Den Menschen den Glauben zurückgeben, dass Politik gestalten kann

ParteitagKatina Schubert

Rede von Katina Schubert

Landesvorsitzende


[ Manuskript – es gilt das gesprochene Wort

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich freue mich, dass unser Parteitag so viel Aufmerksamkeit genießt, dass viele Menschen als Gäste gekommen sind, herzlich willkommen.  

Vorgestern hat der Rat der Bürgermeister den Weg für den Mietendeckel geebnet. Dafür danke auch unseren drei BürgermeisterInnen Dagmar, Sören und Michael. Jetzt muss der Senat ein zweites Mal beraten und dann geht das Gesetz noch in diesem Jahr ins Abgeordnetenhaus. Wer hätte das Anfang des Jahres für möglich gehalten. Deshalb danke an Katrin und ihr Team, an unsere Abgeordneten, die Fraktion und an die Koalition, dass wir das gemeinsam hinbekommen haben.

Danke an die Mieterinnen und Mieterinis und -vereinigungen, ohne deren Druck und Engagement das nie möglich geworden wäre. Und ja, das hat viele Diskussionen und harte Verhandlungen erfordert. Wir betreten mit dem Mietendeckel juristisches Neuland und stechen in ein politisches Wespennest.

Aber da müssen wir durch. Wir möchten den Menschen den Glauben zurückgeben, dass Politik gestalten kann, dass sie gegen die Macht der Konzerne das Zepter in die Hand nimmt. Und die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner will den Mietendeckel, das hat die Umfrage gestern noch mal deutlich gezeigt.

Die Debatte um den Mietendeckel ist hart. Ganz offenkundig haben wir als rot-rot-grüne Koalition eine Gewissheit in Frage gestellt, nämlich das vermeintliche Recht auf Profit, dessen sich die privaten Wohnungskonzerne und ihre Lobbyverbände so sicher waren. Doch ein solches Recht gibt es nicht, im Gegenteil, das Grundgesetz betont explizit die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und unsere Berliner Verfassung schreibt ein Recht auf Wohnen fest. Da ist es höchste Zeit, dass wir dem Mietenwahnsinn ein Ende setzen.

Die Mieten in Berlin sind in den letzten zehn Jahren massiv angestiegen. Die Gentrifizierung hat längst alle Bezirke erreicht.  Die Berlinerinnen und Berliner bringen im Durchschnitt mehr als 30% ihrer Einkommen für ihre Mieten auf. Und Wohnungssuche in Berlin heißt Glücksspiel. Dem muss Politik Einhalt gebieten. Deshalb haben wir unser Sechs-Punkte-Programm entwickelt: Neubau – und in den letzten 30 Jahren wurden nie mehr bezahlbare Wohnungen gebaut als jetzt – Ankauf, Supermarktüberbauung, Vergesellschaftung, Bodensicherung und: der Mietendeckel.

Ja, damit greifen wir direkt in die Gewinnerwartungen von Vermieterinnen und Vermietern ein. Und ja, es gibt in Berlin viele soziale Vermieterinnen und Vermieter und Genossenschaften, die die Profitschneiderei der großen Konzerne wie Deutsche Wohnen, Vonovia und Akelius nicht mitmachen. Deshalb haben wir als Koalition für sie auch die Atmung des Deckels eingeführt, haben Härtefallregelungen aufgenommen.

Aber Kern und Anliegen des Mietendeckels ist und bleibt, dass wir die Mieten in dieser Stadt wieder bezahlbar machen, dass wir sie auf dem jetzigen Stand einfrieren, dass Mieten, die oberhalb der Mietentabelle liegen abgesenkt werden und dass Neuvermietungen nur noch zum Vormietpreis, maximal aber zum Wert der Mietentabelle möglich sind.

Die Berliner Zeitung hat jetzt eine spannende Serie über Zwangsräumungen begonnen. Da stellen sie fest, dass die meisten Zwangsräumungen nicht etwa aufgrund von Mietzahlungsversäumnissen geschehen, sondern, um die Altmieterinnen zu vertreiben und teuer neu vermieten zu können. Auch dem legen wir mit dem Mietendeckel einen Riegel vor. Wir fordern, dass es im Winter überhaupt keine Zwangsräumungen gibt und dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ganz drauf verzichten.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

Die Mietpreisspirale wird mit dem Mietendeckel massiv gebremst, deshalb ja auch die schäumende Empörung von Opposition, Lobbyverbänden, der Bundes-CDU, allen Matadoren eines ungebremsten Neoliberalismus und Kapitalismus. Und da kommt die CDU mit ihrem Mietergeld. Das ist nichts anderes als eine direkte Subvention der Immobilienkonzerne aus Steuermitteln, damit die weiter ungehemmt die Mieten erhöhen können. Genossinnen und Genossen, damit muss Schluss sein.

Deshalb kämpfen wir für den Mietendeckel, deshalb kämpfen wir für den weiteren Ankauf von Wohnungen durch unsere landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und gemeinwohlorientierte Genossenschaften, deshalb kämpfen wir für eine Sicherung des öffentlichen Grund und Bodens, für die Vergesellschaftung der großen profitorientierten Wohnungsbauunternehmen,  deshalb kämpfen wir gegen Zwangsräumungen, deshalb kämpfen wir auch auf Bundesebene für eine Wende in der Wohn- und Mietenpolitik, die bedeutet: Wiederherstellung der Wohngemeinnützigkeit, dafür brauchen wir eine Bundesratsinitiative, Stärkung des Öffentlichen, Ausweitung der gemeinwirtschaftlichen Wohnungswirtschaft – Rückgrat dafür sind unsere landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Dafür müssen wir sie stärker machen, dafür müssen wir auch die AöR Wohnraumversorgung stark machen.

Wohnen wieder bezahlbar machen, das ist der Schlüssel für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt. Das ist übrigens auch ein Standortfaktor. Wenn wir Lehrerinnen und Lehrer zum Bleiben bewegen wollen, sind preisgünstige Wohnungen viel wichtiger als die Verbeamtung. Wenn wir neue Unternehmen ansiedeln wollen, muss es auch bezahlbare Wohnungen geben, sonst werden die Klagen über Fachkräftemangel anhalten.

 Die Mietenexplosion führt dazu, dass die Zahl der wohnungslosen Menschen immer weiter ansteigt. Was der Verlust des eigenen zu Hauses für eine Spirale in Gang setzen kann, wisst ihr alle. Deshalb ist es auch mit Blick auf die vielen wohnungslosen Menschen zwingend, dem Einhalt zu gebieten. Unsere Senatsverwaltung mit Elke hat schon eine Menge angeschoben, um Strategien zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit zu entwickeln und vor allem umzusetzen. Housing first, ein Modell, in dem Obdachlose bedingungslos eine Wohnung bekommen, um von dort aus ihr Leben neu starten zu können, ist dafür ein gutes Beispiel.

Aber niemand weiß, wie viele Menschen eigentlich wirklich auf der Straße leben, nicht mal mehr ein Sofa bei Freunden finden. Deshalb ruft die Senatsverwaltung für den 29. Januar zur Nacht der Solidarität auf. Da geht es bei weitem nicht nur darum, einen Überblick auf die wirkliche Zahl von Obdachlosen auf der Straße zu bekommen, sondern auch und vor allem Obdachlosigkeit sichtbar zu machen, hinzuschauen, mit den Menschen zu reden, Zuwendung zu zeigen, Solidarität praktisch machen. Liebe Genossinnen und Genossen, das ist ein Riesenvorhaben. Immer noch werden Freiwillige gesucht und unsere Bitte als Landesvorstand ist, beteiligt euch an der Nacht der Solidarität in euren Kiezen und Bezirken, macht mit und meldet euch an.

 

Liebe Genossinnen und Genossen, die Stärkung des Öffentlichen ist und bleibt ein zentrales Leitmotiv unserer Stadtpolitik. Wem gehört die Stadt haben wir 2016 im Wahlkampf gefragt und haben uns vorgenommen, die Stadt Stück für Stück in die Hand der Berlinerinnen und Berliner zurückzulegen. Selbstverständlich ist das ein Prozess, der langwierig ist, auf Widersprüche und massive Konflikte stößt, dem Mainstream zuwiderläuft, in dem wir auch Rückschläge hinnehmen müssen. Beispiel S-Bahn.      

Die S-Bahn ist das Rückgrat unseres öffentlichen Nahverkehrs in Berlin und dem Umland. Deshalb wollen wir eine S-Bahn aus einer Hand und die S-Bahn langfristig mit allem Drum und Dran in Landeshand holen und zu einem gemeinwohlorientierten Unternehmen ausbauen. Derzeit geht das aber so noch nicht. Der Deutsche Bahn-Konzern will die S-Bahn nicht verkaufen. Also müssen die beiden Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn aufgrund des Bundesrechts ausgeschrieben werden. Und um hier nicht einen brutalen Unterbietungswettbewerb auf Kosten von Fahrgästen und Beschäftigten zuzulassen, ist es für uns zentral, dass es in der Ausschreibung ein Gesamtangebot für beide Teilnetze und für das gesamte Leistungsspektrum Fahrzeugbeschaffung, Instandhaltung und Betrieb geben kann. Einen ersten Schritt in Richtung Kommunalisierung gehen wir mit der Beschaffung der neuen Fahrzeuge, die in Landeshand kommen. Die Beschäftigten bekommen mit der Ausschreibung die Zusicherung, dass sie zu den gegenwärtigen tariflichen Bedingungen einschließlich künftiger Dynamisierungen weiterarbeiten. Und: Das Ergebnis der Ausschreibung steht unter dem Vorbehalt, dass das  Abgeordnetenhaus zustimmt.

Dass diese Lösung ein Kompromiss ist, ist klar. Und dass wir lieber eine Direktvergabe mit klaren gemeinwohlorientierten Kriterien gesehen hätten, ist auch klar. Aber in einer Dreierkoalition muss es Kompromisse geben, da kann sich eine Seite nie hundertprozentig durchsetzen. Dass es keine Loslimitierung gibt, dass also ein Unternehmen das gesamte Netz betreiben kann, dass es Beschäftigungsgarantien gibt und eine stärkere Position des Landes im gesamten S-Bahn-Betrieb entwickelt wird, ist wichtig, um die Perspektive Kommunalisierung Schritt für Schritt zu erreichen.

Aber wir haben auch schon etliche Erfolge erzielt: die CFM und die Physiotherapeuten sind zurück im Mutterkonzern Charite, die Tarifverhandlungen sind auf dem Weg, der Anteil der kommunalen Wohnungen ist erheblich gestiegen, wir werden in den laufenden Haushaltsberatungen darauf drängen, dass weitere Ankäufe möglich bleiben.

Und wir wollen weitere outgesourcte Bereiche in die öffentliche Hand zurückholen, Schulreinigung ist so ein Beispiel. Erst diese Woche hatten die Schülerinnen und Schüler einer Schule in Berlin wortwörtlich stinkefrei, weil Gebäude und Toiletten unzumutbar dreckig waren. In acht Bezirken laufen mittlerweile Einwohnerfragen und Bürgerbegehren, um die Schulreinigung in kommunale Hand zurückzugeben. Das muss unser nächstes gemeinsames Vorhaben sein.

 

Schaut euch andere Gebiete der öffentlichen Daseinsvorsorge an. Wir wollen das Stromnetz rekommunalisieren. Da haben wir jetzt durch eine Gerichtsentscheidung einen Rückschlag erlitten, deshalb muss das Land in die Berufung gehen.

Schaut auf den Bereich Pflege. Schon längst haben finanzkräftige Konzerne den Pflegesektor als hoch profitträchtig entdeckt und verdienen da richtig Geld. Im Krankenhausbereich sind wir mit den großen Krankenhausgesellschaften Charite und vivantes zwar ganz gut aufgestellt, doch auch hier müssen wir an ihrer Stärkung arbeiten, um für gute Bedingungen für Beschäftigte und Patientinnen zu sorgen. Deshalb müssen wir das Anliegen des Volksbegehrens gute Krankenhäuser umsetzen.

Wenn wir auf den Bereich ambulante und häusliche Pflege schauen, sieht es noch viel schwieriger aus. Hier dominieren private Träger den gesamten Markt, und wer nicht bezahlen kann, hat das Nachsehen und die Beschäftigten müssen unter schwierigen Bedingung zu oftmals schlechter Bezahlung schuften. Den Pflege- und Gesundheitsssektor müssen wir uns für den Wahlprogrammprozess und mögliche neue Koalitionsverhandlungen besonders auf den Zettel nehmen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen, gute Arbeit ist für uns genauso wichtig wie die Stärkung des öffentlichen. Grade verhandelt der Senat das Vergabegesetz neu. Politisch geeint in der Koalition und unser Kernanliegen ist die Bindung öffentliche Aufträge und Vergaben an die Tariftreue der Unternehmen. Warum ist uns das so wichtig? Weniger als die Hälfte aller Berliner Beschäftigten fallen noch unter Tarifverträge. Damit fehlt den Beschäftigten eine wichtige Schutzfunktion nicht nur in Sachen Entlohnung, sondern auch was Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen, Freizeitausgleich und vieles mehr anbetrifft. Und wir werden den Vergabemindestlohn und damit auch den Landesmindestlohn auf etwa 12.50 Euro erhöhen. Damit steigen wir in den Bereich ein, der anfängt vor Altersarmut zu schützen.

Wir wollen die Gewerkschaften stärken, damit sie die Unternehmen zu Tarifverhandlungen bewegen können. Das ist für die Gewerkschaften wichtig, das ist für die Beschäftigten wichtig, das ist für den Zusammenhalt in der Stadt wichtig. Deshalb: wer noch nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist… es wäre schön, wenn ihr euch zum Eintritt entschließen könntet.

 

Genossinnen und Genossen, Solidarität das ist auch das Gebot der Stunde für die Beschäftigten, die derzeit von Stellenstreichungen bedroht sind wie bei Osram oder Bosch. Deshalb stehen wir an ihrer Seite in ihrem Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze. Berlin ist Dienstleistungsmetropole, aber die Industrie ist und bleibt ihr Rückgrat und deshalb ist es so wichtig, dass wir weiter umweltfreundliche nachhaltige industrielle Produktion in der Stadt haben.

Liebe Genossinnen und Genossen, so wie die Mietenpolitik der Schlüssel zum sozialen Zusammenhalt ist, ist die Bodenpolitik Schlüssel zur Verteilung des öffentlichen Raums. Deshalb brauchen wir ein Bodensicherungsgesetz, das jede Privatisierung von öffentlichen Grundstücken untersagt, das Grundstücke nur noch in Erbpacht vergibt. Deshalb brauchen wir auch weitere Debatten und Verständigungen, wie wir den öffentlichen Raum verteilen: zum Wohnen, für Gewerbe, für den Erhalt und Neubau von Freiräumen und Grünflächen.

Berlin braucht seine Kleingärten, Parks und Naturräume, damit alle hier gesund und fröhlich leben können.

Berlin braucht die Verkehrswende, damit alle unabhängig vom Geldbeutel sicher von A nach B kommen. Deshalb ist es gut, dass das Schülerticket umsonst ist, das Azubi-Ticket deutlich billiger geworden ist und das Jobticket jetzt viel mehr Menschen zugänglich ist. Trotzdem ist es ärgerlich, dass die Einzelfahrpreise teurer werden. Denn wir möchten die Berlinerinnen und Berliner ermutigen, ihre Autos stehen zu lassen und auf die öffentlichen, das Fahrrad und die eigenen Füße umzusteigen. Und dazu gehört, dass man die Wahl hat. Dazu gehört auch, dass die massiv steigende sharing-Ökonomie im Verkehrssektor neu sortiert wird. Viele regen sich über die Roller auf. Oft ja auch zu recht. Viel entscheidender ist aber, dass es auch außerhalb des S-Bahn-Rings endlich vernünftige sharing-Angebote gibt. Unsere Fraktion schlägt Konzessionierungsverfahren vor, die die Unternehmen verpflichten, ihre Fahrzeuge auch in den Außenbezirken anzubieten. Das ist ein wichtiger Schlüssel, um mehr Menschen vom Verzicht aufs eigene Auto zu überzeugen.

Und am besten wäre es, wenn die BVG mit einsteigen würde, wir ein vernetztes Angebot von verschiedenen klimafreundlichen Verkehrsträgern in öffentlicher Hand bekommen. Auch das ist ein Punkt, den wir für die nächste Wahlperiode entwickeln müssen.

 

Die Vorbereitung des Wahlprogramms und unsere Ideen und Visionen für die Stadt über 2021 und 2026 hinaus werden die Arbeit der Partei im nächsten Jahr prägen. Dabei werden wir auch viele strittige Themen diskutieren. Dazu gehört zum Beispiel das Neutralitätsgesetz. Der Landesvorstand hat auf Bitten vieler Genossinnen und Genossen darauf verzichtet, jetzt einen Antrag vorzulegen, um der Partei und den Gliederungen mehr Zeit für die Debatte zu geben. Denn wir haben es hier mit widerstreitenden Positionen und Anforderungen zu tun, die wir irgendwie übereinander bekommen müssen. Auf der einen Seite steht die staatliche Neutralität und das Recht von Kindern und Eltern auf negative Religionsfreiheit. Auf der anderen Seite stehen die Religionsfreiheit und die Persönlichkeitsrechte von Lehrerinnen und Lehrern und ihr Recht, nicht aufgrund von äußerlicher Erscheinung und religiöser Überzeugung diskriminiert zu werden. Und tatsächlich sind es vor allem muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, die durch das Neutralitätsgesetz ihren Beruf nicht ausüben können.

Wir leben heute in einer anderen Zeit als vor 15 Jahren, als das Neutralitätsgesetz verabschiedet wurde. Heute ist der antimuslimische Diskurs tief in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. Frauen und Mädchen mit Kopftuch werden auf offener Straße angegriffen, abgewertet, verächtlich gemacht. Das alles müssen wir in der weiteren Debatte bedenken. Ich habe aus meiner persönlichen Position, dass ich die Diskriminierungswirkung des Neutralitätsgesetzes im Abwägungsprozess für gewichtiger halte als das Ziel staatlicher Neutralität nie einen Hehl gemacht, aber ich stelle mich der Debatte und möchte, dass wir gemeinsam die Argumente der jeweiligen Seite ernsthaft diskutieren, abwägen und versuchen zu Kompromissen zu kommen. Deshalb auch die Bitte an die Bezirksverbände, weitere Diskussionsrunden und Veranstaltungen zu organisieren. Wir brauchen diese Debatte auch deswegen, weil sei Teil des stadtpolitischen Diskurses ist, wie wir unsere vielfältige und bunte Stadtgesellschaft organisieren, wie wir Beteiligung aller ermöglichen, wie wir Offenheit, Transparenz schaffen.

 

Und dabei müssen wir uns ständig dem Rechtsruck in der Gesellschaft entgegenstellen, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus als Daueraufgabe bekämpfen und weitere Räume der Solidarität öffnen.

Der Anschlag auf die Synagoge von Halle, die ständigen Angriffe auf Menschen, von denen die Angreifer glauben, sie könnten jüdisch sein, führt zu einer unerträglichen Situation: dass Jüdinnen und Juden in Deutschland fürchten, dass sie nicht mehr sicher hier leben können, im Land der Shoa. Das ist entsetzlich und darf nicht sein. Und deshalb ist es richtig und notwendig, dass alles unternommen wird, um jüdische Einrichtungen zu schützen und dass immer wieder deutlich wird: wir unterscheiden Menschen nicht nach Weltanschauung, Religion, Alter, Hautfarbe oder sonstwas. Alle Menschen sind gleich und müssen hier die gleichen Rechte, die gleiche Wertschätzung haben. Unteilbar ist unsere Solidarität.

Es ist für uns unerträglich, dass die rechtsextremen Anschläge von Neukölln immer noch nicht aufgeklärt sind. Deshalb drängen wir so auf einen Untersuchungsaussschuss, auch wenn wir wissen, dass da auch die AfD drinsitzen wird. Aber die Erkenntnisse aus den NSU-Untersuchungsausschüssen, die jüngsten Recherchen zu den rechtsextremen Netzwerken innerhalb der Polizeien und der Bundeswehr müssen uns in höchstem Maße alarmieren. Hier geht die Bedrohung nicht nur von Mitte der Gesellschaft, sondern von der Mitte der Sicherheitsbehörden aus.

Dass ausgerechnet jetzt der VVN-BdA der Gemeinnützigkeitsstatus entzogen werden soll, wirkt da völlig wahnsinnig. Das Gegenteil ist nötig. Alle Teile der Zivilgesellschaft, die sich dem Neofaschismus entgegenstellen, müssen gestärkt und ermutigt werden. Und eine Vereinigung, die Opfer des Faschismus zusammenschließt, sowieso.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

penetranter Antikommunismus ist auch ein wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung. Ob Mietendeckel, Kultur, eigentlich egal welches Thema, die rechte Opposition von CDU bis AfD versucht es vor der Folie von DDR und Antikommunismus zu behandeln und das gesellschaftliche Klima zu verhetzen. Jetzt hat die Opposition einen Untersuchungsausschuss zur Stiftung Hohenschönhausen beantragt und entblödet sich nicht mitzuteilen, dass es eigentlich um unseren Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer geht und nicht um die Sache. Genossinnen und Genossen, das ist erbärmlich. Umso wichtiger ist es, dass wir hinter Klaus stehen und nicht zulassen, dass parlamentarische Gremien so instrumentalisiert werden.

Unsere Senatorinnen und unser Senator tragen mit ihren Teams so wie unsere Abgeordneten, Bürgermeisterinnen und Stadträte, Verordneten und Vorstandsmitglieder in Land und Bezirken einen Haufen Arbeit weg, wir verändern gemeinsam die Stadt bei allen Widersprüchen, die tagtäglich aufzulösen sind und dafür vielen Dank. Und danke auch unseren vielen Genossinnen und Genossen, die tagtäglich in den Geschäftsstellen, in Vereinen, Wohngebieten, Mieterräten und wo auch immer unsere Botschaften weitertragen, die zu den Demos kommen und Flagge zeigen.

 

Am kommenden Freitag ist wieder Zeit, für ein gesundes Klima auf die Straße zu gehen und sich am Klimastreik zu beteiligen. Wer irgendwie Zeit hat, kommt bitte um 12 Uhr zum Brandenburger Tor. Unsere Beschäftigten werden wir natürlich dafür freistellen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir haben dieses Mal auch eine Reihe internationaler Gäste auf dem Parteitag. Ich grüße die Genossinnen und Genossen von Podemos und Izquierda Unida, die hier mal gucken wollen. Ich grüße Leyla Imret, die Sprecherin der HDP hier in Deutschland, ehemals Bürgermeister von Cisre, von Erdogan des Amtes enthoben und inhaftiert. Sie konnte zum Glück hierher fliehen und sie wird nachher über den völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien sprechen. Leyla, danke dass du da bist. Die Selbstverwaltung der Kurdinnen und Kurden in Rojava war für viele nicht nur ein großer Hoffnungsträger, es waren die Kurdinnen und Kurden, die den IS geschlagen haben.

Und ich grüße Domenico Lucano, den ehemaligen Bürgermeister von Riace, einer kleinen Stadt in Kalabrien, die große Geschichte geschrieben hat. Denn es waren Riace und Domenico Lucano, die beispielhaft Geflüchtete aufgenommen haben, ihnen Arbeit und Wohnung gegeben haben, das Dorf zu neuer Blüte gebracht haben bis der Rechtspopulist und ehemalige Innenminister Salvini auf den Plan trat und Domenico Lucano verhaften, unter Hausarrest stellen und amtsentheben ließ. Genossinnen und Genossen, die Solidarität der Städte, der sicheren Häfen ist entscheidend dafür, dass es gelingt, der Abschottungspolitik der EU und der nationalen Regierungen beizukommen. Herzlich willkommen Domenico Lucano. Ich freue mich auf dein Grußwort.