Wiederinbetriebnahme der Heidekrautbahn
Basdorf - Wilhelmsruh

IG Nahverkehr

Ziele und Beschlusslage

Die Niederbarnimer Eisenbahn AG (NEB) hat die Absicht, ihre Stammstrecke Basdorf – Wilhelmsruh wieder für den regulären Personenverkehr betriebsbereit zu machen. Die Züge sollen aber – anders als bis 1961 – über Wilhelmsruh hinaus in Richtung Gesundbrunnen durchgebunden werden. Das ist sehr sinnvoll und deckt sich mit unseren Vorstellungen im Eisenbahnkonzept von 2012 und im »Leitbild Mobilität in Berlin« vom Mai 2015.

Die Stammstrecke gilt seit 1946 als planfestgestellt, auch wenn das Gleis nach 1961 im Grenzgebiet teilweise entfernt wurde. Für den neu zu bauenden Bahnhof Wilhelmsruh besteht ein Planfeststellungsbeschluss von 2010. Die gesamte weitere Strecke soll in heutiger Lage, aber mit geänderten Stationen, ohne Planfeststellungsverfahren wieder in Betrieb genommen werden.

Seit 2010 ruhen die Aktivitäten zur Wiederinbetriebnahme, weil das Land Brandenburg die Verkehrsleistungen nicht mitbestellen will.

Der Landesparteitag hat am 30.05.2015 beschlossen, die Fraktion im Abgeordnetenhaus solle die Aufnahme konkreter Planungen »entsprechend den aktuellen (2015 ff) technischen Regeln für den Gleisbau« verfolgen. Weiter heißt es: »Hierbei sind die Interessen der unmittelbar Betroffenen im Ortsteil Wilhelmsruh hinsichtlich Schall- und Erschütterungsschutz umfassend zu berücksichtigen.« Diese im Unterschied zu den anderen wieder aufzubauenden Eisenbahnstrecken ungewöhnlich ausführliche Forderung ist damit zu rechtfertigen, dass bei der Heidekrautbahn kein Planfeststellungsverfahren vorgesehen oder erforderlich ist und der Senat sich beim Versuch, Einfluss auf die Art und Weise des Wiederaufbaus zu nehmen, nicht kooperativ verhalten hat.

Bahnhof / Abzweigstelle Wilhelmsruh

Der Kopfbahnhof Wilhelmsruh in seiner früheren Form und Lage ebenerdig neben dem Bahndamm der Nordbahn soll nicht wieder aufgebaut werden. Stattdessen soll die Heidekrautbahn auf der Ebene +1 aus der wieder aufzubauenden zweigleisigen Nordbahn mit Weichen ausgefädelt und mit einer Rampe bis auf Geländehöhe abgesenkt werden. Gleich hinter der Abzweigung am Beginn der Rampe soll der Bahnsteig der NEB am 5. Gleis (einschließlich der S-Bahn-Gleise) liegen.

Der Bahnsteig der NEB soll nicht neben dem S-Bahnsteig entstehen, sondern etwa 150 m versetzt Richtung Oranienburg. Damit wird der 5. Gleisüberbau über die Kopenhagener Straße nicht notwendig. Der längere Fußweg wird vor allem die Umsteiger zum östlichen Innenring und zum Südosten mit der S85 betreffen. Ob das Vermeiden dieser Unannehmlichkeit den zweiten Personentunnel zum S-Bahnsteig oder den 5. Gleisüberbau rechtfertigt, ist nochmal überlegenswert.

Zuganzahl, Takt

Laut Planfeststellungsbeschluss für Wilhelmsruh sind 16 Zugpaare, davon 2 Zugpaare nachts zwischen 22 und 6 Uhr, vorgesehen. Das entspricht etwa einem Stundentakt tagsüber.

Wir halten einen durchgehenden Halbstundentakt für erforderlich, anfangs zumindest in der Hauptverkehrszeit.

Durchgangsgüterverkehr ist nicht geplant, aber vermutlich einzelne Werkanschluss-bedienungen. Offen ist, ob diese über Basdorf oder über Wilhelmsruh stattfinden sollen.

Stationen

Die Stationen sollen zum Teil andere Standorte erhalten.

Einverstanden sind wir mit folgenden Stationsplanungen:

  • Neuer Haltepunkt Pankow Park im Industriegelände von ehemals Bergmann-Borsig
  • Wilhelmsruher Damm (früher Rosenthal) nördlich dieser Straße in der Nähe der Straßenbahn-Endhaltestelle M1
  • Schildow am alten Standort
  • Schönwalde, zusätzlich zu der an der Strecke nach Karow bestehenden Station.

In Mühlenbeck ist ein Haltepunkt in der Nähe der S-Bahn-Station Mühlenbeck-Mönchmühle, etwa in der Mitte zwischen den früheren Stationen Mühlenbeck und Schildow-Mönchmühle, geplant. Wir fordern, diesen Haltepunkt so nah wie möglich am S-Bahnsteig mit kürzest möglichem Umsteigeweg anzuordnen.

Nicht mehr vorgesehen ist eine Station in Blankenfelde. Auch wenn der Bahnhof am Ortsrand von Blankenfelde liegt, ist es widersinnig, eine Strecke zu reaktivieren und an einem bewohnten Ortsteil ohne Halt vorbeizufahren. Begründet wird dies mit nicht ausreichender Zeit zwischen den Begegnungsbahnhöfen und dem geringsten Fahrgastpotenzial der denkbaren Stationen. Wir fordern, im Zusammenhang mit der Planung der Ausweichbahnhöfe für den Halbstundentakt das Reaktivierungskonzept so zu überarbeiten, dass auch in Blankenfelde ein Halt möglich wird. Dieser wird auch den Einwohnern von Lübars nützen.

Kreuzungen mit Straßen, Fuß- und Radwegen

Zur technisch gesicherten Inbetriebnahme der vorhandenen Bahnübergänge Hertzstraße und Lessingstraße haben wir keine Einwände. Die Sicherungstechnik wird, um genehmigungsfähig zu sein, den aktuellen technischen und verkehrsrechtlichen Standards entsprechen und gewährleisten, dass die Streckengeschwindigkeit 80 km/h eingehalten werden kann.

Zwischen Lessingstraße und Wilhelmsruher Damm bestehen heute ungesicherte Trampelpfade über das Streckengleis, weil sich Wegbeziehungen zwischen Wohngebieten, Verkaufseinrichtungen und Schulen herausgebildet haben. Bei künftigem regelmäßigem Eisenbahnbetrieb müssen die Wegkreuzungen zusammengefasst, aber große Umwege vermieden werden. Erforderlich sind ein breiter Fuß- und Radweg mit Umlaufsperre und mehrere Fußwege mit Umlaufsperre. Die Kreuzungen müssen so übersichtlich sein, dass die Streckengeschwindigkeit 80 km/h eingehalten werden kann. Zäune zur Sicherung der Strecke sind nicht sinnvoll, höchstens punktuell. Von den Fußgängern, auch von Kindern, erwarten wir, dass die neuen Überwege benutzt werden, das Gleis mit der gleichen Vorsicht wie eine Straße überquert und der längere Bremsweg der Schienenfahrzeuge berücksichtigt wird.

Am Wilhelmsruher Damm hat der vorhandene Bahnübergang Bestandsschutz. Der Straßenzug Wilhelmsruher Damm hat sich nach der Grenzöffnung zu einer Hauptverkehrsstraße zwischen den Ortsteilen der Bezirke Pankow und Reinickendorf mit starkem Autoverkehr in der Hauptverkehrszeit entwickelt. Beim Halbstundentakt wären die Schranken viermal in der Stunde für etwa zwei Minuten geschlossen. Das ist weniger als zum Beispiel auf der stark befahrenen Oberspreestraße am S-Bahnhof Oberspree, wo die S-Bahn im 20-Minuten-Takt fährt.

Veranlasser einer eventuellen niveaufreien Kreuzung (Straßenabsenkung) wäre der Straßenverkehr und damit das Bezirksamt Pankow in Abstimmung mit dem von Reinickendorf und der Senat. Der Senat müsste die Baumaßnahme so planen und ausführen, dass die Straßenbahn von Rosenthal nach Wittenau gleichzeitig oder ohne späteren Umbau verlängert wird, und mit der NEB eine Vereinbarung nach dem Eisenbahn-Kreuzungsgesetz abschließen.

Schall, Erschütterungen und Abgase

Sehr dicht an der Bahntrasse steht das ehemalige Bahnwärterhaus an der Hertzstraße, noch heute Wohnhaus. Hier muss geprüft werden prüfen, welche Maßnahmen zum Schall- und Erschütterungsschutz erforderlich sind.

Im weiteren Verlauf zwischen Goethestraße, Schillerstraße und Lessingstraße sind östlich der Eisenbahntrasse neue Einfamilienhäuser mit Gärten entstanden. Diese sind zum Teil durch ein Kindergartengebäude, zum Teil durch die Vormauer der ehemaligen Grenzbefestigung, zum Teil durch einen Erdwall von der Eisenbahntrasse getrennt, vereinzelt aber auch ungeschützt. Einige neu angesiedelte Anwohner erklären, sie hätten von der Eisenbahnstrecke nichts gewusst. Ob das Schutzbehauptungen sind, lässt sich möglicherweise in Baugenehmigungsunterlagen nachprüfen.

Die zu erwartenden Schallemissionen, Erschütterungen und Abgase sind vergleichsweise gering, weil die Zuganzahl gering, die Triebwagen recht leise und eventueller Güterverkehr verschwindend gering sein werden. Am ehesten ist Lärm von eventuellen Pfeifsignalen der Züge vor den unbeschrankten Bahnübergängen zu erwarten. Diese sind weitgehend vermeidbar, wenn die die Bahnübergänge gut einsehbar für die Verkehrsteilnehmer gestaltet werden.

Trotzdem sollte vor Betriebsaufnahme begutachtet werden, ob Schall und Erschütterungen, die zu erwarten sind, unter den zulässigen Grenzwerten liegen. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu besteht offenbar nicht. Wenn das Bezirksamt dazu nicht bereit sein sollte, könnte der Bürgerverein oder ein Zusammenschluss von betroffenen Bürgern ein solches Gutachten beauftragen. Sollte dabei eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte festgestellt werden, wäre eine abschnittsweise differenzierte Planung sinnvoll. Infrage kommen zum Beispiel niedrige Schallschutzeinrichtungen unmittelbar neben dem Gleis und schallschluckende Gleise (Flüstergleise). Wir wollen keine hohen Schallschutzwände und keine rein schall- und erschütterungsbedingten Geschwindigkeitsherabsetzungen.

Bei allen Maßnahmen sind die Interessen der zahlreichen Fahrgäste an schneller, häufiger und bequemer Beförderung mit den Interessen einzelner Anwohner abzuwägen.

Die nächsten Aufgaben

Der günstige Umstand, dass die Strecke Bestandsschutz hat, muss für die schnellstmögliche Betriebsaufnahme des Personenverkehrs genutzt werden. Eine durchgehende Neuplanung der gesamten Strecke, die ein langwieriges Planfeststellungsverfahren nach sich zieht, würde das Vorhaben verzögern.

Die gemeinsame Aufgabe der Linken-Fraktionen im Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen Pankow und Reinickendorf besteht darin, Planung, Bau und Inbetriebnahme der Heidekrautbahn mit attraktivem Verkehrsangebot zu beschleunigen und den Interessenausgleich der Behörden und Unternehmen mit den Fahrgästen und Anwohnern zu erwirken.

Notwendig sind genaue Informationen, was das Eisenbahninfrastrukturunternehmen NEB im einzelnen beabsichtigt. Gemäß ihrer Webseite will die NEB die Strecke weitgehend wieder so herrichten, wie sie bis 1961 und ab Blankenfelde noch länger in Betrieb war, plant aber Änderungen an den Übergängen und ihrer Sicherung und Signalisierung sowie an den Haltepunkten und Bahnhöfen. Aufzuklären wäre, ob hier punktuelle Plangenehmigungs-verfahren vorgesehen oder erforderlich sind.

Für die Gestaltung der Eisenbahnkreuzungen (Wilhelmsruher Damm, neue Fuß- und Radüberwege) liegt das Interesse, initiativ zu werden, bei den Bezirksämtern Pankow und eventuell Reinickendorf. Dort wären die Interessen der Bürger einzubringen.

Unabhängig davon entspricht es unserem Verständnis von Demokratie und Bürgerbeteiligung, über solche Planungen in allen Phasen transparent zu informieren, Änderungsvorschläge der Bürger und Verbände aufzugreifen und auszudiskutieren.

Zu den fachlichen Einzelheiten der Baumaßnahmen sind weitere Abstimmungen zwischen der NEB, den Bezirksämtern Pankow und Reinickendorf, dem Kreis Barnim, dem Berliner Senat und dem Land Brandenburg nötig. Diese sehen wir als Ansatzpunkt für den Versuch der Einflussnahme. Die Änderungswünsche sollten allen Beteiligten konkret schriftlich zur Kenntnis gegeben werden.