Gegen Staatstrojaner
Staatstrojaner sind vorwiegend staatlich genutzte Schadprogramme, die ohne Wissen der/des Betroffenen dessen digitale Endgeräte manipulieren. Dabei werden scheinbar geschützte Informationen und Kommunikationsdaten ausgleitet und für Dritte lesbar gemacht. Staatstrojaner stellen eine Form der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung dar.
Um Schadprogramme unbemerkt auf Geräten der Nutzer:innen laufen zu lassen, müssen IT-Schwachstellen bestehen und gezielt ausgenutzt werden. Das zwangsläufig resultierende Geheimhalten von IT-Schwachstellen gefährdet die IT-Sicherheit Aller. Gerechtfertigt wird dies mit der Überwachung Einzelner. Es ist offensichtlich, dass hierbei die Nutzen-Risiken-Abwägung völlig inakzeptabel ausfällt. IT-Schwachstellen müssen gemeldet und schnellstmöglich behoben werden! Davon abgesehen, laufen die gesetzlichen Maßnahmen darauf hinaus, dass es keineswegs nur um Überwachung Einzelner geht, sondern auch um Kleinkriminalität bis hin zur "präventiven" Massenüberwachung, was vollkommen unvereinbar mit Demokratie und digitaler Selbstbestimmung ist. Als manipulativer Eingriff in das digitale Gerät der Nutzer:in wird die Integrität der IT-Systeme untergraben, und durch das Auslesen auch nicht-gesendeter Informationen ist der Trojaner ein ungleich invasiveres Mittel als etwa das herkömmliche Abhören von Telefonverbindungen. Versprechungen, mittels Quellen-TKÜ, dem sogenannte "kleinen" Staatstrojaner, würde tatsächlich nur laufende Kommunikation abgegriffen werden, haben sich nach Software-Analysen des ChaosComputerClub als wenig glaubhaft und technisch nicht plausibel umsetzbar erwiesen.
Begründet wird der Trojaner mit Floskeln wie etwa der Notwendigkeit, bei der staatlichen Überwachung mit der Zeit mitgehen zu müssen, mit einem "Going Dark" durch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder aber dem unausweichlich notwendigen Kampf gegen Terror und Kindesmissbrauch. In untenstehendem Positionspapier begründen wir, warum das eine absurde Debatte ist.
Schon seit mindestens 2010 werden Staatstrojaner durch deutsche Behörden verwendet, damals noch ohne gesetzliche Grundlage. Im Jahr 2017 wurde durch den deutschen Bundestag die rechtliche Grundlage zum polizeilichen Einsatz von Staatstrojanern selbst gegen Alltagskriminalität geschaffen. Im Jahr 2021 wurde die Befugnis auch allen deutschen Geheimdiensten gegeben, und der polizeiliche Spielraum sogar noch auf präventiven Trojaner-Einsatz ohne Vorliegen einer Straftat ausgeweitet. Der Gipfel ist die nunmehr auch geltende gesetzliche Verpflichtung von Internet-Anbietern, aktiv bei der Infektion der Geräte ihrer Kundinnen mitzuwirken. Diese völlig absurde Forderung trieb selbst Google und Facebook zum Protest gegen die deutschen Vorhaben - geholfen hat es nichts, die neuen Gesetze sind von CDU/CSU und SPD im Juni 2021 beschlossen worden.
DIE LINKE stellt sich kategorisch gegen derlei Bestrebungen. Staatstrojaner zerstören Privatsphäre, Demokratie und IT-Sicherheit. Unter den bisherigen Regierungsbeteiligungen der LINKEN in Thüringen, Bremen, Berlin und Brandenburg, sind bisher sämtliche Bestrebungen zur Beschaffungen oder gar Einsatz von Staatstrojanern erfolgreich abgewehrt worden. Keine andere im Bundestag vertretene Partei folgte bisher einer so konsequenten Haltung in dieser Frage. Es ist jedoch immer wieder ein harter Kampf, in Koalitionen mit der SPD diese Linie erfolgreich durchzuhalten, wie das Polizeigesetz in Brandenburg zeigt. Als LAG Netzpolitik wollen wir künftig verstärkt Argumente und alternative Strategien der Sicherheitspolitik erarbeiten, die Staatstrojaner und Verbote der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auch aus sicherheitspolitischer Sicht überflüssig machen. Denn nur so können IT-Sicherheit, Privatssphäre und Demokratie sichergestellt werden.
Als Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik der LINKEN Berlin haben wir ein Positionspapier explizit zum Staatstrojaner verfasst, das später auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft beschlossen wurde:
Beschluss der Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik
Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik
Positionspapier Digitale Sicherheit der linken Bundestagsfraktion:
http://neu-alexander.de/files/2018/08/Diskussionspapier.pdf
Anfragen der Bundestagsfraktion der LINKEN zum Thema Staatstrojaner:
Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat
Schriftliche Fragen des Abgeordneten Andrej Hunko
Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner:
https://digitalcourage.de/blog/2018/verfassungsbeschwerde-gegen-staatstrojaner-eingereicht
Lage in Berlin:
Unter dem damaligen CDU-Innensenator Frank Henkel wurde für das Landeskriminalamt Berlin mehrfach Trojanersoftware gekauft, unter anderem von Syborg. Unklar ist, ob und wie diese daraufhin eingesetzt wurde. Seit dem Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün wurden Aktivitäten in diese Richtung beendet, es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass das LKA Berlin weiterhin im Besitz der damals beschafften Schadsoftware ist.