Taxiverkehr – Fahrpreise und Einkommen entkoppeln!

IG Nahverkehr

Problem und Anlass

In Berlin sind 7.800 Taxis mit mehr als doppelt soviel Fahrern zugelassen. Die Zulassungen (Konzessionen) sind in letzter Zeit stark angestiegen, weil sie nicht begrenzt werden. Etwa die Hälfte der Taxis gehört Firmen mit mehreren Angestellten, die andere Hälfte selbstständigen Einzelunternehmern.

Die Taxis sind zu etwa 30% der Zeit ausgelastet. Die restlichen Standzeiten und Leerfahrten werden über die hohen Fahrpreise mit abgedeckt. Seit 15. Februar 2014 hat der Senat die Grundgebühr von 3,20 € auf 3,40 € und den Kilometerpreis von 1,65 € auf 1,79 € erhöht. Ab 8. Kilometer bleibt es bei 1,28 € je Kilometer.

Die Taxifahrer klagen über 70-Stunden-Wochen und Stundenlöhne zwischen 4,50 und 6,50 €. Die Löhne der Angestellten betragen etwa 38 % des Umsatzes, sind also direkt vom Umsatz abhängig. Die Selbstständigen kalkulieren – maßgeblich abhängig von den Kraftstoffpreisen – und bestimmen jeder für sich, welchen Anteil des Umsatzes sie als Privateinkommen abzweigen. Je mehr Taxis zugelassen sind, desto geringer ist der durchschnittliche Umsatz des Einzelnen und desto geringer sein Einkommen.

Die Preiserhöhung wird nicht dazu führen, dass die Löhne auf den angestrebten Mindestlohn angehoben werden und sich die Einkommen der Selbstständigen erhöhen können, solange weitere Taxis zugelassen werden. Außerdem werden einige Kunden die höheren Fahrpreise nicht mehr bezahlen können und verloren gehen.

Taxifahrer suchen und finden ihre Kunden am leichtesten an Orten und zu Zeiten, wo viele Menschen unterwegs sind, die auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren könnten. Je besser das Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist, desto leichter und zu jeder Zeit findet man als Bedürftiger oder Fahrwilliger auch ein Taxi. Je weitmaschiger und seltener das Liniennetz des ÖPNV bedient wird, desto länger wird man ein Taxi suchen oder auf ein bestelltes Taxi warten müssen. Diese Unterschiede sind schon zwischen Stadtzentrum und Stadtrand von Berlin zu finden, aber noch viel mehr zwischen dicht und dünn besiedelten Gebieten außerhalb der Städte. Innerhalb Berlins mildert die Einsatzsteuerung über die Funkzentralen dieses Problem ab, so dass die Wartezeiten nach telefonischen Bestellungen erträglich sind. Prinzipiell ist dieser Zustand jedoch widersinnig und muss länderübergreifend geändert werden. Das Fahrpreissystem enthält dazu keinerlei Anreize.
 

Aufgaben des Taxiverkehrs im Verbund mit anderen Verkehrsmitteln

An erster Stelle wollen wir den schienengebundenen Verkehr entwickeln und ausbauen, an zweiter Stelle den fahrplangebundenen angebotsorientierten Linienverkehr mit Bussen. Dazu gehört auch ein Nachtliniennetz, das allerdings nicht so eng geknüpft sein kann wie am Tage und in größeren Taktabständen (z. B. halbstündlich) bedient werden kann.

Sonderformen wie Rufbusse und Linientaxi spielen innerhalb der Stadtgrenzen von Berlin keine Rolle und sollen hier nicht betrachtet werden.

Der Taxiverkehr stellt eine Ergänzung des öffentlichen Verkehrs und eine Zwischenform zwischen diesem und dem individuellen Verkehr dar. Er ist weder an Linien noch an Fahrpläne gebunden. Für bestimmte Bedürfnisse ist er Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, für andere nicht. Das hängt von dem Grund ab, aus dem der Fahrtwunsch aufkommt. Die Gründe können in drei Gruppen eingeteilt werden:

  1. Mängel oder begrenzte Möglichkeiten des öffentlichen Verkehrs:
    • Start oder Ziel außerhalb des Liniennetzes, z.B. Ausflugsziele
    • Fahrtwunsch außerhalb der Bedienzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel
    • Weite Entfernung zur Haltestelle
    • Mehrfaches Umsteigen
    • Lange Taktzeit, z.B. in Tagesrand- und Nachtzeiten
    • Ausfall oder Störung des öffentlichen Verkehrs
  2. Persönlich bedingte Umstände:
    • Gepäck
    • Gesundheitszustand
    • Kleinkind
  3. Besonderes Bedürfnis nach Bequemlichkeit oder Zeitersparnis:
    Hier besteht individuell der Wunsch, nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen, obwohl dies ohne weiteres möglich wäre. Das Verkehrssystem soll solche Wünsche befriedigen, dies ist aber als Luxus einzustufen.
     

Einsatzorte und Einsatzzeiten steuern

Wenn der Taxiverkehr eine Ergänzungsfunktion zum öffentlichen Verkehr erfüllen soll, kann er nicht dem Konkurrenzkampf der Taxifahrer überlassen bleiben, sondern muss staatlich gesteuert werden. Anders als heute muss der größere Teil der Taxis dort stationiert werden, wo wenig oder gar kein öffentlicher Verkehr vorhanden ist.

Anzustreben ist,

  1. bei Mängeln oder begrenzten Möglichkeiten des öffentlichen Verkehrs den Taxiverkehr zulasten des motorisierten Individualverkehrs auszudehnen. Das bedeutet, den Fahrwilligen kurze Wartezeiten und geringe Fahrpreise zu bieten;
  2. bei persönlich bedingter Notwendigkeit angemessenen Taxiverkehr mit kurzen Wartezeiten zu bieten;
  3. Luxusfahrten als umweltschädlichen Straßenverkehr möglichst zu reduzieren. Als Anreiz dafür sollen kostendeckende Fahrpreise erhoben werden.

Die Aufgabe besteht darin, Steuerungsmechanismen zu entwickeln, mit denen die angestrebten Ziele erreicht werden können.
 

Fahrpreise

Der Normalpreis für Fahrten bei Mängeln oder begrenzten Möglichkeiten des ÖPNV muss deutlich billiger werden als heute, und zwar maximal doppelt so teuer wie der ÖPNV. Der Luxuspreis für Luxusfahrten muss kostendeckend sein, also möglicherweise teurer als heute. Da dem Taxifahrer nicht zugemutet werden kann zu unterscheiden, ob ein Kunde aus persönlich bedingter Notwendigkeit oder aus Luxus das Taxi benutzen will, und keine starren Grenzen gezogen werden können, müssen objektive Kriterien für das Anwendungsgebiet und die Anwendungszeit der unterschiedlichen Fahrpreise festgelegt werden.

Zeitlich könnten die Preise zum Beispiel nach Tag/Nacht/Übergangszeit sowie nach Werktag/Sonnabend/Sonntag gestaffelt werden. Logisch ist, dass Taxifahren nachts billiger ist als tagsüber und am Wochenende billiger als werktags.

Für eine örtliche Differenzierung bieten sich die bestehenden Tarifgebiete A, B und C an. Im Tarifgebiet B muss der Fahrpreis niedriger als im Tarifgebiet A und höher als im Tarifgebiet C sein. Über die Satellitenortung der aktuellen Taxistandorte und entsprechende Programme in den Taxametern lässt sich ein zeit- und ortsabhängiger Tarif umsetzen, zumindest innerhalb des Tarifgebiets ABC des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg.

Regelungen für ermäßigte Fahrpreise für bestimmte Personengruppen wären zu prüfen.

Die pauschale Erhöhung der Fahrpreise ist kontraproduktiv. Sie löst die bestehenden Probleme beim Einkommen der Taxifahrer und beim ökologisch sinnvollen Einsatz der Taxis nicht.
 

Einkommen der Taxifahrer und Anzahl der Zulassungen

Die Einkommen der angestellten Taxifahrer und der Taxiunternehmer müssen unabhängig von den Fahrpreisen sein. Das Grundeinkommen muss unabhängig von der Anzahl der Fahrten gesichert werden. Es kann mit umsatzabhängigen Einkommensbestandteilen ergänzt werden. Der Staat muss den Taxiunternehmen Zuschüsse in der Höhe gewähren, dass sie den Taxifahrern einen angemessenen Grundlohn zahlen und wirtschaftlich arbeiten können.

Als Übergangslösung könnte die Neuzulassung von Taxis und Taxifahrern gestoppt werden. Über einen längeren Zeitraum würde sich dann die Anzahl der Konzessionen auf das benötigte Maß verringern, wenn die zurückgegebenen Zulassungen nicht durch neue ersetzt werden. Um die Nachfrage mit kurzer Wartezeit abzudecken, sind in Berlin in der Regel 6000 bis 7000 Taxis erforderlich, bei bestimmten Großveranstaltungen mehr. Die genaue Anzahl wäre zu ermitteln, nach sozialverträglicher Reduzierung einzuhalten und in Abständen zu überprüfen.