Leitbild Mobilität und Verkehr in Berlin

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Gliederung                                                  

1. Wo wir stehen

2. Was wir wollen

3. Verkehrsvermindernde Stadtplanung

3.1. Inhalt der Planwerke

3.2. Parkraummanagement

3.3. Verkehrsberuhigung / Kiezblocks

3.4. Straßenumwidmung

4. Umweltschonender Personenverkehr

4.1 Umweltverbund und Elektromobilität

4.2. Fußverkehr

4.3. Radverkehr

4.4. Bahnen

4.4.1    Verkehrsangebot

4.4.2     Infrastruktur

4.4.3    Schienenfahrzeuge

4.5. Obus / E-Bus

4.6. Verknüpfung der Verkehrsmittel

4.7. Barrierefreiheit

5. Güterverkehr

6. Umweltschädlicher Personenverkehr

6.1. Nichtelektrischer Busverkehr

6.2. Fahrt auf Verlangen

6.3. Taxi und taxiähnlicher Verkehr

6.4. Gemeinschaftliche Autonutzung

6.5. Langsamverkehr mit Kleinfahrzeugen

6.6. Straßen und Autoabstellplätze

6.7. Individueller Autoverkehr, Autoantrieb

6.8. Flugverkehr

7. Rahmenbedingungen und Technologie

7.1. Verkehrspolitische Rahmenbedingungen

7.2. Organisation

7.2.1     Landeseinfluss auf Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbund

7.2.2     S-Bahn

7.2.3     BVG und andere Verkehrsunternehmen

7.2.4     Straßenverkehr

7.2.5     Mobilitätsmanagement

7.3. Sicherheit

7.4. Technologieentwicklung

8. Finanzierung

8.1       Infrastruktur

8.2       Verkehrsleistungen

8.3       Fahrgeld

 

1. Wo wir stehen

Die weltweiten Entwicklungstendenzen der letzten Jahrzehnte, die auch in Berlin wirken, sind:

  • Straßen, Autobahnen und Flughäfen werden großzügig ausgebaut. Die Finanzen fließen überwiegend in diese umweltzerstörenden Verkehrsarten und Industrien und nur spärlich in die Sicherung umweltschonender Mobilität.
  • Die Verkehrsmittel werden tendenziell schneller. In der Summe wenden die Menschen zwar – wie früher – die gleiche Zeit für Ortsveränderungen auf, aber die zurückgelegten Entfernungen werden weiter. 
  • Der Personen- und Güterverkehr nimmt zu, besonders auf der Straße und in der Luft.
  • Aus dem neokolonialen globalen Süden werden Rohstoffe und billig produzierte Fertigprodukte und Nahrungsmittel in den hochindustrialisierten globalen Norden transportiert. Der Norden transportiert die „veredelten“ Rohstoffe als Maschinen, Anlagen und Waffen in den Süden zurück.
  • Auch im reichen globalen Norden können sich immer mehr Menschen ihre zur Teilhabe notwendige und mögliche Mobilität nicht mehr leisten.
  • Die Umwelt- und Klimakatastrophe schreitet fort. Zeichen sind rasant zunehmende Wasserknappheit, Überschwemmungen, Stürme, Hitze, Dürren, Flächenbrände, Versteppung, Artensterben, Mangel an Nahrungsmitteln, Flächen, Rohstoffen und Energie, Schadstoffzunahme, Müll und Gift. Die zukünftige Bewohnbarkeit der Erde ist ernsthaft gefährdet. Die massenhafte Herstellung von Personen- und Lastkraftwagen, Waffen und Flugzeugen, ihr massenhafter Einsatz mit hoher Luftverschmutzung durch Abgase und Feinstaub sowie ihre notwendige Entsorgung haben daran einen erheblichen Anteil, der entgegen den Klimazielen nicht gesunken ist.
  • Die Kosten der Umweltbelastung und -zerstörung werden von den Verursachern auf die Allgemeinheit und auf spätere Generationen abgewälzt.
  • Die Bedürfnisse der Menschen wurden von den natürlichen und gemeinschaftlichen Fortbewegungsarten auf das Auto umgelenkt, so dass sehr viele Menschen ihren Lebensstil auf das private Auto ausgerichtet haben und Mobilität aus der eingeengten Sicht des Autofahrers beurteilen. Bei der Wohnort- und Arbeitsplatzwahl, beim Ort der Bildung für sich und ihre Kinder, der Pflegeeinrichtung für ihre Eltern, der eigenen Freizeitgestaltung und bei der Verkehrsmittelwahl orientieren sie sich noch immer vorrangig an der „autogerechten Stadt“. Aus dem gleichen Grund weichen Unternehmen und Handelsketten auf die „grüne Wiese“ in Autobahnnähe aus.

Nach den Vorgaben des Bundestags und der Bundesregierung hat sich das auf den Verkehr in Berlin und Umland so ausgewirkt:

  • Die Politik behandelt das Thema Mobilität nicht als Daseinsvorsorge.
  • In die Infrastruktur, das Personal und das Verkehrsangebot im „Umweltverbund“ aus Fußverkehr, Radverkehr und öffentlichem Nahverkehr wird zu wenig investiert.
  • Anstatt die Schienenwege zu erweitern und leistungsfähiger zu gestalten, wurden sie reduziert. Ein großer Teil der Infrastruktur und der Fahrzeuge ist veraltet und enthält keine Reserven. Zahlreiche Gleise und Weichen wurden beseitigt, das Straßenbahnnetz in Westberlin stillgelegt. Das S-Bahn-Netz hat noch nicht wieder den Vorkriegszustand erreicht. Die Instandhaltung von Strecken, Brücken und Stationsgebäuden wurde vernachlässigt.
  • Anstatt das Personal entsprechend dem steigenden Verkehrsbedarf aufzustocken, wurde es abgebaut. Die Ausbildung neuer Facharbeiter und Ingenieure in ausreichender Anzahl wurde vernachlässigt, sowohl bei den Verkehrsunternehmen als auch an den Bildungseinrichtungen.
  • Nachdem einige der kriegs- und teilungsbedingt unterbrochenen Schienenwege wiederhergestellt und eine neue Nord-Süd-Achse errichtet wurden, gab es lange Zeit Stillstand. Erst vor wenigen Jahren begannen Planungen für den Netzausbau der Eisenbahn und der Straßenbahn in Berlin und seinem Umland, die bis jetzt nur minimal wirksam geworden sind.
  • Das Angebot an öffentlichem Verkehr und die Möglichkeiten umweltschonender Mobilität halten nicht Schritt mit der steigenden Anzahl Einwohner, Pendler und Besucher und mit den unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen, je nach Alter, Gesundheitszustand und Wegezweck.
  • Der öffentliche Verkehr ist zu oft unpünktlich und unzuverlässig. Die Fahrpreise sind schon zu hoch und wurden dennoch ständig weiter erhöht. Erste zeitweilige Preissenkungen im Nahverkehr und deren positiven Ergebnisse können als Anzeichen für den Beginn des Umdenkens gewertet werden.
  • Sehr viele Straßen wurden neu gebaut und ausgebaut. Der Ausbau der Rad- und Fußwege begann verzögert, verläuft zu langsam und wird von Teilen der Verwaltung behindert.
  • Der öffentliche Straßenraum wird von umweltschädigenden Autos beherrscht, deren Bestand weiter gestiegen ist. Die Fließgeschwindigkeit des Autoverkehrs hat noch immer Vorrang vor allen anderen Verkehrsarten.
  • Die verschiedenen zaghaften Ansätze zu einer gerechteren und umweltschonenderen Raumaufteilung sind unübersichtlich:
    • „Tempo-30-Zonen“ mit ungeschriebenem, aber faktischem Vorrang für Autos
    • „Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“ mit Tempo 20 oder 10 und Autovorrang
    • „Verkehrsberuhigter Bereich (Spielstraße)“ mit Schrittgeschwindigkeit und Gleichberechtigung
    • „Begegnungszone“ mit Tempo 20, gemeinsam genutzter Verkehrsfläche und Fußgängervorrang
    • „Fußgängerzone“ mit Fußgängervorrang und Autoverkehr nur als Ausnahme.
  • Die Benutzungsgebühren für Parkplätze und die Verwaltungsgebühren für Bewohnerparkberechtigungen sind erheblich zu niedrig. An vielen Stellen dürfen Kraftfahrzeuge unentgeltlich abgestellt werden. Damit wird ein möglicher Anreiz, den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu reduzieren, verschenkt.
  • Die Einkommen der angestellten Taxifahrer und der selbstständigen Taxiunternehmer sind vor allem vom Umsatz abhängig. Das führt zu dem widersinnigen Zustand, dass die Taxis an Orten und zu Zeiten konzentriert sind, wo viele Menschen unterwegs sind und das ÖPNV-Angebot gut ist, während sie dort fehlen, wo sie gebraucht werden: in dünner besiedelten Gebieten und zu Zeiten mit geringem oder keinem ÖPNV-Angebot.
  • Die neue Mobilitätsform der Elektrokleinstfahrzeuge (vor allem E-Tretroller, aber auch Segways, E-Mopeds, E-Motorroller und ähnliche Fortbewegungsmittel) leistet keinen Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme, sondern schafft neue. Sie ersetzt vor allem das Zufußgehen, aber auch Radfahrten und ÖPNV-Fahrten, jedoch kaum Autofahrten.
  • Der Schienengüterverkehr wurde extrem reduziert. Die Güterverkehrsanlagen wurden zum großen Teil entwidmet und für bahnfremde Nutzungszwecke umgebaut oder verplant.
  • Der stark steigende Straßengüterverkehr mit immer schnelleren und schwereren Lastkraftwagen belastet trotz Umweltzone die Einwohner und ihre Stadt mit Kohlendioxid, Feinstaub, anderen Schadstoffen und Lärm und zerstört Straßen und Brücken.

Das Berliner Mobilitätsgesetz vom Juli 2018 mit den bisher beschlossenen Teilen (Grund-sätze, Radverkehr, Öffentlicher Nahverkehr und seit Februar 2021 auch Fußverkehr) bildet eine gute Grundlage für Planung und Entwicklung dieser Verkehrszweige. Auch der Nahverkehrsplan 2019 bis 2023, der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr vom März 2021 und der Radverkehrsplan vom September 2021 enthalten viele gute Ansätze zur Lösung der Mobilitätsprobleme. Über die Teile „Wirtschaftsverkehr“ und die sogenannte „Neue Mobilität“ im Mobilitätsgesetz wird schon seit längerer Zeit kontrovers diskutiert.

Der Flächennutzungsplan (aktuell fortgeschriebener Stand Juni 2022) beruht auf den Vorstellungen der 1950er Jahre von einer autogerechten Stadt und Prognosen, die nicht auf der notwendigen Verkehrswende beruhen, und enthält keine Flächen, die für künftige Straßenbahnstrecken freizuhalten sind. Es gibt keine aktuelle Gesamtverkehrsprognose für Berlin-Brandenburg, nur punktuell fortgeschriebenes Stückwerk.

In zahlreichen neueren Einzelplanungen der Senatsverwaltung zeigt sich, dass das Denken und Handeln für eine autogerechte Stadt noch nicht überwunden ist und die auf Stärkung des Umweltverbunds gerichteten Grundsätze des Mobilitätsgesetzes unzureichend verwirklicht oder ganz ignoriert werden.

Die Anzahl der Berufspendler ist hoch und nimmt weiter zu.

Trotz der ungünstigen politischen Rahmenbedingungen sind in den letzten Jahren Ansätze eines veränderten Mobilitätsverhaltens erkennbar: zunehmender Fahrradverkehr, zunehmende gemeinschaftliche Nutzung von Fahrrädern und Autos, 45 % der Berliner Haushalte ohne eigenes Auto, zunehmende kombinierte Nutzung verschiedener Verkehrsmittel, steigende Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr, höhere Ansprüche an Echtzeitinformationen über Verkehrsmöglichkeiten und den Verkehrsablauf.

Die verbreitete Unzufriedenheit fortschrittlicher Teile der Zivilgesellschaft mit dem geringen Engagement der Entscheidungsträger hat zur Bildung des „Bündnisses Pro Straßenbahn“ und des “Bündnisses Schiene Berlin-Brandenburg“ geführt. Die in den Bündnissen vereinten Organisationen, Institutionen und Initiativen setzen sich für schnelle und gründliche Verbesserungen der umweltschonenden Bahnsysteme ein.

2. Was wir wollen

Wir wollen, dass jeder mobil sein kann, das heißt beweglich, weil Mobilität ein Menschenrecht ist. Mobilität bedeutet, zum Arbeitsplatz, zur Schule, zum Einkaufen, zum Freizeit- und Erholungsort zu kommen, jederzeit und möglichst flexibel, also auf verschiedene Weise, aber weitgehend ohne Auto. Wir wollen eine Stadt der kurzen Wege, beim sich ändernden Mobilitätsverhalten ansetzen, die Verkehrsangebote und die Infrastruktur der umweltschonenden Verkehrsarten ausbauen. Hierbei wollen wir besonders die Bedürfnisse von Frauen berücksichtigen, die sich in vielen Bereichen von denen der Männer unterscheiden, aber von der aktuellen Politik so gut wie nicht beachtet werden.

Wir können die globale Umweltzerstörung der letzten Jahrzehnte und ihre bedrohlichen Folgen nicht mehr umkehren, aber wir wollen sie verlangsamen und abmildern.

Dazu müssen die staatlichen Rahmenbedingungen völlig geändert werden, muss jedes Bundesland und jede Kommune in allen Einflussfeldern den größtmöglichen Beitrag leisten. Die mobilitätspolitischen Aktivitäten müssen eng verzahnt werden mit der Stadt- und Siedlungsentwicklung und der Standortsteuerung der Industrie-, Konsumgüter- und Nahrungsmittelproduktion sowie der Verteilungs- und Handelsbeziehungen.

Ein gutes Leben ist möglich ohne Verschwendung, mit weniger Technik, mit weniger Energie- und Materialeinsatz: entschleunigt, bescheidener, gesünder und naturnaher.

Unser Ziel ist, eine gesellschaftliche Mehrheit für ernsthafte Taten zum Erhalt der Bewohnbarkeit der Erde zu erreichen und zu verhindern, dass die Lebensgrundlagen unvermindert weiter zerstört werden. Deshalb listen wir nachstehend auf, welchen mobilitätspolitischen Beitrag Berlin und seine Umgebung erbringen müssen, um das Tempo der Zerstörung abzubremsen und die Auswirkungen einzugrenzen.

Was uns jetzt, wo wir noch „reich“ sind, nicht gelingt, wird nach fortschreitender Klimakatastrophe nicht mehr möglich sein. Angebotsausweitungen benötigen eine Planungszeit, Investitionen erfordern eine noch längere Vorlaufzeit und ein Vorausdenken für die nächsten Generationen, mindestens 50 bis 100 Jahre.

Beim Planen und Verwirklichen von Mobilität und beim Gestalten und Nutzen des öffentlichen Raums soll Vorrang haben:

  • Langsam vor schnell
  • Motorfrei vor motorisiert
  • Elektrischer Antrieb vor Verbrennungsmotoren
  • Öffentlich vor gemeinschaftlich, gemeinschaftlich vor individuell
  • Leise vor laut
  • Schwächere vor stärkeren Verkehrsteilnehmern
  • Mobilitätseingeschränkt vor sportlich
  • Schiene vor Wasser, Wasser vor Straße, Straße vor Luft
  • Oberirdisch vor Tunnel
  • regionaler Gütertransport vor überregionalem
  • Schadstofffrei vor umweltschädlich
  • Grün vor Beton und Asphalt
  • Anpassen der Fahrzeuge an die vorhandenen Wege vor Wegeausbau
  • Sanieren und Rekonstruieren vor Abriss und Neubau
  • Interessen der Fahrgäste, Anwohner und Verkehrsarbeiter vor Profitinteressen.

Die Mobilität muss solidarisch und barrierefrei möglich sein: auch für Arme, für alle vom Kleinkind bis zur Seniorin, für gesundheitlich Eingeschränkte, überall und für kommende Generationen.

Das Vermeiden von Verkehrsunfällen sowie das Bekämpfen von Lärm- und Erschütterungsschäden muss beim Absenken der Geschwindigkeiten ansetzen.

Der Personalbedarf für einen ausgeweiteten und gut funktionierenden öffentlichen Verkehr muss vorausschauend geplant und sichergestellt werden.

Weitere Grundsätze für eine solidarische, sozial gerechte Mobilität sind:

  • Die Fahrpreise der öffentlichen Verkehrsmittel müssen niedriger sein als die Kraftstoff- und Flächennutzungspreise im Individualverkehr.
  • Kein Kostenabwälzen mehr! Der Kaufpreis für Pkw und Lkw muss die Kosten für das Abwracken und umweltgerechte Entsorgen beinhalten. Die Kosten für Flächenverbrauch, Straßenbau und -unterhaltung, Luftverunreinigung, Unfälle, Lärm- und Erschütterungsschäden müssen in voller Höhe von den heutigen Verursachern getragen werden und nicht – wie bisher – von der Allgemeinheit aus Steuermitteln und von kommen-den Generationen. Dann würden zum Beispiel viele Gütertransporte für die Verursacher unwirtschaftlich werden und nicht mehr stattfinden.
  • Fahrzeit ist Erlebniszeit! Die öffentlichen Verkehrsmittel müssen beim Planen der Fahrt und beim Benutzen so bequem und angenehm sein, dass jeder gerne öffentlich fährt, die Fahrt genießen kann und dabei geeigneten Beschäftigungen nachgehen kann.
  • Die Verkehrsbetriebe messen wir daran, mit welcher Qualität und Quantität sie die Mobilitätsbedürfnisse erfüllen. Für diese Daseinsvorsorge muss ihnen das Land anspruchsvolle und klare Aufgaben stellen und die Finanzierung sichern.
  • Im öffentlichen Bewusstsein und im Handeln der Verwaltung, der Grundstücksbesitzer, Firmen und Bürger muss verinnerlicht werden, dass es angesichts des knappen öffentlichen Raumes kein Recht darauf gibt, den privat genutzten Pkw unentgeltlich im öffentlichen Raum abzustellen.
  • Der spezialisierte Fachverstand der Verwaltung zu Stadtentwicklungs- und Verkehrs-themen muss bereichert werden um die Orts- und Sachkenntnis der Bürger und ihrer organisierten Vertretungen und Initiativen. Die Verwaltung muss die Bürger nicht nur deutlich besser und rechtzeitig informieren, sondern auch ihre Anregungen und Vorschläge aufnehmen und bei Konflikten ausdiskutieren. Dies gilt sowohl für Planfeststellungs- und Bebauungsplanverfahren für Verkehrsbauten als auch für Sanierungen und Modernisierungen von Schienenwegen, Straßen, Rad- und Gehwegen und vor Änderungen des Verkehrsangebots.

3. Verkehrsvermindernde Stadtplanung

3.1 Inhalt der Planwerke

Die Stadtplanung muss auf eine Stadt der kurzen Wege mit weniger Verkehr gerichtet sein und die umweltschonende, sozial gerechte Mobilität sichern.

Die Landes- und Bezirksparlamente müssen ihre Mitwirkungsmöglichkeiten beim Fortschreiben des Flächennutzungsplans und sowie beim Erarbeiten und Beschließen der Bebauungspläne wahrnehmen und die Zivilgesellschaft ausreichend beteiligen. Das gilt ebenso für die vom Senat zu beschließenden Stadtentwicklungspläne, besonders für Mobilität und Verkehr, und die nachgeordneten Planwerke, insbesondere Nahverkehrsplan, Radverkehrsplan und Fußverkehrsplan.

Sämtliche Planwerke müssen das Handeln der Verwaltung bestimmen. Die demokratische Kontrolle beim Umsetzen der Planwerke durch die Parlamente und die Zivilgesellschaft ist zu gewährleisten.    

Die Planwerke sind auf folgende Inhalte auszurichten:

  • Wohnungsbau vorrangig auf Brachflächen (nicht auf begrünten Innenhöfen), die bereits mit öffentlichem Verkehr erschlossen sind, und mit mehreren Stockwerken. Neue Wohngebiete in Außenbezirken parallel zu ihrem Entstehen mit der Straßenbahn erschließen.
  • Den öffentlichen Raum umverteilen. Weniger Flächen zum Fahren und Abstellen von Kraftfahrzeugen, mehr Flächen zum Zufußgehen, Verweilen, für Begegnung, Naherholung und Spiel.
  • Wohnen, Gewerbe, Einkaufs- und Dienstleistungseinrichtungen, Schulen, Kindergärten und Behörden nah beieinander und mit kurzen guten Fußwegen untereinander verbunden. Diese Mischstruktur erhalten und fördern. Gewerbe und Handel nicht weiter aus Wohngebieten verdrängen.
  • Die stadtzerschneidende Wirkung von Hauptverkehrsstraßen und den Durchgangsverkehr durch Wohngebiete mit baulichen und organisatorischen Maßnahmen einschränken.
  • Auf das Anlegen neuer Straßen und anderer Verkehrsflächen für Kraftfahrzeuge weitgehend verzichten. Umzubauende oder ausnahmsweise neue Straßen entsprechend dem angestrebten Modal-Split-Anteil dimensionieren, nicht die bisherigen Steigerungen einfach so fortschreiben. Nicht vermeidbare neue Flächenversiegelungen an anderer Stelle durch Rückbau ausgleichen.
  • Neue Wohngebiete verkehrsberuhigt anlegen. Bestehende Wohngebiete nach und nach flächendeckend zum verkehrsberuhigten Wohnen und Leben umgestalten.
  • Das bestehende Straßenbahnnetz und das Zielnetz 2050 in den Planwerken verbindlich verankern, die Trassen freihalten und die Anforderungen des späteren Straßenbahnbetriebs berücksichtigen.
  • Haltestellengerechtigkeit herstellen: Haltemöglichkeiten und Abstellplätze für Pkw in gleicher Entfernung zu Wohnungen, Arbeitsstellen, Freizeiteinrichtungen usw. wie die Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel.
  • Produktion und Handel von Konsumgütern und Nahrungsmitteln gemeinsam mit dem Land Brandenburg so organisieren, dass ein hoher Anteil Selbstversorgung mit kurzen Transportwegen möglich wird.
  • Neue Gewerbestätten, Handels-, Kultur- und Bildungseinrichtungen vorrangig in der Nähe von Eisenbahn- oder Straßenbahninfrastruktur genehmigen.
  • Platz für dezentrale Güterverteilknoten (Mini-Depots) und fußläufig erreichbare Paketstationen vorsehen. Diese müssen öffentlich betrieben und öffentlich nutzbar sein.

Die Berliner Bauordnung ist dahin zu ändern, dass Handel und Gewerbe verpflichtet werden, das Be- und Entladen außerhalb des öffentlichen Straßenraums auf ihren Grundstücken oder in ihren Einrichtungen zu gewährleisten.

3.2 Parkraummanagement

Bisher hat der Senat nur verkehrsrechtliche Maßnahmen der Parkraumbewirtschaftung auf öffentlichen Flächen betrieben und als Ziele der Parkraumbewirtschaftung in Berlin definiert:

  • Effizientes Parken
  • Stadt- und Umweltverträglichkeit
  • zufriedene Bewohner und zufriedene Gewerbetreibende.

Angesichts der globalen Klimaprobleme und des Beitrags des MIV in Berlin müssen diese Ziele erweitert und deutlicher benannt werden:

  • Modal-Split in Richtung Umweltverbund verschieben
  • Aufenthalts- und Lebensqualität erhöhen
  • Gerechte Kostenbelastung
  • Verkehrssicherheit erhöhen.

Das Parkraummanagement umfasst außerdem bauliche, organisatorische und planerische Maßnahmen sowie Kontrolle und Ahndung von Verstößen. Damit soll der sogenannte „ruhende Verkehr“ auf Haupt- und Nebenstraßen reduziert und der Straßenraum menschengerecht gestaltet werden.

Arbeitsrichtungen des Parkraummanagements müssen sein:

  • Den Bestand an Parkplätzen durch Umnutzung verringern.
  • So wenig wie möglich neue Parkplätze einrichten.
  • Privatparkplätze der Handelseinrichtungen, Firmen usw. für die allgemeine Benutzung, auch außerhalb der Geschäftszeiten, offenhalten und freigeben, um sie besser auszulasten.
  • Wo neue Privatparkplätze unvermeidbar sind, diese nur auf Dächern oder unterirdisch anordnen.
  • Den Parkzweck oder die Parkdauer beschränken. Für bestimmte Nutzergruppen sind Sonderregelungen möglich.
  • Die bewirtschafteten Parkraumzonen schrittweise von der Innenstadt über die Ortsteile mit dem dringendsten Handlungsbedarf auf das gesamte Stadtgebiet ausdehnen.
  • Die Benutzungsgebühren für Parkplätze (Parkscheingebühren) gestaffelt und schrittweise deutlich erhöhen und zur Finanzierung des auszubauenden ÖPNV einsetzen.
  • Die Verwaltungsgebühren für das Ausstellen von Bewohnerparkberechtigungen deutlich erhöhen.
  • Das Einhalten der Parkregeln stärker kontrollieren und bei Verstößen Bußgeld konsequent erheben. Die dafür zuständigen Bezirke personell und finanziell entsprechend ausstatten und juristisch unterstützen.
  • Den auf Landesebene bestehenden Spielraum, den der Bußgeldkatalog bietet, voll ausnutzen, zum Beispiel beim illegalen Parken auf Grünflächen.

Um den Bezirksverwaltungen das örtliche Ausdehnen der Parkraumbewirtschaftung zu erleichtern, sind auf Bundesebene die nicht mehr zeitgemäßen Regelungen in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO und im Bußgeldkatalog zu ändern:

  • Modal-Split-Änderung als Maßstab bei Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung
  • Verzicht auf detaillierte Untersuchungen, keine Begründungen für jeden Einzelfall mehr
  • Verwarnungsgeld doppelt so hoch wie die jeweils fällige Parkgebühr, jedoch mindestens so hoch wie beim Schwarzfahren. Öffnungsklausel nach oben für die Kommunen.

3.3 Verkehrsberuhigung / Kiezblocks

Eine menschengerechte Stadt mit hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität erfordert Wohngebiete ohne motorisierten individuellen Durchfahrverkehr (als Kiezblocks bezeichnet), denn dieser schränkt die Bewegungsfreiheit der dort Wohnenden ein und setzt sie der Luftverschmutzung durch Abgase und Feinstaub, dem Lärm und erhöhter Unfallgefahr aus. Besonders stark negativ trifft er die armen, die alten und die jungen Menschen, Kinder auch auf dem Weg zur Schule oder Ausbildungsstätte. Im Kiezblock befinden sich Grünflächen, Freiflächen, Spielorte, Sitzgelegenheiten, Straßenmöbel, Wasser- und Schattenelemente. So wird der öffentliche Raum zurückgewonnen, das Zusammensein der Menschen erleichtert und zum Erreichen der Klimaziele, zur Anpassung der Stadt an die Folgen des Klimawandels und zur Umweltgerechtigkeit beigetragen.

Die Straßen und Wege in einem verkehrsberuhigten Wohngebiet oder Kiezblock sind für Zufußgehende, spielende Kinder und Radfahrende freigegeben. Sie stellen direkte hindernisfreie Verbindungen für den Rad- und Fußverkehr her, sind für Lastenräder und Fahrradanhänger sowie für Quell- und Zielverkehr von Kraftfahrzeugen mit niedriger Geschwindigkeit befahrbar, in besonderen Fällen auch für lokale Linienbusse oder Straßenbahnen.

Eine gute Voraussetzung zur Verkehrsberuhigung ist das Ausdehnen des Parkraummanagements unter Einbeziehung des Bewohnerparkens. Damit wird Platz geschaffen für das Umgestalten der Wohngebiete und der Anreiz zum MIV verringert.

Geeignete Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sind

  • das Umwandeln von durchgehenden Straßen in Stichstraßen (durch Unterbrechen), Einbahnstraßen oder Fahrradstraßen
  • das Umwandeln von Straßenabschnitten und Stadtplätzen in Bereiche ohne MIV, in Spielstraßen, Spielplätze oder Grünflächen; erforderlichenfalls mittels „Teileinziehung“
  • höher gepflasterte Straßenabschnitte („Kissen“) oder Abtrennungen durch Bordsteine, aber mit abgesenkten Stellen für Fahrräder, Rollatoren, Kinderwagen und dergleichen
  • Fahrbahneinengungen
  • an Kreuzungen Diagonalsperren durch „modale Filter“ wie Blumenkästen, Blumenhochbeete, Straßenbäume oder Poller (erforderlichenfalls für besondere Zwecke absenkbar).  

Beim Planen und Festlegen der örtlich am besten geeigneten Umgestaltungsmaßnahmen sind die Anwohnenden aktiv einzubeziehen.

3.4 Straßenumwidmung

Das Berliner Straßengesetz erlaubt die Umwidmung von Straßen, die dem unbeschränkten Kraftfahrzeugverkehr gewidmet sind, in Straßen mit beschränktem Gemeingebrauch (sogenannte „Teileinziehung“). Dort sind dann nur Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV, Taxi, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Post, kleine elektrische Fahrzeuge, diplomatische und konsularische Dienste zugelassen. Im autoreduzierten Gebiet können für begründete Zwecke auf Antrag zeitlich begrenzte Sondernutzungen erlaubt werden. Dafür kommen im wesentlichen Wirtschaftsverkehr, Beförderung mobilitätseingeschränkter Personen, Privatfahrten mit schweren oder sperrigen Gütern, Urlaubs- und Erholungsfahrten in Betracht.

Der beschränkte Gemeingebrauch gilt für das Fahren und das Parken. Damit wird die Erlaubnis zur Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs an den Wegezweck gekoppelt. Bundesfernstraßen und Privatstraßen können mit dem Berliner Straßengesetz nicht erfasst werden.

Wir unterstützen, auch diese ordnungsrechtliche Handlungsrichtung zur Verkehrsberuhigung im Straßengesetz zu verankern, zunächst in begrenzten Gebieten anzuwenden und schrittweise auszudehnen und damit zum Gemeinwohl, zum Klima- und Umweltschutz beizutragen.

Das Reduzieren der Autostellflächen und das Umgestalten der Wohngebiete zu Kiezblocks ohne Durchgangsverkehr sind auch nach der Umwidmung sinnvoll und leichter umsetzbar. Parkraumbewirtschaftung wird dann dort nur noch für die generell berechtigten oder besonders erlaubten Autoabstellungen notwendig sein.

4. Umweltschonender Personenverkehr

4.1 Umweltverbund und Elektromobilität

Dem „Umweltverbund“ aus Fußverkehr, Radverkehr und öffentlichem Personennahverkehr, im weiteren Sinne auch aus Taxis und gemeinschaftlicher Autonutzung, gehört der Vorrang, und zwar

  • Finanzierungsvorrang in den Haushaltsplänen und bei der Wirtschaftsförderung
  • Planerischer Vorrang im Flächennutzungsplan, den Bebauungsplänen, Stadtentwicklungsplänen und den ergänzenden Planwerken
  • Vorrang in Gesetzen und Verordnungen des Bundes und des Landes.

Besonderen Vorrang sollen der motorfreie Fuß- und Radverkehr sowie die schon lange bestehende und anzustrebende Elektromobilität, nämlich elektrisch angetriebene Fahrräder, Bahnen, Busse und Kleintransporter erhalten. Bahnen und Busse, der Fußverkehr und der Radverkehr benötigen eigene Wegenetze, die auch an Kreuzungen nicht unterbrochen sind.

4.2 Fußverkehr

Wir fordern, dass der Senat den im Mobilitätsgesetz verankerte Fußverkehrsplan erstellt, umsetzt und weiterentwickelt. Ziel ist, dass weniger Wege mit dem Auto und mehr zu Fuß erledigt werden und dass die Fußgänger vor dem Auto- und Radverkehr geschützt werden. Wesentliche Bestandteile sollen sein:

  • Mehr Platz und mehr Aufenthaltsqualität für Fußgänger durch Reduzierung der Fahr- und Abstellfächen des Autoverkehrs. Das gilt besonders für große lebendige Einkaufsstraßen, Flaniermeilen und Kiezblocks.
  • Zusammenhängendes, engmaschiges, umwegfreies, auf Zuwachs bemessenes, baulich und gestalterisch einladendes Netz aus Gehwegen und -flächen zwischen Wohngebieten, Haltestellen, Einkaufs-, Kultur-, Spiel- und Freizeiteinrichtungen und Behörden.
  • Das bebaute Stadtgebiet soll in der Regel Tempo-30-Zone werden.
  • Auf Hauptverkehrsstraßen in kurzen Abständen Fußgängerüberwege (Zebrastreifen) und Querungshilfen (Mittelinseln, Gehwegvorstreckungen, durch Poller abgesicherte Flächen). Diese für Spitzenzeiten ausreichend groß bemessen. An Lichtsignalanlagen das Queren der gesamten Straße in einem Zug ermöglichen.
  • In der Innenstadt und in den Ortsteilzentren große zusammenhängende Fußgängerzonen und -bereiche, in denen der Gemeingebrauch noch weiter eingeschränkt ist als in umgewidmeten („teileingezogenen“) Straßen. Hier haben die Fußgänger Vorrang, sind aber auch Straßenbahnen, Busse, Fahrräder und kleine elektrische Lastenfahrzeuge zugelassen.
  • An Kreuzungen, Einmündungen und Fußgängerüberwegen wellenförmige Fahrbahnerhöhungen oder abgesenkte Bordsteine.
  • Höhere Aufenthaltsqualität durch Sitzgelegenheiten, verschieden nutzbare Wegelemente („besitzbare und bespielbare Stadt“), öffentliche Toiletten und Abfallbehälter im gesamten Stadtgebiet, vor allem an Verkehrsknotenpunkten.

4.3 Radverkehr

Mit dem Fahrrad lassen sich typische städtische Entfernungen in angemessener Zeit zurücklegen. Auf kürzeren Strecken kann der Radverkehr den motorisierten Individualverkehr reduzieren und den öffentlichen Personennahverkehr entlasten, damit dessen Kapazität für mittlere und weitere Strecken genutzt werden kann.

Ziel der Weiterentwicklung des Radverkehrs ist, dass weniger Wege mit dem Auto und mehr mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, dass die Radfahrer vor dem Autoverkehr geschützt werden, sie aber die Fußgänger nicht gefährden. Die Radverkehrsinfrastruktur muss angstfrei von allen nutzbar sein und zum Radfahren einladen. Sie muss so beschaffen und bemessen sein, dass es kaum noch einen Grund gibt, auf dem Gehweg zu radeln. Gegen grundloses und fußgängerstörendes Radfahren auf dem Gehweg ist allerdings durch Kontrollen und Bußgelder konsequent vorzugehen.

Der Radverkehrsplan vom September 2021 enthält Netzpläne für ein Radvorrangnetz und ein Ergänzungsnetz sowie Qualitätsstandards, bleibt aber stellenweise hinter den guten Festlegungen im Mobilitätsgesetz zurück. Geplant ist, ihn noch um Ausführungen zu Radschnellwegen zu ergänzen und Leitfäden für weitere Elemente des Radverkehrsnetzes zu erarbeiten.

Unsere wesentlichen Forderungen sind:

  • Dichtes, zusammenhängendes, umwegarmes, auf Zuwachs bemessenes Radwegenetz, bestehend aus markierten oder baulich abgegrenzten Radfahrstreifen auf den Fahrbahnen, eigenständigen Radwegen und Fahrradstraßen, das im Vorrangnetz hohe Reisegeschwindigkeiten ermöglicht. Der Platz dafür ist durch Reduzierung der Fahr- und Abstellflächen für Autos zu gewinnen, keinesfalls zulasten der Fußwege.
  • Der Ausbau des Radwegenetzes muss die zunehmenden elektrischen Zusatzantriebe und die Zunahme von breiteren Lastenfahrrädern berücksichtigen, außerdem die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Fahrweisen der Radfahrer von unsicher und gemütlich bis sportlich. Elektrische Kleinkrafträder gehören dagegen auf die Fahrbahn.  
  • Bestehende Radwege pflegen und erhalten, soweit sie nicht zum Schutz der Fußgänger auf die Fahrbahnen zu verlagern sind. Die Radwege sollen glatten fugenfreien Belag haben und weitgehend geradlinig ohne abrupte Knicke verlaufen.
  • Die Vorschriften zum Benutzen von Radwegen, Radfahrstreifen und Fußwegen durch Radfahrer und Kleinfahrzeuge vereinfachen, so dass auch Kinder problemlos ihre Schulwege mit oder ohne Fahrrad zurücklegen können und die Fahrradmobilität allgemein bei angemessener Geschwindigkeit nicht beeinträchtigt wird. Alle Einbahnstraßen für den Radverkehr der Gegenrichtung freigeben.
  • Mehr Fahrradabstellanlagen, auch mehrstöckige, durch Reduzieren von Autostellplätzen, vor allem an Einkaufseinrichtungen, Behörden, S-Bahn- und U-Bahn-Stationen, Straßenbahn- und Bushaltestellen, Freizeit- und Erholungsanlagen. Fahrradbügel an Straßenkreuzungen und Straßenverzweigungen bieten außerdem bessere Sichtverhältnisse für alle Verkehrsteilnehmer.
  • Fahrrad-Service-Stationen an ausgewählten Verkehrsknotenpunkten. Sie ermöglichen Aufbewahrung, Reparatur, Verleih, Beratung, Akkuladen und Waschdienst.
  • Der steigende Bedarf, das Fahrrad vor und nach einer Fahrt mit der S-Bahn, Regionalbahn oder U-Bahn zu nutzen, soll durch höhere Platzkapazität in den Fahrzeugen abgedeckt werden. Gleichzeitig sollen sichere Fahrradabstellplätze an den Verkehrsstationen und Fahrradverleihmöglichkeiten für Pendler und Ausflügler die Notwendigkeit zur Fahrradmitnahme begrenzen. Inhaber von Monats- und Jahresfahrkarten sollen Fahrräder unentgeltlich mitnehmen dürfen. 

4.4 Bahnen

4.4.1 Verkehrsangebot

Wir wollen, dass auf den vorhandenen Strecken der Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahn wesentlich mehr Züge fahren als heute, sowohl in der Innenstadt als auch in den dünner besiedelten Außenbezirken, und zwar nach einem angebotsorientierten Fahrplanunter Berücksichtigung der erreichbaren Nachfrage

  • mit dichtem Takt, so dass es keine langen Wartezeiten gibt
  • mit vielen umsteigefreien, übersichtlichen und weitgehend gleichbleibenden Linien
  • an allen Tagen der Woche, zu allen Tageszeiten, auch früh morgens, spät abends und nachts.

Senat und Verkehrsverbund sind gefordert, die finanziellen Mittel absolut zu erhöhen, die benötigten Bundesmittel für die Bestellerentgelte rechtzeitig anzumelden und mehr Verkehrsleistungen zu bestellen, auch über die Landesgrenze hinweg in Abstimmung mit Brandenburg.

Spezielle Linien oder Takte sollen die saisonabhängigen Verkehrsströme im Freizeit- und Ausflugsverkehr bewältigen.

Regionalverkehr und S-Bahn-Verkehr sind trotz unterschiedlicher Technik als sich ergänzende Ausprägungen eines einheitlichen Verkehrssystems, das Berlin und Brandenburg verbindet, „aus einem Guss“ zu entwickeln. Wir unterstützen die Bestrebungen des Bündnisses Schiene Berlin-Brandenburg, die Zugkategorie „Regio-S-Bahn“ einzuführen, die Berlin und das engere Umland auf den Wechselstromstrecken in einer Qualität ähnlich der S-Bahn verbindet.

Besonders dringend und längst überfällig sind Angebotsverdichtungen

  • auf der Stadtbahn Ostkreuz – Westkreuz und der Ringbahn (Gleichstrom-S-Bahn), die stark nachgefragt sind
  • auf der Nord-Süd-Eisenbahnstrecke Spandau / Gesundbrunnen – Hauptbahnhof – Lichterfelde Ost (Wechselstrom-Züge). Hier sollen Regio-S-Bahnen im dichten Takt verkehren.

Bei der Vergabe von Verkehrsleistungen ist vorrangig die Direktvergabe zu nutzen. Beim Betreiberwechsel müssen die Arbeitsplätze erhalten bleiben; die sozialen Bedingungen müssen erhalten bleiben oder besser werden. 

Wir wollen, dass die Bundesländer Berlin und Brandenburg für den deutschlandweiten integralen Taktfahrplan („Deutschlandtakt“), wesentlich mehr Fahrten im Regionalverkehr und Regio-S-Bahn-Verkehr mit dichtem Takt und langen Betriebszeiten sowie neue Direktverbindungen auch auf den Ring- und Tangentialstrecken anmelden als bisher.

Im Fernverkehr streben wir im Rahmen des „Deutschlandtaktes“ schnelle vertaktete Verbindungen mit den anderen Ballungsräumen, Großstädten und Urlaubsgebieten in Deutschland, Polen (besonders mit den benachbarten Großstädten Szczecin, Poznan und Wróclaw sowie der Woiwodschaft Lubuskie) und Tschechien an. Die Fernverkehrszüge sollen linienweise gleichbleibend, auf allen am Laufweg in Berlin liegenden Fernbahnhöfen halten.

Berlin muss wieder mit komfortablen und preiswerten Nachtzügen mit weiter entfernten Großstädten und Urlaubsgebieten verbunden werden.

Wir unterstützen fahrzeitverkürzende und kapazitätserhöhende Ausbaumaßnahmen auf Fernverkehrsstrecken.

4.4.2 Infrastruktur

Instandhaltung der vorhandenen Gleis- und Stationsanlagen, Brücken, Tunnel und Signaltechnik sowie Ersatzinvestitionen nach aktuellen Erfordernissen müssen zur Selbstverständlichkeit werden. Stilllegungen darf es nicht mehr geben.

Riesiger Nachholbedarf besteht an Investitionen in die Erweiterung und Kapazitätssteigerung der Eisenbahn- und Straßenbahninfrastruktur. Die in den Planwerken bisher vorgesehenen Straßenbahn-Neubaustrecken und die im Programm i2030 verankerten S-Bahn-Erweiterungen und Regionalverkehrsneubauten reichen nicht aus, um die Verkehrsprobleme zu lösen und die Klimaziele zu erreichen, und kommen zu langsam voran.

Wir wollen, dass das Zielnetz 2050 des Bündnisses Pro Straßenbahn, das weit über die Senatsabsichten hinausgeht, Planungsgrundlage wird und unverzüglich schrittweise verwirklicht wird. Damit soll ein leistungsstarkes und flächendeckendes Angebot auf insgesamt 516 km Länge geschaffen werden, vor allem anstelle überlasteter Buslinien, in Neubaugebiete und in die äußere Stadt.

Das vorhandene U-Bahn-Netz ist in funktionsfähigem Zustand zu erhalten, ohne dass dies zulasten der Erhaltung und des Ausbaus der Straßenbahn geht. Wir wollen automatisierten Betrieb einrichten oder die Voraussetzungen für dessen zukünftige Nachrüstung schaffen, um die Anzahl der Arbeitsplätze mit schlechten Arbeitsbedingungen zu verringern und die Zugfolgezeiten zu verkürzen.

Verlängerungen und Neubau von U-Bahn-Strecken halten wir langfristig für notwendig, aber mittelfristig für nicht geeignet, die Verkehrsprobleme zu lösen.

Wir wollen, dass das Zielkonzept des Bündnisses Schiene Berlin-Brandenburg Planungsgrundlage wird und nicht nur die bisher für i2030 ausgewählten, sondern alle Eisenbahnkorridore in die Ausbaumaßnahmen einbezogen werden. Damit sollen Lücken geschlossen, dichtere Zugfolgen auf den vorhandenen Strecken ermöglicht, gegenseitige Behinderungen der Fahrten beseitigt, Voraussetzungen für die Regio-S-Bahn geschaffen und neue Stationen errichtet werden.

Die Stadtbahn (Westkreuz – Ostkreuz) und die Nord-Süd-Verbindung (Gesundbrunnen – Südkreuz) stellen das Herzstück des Eisenbahnverkehrs in einer weiträumigen Region mit großer nationaler und internationaler Bedeutung dar. Deren Leistungsfähigkeit muss zur Aufnahme zahlreicher Züge aus vielen Richtungen mit sehr kurzen Zugfolgeabschnitten und weiteren Weichenverbindungen wesentlich erhöht werden, und zwar mit Hilfe des Europäischen Zugsteuerungssystems ETCS.

Senat und Verkehrsverbund sind gefordert, die durchgehende Finanzierung aller Planungsphasen abzusichern, die laufenden Planungen zu beschleunigen und die Planung weiterer Ausbaumaßnahmen zu beginnen oder diese zu veranlassen. Dabei muss ein gemeinsames Verkehrsgebiet Berlin / Brandenburg zugrunde gelegt und egoistisches Handeln in Ländergrenzen überwunden werden. Alle benötigten Ausbauten müssen vorausschauend bis zur Planfeststellung vorbereitet werden und dann, wenn sich eine Finanzierungsmöglichkeit ergibt, nach Prioritäten umgehend verwirklicht werden (Schubladenplanung).

Für jede Legislaturperiode sind die Planungs- und Ausbauprojekte mit den Landesparlamen-ten und den Fahrgastvertretungen zu vereinbaren und deren Umsetzung gemeinsam zu kontrollieren.

Hinsichtlich der Infrastruktur sind weitere Forderungen:

  • Wesentlich mehr Weichen bei allen Bahnen sowie Verbindungskurven bei der Straßenbahn, damit bei Störungen und Bauarbeiten ein flexibler Betrieb möglich ist und die Auswirkungen auf die Fahrgäste so gering wie möglich bleiben können.
  • Bei Bauarbeiten an zweigleisigen Strecken keine Totalsperrungen länger als ein Wochenende.
  • Die zahlreichen vorhandenen Lichtsignalanlagen (LSA), die der Straßenbahn keinen Vorrang gewähren, so umprogrammieren und neue LSA von vornherein so programmieren, dass die Straßenbahn ohne abzubremsen freie Fahrt gegenüber dem übrigen Verkehr hat.
  • Kürzere Haltestellenabstände bei der Straßenbahn, wo die Laufwege zu den Zielen seitlich der Strecke zu lang sind; bei Neubaustrecken von vornherein.
  • Neue Straßenbahnstrecken sollen möglichst baulich abgetrennte Gleiskörper auf Rasengleis erhalten. Wo dies nicht sinnvoll ist, zum Beispiel um den Baumbestand zu erhalten, sind die Straßen für den Kraftfahrzeug-Durchgangsverkehr zu sperren. Rad- und Fußverkehr dürfen dabei nicht benachteiligt werden.
  • Straßenbahngleise, die auch der Kfz-Verkehr benutzt, möglichst zu einem baulich abgetrennten oder abmarkierten eigenen Gleiskörper umgestalten.
  • Umbau zahlreicher Straßenbahnhaltestellen von „autogerecht“ zu „fahrgast- und fußgängergerecht“: dicht an der Kreuzung, freie An- und Abfahrt, absoluter Vorrang der Ein- und Aussteiger vor Kraftfahrzeugen, gemeinsame Nutzung mit dem Bus zum Umsteigen.
  • Rolltreppen und barrierefreier Zugang zu allen S-Bahn-, Regionalbahn- und U-Bahn-Stationen sowie zu Haltestelleninseln des Oberflächenverkehrs. Die Verkehrsstationen so gestalten, dass sich die Fahrgäste dort wohlfühlen.
  • Ausreichender Lärmschutz an Eisenbahnstrecken mit neuartigen niedrigen schallreflektierenden Schutzwänden, die unmittelbar am Gleis angeordnet sind, dem Fahrgast nicht den Blick in die Landschaft versperren und die Eisenbahn sichtbar machen.
  • Einfache, übersichtliche Fahrpläne aus einem Guss unter Einbeziehung aller Verkehrsbetriebe.
  • Wahrheitsgetreue Echtzeitinformationen an den Stationen und Haltestellen sowie mit Mobiltelefon über den Fahrtverlauf der Bahnen.
  • Flächendeckend störungsfreie Nutzung von Mobiltelefonen ermöglichen, auch in Tunneln.
  • Bei Investitionsentscheidungen zur Straßenbahn im Kosten-Nutzen-Vergleich dem Bus die Kosten für Straßenunterhalt und -ausbau, die der Straßenbaulastträger zahlt, anlasten, um die Straßenbahn nicht länger zu benachteiligen.
  • Im ferneren Zielzustand müssen alle Ortsteile Straßenbahnverbindungen zur S-Bahn, Regionalbahn oder U-Bahn haben.

4.4.3 Schienenfahrzeuge

Wir fordern eine ständige hohe Zuverlässigkeit der Schienenfahrzeuge durch ausreichende Wartung sowie mehr und ständig verfügbare Reserven.

Für die notwendigen Angebotsverdichtungen und Streckenneubauten werden viele zusätzliche Straßenbahnen, S-Bahn-Züge, U-Bahn-Züge, Regionalverkehrszüge und neue Fahrzeuge für die Regio-S-Bahn gebraucht. Die Dieselfahrzeuge sind so bald wie möglich durch Akku-Fahrzeuge, mit denen Direktverbindungen zu nicht elektrifizierten Strecken hergestellt werden können, zu ersetzen.

Wir erwarten ein deutlich größeres Engagement des Senats, des VBB und der Landesparlamente beim rechtzeitigen Entwickeln, Beschaffen und Finanzieren neuer Schienenfahrzeuge in ausreichender Anzahl. Der Wiedereinsatz der Fahrzeuge nach Ablauf der Verkehrsverträge ist zu garantieren.

Für alle Neufahrzeuge fordern wir eine material- und gewichtssparende, lärmarme und nichtdröhnende Bauweise sowie als Qualitätsstandard barrierefreien Eintritt, ausreichend bemessene Türen und Türbereiche, hohen Sitzkomfort, großzügige Mehrzweckbereiche für Kinderwagen, Fahrräder, Rollstühle und Rollatoren, Fahrgastinformation in Echtzeit und freien Internetzugang in den Regionalzügen. Die Fahrgäste sollen sich rundum wohlfühlen.

In den Fahrzeugen sollen wahrheitsgetreue Echtzeitinformationen über den Fahrtverlauf der Bahnen und Anschlüsse angezeigt werden.

4.5 Obus / E-Bus

Neben der angestrebten Ausdehnung der Straßenbahn könnten nachfragestarke Dieselbuslinien, deren Aufkommen noch nicht straßenbahnwürdig ist, auf elektrischen Betrieb mit Oberleitung umgestellt werden. Der Oberleitungsbus (Obus) in moderner, technisch ausgereifter Ausführung ist sauber und leise, fährt und beschleunigt ruckfrei, ist von weitem erkennbar, wesentlich umweltschonender und wirtschaftlicher als der Dieselbus.

Das spricht dafür, auf das erprobte und bewährte Oberleitungssystem zurückzugreifen. Vorstöße in diese Richtung wurden jedoch von vielen Seiten abgelehnt und sind angesichts der Schwerfälligkeit der noch vorrangigeren Straßenbahnplanungen zurzeit nicht erfolgversprechend.

Gebraucht werden Busse, die Teilstrecken ohne Oberleitung fahren können. Reine Akkubusse (E-Busse genannt) haben jedoch Nachteile: Für die Bauteile werden Seltene Erden benötigt, deren Vorrat begrenzt und deren Gewinnen und Aufbereiten teuer und umweltschädlich ist. Jeder mitgeführte Energiespeicher hat zusätzliches Gewicht und vermindert die mögliche Nutzlast. Die Ladestationen erfordern Platz im Straßenraum, Tiefbau- und Kabelverlegeaufwand und leistungsfähige Energiezuführung für hohe Spannung. Geeignet ist das Speichersystem für Kleinbusse auf Kurzstrecken zum Erschließen weitläufiger dünn besiedelter Wohngebiete.

Für nachfragestarke Strecken sind kombinierte Oberleitungs-Akku-Busse, auch „Akkubusse mit Streckenladung“ genannt, sinnvoll. Um die Nachteile der Akkutechnologie zu vermindern, sollte der Anteil Streckenladung möglichst groß sein. Der Energiespeicher kann dann kleiner bemessen werden als beim Vollantrieb, ist dadurch leichter und kostengünstiger, vermindert die mögliche Nutzlast nur wenig und lässt sich während des Fahrens unter Oberleitung wieder aufladen. Ladestationen unterwegs sind nicht erforderlich. Der Stromabnehmer lässt sich vom Führerstand aus an- und ablegen. Die Oberleitungsabschnitte erfordern allerdings ein Planfeststellungsverfahren. Der Akkubetrieb macht Oberleitungskreuzungen und -weichen überflüssig.

Zunächst stellt der elektrische Busverkehr in vielen Stadtteilen noch ein tragendes Verkehrssystem dar. Sein Anteil am gesamten Busverkehr ist in großen Schritten zu erhöhen und aus einem Guss mit dem S-Bahn-, Regionalbahn-, U-Bahn- und Straßenbahnverkehr zu planen, auch über die Landesgrenze hinweg in Abstimmung mit Brandenburg. Hierfür gelten die gleichen Forderungen an Linienführungen, Verkehrszeitraum, Taktdichte, Haltestellen, Barrierefreiheit, Vorrangschaltungen, Fahrzeugzustand und Fahrzeugverfügbarkeit wie für die Straßenbahn.

Ein reibungsloser, fahrgastorientierter und wirtschaftlicher E-Bus-Verkehr erfordert:

  • mehr Busspuren einzurichten und baulich vom Autoverkehr abzutrennen
  • die Straßenbahngleise und -haltestellen mitzubenutzen, wo das sinnvoll ist
  • mehr Haltestellen als Kaps mit Sonderborden barrierefrei auszubauen
  • dem Busverkehr auch bei Baumaßnahmen und Veranstaltungen Vorrang zu gewähren
  • den Ausflugsverkehr mit seinen speziellen Verkehrsströmen und Verkehrsspitzen auszubauen und hier die Fahrradmitnahme zu ermöglichen.

4.6. Verknüpfung der Verkehrsmittel

Die meisten Wege setzen sich aus Etappen zusammen, die auf die jeweils sinnvollste Weise zurückgelegt werden, zu Fuß, mit Kleinfahrzeugen, mit öffentlichen, gemeinschaftlichen oder privaten Verkehrsmitteln. Deshalb muss die Mobilität als Netz aller Fortbewegungsarten geplant und organisiert werden.

Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Bus bilden ein ganzheitliches Nahverkehrssystem für Berlin und sein Umland. Angebots- und Ausbauplanungen müssen stets das Gesamtnetz der öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtigen. Je besser diese miteinander verknüpft sind, desto größer ist ihr Beitrag zur Mobilitätssicherung.

Buslinien der BVG und anderer Verkehrsunternehmen über die Stadtgrenze hinaus ins Umland müssen mit guten Anschlüssen untereinander verknüpft und an eine S-Bahn-, Regionalbahn- oder U-Bahn-Station angebunden sein.

Der VBB muss seine Aufgabe als Koordinator der Verkehrsunternehmen wahrnehmen.

Wir fordern:

  • Die Bahnsteige und Haltestellen an den Verkehrsknotenpunkten so anordnen und miteinander verbinden, dass die Umsteigewege direkt, so kurz wie möglich, für den Spitzenverkehr ausreichend bemessen, nicht von Verkaufseinrichtungen oder anderen Hindernissen versperrt, barrierefrei und leicht erkennbar ausgeschildert sind. Dazu müssen die meisten Verkehrsknoten umgebaut und viele Haltestellen verlegt werden, weil diese Anforderungen bisher kaum erfüllt werden.
  • Fuß- und Radwege so dicht wie möglich und direkt an die Haltestellen und Bahnsteige heranführen und Fahrradabstellplätze in unmittelbarer Nähe anordnen.
  • Abseits der Umsteigewege eine hohe Aufenthaltsqualität rund um die Uhr gewährleisten mit Fahrkartenverkaufs- und Informationsstellen, Sitzgelegenheiten, Läden und Kiosken für den Reisebedarf, Wetterschutz, Toiletten und Gastronomie.
  • Die Fahrpläne der Verkehrsmittel so aufeinander abstimmen, dass nach kurzer Wartezeit Anschluss besteht.
  • Die aktuellen Abfahrzeiten des anschließenden Verkehrsmittels anzeigen.
  • Halteplätze für den Taxiverkehr und die gemeinschaftliche Autonutzung sowie Abstellplätze für Leihfahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge in der Nähe der Verkehrsknoten vorsehen.

Massenhafte Autoabstellplätze an S-Bahn-, Regionalbahn- oder U-Bahn-Stationen (Park&Ride) stellen genau den gleichen Anreiz zum Autofahren dar wie Autoabstellplätze an anderen Stellen. Sie schwächen den umweltschonenden Zubringerverkehr zu Fuß, mit Fahrrad, Straßenbahn oder Bus und sind deshalb im Stadtgebiet von Berlin nur in seltenen Fällen zweckmäßig.

Der Flughafen soll weiterhin mit der S-Bahn und mit normalen Regionalzügen zum allgemeingültigen Tarif aus mehreren Richtungen gut erreichbar sein.

4.7 Barrierefreiheit

Mobilität für alle erfordert barrierefreien Zugang zu den Haltestellen, Stationen und Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs. Er ist besonders wichtig für dauerhaft oder zeitweilig motorisch, sensorisch, geistig, seelisch oder altersbedingt eingeschränkte Personen, aber auch für Kinder und Fahrgäste mit Kinderwagen, Gepäck oder Mobilitätshilfen. Deshalb sind alle Anstrengungen zu unternehmen, die seit Jahrzehnten bestehende gesetzliche Verpflichtung, die Infrastruktur aller Anlagen und Fahrzeuge flächendeckend barrierefrei zu gestalten, endlich umzusetzen. Erforderlichenfalls sind die Stationen mit mehreren barrierefreien Zugängen auszurüsten. Das automatische Absenken der Busse zum Ein- und Aussteigen („Kneeling“) muss erhalten bleiben.

Fahrplanaushänge und Bildschirme oder Personal müssen die Informationen für Sehbehinderte und Gehörgeschädigte an Haltestellen, Stationen und im Fahrzeug deutlich sichtbar und hörbar vermitteln. Die Wegeleitsysteme sind insbesondere an Umsteigestellen lückenlos miteinander zu verbinden.

Der VBB soll Mobilitätshilfsdienste und Begleitservice für informationsbedürftige oder mobilitätseingeschränkte Personen dauerhaft finanziell absichern.

5. Güterverkehr 

Im Güterverkehr treten wir für nachstehende Entwicklungen ein:

  • Die insgesamt zu transportierende Gütermenge deutlich verringern, insbesondere Weitstreckentransporte über Seehäfen.
  • Die verbleibende Gütermenge vorrangig auf dem Schienenweg oder mit elektrischen Schiffen auf dem Wasserweg transportieren, erheblich weniger auf der Straße.
  • Die Eisenbahnstrecken in Berlin und in Richtung Berlin so weit ausbauen, dass die Anschlussgleise und Umschlagstellen bedient werden können, ohne den Schienenpersonenverkehr zu behindern.
  • Das Berliner Stadtgebiet vom Durchgangs-Güterverkehr auf der Schiene befreien. Diesen weiträumig um Berlin herumführen, erforderlichenfalls auf auszubauenden Eisenbahnstrecken. Den Verkehrsunternehmen sollen dadurch keine Mehrkosten entstehen.
  • Den Lkw-Verkehr mit Start oder Ziel Berlin und den Lkw-Transitverkehr mittels differenzierter Maut an der Stadtgrenze reduzieren. Kleinere Transporteinheiten begünstigen.
  • Anschlussgleise erhalten, wieder für Ganzzüge und Wagenladungen der dort ansässigen Absender und Empfänger nutzbar machen. Neue firmeneigene Anschlussgleise bauen, neues Gewerbe vorrangig dort ansiedeln.
  • Die Flächen ehemaliger Rangier- oder Ortsgüterbahnhöfe zunächst freihalten, dann dort öffentliche Umschlagstellen für größere Sendungen der Absender und Empfänger ohne Gleisanschluss errichten und den lokalen Güterumschlag Schiene / Straße und Eisenbahn / Straßenbahnauf öffentlichem Gelände organisieren.
  • Container und Wechselaufbauten mit der Eisenbahn zu den öffentlichen Umschlagstellen fahren und dort ohne Kran auf Lkw umladen, also mit Umladevorrichtungen, die am Lkw angebracht sind. Jeder Umschlagstelle ein entsprechendes straßenseitiges Einzugsgebiet für den Weitertransport zum Kunden zuordnen.
  • Klären, wer die Umschlagplätze verschiedener Größenordnungen betreibt. Als landeseigene Verkehrsunternehmen kämen dafür die BEHALA (Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH) und die BVG infrage. Zum Betreiben von Umschlagplätzen an Eisenbahnanlagen eignet sich am besten die BEHALA, die bereits im Güterverkehr und in der Lagerwirtschaft tätig ist und langjährige Erfahrungen besitzt.
  • Einzelsendungen für oder aus Lkw, Containern und Wechselaufbauten über Verteilknoten sammeln und verteilen. Als Verteilknoten (Mikro-Depots) eignen sich überflüssig werdende Autoabstellhäuser, Häfen und Anlegestellen an den Wasserstraßen, ehemalige Güterbahnhöfe, dezentrale Abstellplätze in Gewerbegebieten und an Handelseinrichtungen.
  • Die BVG könnte sich zum Logistik-Unternehmen entwickeln, das den Gütertransport im Straßenbahnnetz organisiert und durchführt, zur Auslastung der Infrastruktur vorwiegend in Schwachverkehrszeiten.
  • Für das Einrichten und Betreiben der Mikro-Depots sind einheitliche Rahmenbedingungen erforderlich. Private Mikro-Depots müssen öffentlich zugänglich und anbieterneutral sein. Sie müssen ebenso wie die größeren Umschlagstellen koordiniert geplant und von einer Dachgesellschaft koordiniert werden. Die BEHALA könnte als Dachgesellschaft fungieren und auch selbst Mikro-Depots betreiben.
  • Paketstationen, die dem personallosen Versand und Empfang von Paketen durch die Bürger dienen, müssen von den Wohnungen fußläufig erreichbar, öffentlich und firmenneutral hinsichtlich des Paketdienstleisters sein.
  • Von den Verteilknoten ausgehende, raumsparende Verteil- und Sammelketten bilden, besonders in der Innenstadt, in Ortsteilzentren und Fußgängerzonen. Kleinsendungen mit elektrisch betriebenen Kleintransportern, Elektrokarren oder Lastenfahrrädern weiterverteilen und sammeln.
  • Carsharing auch für Kleintransporter, aber stationsgebunden.
  • Im öffentlichen Straßenraum Lkw, Wechselaufbauten und Container so be- und entladen, dass Fußwege, Radwege, Hauseingänge, Straßenbahngleise und Busspuren nicht versperrt werden.
  • An den zahlreichen Berliner Wasserstraßen, besonders am Teltowkanal, Ladestellen (Anlegestellen) einrichten oder reaktivieren, ohne öffentliche Uferwege zu beeinträchtigen.
  • Die Schiffsgrößen den Wasserstraßen, den häufig niedrigen Wasserständen und den Brückendurchfahrthöhen anpassen. Die Wasserstraßen funktionsfähig erhalten, aber nicht erweitern.

Das „Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept Berlin“ (IWVK) von 2005 enthielt als Lösungsstrategie immerhin ein „City-Terminal-Konzept“ zur „innerstädtischen Verteilung (bzw. Sammlung) von Gütern“ in der Nähe von „Gewerbeschwerpunkten“ und „Schwerpunkten des Transportaufkommens“; wenn auch halbherzig mit weniger Standorten als möglich gewesen wäre. Aber nicht einmal für diese gab es ernsthafte Aktivitäten zur Umsetzung.

Im September 2021 wurde das IWVK fortgeschrieben und in einer Neuauflage herausgegeben. Die darin enthaltene „Bestandsanalyse zu bi- und trimodalen Umschlagknoten in Berlin“ (gemeint sind Umschlagstellen, an denen zwei oder drei Verkehrsträger beteiligt sind) zählt nur noch 7 Potenzialstandorte auf. Im Dezember 2021 beauftragte der Senat eine weitere „Studie zu Potenzialen und Wirkungen von Mikro-Depots im Land Berlin“. Die Zeit drängt, dass endlich Ergebnisse vorgelegt werden. Ebenso notwendig ist ein Konzept für den Erhalt und Neubau von Anschlussgleisen und für öffentliche Güterumschlagplätze an Eisenbahnstrecken.

6. Umweltschädlicher Personenverkehr

6.1 Nichtelektrischer Busverkehr

Das Vorhaben, mit Diesel oder Erdgas angetriebene Omnibusse zugunsten der elektrisch angetriebenen Omnibusse auszumustern, ist konsequent weiterzuführen. Für den übergangsweise verbleibenden Dieselbusverkehr gelten die gleichen Erfordernisse wie für den E-Bus-Verkehr, damit er reibungslos, fahrgastorientiert und wirtschaftlich funktioniert.

Den Fernbusverkehr von Berlin aus akzeptieren wir übergangsweise zu Urlaubsorten, solange diese mit der Eisenbahn gar nicht oder schlecht erreichbar sind. Er ist auf elektrischen Antrieb umzustellen. Als Haltestation reicht der gerade erst aufwändig ausgebaute Zentrale Omnibusbahnhof aus; innerhalb des S-Bahn-Rings soll es keine weiteren geben. Die Unterhaltung und Ausstattung der Stationen ist Aufgabe der Busunternehmen, nicht der Kommune. Fernbusverkehr in Konkurrenz zu parallelen Eisenbahnverbindungen, wie er heute überwiegend betrieben wird, lehnen wir ab.

6.2 Fahrt auf Verlangen

Die beste Einladung zum Benutzen des öffentlichen Verkehrs sind übersichtliche, gleichbleibende, leicht merkbare Linien und Haltestellen mit einem angebotsorientierten Fahrplan, der für alle öffentlich zugänglich ist. Für zeitlich oder räumlich schwache Nachfrage eignen sich Kleinbusse.

Dennoch werden auch im Berliner Stadtgebiet zunehmend Rufbusse, Sammeltaxis und andere Formen des gewerblichen Fahrens auf Verlangen (englisch „on demand“ oder ungenau als „gesteuerter Bedarfsverkehr“ bezeichnet), erprobt und angewendet. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass mehr Kleinfahrzeuge mit den negativen Auswirkungen des Flächenverbrauchs und der Umweltbelastung unterwegs sind und die Fahrzeuge des regulären ÖPNV schlechter ausgelastet sind.

Die Bezeichnung „Rufbus“ ist nur bei Linien-, Haltestellen- und Fahrplanbindung gerechtfertigt, gegebenenfalls mit Haustürservice beim Ausstieg. Werden dagegen nur bestimmte sogenannte „Ankerhaltestellen“ zuverlässig bedient oder gar nur mehrere individuelle Fahrtwünsche gebündelt (englisch: „Ridepooling“ = Fahrten zusammenfassen), handelt es sich um Sammeltaxis.

Im Ergebnis bisheriger Erfahrungen (auch außerhalb Berlins) stellen wir folgende Anforderungen an alle Formen des „Fahrens auf Verlangen“:

  • Bestandteil des ÖPNV, keine Konkurrenz zu diesem
  • Betrieb durch die BVG, keine privaten gewinnorientierten Anbieter
  • Einsatz nur bei zeitlich oder räumlich schwacher Nachfrage, wenn selbst Kleinbusse gering ausgelastet sind
  • Sehr kurze Anmeldefrist
  • Fahrtanfordern nicht nur über digitale App, sondern auch telefonisch oder spontan ohne Vorbestellung durch Handzeichen
  • Elektrischer Antrieb der Fahrzeuge
  • Rufbusse barrierefrei zugänglich
  • Keine persönlichen Daten erfassen
  • Einbeziehen in den regulären ÖPNV-Tarif, gegebenenfalls mit Zuschlag, aber billiger als Einzeltaxis
  • Bezahlen nicht nur über App, sondern auch mit Geldkarten oder bar.

6.3 Taxi und taxiähnlicher Verkehr

Der Taxiverkehr (neuerdings englisch „Ridehailing“ = „Fahrt herbeirufen“ genannt) sowie taxiähnliche Privatfahrer und Mietwagenunternehmen stellen eine Ergänzung des öffentlichen Verkehrs und eine Zwischenform zwischen diesem und dem individuellen Verkehr dar. Sie sind weder an Linien noch an Fahrpläne gebunden. Für bestimmte Bedürfnisse sind sie Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, für andere nicht. Das hängt von dem Grund ab, aus dem der Fahrtwunsch aufkommt.

Taxiähnliche „Fahrdienste“ (zum Beispiel Uber), meist in Konkurrenz zum Taxigewerbe, sind nicht für alle frei zugänglich, sondern nur über spezielle Apps und „Plattformen“. Diese sammeln und benutzen die Mitfahrer- und Fahrtdaten. Beim „Ridepooling“ fassen die „Plattformen“ mehrere Fahrtwünsche unter Inkaufnahme von Umwegen zusammen.

Wir kritisieren an Taxi- und taxiähnlichen Fahrdiensten, dass sie ihre Dienste vor allem dort anbieten, wo ein ausreichendes Verkehrsangebot vorhanden ist, und damit Fahrgäste vom regulären öffentlichen Verkehr abziehen.

Der Taxiverkehr in der Funktion als Daseinsvorsorge kann nicht allein dem Konkurrenzkampf der Taxifahrer überlassen bleiben, sondern muss städtisch gesteuert werden. Die zu entwickelnden Steuerungsmechanismen müssen auf folgende Ziele gerichtet sein:

  • Den größeren Teil der Taxis dort anbieten, wo wenig oder gar kein öffentlicher Verkehr vorhanden ist, mit dem Ziel, den motorisierten Individualverkehr zu ersetzen. Damit kurze Wartezeiten erreichen.
  • Zeit- und ortsabhängiger Tarif. Fahrpreise generell deutlich niedriger als heute, nachts niedriger als tagsüber, am Wochenende niedriger als werktags, im Tarifgebiet B niedriger als im Tarifgebiet A und höher als im Tarifgebiet C.
  • Die Einkommen der angestellten Taxifahrer und der Taxiunternehmer müssen unabhängig von den Fahrpreisen sein. Das Grundeinkommen muss unabhängig von der Anzahl der Fahrten gesichert werden. Es kann mit umsatzabhängigen Einkommensbestandteilen ergänzt werden.
  • Staatliche Zuschüsse für die Taxiunternehmen in einer Höhe gewähren, dass sie den Taxifahrern einen angemessenen Grundlohn zahlen und wirtschaftlich arbeiten können.
  • Die Zulassung von Taxis und Taxifahrern so weit begrenzen, dass Standzeiten und Leerfahrten reduziert werden.
  • Bei Rückfahrten länderübergreifende Mitnahmeberechtigung („Ladeberechtigung“) zulassen.
  • Elektrisch angetriebene Fahrzeuge einsetzen.

Taxiähnliche „Fahrdienste“ müssen ebenfalls kommunal gesteuert werden und die gesetzlichen Anforderungen an gewerbliche Personenbeförderung erfüllen.

6.4. Gemeinschaftliche Autonutzung

Personenkraftwagen schädigen und zerstören die Umwelt nicht nur während der Fahrt, sondern auch beim Herstellen und Entsorgen und mit ihrem Platzbedarf in der ungenutzten Zeit, die 95 % beträgt. Diese Wirkungen müssen reduziert werden, indem die Anzahl der vorhandenen Autos reduziert wird und diese zunehmend öffentlich oder gemeinschaftlich genutzt werden.

Dazu tragen die wesentlichsten Formen der zeitweiligen oder gemeinschaftlichen Nutzung von Autos durch Privatpersonen und durch Firmen mehr oder weniger bei:

  • Mieten von Autos bei Autoverleihfirmen
  • Auto teilen („Carsharing“)
  • Vermittelte Mitfahrt („Ridesharing“)
  • Fahrgemeinschaften von Nachbarn, Kollegen oder Bekannten, die ein Privatauto gemeinsam nutzen.

Im Vergleich zu Einzelfahrten mit Privatautos entlasten diese Formen die Straßen und tragen zur Umwelt- und Ressourcenschonung bei, aber in geringerem Maße als der öffentliche Verkehr. Sinnvoll sind sie vor allem bei ungenügendem ÖPNV-Angebot.

Beim Carsharing treten mehrere Personen beitragspflichtig einer Organisation bei, bestellen und buchen die Autos über Internet oder Mobiltelefon, holen sie an festen Mietstationen ab und geben sie im stationsgebundenen System dort zurück, beim System „Free floating“ (deutsch „frei treibend“) in definierten Nutzungsgebieten. Die Organisation besitzt, wartet, repariert die Autos und organisiert ihren Einsatz.

Ein Carsharing-Auto kann 4 bis 8 Privatautos ersetzen, ist in der Regel fabrikneu und stößt deshalb 16 % weniger Kohlendioxid aus.

Kritisch sehen wir:

  • Für die Organisation ist das Betreiben von Carsharing in der dicht besiedelten Innenstadt am wirtschaftlichsten, und dort betreibt sie das Geschäft in Konkurrenz zum ÖPNV.
  • Carsharing wird vor allem von jüngeren Nutzern als Vorstufe zum privaten Autobesitz oder als zeitweiliger Ersatz benutzt.

Das System „Free floating“ sehen wir besonders kritisch:

  • Es lädt dazu ein, den ÖPNV nicht zu benutzen und stellt eine Vorstufe zum Autobesitz dar.
  • Das wilde Abstellen blockiert öffentlichen Straßenraum.
  • Die oft angewandte Abrechnung nach Nutzungszeit verleitet zum schnelleren und damit gefährlicheren Fahren.

An eine sinnvolle Anwendung des Carsharings stellen wir folgende Anforderungen, damit es den ÖPNV nicht ersetzt, sondern ergänzt und zum Zurückdrängen des Autobestands beiträgt:

  • Rückgabe nur an festen Mietstationen (stationsgebundenes Carsharing)
  • Vor allem in den Außenbezirken mit geringerer ÖPNV-Dichte
  • Die Kommune muss regulierend eingreifen und ihre Gestaltungsspielräume nutzen. Sie soll den Verleih von Pkw und Transportern organisieren, Tarife, Fahrzeuge und Antriebe vorschreiben, über die Infrastruktur und über die Datenhoheit verfügen.
  • gemeinwohlorientierte Genossenschaften und Vereine fördern.
  • öffentliche Parkplätze zu Carsharing-Parkplätzen umwandeln.
  • In den geplanten Mobilitätsstationen an Verkehrsknotenpunkten auch die CarsharingOrganisation ansiedeln.
  • Damit trotzdem ein Anreiz besteht, den ÖPNV zu benutzen, muss Carsharing teurer sein als der ÖPNV; es sollte aber billiger als ein Taxi sein, da kein extra Chauffeur benötigt wird.

Beim Ridesharing (auf deutsch: Fahrt teilen) organisieren stationäre Mitfahrzentralen (oder „Plattformen“) die Mitnahme von Mitreisenden in Privatautos. Sie sammeln Informationen von Autobesitzern über geplante Fahrten und von Fahrgästen über Fahrtwünsche. Sie erheben Vermittlungsgebühren, ohne Gewinn anzustreben. Die Fahrtteilnehmer teilen sich die Kosten.

Bei Fahrgemeinschaften sprechen sich die Fahrtteilnehmer ohne Vermittlungszentrale ab. Einer nimmt in seinem Privatauto andere Personen mit gleichem oder ähnlichem Fahrtwunsch mit. Die Personen teilen sich die Kosten oder verwenden abwechselnd ihre Privatautos. Daten werden nicht gespeichert.

6.5 Langsamverkehr mit Kleinfahrzeugen

Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung des Bundes sind insbesondere elektrisch angetriebene Tretroller (auch englisch „E-Scooter“ genannt) aber auch Segways, die vor allem von jungen Leuten und Touristen genutzt werden. Diese sind entweder unerfahren im Straßenverkehr oder ortsunkundig und somit tendenziell unfallgefährdet.

Elektrokleinstfahrzeuge können sich in Privateigentum befinden oder als Verleihflotten verfügbar sein. Die Fahrzeuge für die private Nutzung sind in der Regel klein, leicht transportabel und gegebenenfalls faltbar. Die Fahrzeuge der Verleihflotten sind schwerer und robuster gestaltet.

Einerseits werden die Fahrzeuge genutzt, um Kurzstrecken oder die „letzte Meile“ von einer ÖPNV-Station zum Zielort zurückzulegen, andererseits für Vergnügungsfahrten. Auf Kurzstrecken ersetzen sie hauptsächlich das Zufußgehen oder Radfahren.

Gemäß dem Verkehrsrecht müssen Elektrokleinstfahrzeuge Radverkehrsanlagen benutzen, unabhängig davon, ob eine Benutzungspflicht für den Radverkehr besteht. Falls keine Radverkehrsanlage vorhanden ist, müssen sie die Fahrbahn benutzen. Diese Verkehrsregeln werden sehr oft verletzt, sodass der Fußverkehr gefährdet wird. Polizei und Ordnungsämter müssen diese Regelverstöße strenger verfolgen.

Die in Verleihflotten angebotenen Elektrokleinstfahrzeuge können ebenso wie Leihfahrräder einen sinnvollen Baustein für die Verkehrswende darstellen. Ihre Stärken sind die leichte Verfügbarkeit und geringe Rauminanspruchnahme. In Verbindung mit dem ÖPNV stellen sie insbesondere in Gebieten mit weniger dichtem Haltestellennetz eine Zubringermöglichkeit zu den Stationen von U-Bahn, S-Bahn und Regionalverkehr dar. Um dieses Potenzial voll zu nutzen, sind sie in das Tarifsystem des ÖPNV einzubeziehen Dies sollte erprobt, wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden, um die Auswirkungen auf Mobilitäts- und Verkehrsmittelentscheidungen abschließend bewerten zu können.

Um einen möglichst konfliktfreien Betrieb im Sinne des Allgemeinwohls zu ermöglichen und die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen, sind folgende Rahmenbedingungen einzuhalten: 

  • Konzessionierte Vergabe des Betriebs der Verleihflotten
  • Bereitstellung und Rückgabe der Fahrzeuge nur in dafür vorgesehenen Abstellzonen (möglichst auf der Fahrbahn); dies hat der Anbieter technisch sicherzustellen, zum Beispiel indem das Ausloggen nur an den erlaubten Orten erfolgen kann
  • Die Abstellzonen müssen dabei stadtweit und als dichtes Netz von den zuständigen Ordnungsbehörden ausgewiesen werden.
  • Die Nachhaltigkeit von Fahrzeugen und Betrieb muss dadurch sichergestellt werden, dass Akkus vor Ort getauscht werden können, statt die Fahrzeuge einzusammeln und zentral zu laden.
  • Beschädigte Fahrzeuge müssen repariert und nicht einfach entsorgt werden.
  • Die Nutzungsdaten dürfen nicht als private Datensammlungen der Konzerne verwendet werden, sondern müssen für Stadtplanungsprozesse nutzbar sein, zum Beispiel über die normierte Datenschnittstelle „Mobility Data Specification“ (auf deutsch: Mobilitätsdatenbeschreibung). Die Nutzungsdaten und die Regeleinhaltung müssen demokratisch kontrollierbar sein.

Ferner sollte untersucht werden, inwieweit sich Vergnügungsfahrten insbesondere Jugendlicher mittelfristig auf deren Mobilitäts- und Verkehrsverhalten auswirkt und ob die Gewöhnung an und die „coolness“ (auf deutsch: Kaltblütigkeit) individueller autofreier Mobilität sich in späteren Verhaltensmustern und Unfallstatistiken wiederfindet.

Mobilitätshilfsmittel wie elektrische Krankenfahrstühle für motorisch eingeschränkte Personen sind sinnvoll und unterstützenswert. Sie werden in der Regel privat genutzt. Die zulassungsrechtlichen und straßenverkehrsrechtlichen Regelungen sind unter anderem von der bauartbedingten maximalen Geschwindigkeit abhängig. Auf Gehwegen ist Schrittgeschwindigkeit zulässig. Auch das muss kontrolliert und sanktioniert werden. Das Abstellen im öffentlichen Raum sollte sich an den Regelungen für Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge orientieren.

Weitere elektrisch betriebene Fahrzeugtypen wie Elektroskateboards, Hoverboards (zweirädrige, elektrisch betriebene Fahrzeuge, bei denen die Füße parallel längs zur Fahrtrichtung stehen), Monowheels (einrädrige, elektrisch betriebene Fahrzeuge) haben keine Betriebserlaubnis für den öffentlichen Straßenverkehr und dürfen daher nicht auf Rad- und Fußwegen, sondern nur auf privatem Gelände benutzt werden. Gleichwohl können diese Fahrzeugtypen ähnliche Rollen übernehmen wie E-Tretroller und sollten bei der Zulassung, Nutzung und in Regelwerken ebenso behandelt werden.

Kleinstfahrzeuge ohne elektrischen Antrieb wie Tretroller, Laufräder, Skateboards, Rollschuhe sind rechtlich als Spiel- und Sportgeräte einzuordnen. Auch wenn sie teils beträchtliche Geschwindigkeiten ermöglichen, ist ihr bestimmungsgemäßer und rücksichtsvoller Gebrauch keinen weiteren Regelungen unterworfen. Eine Ausnahme könnten Tretroller oder Laufräder darstellen, die in Größe, Konstruktion und Stabilität Fahrrädern für Erwachsene ähneln. Für diese sollte eine rechtliche Gleichstellung mit Fahrrädern angestrebt werden.

6.6 Straßen und Autoabstellplätze

Berlin hat großzügig ausgebaute Autostraßen und Autoabstellplätze. Notwendig ist ein langfristiger großflächiger Plan für die künftige sinnvolle Verwendung, Umnutzung und Reduzierung der versiegelten öffentlichen Flächen, für die Kapazitätsreduzierung des Gesamtsystems MIV und für den Schutz von Anwohnenden, Zufußgehenden und Radfahrenden vor Verkehrslärm, Abgasen und Unfällen. Dabei setzen wir auf die Handlungsrichtungen Parkraummanagement, Kiezblocks und Straßenumwidmung.

Das Vorhaben „City-Maut“ wurde nach vergleichenden Untersuchungen mit der Variante „Parkraummanagement“ als weniger erfolgversprechend aussortiert, unter anderem wegen des hohen Verwaltungs- und Finanzierungsaufwands. Auch die Machbarkeitsuntersuchung zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV kam zum Ergebnis, dass die City-Maut mit Maßnahmen des Parkraummanagements ergänzt werden müsste, um die erhoffte Steuerungswirkung zu erbringen.

Unsere wesentlichen Forderungen an den Straßennutzungs- und -umbauplan sind:

  • Ausreichende Instandhaltung der von Linienbussen befahrenen Straßen und der Rad- und Fußwege. Sparsame Instandhaltung nur der langfristig benötigten Straßen.
  • Autospuren oder ganze Autostraßen zu Fahrradstraßen umwidmen oder umbauen, nicht mehr benötigte als Grünflächen gestalten.
  • Öffentliche Autoabstellplätze systematisch reduzieren und zu Fahrradabstellplätzen, Carsharing-Abstellplätzen, echten Ladezonen oder Verweilplätzen für Menschen umwidmen, entsiegeln und umbauen.
  • Keine neuen Fern- und Durchgangsstraßen. Den im Bau befindlichen Abschnitt der Autobahn A 100 nicht in Betrieb nehmen, sondern anderweitig nutzen. Planung und Projektierung der Verlängerung der A 100, der Straßen-TVO (Tangentialverbindung Ost), der SOV (Südostverbindung) und der TVN (Tangentialverbindung Nord) einstellen. Anstelle der Straßen-TVO den Durchgangsverkehr auf den stauanfälligen vorhandenen Straßen durch geeignete Maßnahmen erschweren und die alternativen Eisenbahn-, Straßenbahn- und Radverbindungen ausbauen. Falls die Straßen-TVO nicht zu verhindern ist, darf sie nur eine einfache Stadtstraße werden, nicht mehrspurig autobahnähnlich.
  • Für den flüssigen Kfz-Verkehr auf breiten radialen und tangentialen Hauptstraßen durchgängig einen ausschließlichen Geradeaus-Fahrstreifen auf gesamter Länge einrichten.
  • Lärmsanierung vorhandener Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen.
  • Keine Durchgangsstraßen in neuen Wohngebieten. Autoabstellplätze höchstens am Rand neuer Wohngebiete. Lediglich Zufahrten zu Hauseingängen für Sonderverkehre wie z. B. Feuerwehr, Krankenwagen, mobilitätseingeschränkte Personen und Umzüge.
  • Die verschiedenen Vorfahrts- und Temporegelungen vereinheitlichen und vereinfachen.Das bebaute Stadtgebiet soll in der Regel Tempo-30-Zone werden. 50 km/h nur auf wenigen Hauptverkehrsstraßen zulassen, die vor allem dem Straßenbahn- und Busverkehr dienen oder durch unbebaute Gebiete verlaufen.
  • An der Stadtgrenze für Lastkraftwagen im Durchgangsverkehr eine mindestens kostendeckende Maut erheben.
  • Straßen in schützenswerten Gebieten wie historischen Stadtteilzentren, Kiezblocks, Großwohnsiedlungen, Einkaufsgebieten und Ausflugsgebieten zu verkehrsberuhigten Flächen umwidmen.
  • Mit Hilfe der Ordnungsämter entschlossen gegen das wilde Abstellen von Autos auf Fußwegen, Radwegen, Straßenbahngleisen, Busspuren und an Haltestellen vorgehen.
  • Fuß- und Radwege als Rettungsgassen, die auch für Entsorgungsfahrzeuge nutzbar sind, gestalten.
  • Kein Mischverkehr von Straßenbahn und Kraftverkehr. Den Kfz-Verkehr mit technischen Hilfsmitteln auf Anlieger-, Liefer-, Entsorgungs- und Rettungsdienste beschränken, bei beengten Platzverhältnissen Parkverbot.
  • Neue und umzubauende Straßen von außen nach innen gestalten: erst großzügige Flächen für Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV-Vorrang, dann – soweit noch Platz ist – für den fließenden Kraftfahrzeugverkehr und als Letztes Autoabstellplätze.

6.7. Individueller Autoverkehr, Autoantrieb

Die bei der Parkraumbewirtschaftung erhobenen Gebühren belasten Personen mit geringem Einkommen verhältnismäßig mehr als solche mit größerem Einkommen. Die Reduzierung der Pkw-Zulassungen ist dagegen einkommensneutral, also gerechter und sozialer. Sinnvoll, aber unpopulär und bis auf weiteres schwer durchsetzbar wäre, die Anzahl der zugelassenen Pkw gesetzlich zu begrenzen.

Es wird sich nicht vermeiden lassen, das Autofahren und Autobesitzen mit vielen Einzelmaßnahmen unbequemer zu machen und damit einen Teil der Pkw-Halter zu veranlassen, ein ausgemustertes Auto nicht zu ersetzen. Das kann gelingen, wenn die Vorteile des Autoverzichts überzeugend sind: Vergleich der Parkgebühren mit den ÖPNV-Fahrpreisen, Zeitvergleich der Parkplatzsuche mit der ÖPNV-Fahrzeit, Flexibilität und Gesundheitsförderung des Radfahrens, Leihfahrräder, auch für Lastentransporte, preiswerte Miet- und Car-Sharing-Angebote.

Für Kranke und Mobilitätseingeschränkte kann die individuelle Autonutzung ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität sein, solange die öffentlichen Mobilitätsdienstleistungen für diese Personen ungenügend sind.

Für diesen gesellschaftlich notwendigen Individualverkehr und für den halböffentlichen Autoverkehr müssen die Autos kleiner, leichter und langsamer werden und geringeres Beschleunigungsvermögen aufweisen. Das gleiche gilt für Dienst-Pkw von Behörden, Firmen und Gewerbetreibenden im innerstädtischen Verkehr.

Mit Elektroautos, Agrotreibstoffen oder synthetischen Kraftstoffen (zum Beispiel sogenannten E-Fuels; auf deutsch: elektrische Kraftstoffe) wird nur die Energiequelle gewechselt, aber alle anderen schädlichen Wirkungen, zum Beispiel Feinstaub und Flächenverbrauch, bleiben. Agrotreibstoffe beanspruchen ohnehin knappe landwirtschaftliche Flächen in Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln. Synthetische Kraftstoffe erfordern zur Herstellung Strom, Wasserstoff und Kohlendioxid, als Abgas fallen Stickoxide an. Geringeren Schaden verursachen Elektroautos, aber auch für diese müssen Akkumulatoren hergestellt und entsorgt werden, sind zusätzliche Stromproduktion und Ladestationen erforderlich. Für den verbleibenden Autoverkehr sind sie als Ersatz des Diesel- und Benzinantriebs am ehesten hinnehmbar.

Unter dem irreführenden Namen „Elektromobilität“ fördert die öffentliche Hand einseitig den Aufbau einer Infrastruktur für Elektroautos, vorrangig Pkw, SUV, auch wenige Kleintransporter und Mopeds. Eine solche Industriesubvention zu Lasten der öffentlichen Kassen ist abzulehnen. Die Aktivitäten des Bundes und der Industrie bei der Entwicklung technisch-wirtschaftlicher Lösungen zum Antrieb elektrischer Straßenfahrzeuge sind auf sinnvolle Einsatzgebiete zu richten wie Lieferfahrzeuge, Obusse oder E-Busse und elektrische Fahrräder und Kleinfahrzeuge, nicht auf Pkw und nicht auf Lkw.

Die neueste Innovation der selbstfahrenden Autos beansprucht personelle und finanzielle Ressourcen, die anderweitig sinnvoller einzusetzen sind, löst aber kein Verkehrsproblem. Wir fordern, dafür keine staatlichen Gelder bereitzustellen, den öffentlichen Straßenraum nicht einzuschränken und keine personenbezogenen Daten zu speichern.

Wer große, schnelle, verbrauchsintensive Kraftfahrzeuge wie Sportwagen, SUV, VAN oder Wohnmobile ganz oder teilweise privat nutzt, weil er Spaß daran hat, muss die dadurch entstehenden Kosten in voller Höhe tragen, zum Beispiel durch Zulassungsgebühren in Höhe einer Luxussteuer.

Mopeds und Mofas sollten durch entsprechende elektrische Fahrzeuge ersetzt werden.

6.8 Flugverkehr

Der innereuropäische Flugverkehr, insbesondere wenn es eine geeignete Eisenbahnschnellverbindung gibt, muss erheblich reduziert werden. Die verursachten Kosten müssen ihm in voller Höhe angelastet und die Steuerbegünstigungen aufgehoben werden.

Privat- und Geschäftsflüge sowie kleine Chartermaschinen müssen verboten, der militärische Flugverkehr drastisch eingeschränkt werden.

Der Flughafen BER am ungeeigneten Standort in Schönefeld ist aus Sicht der Treibhausgasemissionen überdimensioniert und immer noch nicht voll funktionstüchtig. Erweiterungen lehnen wir ab; stattdessen sollte seine Kapazität verringert werden.

Wir fordern das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und Flugrouten, die geringstmöglichen Lärm und die geringste Umweltbelastung verursachen.

  1. Rahmenbedingungen und Technologie

7.1 Verkehrspolitische Rahmenbedingungen

Einige Maßnahmen lassen sich kurzfristig auch unter den gegenwärtig ungünstigen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen verwirklichen. Gleichzeitig muss auf bessere Rahmenbedingungen hingewirkt werden.

Die meisten Aufgaben kann das Land Berlin allein oder in Abstimmung mit Brandenburg lösen. Dazu gehört auch, für den deutschlandweiten integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt) zukunftsgerechte Nahverkehrsmengen anzumelden, denn nur diese werden im Deutschlandtakt und den dafür erforderlichen Ausbaumaßnahmen berücksichtigt.

Wir erwarten, dass sich die Landesparlamente und -regierungen von Berlin und Brandenburg auf Bundesebene für nachstehende bessere Rahmenbedingungen für den öffentlichen Verkehr und für den Radverkehr einsetzen.

Die bisher nur auf Bauprojekte ausgerichtete Bundesverkehrswegeplanung muss durch einen ganzheitlichen Bundesmobilitätsplan ersetzt werden. Dieser muss flächendeckenden öffentlichen Verkehr, angebotsorientierte Linien, Takte und Fahrzeugkapazitäten, die Vernetzung und Kooperation der Verkehrsmittel, Maßnahmen zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und eine Mobilitätsgarantie im ländlichen Raum beinhalten. Notwendige Eisenbahnausbaumaßnahmen sind aus dem Deutschlandtakt-Fahrplan abzuleiten. Landesverkehrspläne müssen den Bundesverkehrsplan nach den gleichen Grundsätzen konkretisieren und ergänzen.

Wir fordern, dass die Eisenbahnunternehmen des Bundes und der Länder für das Gemeinwohl arbeiten und dass das Eisenbahnunternehmen für die Hauptstrecken, große Knoten und Ballungsgebiete weiterhin staatlich geleitet wird. In abgeschlossenen Nebennetzen sind regional arbeitende Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen vorteilhaft.

Die Möglichkeit der Direktvergabe von Schienenverkehrsleistungen in besonderen Fällen wie dem Berliner S-Bahn-Netz ist abzusichern und das Wettbewerbsrecht zu ergänzen.

Eine geänderte Straßenverkehrsordnung muss das Einrichten von Busspuren erleichtern, die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen begrenzen, die Ausdehnung des Parkraummanagements erleichtern, die Parkraumkontrolle digital unterstützen sowie den Rad- und Fußverkehr erleichtern und verbessern.

Auf europäischer Ebene sind Rahmenbedingungen erforderlich, die den elektrischen Stadt- und Regionalverkehr und den internationalen Eisenbahnverkehr fördern.

7.2 Organisation

7.2.1 Landeseinfluss auf Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbund

Das Land Berlin muss sich die Einflussmöglichkeiten auf die unternehmerischen Ziele und Entwicklungen der S-Bahn GmbH, der BVG, der DB Regio und der anderen Verkehrsunternehmen durch Verträge und möglichst auch als alleiniger oder anteiliger Eigentürmer sichern.

Die Senatsverwaltung muss aktiv und innovativ wirksam werden, ihre Personalkapazität für die Ausbauplanung des öffentlichen Verkehrs erhöhen und die Aufgaben in Landeshoheit erledigen.

Wir fordern eine wesentlich bessere Zusammenarbeit der am S-Bahn-, Regionalbahn- und U-Bahn-Verkehr beteiligten Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen, besonders bei der Fahrplangestaltung, der Koordinierung langfristig planbarer Einschränkungen und bei unregelmäßigem Betriebsablauf.

Der Verkehrsverbundist so zu strukturieren, dass die Omnibusbetriebe des Landes Brandenburg nicht länger mit ihrer Stimmenmehrheit die Entwicklung der Eisenbahn blockieren können. Wir verlangen vom VBB, die Liniennetze, Fahrpläne und Informationsketten der Verkehrsbetriebe so zu koordinieren, dass für die Fahrgäste ein dichtes Verkehrsangebot mit guten Anschlüssen entsteht.

7.2.2 S-Bahn

Die Zerlegung des S-Bahn-Netzes in drei Teilnetze war falsch, aber konnte nicht verhindert werden. Sie verstärkt die negative Wirkung des umständlichen Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens für die Verkehrsleistungen und die Fahrzeugbeschaffung. Wir streben an, dass alle S-Bahn-Linien wieder in die Hand ein und desselben Verkehrsunternehmens gelangen und dass es möglichst wenig Schnittstellen zwischen Fahrzeugbeschaffung, Instandhaltung und Betrieb gibt.

Im Falle einer Direktvergabe mit Qualitätsauflagen wäre der bürokratische Aufwand, der bei Aufgabenträgern und Bietern entsteht, viel geringer. Direktvergaben wären für solche abgeschlossenen Netze wie das der Berliner S-Bahn nach EU-Recht zwar möglich, aber nach dem deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nur an Unternehmen, auf die das Land einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, also die sich im überwiegenden Eigentum des Landes befinden.

Am besten könnte das Land die Verkehrsleistung und -entwicklung über ein Verkehrsunternehmen mit vollständiger oder mehrheitlicher Landesbeteiligung steuern. Die DB AG ist jedoch nicht bereit, ihre Tochter S-Bahn Berlin GmbH an das Land Berlin zu verkaufen oder eine Landesbeteiligung zuzulassen.Die landeseigenen Berliner Unternehmen BVG und BEHALA eignen sich im gegenwärtigen Zustand nicht dafür, den S-Bahn-Betrieb zu übernehmen. Der Aufbau eines landeseigenen Verkehrsunternehmens sollte jedoch systematisch verfolgt werden.

Das verkündete Ziel der Bundesregierung, die Deutsche Bahn zu einem zwar nicht gemeinnützigen, aber „gemeinwohlorientierten“ Unternehmen umzugestalten, bietet die Chance, dass die gewinnbringende S-Bahn Berlin GmbH ihren Gewinn nicht mehr abführen muss, so dass über eine Landesbeteiligung verhandelt werden könnte.

Anzustreben, etwa über den Bundesrat, ist, das GWB dahingehend zu ändern, dass abgegrenzte Eisenbahn-Teilnetze mit besonderer Infrastruktur (hier Gleichstrom und Stromschiene) und besonderen, nicht überall einsetzbaren Fahrzeugen direkt vergeben werden können, wenn es einen erfahrenen Betreiber dieses Sondersystems gibt.

2021 wurde die Landesanstalt Schienenfahrzeuge Berlin (LSFB) als Anstalt öffentlichen Rechts gegründet. Sie bereitet sich darauf vor, Eigentümer der Fahrzeuge der Ausschreibungs-Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd und eventueller neu erforderlicher Werkstätten zu werden und diese im Rahmen neuer Verkehrsverträge ab etwa 2030 an die beauftragten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zu vermieten. Nach Ablauf dieser Verkehrsverträge verbleiben die Fahrzeuge und Werkstätten im Eigentum der LSFB und sollen den anschließend beauftragten EVU zur Verfügung stehen. Das Problem, dass die Laufzeiten der Verkehrsverträge kürzer sind als die Nutzungsdauer der Fahrzeuge, wäre damit gelöst, sowohl bei Direktvergabe als auch bei erneuter Wettbewerbsvergabe.

7.2.3. BVG und andere Verkehrsunternehmen

Der Straßenbahn-, U-Bahn- und Busverkehr soll weiterhin von der BVG als Anstalt öffentlichen Rechts betrieben werden.

Für die Erweiterungen des Straßenbahnnetzes ist die Organisationsstruktur dringend zu verbessern, um den entstandenen Planungs- und Umsetzungsrückstand aufzuholen. Die einzelnen Arbeitsschritte von der Grundlagenermittlung über die Finanzierungsvereinbarung bis zur Ausführungsplanung, die heute zeitlich, institutionell und personell strikt voneinander getrennt sind und zu Doppelarbeiten und Verzögerungen führen, müssen in einer gemeinsamen und durchgängigen Projektorganisation mit höherem Personalbestand aus den verschiedenen Arbeitsrichtungen, klaren Zuständigkeiten und einer einheitlichen Leitung gebündelt werden.

Das Personal der Fahrdienst-Tochtergesellschaft der BVG ist wieder in die BVG einzugliedern, die Tochtergesellschaft aufzulösen.

7.2.4. Straßenverkehr

Mit dem Ziel, Schnittstellen und Zuständigkeitsprobleme zu beseitigen, muss die Baulast für das übergeordnete Straßennetz in die Hauptverwaltung überführt und ein Landestiefbauamt aufgebaut werden. Dafür ist unter anderem das Allgemeine Zuständigkeitsgesetzes (AZG) zu ändern.

Die frühere eigenständige „Verkehrslenkung Berlin“ setzt jetzt als Organisationseinheit der Senatsverwaltung ihr einseitig autoorientiertes Handeln hinsichtlich Haltestellen-anordnungen, Absperrgittern für Fußgänger und Vorrangschaltungen fort. Dies muss endlich beendet und umgekehrt werden.

7.2.5 Mobilitätsmanagement

Der Verkehr als physische Umsetzung von Mobilität lässt sich nicht nur planen, sondern auch steuern (managen). Mit Mobilitätsmanagement sollen zum Beispiel Bewohner, Beschäftigte einer Firma oder Kunden einer Einrichtung über Angebote des öffentlichen oder gemeinschaftlichen Verkehrs informiert werden, sollen sie zur zweckmäßigen und umweltschonenden Verkehrsmittelwahl beraten werden.

Diese ganzheitlichen, verkehrsträgerübergreifenden Dienstleistungen und Maßnahmen wollen wir fördern. Sie zeigen Wege auf, die Bedürfnisse der Menschen wieder vom Auto zurück auf die natürlichen und gemeinschaftlichen Fortbewegungsarten zu lenken.

7.3 Sicherheit

Die Verkehrsteilnehmer erwarten berechtigt, dass für Sicherheit auf Gehwegen, Radwegen, der Straße, an Stationen, Haltestellen und in den Verkehrsmitteln gesorgt wird.

Das Verkehrssicherheitsprogramm des Senats muss klare und messbare Ziele für weniger Tote, Schwer- und Leichtverletzte im Straßenverkehr sowie für Zusammenstöße beinhalten. Kontinuierlich muss die Zielerreichung überprüft und gegebenenfalls nachgesteuert werden. Die ungeschützten Radfahrenden und Zufußgehenden sind vorrangig zu schützen. Der Verursacher des Schadens, in der Regel der Kraftverkehr, muss zuerst beschränkt werden, bevor die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Am wirksamsten sind bauliche Maßnahmen.

Die meisten Fahrgäste im öffentlichen Verkehr fühlen sich durch Anwesenheit von Personal sicherer, nur wenige durch Videokameras. Deshalb verlangen wir von den Verkehrsbetrieben ausreichend Personal auf den S-Bahn- und U-Bahn-Stationen und in den Zügen, das für Sicherheit und Ordnung sorgt, Auskünfte erteilt und bei Bedarf hilft.

In der Straßenverkehrsordnung ist zu regeln, dass zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ab 10 m vor Fußgängerüberwegen nur Fahrzeuge bis zu einer Höhe von 1,50 m parken oder halten dürfen.

Die erfassten und gespeicherten Daten, insbesondere bei taxiähnlichen Fahrdiensten und bei gemeinschaftlicher Autonutzung, dürfen nur anonymisiert und nur für Zwecke, die dem Allgemeinwohl dienen, zum Beispiel für Statistiken und Planungen, weiterverwendet werden. Die Nutzung personalisierter Daten ist zu unterbinden.

7.4 Technologieentwicklung

Von den Berliner Universitäts- und Forschungseinrichtungen sowie der Schienenfahrzeugindustrie und den Firmen der Leit-, Sicherungs- und Kommunikationstechnik erwarten wir hohes Engagement beim Entwickeln, Erproben und Weiterentwickeln und von den Verwaltungen beim zügigen Einführen und Umsetzen zukunftsgerechter technologischer Lösungen im Verkehrswesen. Dazu gehören insbesondere

  • elektrische Eisenbahnfahrzeuge mit Energiespeicher, die auf Nebenstrecken ohne Oberleitung ebenso wie mit Stromabnahme aus der Oberleitung fahren können
  • die berührungslose Übertragung elektrischer Energie auf Eisenbahnfahrzeuge, Straßenbahnen und Busse
  • elektronische und digitale Stellwerke, die schnellere Änderungen und Umbauten von Weichen und Signalen ermöglichen, um die Zeiten von Strecken- und Bahnhofssperrungen erheblich zu reduzieren
  • der Einsatz des Europäischen Zugsteuerungssystems ETCS zur maximalen Kapazitätserhöhung der Eisenbahnstrecken
  • Niedrige, gleisnahe Lärmschutzwände, die die Eisenbahn nicht verstecken und den Fahrgästen ein Sichterlebnis bieten
  • Gleisbaumaschinen mit geringer Arbeitsbreite, so dass bei Bauarbeiten das Nachbar-gleis befahrbar bleibt und die Totalsperrung von Strecken vermieden wird
  • die Automatisierung des U-Bahn-Betriebs zur Kapazitätserhöhung und zur Verringerung schlechter Arbeitsbedingungen
  • der kranfreie horizontale Umschlag von Containern und Wechselaufbauten zwischen Eisenbahnwagen und Lkw
  • wahrheitsgetreue Echtzeitinformationen über den Fahrtverlauf von Bahnen und Bussen an den Stationen und Haltestellen, in den Fahrzeugen und persönlich über Mobiltelefon abrufbar, auch bei Großstörungen
  • die digitale Parkraumüberwachung
  • digitale und einfachere Verwaltungsprozesse.

Für technische Spielereien wie zum Beispiel Lieferdrohnen, fahrerlose Busse oder Röhrenbahnen dürfen keine personellen, finanziellen und materiellen Ressourcen verschwendet werden.

8. Finanzierung

Mobilität ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. Dieses finanziell abzusichern, gehört zur staatlichen Daseinsvorsorge. Erforderlich sind wesentlich mehr finanzielle Mittel.

Ein neues Verkehrsfinanzierungsgesetz muss dauerhaft die ausreichende finanzielle Ausstattung des Bundes, der Länder, Kreise und Kommunen sichern, und zwar sowohl für Instandhaltung und Ersatzinvestitionen, notwendige Ausbaumaßnahmen als auch die Bestellerentgelte für Verkehrsleistungen. Die bisher zersplitterten Regelungen im Bundesschienenwegeausbaugesetz, Entflechtungsgesetz, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Regionalisierungsgesetz und Personenbeförderungsgesetz müssen zusammengefasst und vereinheitlicht werden. Die willkürliche Trennung zwischen Fernverkehr und Nahverkehr bei den Verkehrswegeinvestitionen, den Verkehrsleistungen und Tarifen muss beendet werden.

Die Kosten für den Erhalt und die Erweiterung der Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs und die steigenden Betriebskosten sollen auf alle Bürger und auf gewerblich tätige Firmen und Einrichtungen umgelegt werden, weil alle davon Vorteile haben. Die Beiträge und Gebühren aus den zusätzlichen Einnahmequellen sollen die heutigen Fahrgeldeinnahmen ersetzen, den erhöhten Bedarf an Infrastruktur, Fahrzeugen und Verkehrsleistungen des öffentlichen Verkehrs abdecken und für einen Investitionsschub eingesetzt werden.

Für den Straßenbau ist erheblich weniger Geld auszugeben.

8.1 Infrastruktur

Wir unterstützen die Vorhaben der Beschleunigungskommission Schiene des Bundes, die Finanzierung des Bestandsnetzes sowie der Ausbau- und Neubaumaßnahmen zu vereinfachen und zu verstetigen.

Bis zum Wirksamwerden eines angestrebten neuen Verkehrsfinanzierungsgesetzes müssen die heutigenFinanzierungsquellen zum Erhalt und zur Erweiterung der Infrastruktur stabil weiter nutzbar sein.

Wer viel Lärm, Abgas, Feinstäube und Treibhausgase erzeugt und öffentliche Flächen zum Abstellen des privaten Autos benutzt, muss mehr zur Finanzierung beitragen als Radfahrende oder Zufußgehende, die kaum diesbezügliche Kosten verursachen, aber davon vorwiegend geschädigt werden. Deshalb ist es gerecht, viel mehr und viel höhere Parkgebühren zu erheben und diese zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs einzusetzen.

8.2 Verkehrsleistungen

Die Finanzierung des ÖPNV aus dem Landeshaushalt muss einen Inflationsausgleich erhalten.

In der vom Senat beauftragten Studie der Fa. Ramboll „Ergänzende Instrumente zur Finanzierung des Berliner ÖPNV“ vom November 2020 wurden Möglichkeiten untersucht, weitere Quellen zur Finanzierung der zu steigernden Verkehrsleistungen zu erschließen. Darin wurde die juristische und wirtschaftliche Anwendbarkeit zusätzlicher Finanzierungsinstrumente und ihre Wirksamkeit beim Beeinflussen der Verkehrsmittelwahl in Richtung ÖPNV ausgelotet.

Wegen geringer Erfolgsaussichten sollen die untersuchten Verfahren der Nutznießerfinanzierung – Gründstückseigentümerbeitrag, Gewerbebetriebebeitrag und Übernachtungsgewerbebeitrag – vorerst nicht weiterverfolgt werden. Sie sind nach Aussagen der Gutachter wegen der Kriterien in der deutschen Gesetzeslage – anders als in Frankreich – kompliziert und wenig ergiebig.

Umsetzbar und anzustreben ist ein einkommensabhängiger solidarischer Bürgerbeitrag für alle als die Hauptform der Umlagefinanzierung. Dieser würde die heutigen pauschalen „Kombitickets“ zu Veranstaltungen, Semestertickets für Studierende, Jobtickets, Tourismus-tickets, Hoteltickets und Mietertickets zusammenfassen und ersetzen. Dann entfällt der zeitliche, materielle und personelle Aufwand für Fahrscheinverkauf und -kontrolle und für Entwicklung und Einführung der elektronischen Fahrgeldeinziehung. Gleichzeitig entsteht ein Anreiz zur Nutzung der erworbenen Berechtigung, aber auch ein Anspruch zur Einflussnahme auf die Gestaltung des öffentlichen Verkehrs.

Die Höhe des Bürgerbeitrags muss ermittelt und gesetzlich gegen willkürliche Erhöhungen geschützt werden; sie wird geringer als heutige Zeitkartenpreise sein. In Härtefällen sollte der Bürgerbeitrag aus einem Sozialfonds gespeist oder ganz erlassen werden. Geklärt werden muss, wie der Beitrag auch bei Zahlungsunwilligkeit erhoben wird, wie Pendler, Übernachtungsgäste und Tagestouristen einbezogen werden und wie der Anreiz der Verkehrsbetriebe zum Erbringen der Leistungen in Umfang und Qualität erhalten wird.

Der Bürgerbeitrag kann mit Landesgesetz eingeführt werden. Beginnen sollte man mit kleinen Nutzergruppen, die sich zunächst noch in geeigneter Weise ausweisen müssen, und das Modell schrittweise auf ganz Berlin und dann auf den ganzen Verkehrsverbund ausdehnen. Parallel sind Angebot und Infrastruktur zu erweitern, um die zu erwartenden Fahrgastzuwächse in hoher Qualität bewältigen zu können. Geprüft werden sollte die Kopplung mit der Parkgebühr, etwa derart, dass die Parkgebühr auf die ÖPNV-Abgabe angerechnet wird.

Die zweite Form der Umlagefinanzierung ist der Gästebeitrag. Er ist gerechter als die heutige City-Tax, weil er auch die Geschäftsreisenden einbezieht. Er kann mit Landesgesetz eingeführt werden.

Untersucht wurden auch Instrumente mit Lenkungswirkung (Gebühren für die Autonutzung). Als Gebühren können sie zwar für die Aufrechterhaltung und Verbesserung des ÖPNV eingesetzt werden, dies ist aber keine zwangsläufige Pflicht und müsste durch Landesgesetzgebung garantiert werden.

Die Parkraumbewirtschaftung ist trotz der Widerstände der Autofahrer vorrangig weiterzuverfolgen. Sie erfüllt beide Zwecke – Einnahmequelle für den ÖPNV und Beeinflussen der Verkehrsmittelwahl Richtung ÖPNV – am besten. Selbstverständlich muss es Sonderregelungen für diejenigen geben, die aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen unbedingt ständig auf ihr eigenes Auto angewiesen sind oder nicht mobil sein können oder wollen. Diese geschätzt 5 % der Bevölkerung, also 10 % der Autofahrer, dürfen jedoch nicht vorgeschoben werden, um das Parkraummanagement oder den solidarischen Bürgerbeitrag abzulehnen.

Falsche Anreize für Autofahrer wie die heutige „Entfernungspauschale“, geringere Steuern auf Dieselkraftstoff (Dieselprivileg), zu geringe Steuern für die private Nutzung von Dienstwagen (Dienstwagenprivileg) müssen abgeschafft werden.

8.3 Fahrgeld

Wir wollen, dass der öffentliche Verkehr zu jeder Zeit und von jedem Menschen routinemäßig benutzt werden kann, ohne dass komplizierte Linienführungen, Fahrpläne und Tarife beachtet oder verschiedenartige komplizierte, störanfällige Automaten bedient werden müssen und ohne dass beim Ein- und Aussteigen irgendwelche Handlungen erforderlich sind. Die Fahrpreise sollen nicht weiter ständig steigen, sondern geringer werden.

Das Neun-Euro-Ticket hat viele Menschen zum Fahren mit dem ÖPNV gebracht, darunter auch solche, die ihn sich wegen der hohen Fahrpreise bisher nicht leisten konnten. Vor allem der unkomplizierte Zugang – in den ÖPNV einsteigen und losfahren, ohne über irgendwelche Tarifzonen oder Nutzungsbeschränkungen nachdenken zu müssen – zog viele Menschen an.

Wir unterstützen die Folgeregelung mit dem bundesweit gültigen Monatsabonnement „Deutschlandticket“ für derzeit 49 Euro. Vielfahrende und Pendelnde, die oft über höheres Einkommen verfügen, werden massiv entlastet, aber für Menschen mit geringem Einkommen oder einer geringen Fahrtenhäufigkeit ist der Fahrpreis immer noch zu hoch.

Einzelne Bundesländer und Städte wollen das mit lokal oder regional geltenden Tickets für bestimmte Zielgruppen ausgleichen. Die regionale Abgrenzung ist jedoch problematisch. Deshalb bevorzugen wir einen bundesweit einheitlich geltenden Pauschalpreis. Für den Normaltarif in der 2. Klasse halten wir die Größenordnung von 30 Euro im Monat für angemessen. Außerdem ist ein ermäßigter Preis (etwa die Hälfte) für Azubis, Studierende, Senioren, Bezieher von Elterngeld, Krankengeld, Selbstständige mit geringem Einkommen und Empfänger von Sozialleistungen notwendig. Schüler sollten entgeltfrei fahren können.

Außer dem digitalen Verfahren muss das „Deutschlandticket“ auch mit Bargeld bezahlt werden können und auf Verlangen in gegenständlicher Form ausgegeben werden.

Auf Bundesebene ist darauf hinzuwirken, dass auch für den Fernverkehr ein Pauschalpreis eingeführt und damit die willkürliche Trennung zwischen Regional- und Fernverkehr aufgehoben wird. Die Pauschalpreise für den Fernverkehr und für die 1. Klasse können in der Regel höher sein als der Normaltarif. Für den Familienurlaub sollten allen Bürgern Fernverkehrsfahrten zu einem geringen Preis für begrenzte Geltungsdauern gewährt werden.

Ein geringer Fahrpreis könnte eine Vorstufe zu einem langfristig denkbaren Nulltarif darstellen, der nach den bisherigen Vorstellungen steuerfinanziert wäre. Jedoch drängt sich auf, die Entwicklungsrichtung „preisgünstiges pauschales Deutschlandticket“ mit der Entwicklungsrichtung „einkommensabhängiger solidarischer Bürgerbeitrag“ zusammenzuführen. Bundesweit einheitlich sollte aus dem Bürgerbeitrag das Deutschlandticket finanziert werden.