Bitcoin, Kryptowährungen und digitaler Euro - wo steht Die Linke?

Maximilian Blum

Der Bitcoin polarisiert die linke Bewegung seit Jahren. Weil das immer noch so ist, haben wir ihn uns noch einmal vorgeknöpft.

Die linken Perspektiven auf den Bitcoin begründen sich in erster Linie im Schutz vor politischer Willkür und Sanktionierung einzelner Menschen, Gruppierungen und Staaten. Auch die vielen instabilen Länder mit Hyperinflation können sich mit dem Bitcoin beispielsweise vom US-Dollars lösen und ein vergleichsweise stabilies Geldsystem nutzen. Von Wikileaks über Sci-Hub, gesperrten Konten und Wirtschaftssanktionen - ohne den Bitcoin, der beinahe in jedem Land der Welt in Bargeld getauscht werden kann, wären diese Instrumente der Repression noch viel wirksamer als sie es ohnehin schon sind - natürlich auch bezogen auf Repression in autoritär geprägten Staaten wie Russland und China. Langfristig könnte mittels des Bitcoins das bisherige kreditbasierte Geldsystem überwunden werden, und damit die inhärenten Zwänge des Wachstums und der Ausbeutung. Transparenz und Selbstbestimmung sind möglich aufgrund der dezentralen Community und des Open-Source-Charakters vom Backend bis zur Wallet. Gerade auch darin unterscheidet sich der Bitcoin von den meisten anderen Kryptowährungen. Soweit, so gut.

Doch es gibt eine Kehrseite: Die Annahme, Geld könne unpolitisch sein, ist bedingungslos unzutreffend, und das gilt auch für den Bitcoin: Historisch bedingt sind Bitcoins sehr ungleich verteilt. Vorhersagbarkeit und Beeinflussbarkeit der bedenklich starken Kursschwankungen ebenso. Auch wenn Kapitalerträge anders besteuert werden könnten und müssten, entzieht sich der Besitz von Bitcoins der hoheitlichen Kontrolle. Bitcoin-Banken von Blackrock, Deutsche Bank & Co nutzen den Bitcoin zur Erweiterung ihrer Geschäftstüchtigkeit. Die Dezentralität der Rechenleistung im Maschinenraum des Bitcoins bestimmt über die Unabhängigkeit, doch real liegt hier alles andere als eine Gleichverteilung der Ressourcen vor.  Dennoch wird für dieses Prinzip versuchter Unabhängigkeit ein schweres Laster mitgeschleppt - ein ungeheuerlicher Ressourcenverbrauch. Selbst wenn benötigter Strom nur aus erneuerbaren Energien bezogen würde, gebraucht wird er sicherlich für andere Dinge mehr als für das parallele lösen schwieriger Rechenaufgaben, allein nur um das Prinzip "Strom zu Vertrauen" in Betrieb zu halten. Deshalb lehnt Die Linke im EU-Wahlprogramm 2024 auch das energieintensive Mining von Kryptowährungen ab. Weiterhin auch gilt das Prinzip "follow the money", weshalb ein weitgehend anonymes Geldsystem nicht nur Chancen, sondern ebenso große Risiken im Entwurf einer sozialistischen Gesellschaft mit sich brächte. Privatssphäre beginnt bei den Persönlichkeitsrechten, aber sie endet beim Eigentum.

Der Ist-Zustand des Geldsystems ist noch besorgniserregener: Geschäftsbanken schöpfen außerhalb der demokratischen Kontrolle Fiatgeld, das zudem anfällig für Spekulation ist und der Zentralbank notwendige finanzpolitische Mittel beschränkt. Etliche zwischengeschaltete Zahlungsdienstleister und Geschäftspartner schöpfen Profite ab und verletzen Persönlichkeitsrechte durch fragwürdige Geschäftsbedingungen, denen die Nutzenden pseudo-freiwillig zustimmen und sich dabei an Data Broker zur Speisung von Werbe-IDs verkaufen. Aber auch die Zentralbanken selbst sind ein Hort der Intransparenz. Ihnen mehr Macht zuzuweisen, könnte die faktische Gewaltenteilung weiter abschwächen und politische Willkür verstärken. Was also ist in diesem Kontext vom digitalen Euro zu halten?

2021 hat sich die Bundestagsfraktion der Linken im Antrag 19/28526 für die Einführung eines digitalen Euros ausgesprochen, die Gründe dafür sind im Antrag genannt, aber notwendige Gestaltungskriterien wie eine zinsfreie Auslegung und Ermöglichung weitgehend anonymer Transaktionen bis zu einem Schwellwert. Wir möchten ergänzen, dass der digitale Euro maximal transparent sein muss. Viel hängt davon ab, welche Bezahlsysteme dabei genutzt werden. Der GNU-Taler könnte eine gute Grundlage dafür sein. Stattdessen ist in Entwürfen jedoch wenig von Transparenz und Open-Soruce, viel aber von kommerzieller Verwertung von Finanztransaktionsdaten zu lesen. Wenn also der digitale Euro eine falsche Umsetzung erfährt - und das ist angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse wahrscheinlich - so wird er durch uns abgelehnt werden müssen, und der Bitcoin könnte als Zufluchtsort weiter seine Notwendigkeit erweisen.