Berlin wird bis 2030 aus der Kohle aussteigen, das Stadtwerk ist deutlich gestärkt worden. Das ist ein wichtiges Signal, dass wir es mit der Energiewende und dem sozial-ökologischen Wandel verdammt ernst nehmen. Genossinnen und Genossen, das Thema Klima ist schon lange kein elitäres Öko-Thema der Latte Macchiato-Fraktion mehr. Das ist für Millionen von Menschen ein existentielles Thema. Die Vereinten Nationen haben festgestellt, dass Klima- und Umweltkatastrophen ebenso wichtige Fluchtursachen sind wie Krieg und Verfolgung. Also ist es gut, dass Berlin hier mit gutem Beispiel vorangeht und es ist wichtig, dass Länder wie Brandenburg strukturelle Hilfen bekommen, damit sie den Strukturwandel weg von der Kohle so schnell wie möglich bewältigen können.
Genossinnen und Genossen, als wir die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen haben, haben viele gefragt, warum wollt ihr denn ausgerechnet Kultur? Klaus hat gezeigt, wie linke Kulturpolitik gehen kann. Denn jetzt stehen plötzlich die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern im Fokus, jetzt gibt es ein Ateliersicherungsprogramm, Kinder- und Jugendtheater werden gestützt. Es geht nicht um die Kultur der Schönen und Reichen. Es geht um Kultur als wichtiger Ort gesellschaftlicher Teilhabe, um Widerständigkeit, um Infragestellung der herrschenden Verhältnisse, um ein gesellschaftliches Klima der Solidarität. Und wenn dann in der niegelnagelneuen Staatsoper ein Konzert für Berlin stattfindet, bei dem Barenboim auf Wunsch von Klaus für diejenigen Berlinerinnen und Berliner spielt, die sonst nie in die Oper können, dann zeigt auch das, dass die LINKE den Unterschied macht. Klaus macht eine Kulturpolitik, die Haltung zeigt, gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, und dafür hat er meine Solidarität.
Genossinnen und Genossen, der Rechtsruck in der Gesellschaft beschäftigt uns massiv – zum Glück. Und dafür müssen wir Symbole setzen, Symbole gegen Faschismus, Rechtspopulismus, Rassismus und Antisemitismus und für Demokratie. Der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom Faschismus, ist so ein Tag. Lasst ihn uns zum Gedenktag machen und damit ein klares Zeichen setzen. Ich habe dieses Ansinnen schon mal meinen Amtsgeschwistern von SPD und Grünen signalisiert, damit wir es auch hinbekommen. 2020 wird sich die Befreiung vom Faschismus zum 75. Mal jähren. Dann sollte der 8. Mai ein Feiertag für alle hier in Berlin sein!
Genossinnen und Genossen, wir haben in diesem Jahr viel erreicht, bei allen Schwierigkeiten. Und das ist uns gelungen, weil wir in der Sache hart streiten können – untereinander und mit anderen, weil wir mit der Stadtgesellschaft intensiv reden, auch wenn es weh tut, weil wir für neue Ideen offen sind – und weil wir letztlich geschlossen agieren.
Und das ist eine zentrale Herausforderung für unsere Partei in den nächsten Wochen und Monaten. Wir sind stärkste Partei innerhalb des S-Bahn-Rings und wir sind stärkste Partei in den Ost-Bezirken. Was heißt das für uns? Wir sprechen ganz verschiedene Milieus an und das müssen wir weiter tun. Wir sind wirklich gesamtstädtische Partei, wenn wir uns nicht darauf einlassen, Außen- gegen Innenstadt, urbane gegen prekäre oder Ost- gegen West-Milieus auszuspielen oder gegeneinander abzuwägen. Wir müssen sie alle ansprechen mit unseren Positionen einer sozial gerechten, nachhaltigen, auf den Grundsätzen der Solidarität und der Gleichberechtigung fußenden Stadtpolitik. Wir haben noch viel vor uns und werden noch eine Menge Gehirnschmalz verwenden müssen, um voranzukommen. Ich sage nur, Volksbegehren Videoüberwachung der CDU. Dem müssen wir uns entgegenstellen. Aber wir können es. Und wenn es uns gelingt, dann gelingt uns auch, wofür wir im Bundestagswahlkampf angetreten sind: die Hoffnung wieder auf die linke Seite zu holen!
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch mal allen danken, die zu diesem erfolgreichen Jahr beigetragen haben: Danke allen Kandidatinnen und Kandidaten, den Wahlkampfleiterinnen, den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpferinnen, Danke Klaus, Elke, Katrin für eure Arbeit und euren trotz aller Widerstände anhaltenden Enthusiasmus, verändern zu können. Danke unseren Staatssekretären Daniel, Alex, Sebastian, Torsten, Gerry und Regula und all euren Stäben. Ich weiß, was ihr wegtragen müsst. Danke unseren Bürgermeisterinnen und -meistern Dagmar, Micha und Sören, unseren Stadträtinnen Julia, Gernot, Sandra, Knut, Katrin, danke all unseren BVV-Verordneten, unseren Bezirksvorsitzenden und Vorstandsmitgliedern, danke unserer Fraktion im Abgeordnetenhaus und unserem Landesvorstand. Danke all unseren Mitgliedern, die unsere Partei mit so viel Herzblut und Engagement nach ihren Kräften und Möglichkeiten unterstützen und finanzieren. Und danke all unseren neuen Mitgliedern, die uns verändern und voranbringen werden.