Online-Demokratie – Jugendgruppe der Berliner LINKEN hat »Liquid Feedback« ausprobiert

Liquid Feedback (LQFB) – das ist eine Software zur Durchführung transparenter Abstimmungen im Internet, ein Werkzeug für Online-Demokratie. Mehr noch: durch ein System der Stimmendelegation soll ein fließender Übergang zwischen direkter und repräsentativer Demokratie ermöglicht werden, genannt »Liquid Democracy«. Jeder Teilnehmer kann jederzeit entscheiden ob er selbst aktiv an Abstimmungen teilnimmt, oder ob er seine Stimme einem anderen Teilnehmer überantwortet. LQFB fomulierte den Anspruch, Schwung in unsere Demokratie, ja unsere politische Gesellschaft zu bringen. Klingt vielversprechend, nicht wahr? Das dachte sich auch die Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik der Berliner LINKEN, die gemeinsam mit der Jugendgruppe (Basisorganisation; BO) Mitte eine Erprobung der Software durchführte. Aus eigener Kraft gelang es rein ehrenamtlich, die Software für unsere Zwecke nutzbar zu machen.

Während der Vorbereitungen zeichnete sich ab, dass in der Piratenpartei, für die LQFB entwickelt wurde, zunehmend Schwierigkeiten mit dem Liquid Democracy-Ansatz auftaten. »Wie können nachprüfbare Abstimmungen möglich sein, ohne das Wahlgeheimnis auf‘s Spiel zu setzen?« ist eine der ungelösten Fragen. Die Piraten sind sich im weiteren Umgang mit LQFB uneins.

Ob das System LQFB eine Bereicherung klassischer Parteistrukturen sein kann, wollte die LAG Netzpolitik mit der Jugend-BO Mitte nun mal ausprobieren. Erste Themen wurden unter den rund 30 angemeldeten Teilnehmern zur Diskussion gestellt und abgestimmt. Doch obwohl vereinbart war, die Ergebnisse der Online-Diskussion als verbindliche Beschlüsse zu betrachten, schlief die Beteiligung recht schnell wieder ein. Dies liegt möglicherweise nicht an der Methode selbst, sondern daran, dass LQFB auf eine breite Diskussionteilnahme und ausreichend Zeit für Debatte und Abstimmung ausgelegt ist. Bei einer relativ kleinen Gruppe werden so Online-Diskussionen von regelmäßigen Gruppentreffen mitunter überholt. Auch die Gestaltung der LQFB-Software wurde von einigen Nutzern bemängelt. Ist die Online-Debatte bei einer Gruppe wie der sich regelmäßig treffenden Jugend-BO in Mitte also mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Ist die Software eigentlich hinreichend benutzerfreundlich? Oder eignet sich LQFB eigentlich doch gar nicht für die Arbeit einer Mitgliederpartei?

Was auch immer das konkrete Problem beim Testlauf war, wir sind froh, dass wir es probiert haben. Die technische Funktionsfähigkeit der ehrenamtlich betriebenen Software ist erfolgreich demonstriert worden. Das prinzipielle Interesse an neuen Möglichkeiten demokratischer Teilhabe über das Internet zeigte sich deutlich – auch in manch anderer BO und Bezirken der LINKEN Berlin, in denen das Projekt vorgestellt wurde. Da wir die Möglichkeiten von Online-Demokratie in unserer Partei dennoch weiter erforschen wollen, werden wir nach den Bundestagswahlen damit weitermachen. Wir werden eine Ebene höher gehen und ein Pilotprojekt mit einem ganzen Bezirksverband anstreben. Denn eins ist klar: Linke Politik ist ohne Diskussion und Teilhabe nicht denkbar.