Leitbild Mobilität in Berlin

IG Nahverkehr

Erarbeitet von Mai 2014 bis Mai 2015.

Arbeitspapier für die Einreichung des Antrags 1 »Der Mobilität Beine machen« zur 2. Tagung des 5. Landesparteitags.

1. Wo wir stehen

Die weltweiten Entwicklungstendenzen der letzten Jahrzehnte, die auch in Berlin wirken, sind:

  • Straßen, Autobahnen und Flughäfen werden großzügig ausgebaut. Die Finanzen fließen überwiegend in diese umweltzerstörenden Verkehrsarten und Industrien und nur spärlich in die Sicherung umweltschonender Mobilität.
  • Die Verkehrsmittel werden schneller. In der Summe wenden die Menschen zwar – wie früher – die gleiche Zeit für Ortsveränderungen auf, aber die zurückgelegten Entfernungen werden weiter.
  • Der Personen- und Güterverkehr nimmt zu, besonders auf der Straße und in der Luft.
  • Aus dem armen globalen Süden werden Rohstoffe und billig produzierte Fertigprodukte in den reichen globalen Norden transportiert. Der Norden transportiert die »veredelten« Rohstoffe als Maschinen, Anlagen und Waffen in den Süden zurück.
  • Auch im reichen globalen Norden können sich immer mehr Menschen ihre eigentlich notwendige Mobilität nicht mehr leisten.
  • Die Umwelt- und Klimakatastrophe hat begonnen. Zeichen sind rasant zunehmende Wasserknappheit, Nahrungsmittelmangel, Flächenmangel, Rohstoffmangel, Energiemangel, Überschwemmungen, Stürme, Dürren, Flächenbrände, Schadstoffzunahme, Müll und Gift zu Lande, in der Atmosphäre, in Flüssen und im Meer. Die zukünftige Bewohnbarkeit der Erde ist ernsthaft gefährdet. Die massenhafte Herstellung von Personen- und Lastkraftwagen, ihr massenhafter Verkehr mit hoher Luftverschmutzung und ihre notwendige Entsorgung haben daran einen Anteil von rund einem Viertel.
  • Die Kosten der Umweltbelastung und -zerstörung werden von den Verursachern auf die Allgemeinheit und auf kommende Generationen abgewälzt.
  • Die Bedürfnisse der Menschen wurden von den natürlichen und gemeinschaftlichen Fortbewegungsarten auf das Auto umgelenkt, so dass sehr viele Menschen ihren Lebensstil auf das private Auto ausgerichtet haben und Mobilität aus der eingeengten Sicht des Autofahrers beurteilen. Bei der Wohnort- und Arbeitsplatzwahl, beim Ort der Bildung für sich und ihre Kinder, der Pflegeeinrichtung für ihre Eltern, der eigenen Freizeitgestaltung und bei der Verkehrsmittelwahl orientieren sie sich vorrangig an der »autogerechten Stadt«. Aus dem gleichen Grund weichen Unternehmen und Handelsketten auf die »grüne Wiese« in Autobahnnähe aus.

Nach den Vorgaben des Bundestags und der Bundesregierung hat sich das auf den Verkehr in Berlin und Umland so ausgewirkt:

  • Sehr viele Straßen wurden neu gebaut und ausgebaut. Der Ausbau der Rad- und Fußwege begann verzögert und verläuft zu langsam.
  • Nachdem einige der teilungsbedingt unterbrochenen Schienenwege wiederhergestellt und eine neue Nord-Süd-Achse errichtet wurden, gibt es seit vielen Jahren keine Fortschritte beim Netzausbau der Eisenbahn und der Straßenbahn in Berlin und seinem Umland.
  • Die Instandhaltung von Eisenbahnstrecken und -brücken wurde vernachlässigt.
  • Das Angebot an öffentlichem Verkehr und die Möglichkeiten umweltschonender Mobilität halten nicht Schritt mit der steigenden Anzahl Einwohner, Pendler und Besucher und den unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen, je nach Alter, Gesundheitszustand und Wegezweck.
  • Der öffentliche Nahverkehr ist zu oft unpünktlich und unzuverlässig. Die Fahrpreise sind schon zu hoch und werden dennoch ständig weiter erhöht.
  • Die finanziellen Mittel für den »Umweltverbund« aus Fußverkehr, Radverkehr und öffentlichem Nahverkehr reichen nicht aus.
  • Der öffentliche Straßenraum wird von umweltschädigenden Autos beherrscht. Die Fließgeschwindigkeit des Autoverkehrs hat Vorrang vor allen anderen Verkehrsarten.
  • Die verschiedenen zaghaften Ansätze zu einer gerechteren und umweltschonenderen Raumaufteilung sind unübersichtlich:
    • Tempo-30-Zonen mit ungeschriebenem, aber faktischem Vorrang für Autos
    • Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich mit Tempo 20 oder 10 und Autovorrang
    • Verkehrsberuhigter Bereich (Spielstraße) mit Schrittgeschwindigkeit und Gleichberechtigung o Begegnungszone mit Tempo 20, gemeinsam genutzter Verkehrsfläche und Fußgängervorrang
    • Fußgängerzone mit Fußgängervorrang und Autoverkehr nur als Ausnahme.
  • Der Schienengüterverkehr wurde extrem reduziert, die Güterverkehrsanlagen zum großen Teil entwidmet.
  • Der stark steigende Straßengüterverkehr mit immer schnelleren und schwereren Lastkraftwagen belastet trotz Umweltzone die Einwohner und ihre Stadt mit Kohlendioxid, Feinstaub, anderen Schadstoffen und Lärm und zerstört Straßen und Brücken.

Berlin hat eine Reihe verkehrsbezogener Planwerke: Integriertes Wirtschaftskonzept 2005, Gesamtverkehrsprognose Berlin-Brandenburg 2009, Stadtentwicklungsplan Verkehr 2011, Fußverkehrsstrategie 2011, Radverkehrsstrategie, Nahverkehrsplan 2014 bis 2018, Lärmaktionsplan, Verkehrsprognose für 2025 mit Daten von 2008. Die dort enthaltenen Ansätze zur Lösung der Mobilitätsprobleme sind unzureichend verwirklicht und reichen nicht aus.

Der Flächennutzungsplan beruht auf den Vorstellungen der 1950er Jahre von einer autogerechten Stadt und veralteten Prognosen.

Die Anzahl der Berufspendler nimmt zu. Die Anzahl der Haushalte, besonders der Einpersonenhaushalte, steigt.

Trotz der ungünstigen politischen Rahmenbedingungen sind in den letzten Jahren Ansätze eines veränderten Mobilitätsverhaltens erkennbar: zunehmender Fahrradverkehr, zunehmende gemeinschaftliche Nutzung von Fahrrädern und Autos, 45% der Berliner Haushalte ohne eigenes Auto, zunehmende kombinierte Nutzung verschiedener Verkehrsmittel, steigende Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr, höhere Ansprüche an Echtzeitinformationen über Verkehrsmöglichkeiten und den Verkehrsablauf.

2. Was wir wollen

Wir wollen, dass jeder mobil sein kann, das heißt beweglich, weil Mobilität ein Menschenrecht ist. Mobilität bedeutet, zum Arbeitsplatz, zur Schule, zum Einkaufen, zum Freizeit- und Erholungsort zu kommen, jederzeit und möglichst flexibel, also auf verschiedene Weise, aber weitgehend ohne Auto. Wir wollen eine Stadt der kurzen Wege, beim sich ändernden Mobilitätsverhalten ansetzen, die Verkehrsangebote und die Infrastruktur der umweltschonenden Verkehrsarten ausbauen.

Wir können die globale Umweltzerstörung der letzten Jahrzehnte und ihre bedrohlichen Folgen nicht mehr umkehren, aber wir wollen sie verlangsamen und abmildern.

Dazu müssen die staatlichen Rahmenbedingungen völlig geändert werden, muss jedes Land und jede Kommune in allen Einflussfeldern den größtmöglichen Beitrag leisten. Die mobilitätspolitischen Aktivitäten müssen eng verzahnt werden mit der Stadt- und Siedlungsentwicklung und der Standortsteuerung der Industrie-, Konsumgüter- und Nahrungsmittelproduktion sowie der Handelsbeziehungen.

Ein gutes Leben ist möglich ohne Verschwendung, mit weniger Technik, mit weniger Energie- und Materialeinsatz, langsamer, bescheidener, gesünder und naturnaher.

Unser Ziel ist, eine gesellschaftliche Mehrheit für ernsthafte Taten zum Erhalt der Bewohnbarkeit der Erde zu erreichen und zu verhindern, dass die Lebensgrundlagen unvermindert weiter zerstört werden. Deshalb listen wir nachstehend auf, welchen mobilitätspolitischen Beitrag Berlin und seine Umgebung erbringen müssen, um das Tempo der Zerstörung abzubremsen und die Auswirkungen einzugrenzen.

Was uns jetzt, wo wir noch »reich« sind, nicht gelingt, wird nach fortschreitender Klimakatastrophe nicht mehr möglich sein. Angebotsausweitungen benötigen eine Planungszeit, Investitionen erfordern eine noch längere Vorlaufzeit und ein Vorausdenken für die nächsten 50 bis 100 Jahre.

Beim Planen und Verwirklichen von Mobilität und beim Gestalten und Nutzen des öffentlichen Raums soll Vorrang haben:

  • Langsam vor schnell
  • Motorfrei vor motorisiert
  • Elektrischer Antrieb vor Verbrennungsmotoren
  • Öffentlich vor gemeinschaftlich, gemeinschaftlich vor individuell
  • Leise vor laut
  • Schwächere vor stärkeren Verkehrsteilnehmern
  • Mobilitätseingeschränkt vor sportlich
  • Schiene vor Wasser, Wasser vor Straße, Straße vor Luft
  • Oberirdisch vor Tunnel
  • regionaler Gütertransport vor überregionalem
  • Schadstofffrei vor umweltschädlich
  • Grün vor Beton und Asphalt
  • Interessen der Fahrgäste, Anwohner und Verkehrsarbeiter vor Profitinteressen
  • Anpassen der Fahrzeuge an die Wege vor Wegeausbau.

Die Mobilität muss solidarisch und barrierefrei möglich sein: auch für Arme, für alle vom Kleinkind bis zur Seniorin, für gesundheitlich Eingeschränkte, überall und für kommende Generationen.

Die Bekämpfung von Verkehrsunfällen sowie von Lärm- und Erschütterungsschäden muss beim Absenken der Geschwindigkeiten ansetzen.

Weitere Grundsätze für eine solidarische, sozial gerechte Mobilität sind:

  • Die Fahrpreise der öffentlichen Verkehrsmittel müssen niedriger sein als die Kraftstoffpreise im Individualverkehr.
  • Kein Kostenabwälzen mehr! Der Kaufpreis für Pkw und Lkw muss die Kosten für das Abwracken und umweltgerechte Entsorgen beinhalten. Die Kosten für Flächenverbrauch, Straßenbau und -unterhaltung, Luftverunreinigung, Unfälle, Lärm- und Erschütterungsschäden müssen in voller Höhe von den heutigen Verursachern getragen werden und nicht – wie bisher – von der Allgemeinheit aus Steuermitteln und von kommenden Generationen. Dann würden zum Beispiel viele Gütertransporte für die Verursacher unwirtschaftlich werden und nicht mehr stattfinden.
  • Fahrzeit ist Erlebniszeit! Die öffentlichen Verkehrsmittel müssen beim Planen der Fahrt und beim Benutzen so bequem und angenehm sein, dass jeder gerne öffentlich fährt, die Fahrt genießen kann und dort geeigneten Beschäftigungen nachgehen kann.
  • Die Verkehrsbetriebe messen wir daran, mit welcher Qualität und Quantität sie die Mobilitätsbedürfnisse erfüllen. Für diese Daseinsvorsorge muss ihnen das Land anspruchsvolle und klare Aufgaben stellen und die Finanzierung sichern.
  • Der spezialisierte Fachverstand der Verwaltung zu Stadtentwicklungs- und Verkehrsthemen muss bereichert werden um die Orts- und Sachkenntnis der Bürger und ihrer organisierten Vertretungen und Initiativen. Die Verwaltung muss die Bürger nicht nur deutlich besser und rechtzeitig informieren, sondern auch ihre Anregungen und Vorschläge aufnehmen und bei Konflikten ausdiskutieren. Dies gilt sowohl für Planfeststellungs- und Bebauungsplanverfahren für Verkehrsbauten als auch für Sanierungen und Modernisierungen von Schienenwegen, Straßen, Rad- und Gehwegen und vor Änderungen des Verkehrsangebots. Dazu sind Änderungen im Landesrecht erforderlich.

3. Verkehrsvermindernde Stadtplanung

Als Beitrag der Stadtplanung zur Mobilitätssicherung in einer Stadt der kurzen Wege mit weniger Verkehr fordern wir, einen neuen Flächennutzungsplan, neue Stadtentwicklungspläne Verkehr und Zentren, Bebauungspläne und einen neuen Nahverkehrsplan zu erarbeiten und die Haushaltspläne daran anzupassen.

Inhalt dieser Pläne soll sein:

  • Wohnungsbau vorrangig auf innerstädtischen Brachflächen, die bereits mit öffentlichem Verkehr erschlossen sind. Neue Wohngebiete in Außenbezirken parallel zu ihrem Entstehen mit der Straßenbahn erschließen.
  • Wohnen, Gewerbe, Einkaufs- und Dienstleistungseinrichtungen, Schulen, Kindergärten und Behörden nah beieinander. Diese Mischstruktur erhalten und fördern. Gewerbe nicht weiter aus Wohngebieten verdrängen. Keine neuen Einkaufszentren mit »Parkhäusern«.
  • Weniger Flächen zum Fahren und Abstellen von Autos, mehr Flächen zum Verweilen, für Begegnung, Naherholung und Spiel.
  • Die stadtzerschneidende Wirkung von Hauptverkehrsstraßen beseitigen.
  • Bei Neubauten und Umbauten Haltestellengerechtigkeit herstellen: Haltestellen und Abstellplätze für private Autos – sogenannte »Parkplätze« – in gleicher Entfernung zu Wohnungen, Arbeitsstellen, Freizeiteinrichtungen usw. wie die Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel.
  • Deutliche Einschränkung der Nutzung des öffentlichen Raums durch private Autobesitzer, in größerem Umfang durch kostendeckende Gebühren oder durch Umnutzung der Flächen.
  • Projekte zum autoberuhigten Wohnen und Leben umsetzen.
  • Produktion und Handel von Industriegütern und Nahrungsmitteln gemeinsam mit dem Land Brandenburg so organisieren, dass ein hoher Anteil Selbstversorgung mit kurzen Transportwegen möglich wird.
  • Neue Gewerbestätten, Handels-, Kultur- und Bildungseinrichtungen vorrangig in der Nähe von Eisenbahn- oder Straßenbahninfrastruktur genehmigen.
  • Platz für dezentrale Güterverteilknoten und fußläufig erreichbare Paketstationen vorsehen.

Die Berliner Bauordnung ist dahin zu ändern, dass Handel und Gewerbe verpflichtet werden, außerhalb des öffentlichen Straßenraums auf ihren Grundstücken oder in ihren Einrichtungen zu be- und entladen.

4. Umweltschonender Personenverkehr

4.1. Umweltverbund und Elektromobilität

Dem »Umweltverbund« aus Fußverkehr, Radverkehr und öffentlichem Nahverkehr, im weiteren Sinne auch aus Taxis und gemeinschaftlicher Autonutzung, gehört der Vorrang, und zwar

  • Investitionsvorrang in den Haushaltsplänen und bei der Wirtschaftsförderung,
  • Planerischer Vorrang im neuen Flächennutzungsplan und den Stadtentwicklungs- und Nahverkehrsplänen,
  • Vorrang bei verkehrlichen Regeln aller Art.

Besonderen Vorrang sollen der motorfreie Fuß- und Radverkehr sowie die Elektromobilität (mit Fahrrädern, Bahnen, Bussen und Kleintransportern) erhalten. Bahnen und Busse, der Fußverkehr und der Radverkehr benötigen eigene Wegenetze.

4.2. Fußverkehr

Wir fordern, dass der Senat die Fußverkehrsstrategie verwirklicht und weiterentwickelt. Ziel ist, dass weniger Wege mit dem Auto und mehr zu Fuß erledigt werden und dass die Fußgänger vor dem Auto- und Radverkehr geschützt werden. Wesentliche Bestandteile sollen sein:

  • Mehr Platz und mehr Aufenthaltsqualität für Fußgänger durch Reduzierung der Fahr- und Abstellfächen des Autoverkehrs. Das gilt besonders für große lebendige Einkaufsstraßen und Flaniermeilen.
  • Zusammenhängendes, engmaschiges, umwegfreies, auf Zuwachs bemessenes Fußwegenetz zwischen Wohngebieten, Haltestellen, Einkaufs-, Kultur-, Spiel- und Freizeiteinrichtungen und Behörden schaffen.
  • Die verschiedenen Vorfahrts- und Temporegelungen vereinheitlichen und vereinfachen. Das bebaute Stadtgebiet soll in der Regel Tempo-30-Zone werden, in der Fußgänger, Radfahrer und motorisierter Verkehr gleichberechtigt sind. 50 km/h nur auf ausgewählten Hauptverkehrsstraßen zulassen, die vor allem dem Straßenbahn- und Busverkehr dienen oder durch unbebaute Gebiete verlaufen.
  • Auf Hauptverkehrsstraßen in kurzen Abständen Fußgängerüberwege (Zebrastreifen), Mittelinseln und Gehwegvorstreckungen vorsehen. Diese für Spitzenzeiten ausreichend groß bemessen.
  • In der Innenstadt und in den Ortsteilzentren große zusammenhängende Fußgängerzonen und -bereiche einrichten, in denen die Fußgänger Vorrang haben, aber auch Straßenbahnen, Busse, Fahrräder und kleine elektrische Lastenfahrzeuge zugelassen sind.
  • An Kreuzungen, Einmündungen und Fußgängerüberwegen abgesenkte Bordsteine.
  • Höhere Aufenthaltsqualität durch Sitzgelegenheiten, verschieden nutzbare Wegelemente (»besitzbare und bespielbare Stadt«) und öffentliche Toiletten im gesamten Stadtgebiet, vor allem an Verkehrsknotenpunkten.

4.3. Radverkehr

Ziel der Weiterentwicklung der Radverkehrsstrategie ist, dass weniger Wege mit dem Auto und mehr mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, dass die Radfahrer vor dem Autoverkehr geschützt werden, sie aber die Fußgänger nicht gefährden.

Unsere wesentlichen Forderungen sind:

  • Dichtes, zusammenhängendes, umwegarmes, auf Zuwachs bemessenes Radwegenetz, bestehend aus markierten Radfahrstreifen auf den Fahrbahnen, eigenständigen Radwegen und Fahrradstraßen. Der Platz dafür ist durch Reduzierung der Fahr- und Abstellflächen für Autos zu gewinnen, keinesfalls zulasten der Fußwege.
  • Der Ausbau des Radwegenetzes muss die zunehmenden elektrischen Zusatzantriebe und die Zunahme von breiteren Lastenfahrrädern berücksichtigen, außerdem die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Fahrweisen der Radfahrer von unsicher und gemütlich bis sportlich. Elektrische Kleinkrafträder gehören dagegen auf die Fahrbahn.
  • Bestehende Radwege pflegen und erhalten, soweit sie nicht zum Schutz der Fußgänger auf die Fahrbahnen zu verlagern sind. Die Radwege sollen glatten fugenfreien Belag haben und weitgehend geradlinig ohne abrupte Knicke verlaufen.
  • Die Vorschriften zum Benutzen von Radwegen, Radfahrstreifen und Fußwegen durch Radfahrer und Kleinfahrzeuge vereinfachen, so dass auch Kinder problemlos ihre Schulwege zurücklegen können und die Fahrradmobilität bei angemessener Geschwindigkeit nicht beeinträchtigt wird. Alle Einbahnstraßen für den Radverkehr der Gegenrichtung freigeben.
  • Mehr Fahrradabstellanlagen durch Reduzierung von Autoabstellplätzen, vor allem an Einkaufseinrichtungen, Behörden, S-Bahn- und U-Bahn-Stationen, Straßenbahn- und Bushaltestellen, Freizeit- und Erholungsanlagen.
  • Fahrrad-Service-Stationen an ausgewählten Verkehrsknotenpunkten. Sie bieten kontrollierte Aufbewahrung, Reparatur, Verleih, Beratung und Waschdienst.
  • Die Kapazität der öffentlichen Verkehrsmittel, insbesondere S-Bahn, Regionalbahn und U-Bahn, dem steigenden Bedarf zur Fahrradmitnahme anpassen. Inhaber von Monats- und Jahresfahrkarten sollen Fahrräder unentgeltlich mitnehmen dürfen.

In den Strategien für den Langsamverkehr muss auch der zunehmende Einsatz solcher Kleinfahrzeuge wie Rollatoren, Rollstühle, Tretroller, Rollbretter, Rollschuhe, Inlineskater und Segways berücksichtigt werden.

4.4. Bahnen

Verkehrsangebot der Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahn

Wir wollen, dass auf den vorhandenen Strecken der Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahn wesentlich mehr Züge fahren als heute, und zwar sowohl in der Innenstadt als auch in den dünner besiedelten Außenbezirken nach einem angebotsorientierten Fahrplan unter Berücksichtigung der erreichbaren Nachfrage

  • mit dichtem Takt, so dass es keine langen Wartezeiten gibt,
  • mit vielen umsteigefreien, übersichtlichen und weitgehend gleichbleibenden Linien,
  • zu allen Tageszeiten, auch früh morgens, spät abends und nachts.

Senat und Verkehrsverbund sind gefordert, die finanziellen Mittel absolut zu erhöhen, die benötigten Bundesmittel für die Bestellerentgelte rechtzeitig anzumelden und mehr Verkehrsleistungen zu bestellen, auch über die Landesgrenze hinweg in Abstimmung mit Brandenburg.

Spezielle Linien oder Takte sollen die Verkehrsströme im Freizeit- und Ausflugsverkehr bewältigen.

S-Bahn-Verkehr und Regionalverkehr sind trotz unterschiedlicher Technik als sich ergänzende Ausprägungen eines einheitlichen Verkehrssystems, das Berlin und Brandenburg verbindet, »aus einem Guss« zu entwickeln.

Besonders dringend und längst überfällig sind Angebotsverdichtungen

  • auf der stark nachgefragten Stadtbahn Ostkreuz – Westkreuz (Gleichstrom-S-Bahn) und
  • auf der Nord-Süd-Eisenbahnstrecke Spandau / Gesundbrunnen – Hauptbahnhof – Lichterfelde Ost (Wechselstrom-Züge).

Hier sind neue Regionalbahnlinien mit Weiterführung ins Umland einzurichten, die zusammen mit den bestehenden Linien einen S-Bahn-artigen Verkehr im dichten Takt ergeben.

Bei der Vergabe von Verkehrsleistungen sind soziale Anforderungen einzuhalten und vorrangig die Direktvergabe zu nutzen.

Fernverkehr

Im Rahmen eines deutschlandweiten integralen Taktfahrplans sind schnelle vertaktete Fernverkehrsverbindungen mit den anderen Ballungsräumen, Großstädten und Urlaubsgebieten in Deutschland, Polen (besonders mit den benachbarten Großstädten Szczecin, Poznan und Wroclaw sowie der Woiwodschaft Lubuskie) und Tschechien anzustreben. Die Fernverkehrszüge sollen linienweise gleichbleibend, auf allen am Laufweg in Berlin liegenden Fernbahnhöfen halten, auch am Stadtrand.

Wir unterstützen fahrzeitverkürzende Ausbaumaßnahmen auf Fernverkehrsstrecken.

Infrastruktur

Zur Selbstverständlichkeit müssen die Instandhaltung der vorhandenen Gleis- und Stationsanlagen, Brücken, Tunnel und Signaltechnik sowie Ersatzinvestitionen nach aktuellen Erfordernissen werden. Stilllegungen sind zu vermeiden.

Riesiger Nachholbedarf besteht an Investitionen in die Erweiterung der Eisenbahn- und Straßenbahninfrastruktur. Besonders dringend und längst überfällig ist der Neubau bzw. Ausbau

  • der Fern- und Regionalstrecke Südkreuz – Blankenfelde (Dresdner Bahn),
  • der Tangentialverbindung Ost (Schienen-TVO) für Wechselstromzüge und
  • der Straßenbahn vom Alexanderplatz über Potsdamer Platz nach Steglitz.

Zum Nachholbedarf an Investitionen gehören außerdem:

  • Wiederherstellung von Eisenbahnstrecken, die immer noch teilungsbedingt unterbrochenen sind (Lückenschlüsse), zum Beispiel die Nordbahn Birkenwerder – Gesundbrunnen und die Heidekrautbahn Basdorf – Wilhelmsruh.
  • Ausbau vorhandener Eisenbahnstrecken für einen S-Bahn-artigen Regionalverkehr mit Wechselstromzügen, zum Beispiel auf dem nördlichen Innenring Spandau – Gesundbrunnen – Ostkreuz / Lichtenberg.
  • Zahlreiche neue Stationen an vorhandenen und auszubauenden Regionalbahn-strecken, zum Beispiel Köpenick, Mahlsdorf und Buckower Chaussee.
  • Verlängern von S-Bahn-Strecken in Abstimmung mit Brandenburg, zum Beispiel nach Falkensee, Kleinmachnow und Stahnsdorf.
  • Fehlende zweite Gleise auf S-Bahn-Strecken errichten, zum Beispiel Wannsee – Potsdam, Tegel – Schönholz und Schöneweide – Spindlersfeld.
  • Einige neue Stationen an vorhandenen S-Bahn-Strecken, zum Beispiel Tempelhofer Feld und Kamenzer Damm.
  • Neue Straßenbahnstrecken vor allem durch die Innenstadt, bevor die dortigen geeigneten Flächen anderweitig verbaut werden, zum Beispiel zum Hermannplatz und zum Mierendorfplatz.
  • Radiale Straßenbahnstrecken in die westlichen Stadtbezirke, zunächst anstelle aus-gewählter Metrobuslinien, zum Beispiel in der Sonnenallee und im Kurfürstendamm.
  • Tangentiale Straßenbahnstrecken in allen Stadtteilen mit dem Ziel eines Außenrings, zum Beispiel Pankow – Weißensee und Hellersdorf – Mahlsdorf.

Senat und Verkehrsverbund sind gefordert, unverzüglich mit konkreter Planung der notwendigen Infrastrukturerweiterungen zu beginnen oder diese zu veranlassen. Dabei muss ein gemeinsames Verkehrsgebiet Berlin / Brandenburg zugrunde gelegt und egoistisches Handeln in Ländergrenzen überwunden werden. Alle benötigten Ausbauten müssen vorausschauend bis zur Planfeststellung vorbereitet werden und dann, wenn sich eine Finanzierungsmöglichkeit ergibt, nach Prioritäten umgehend verwirklicht werden (Schubladenplanung).

Für jede Legislaturperiode sind die Planungs- und Ausbauprojekte mit den Landesparlamenten und den Fahrgastvertretungen zu vereinbaren und deren Umsetzung gemeinsam zu kontrollieren.

Im Zielzustand müssen alle Ortsteile Straßenbahnverbindungen zur S-Bahn oder U-Bahn haben.

Hinsichtlich der Infrastruktur sind weitere Forderungen:

  • Wesentlich mehr Weichen bei allen Bahnen und Verbindungskurven bei der Straßenbahn, damit bei Störungen und Bauarbeiten ein flexibler Betrieb möglich ist und die Auswirkungen auf die Fahrgäste so gering wie möglich bleiben können.
  • Bei Bauarbeiten an zweigleisigen Strecken keine Totalsperrungen länger als ein Wochenende.
  • Umbau der völlig unzureichenden Vorrangschaltungen für die Straßenbahn, so dass die Straßenbahn an jeder Ampelkreuzung ohne abzubremsen freie Fahrt gegenüber dem Autoverkehr hat.
  • Zahlreiche neue Haltestellen für die Straßenbahn, um mit kürzeren Halteabständen die Laufwege zu den Zielen seitlich der Strecke zu verkürzen.
  • Umbau zahlreicher Straßenbahnhaltestellen von der autogerechten in die fahrgast- und fußgängergerechte Lage und Gestalt: dicht an der Kreuzung, freie An- und Abfahrt, absoluter Vorrang der Ein- und Aussteiger vor dem Autoverkehr, gemeinsame Nutzung mit dem Bus zum Umsteigen.
  • Rolltreppen und barrierefreier Zugang zu allen S-Bahn-, Regionalbahn- und U-Bahn-Stationen sowie zu Haltestelleninseln des Oberflächenverkehrs.
  • Ausreichender Lärmschutz an Eisenbahnstrecken mit neuartigen niedrigen schallreflektierenden Schutzwänden, die unmittelbar am Gleis angeordnet sind.
  • Vorbereitung von zwei kurzen U-Bahn-Verlängerungen, um die U-Bahn-Strecken untereinander und mit der S-Bahn zu einem lückenlosen Netz zusammenzuschließen: Krumme Lanke – Mexikoplatz und Warschauer Straße – Frankfurter Tor.
  • Einfache, übersichtliche Fahrpläne aus einem Guss für alle Verkehrsbetriebe.
  • Wahrheitsgetreue Echtzeitinformationen an den Stationen und Haltestellen über den Fahrtverlauf der Bahnen.
  • Bei Investitionsentscheidungen zur Straßenbahn im Kosten-Nutzen-Vergleich dem Dieselbus die Kosten für Straßenunterhalt und -ausbau, die der Straßenbaulastträger zahlt, anlasten, um die Straßenbahn nicht länger zu benachteiligen.

Schienenfahrzeuge

Wir fordern eine ständige hohe Zuverlässigkeit der Schienenfahrzeuge durch ausreichende Wartung und ständig verfügbare Reserven.

Für die notwendigen Angebotsverdichtungen und Streckenneubauten werden viele zusätzliche S-Bahn-Züge, Regionalbahnzüge und Straßenbahnen gebraucht. Wir erwarten ein deutlich größeres Engagement des Senats, des VBB und des Abgeordnetenhauses beim rechtzeitigen Entwickeln, Beschaffen und Finanzieren neuer Schienenfahrzeuge in ausreichender Anzahl. Der Wiedereinsatz der Fahrzeuge nach Ablauf der Verkehrsverträge ist zu garantieren.

Für alle Neufahrzeuge fordern wir eine material- und gewichtssparende, lärmarme und nichtdröhnende Bauweise sowie als Qualitätsstandard barrierefreien Eintritt, ausreichend bemessene Türen und Türbereiche, hohen Sitzkomfort, großzügige Mehrzweckbereiche für Kinderwagen, Fahrräder, Rollstühle und Rollatoren, Fahrgastinformation in Echtzeit und freien Internetzugang in den Regionalzügen.

4.5. Obus

Neben der angestrebten Ausdehnung der Straßenbahn müssen nachfragestarke Dieselbuslinien, deren Aufkommen noch nicht straßenbahnwürdig ist, auf elektrischen Betrieb mit Oberleitung umgestellt werden. Der Oberleitungsbus (Obus) in moderner, technisch ausgereifter Ausführung

  • ist sauber und leise, fährt und beschleunigt ruckfrei und ist von weitem erkennbar,
  • verbraucht 40% weniger Energie als die modernsten Dieselbusse, erzeugt 75% weniger Klimagase, 80% weniger Stickoxide, 55% weniger Kohlenwasserstoffe, 20% weniger Feinpartikel als Dieselbusse mit Filter, 25% weniger Grobpartikel und 90% weniger Lärm,
  • ist wirtschaftlicher als der Dieselbus, mit 20 bis 25% geringeren Lebenszykluskosten. Die niedrigeren Betriebskosten bei Instandhaltung und Energie gleichen die höheren Infrastrukturinvestitionen und Fahrzeuganschaffungskosten vollständig aus. Das bewirken die hohe Lebensdauer der ortsfesten Anlagen, der robuste Antrieb samt Elektronik, die längere Nutzungsdauer der Fahrzeuge (26 statt 14 Jahre), deren höhere Laufleistung und die Nutzung der Bremsenergie.

Berlin hat keine Zeit zu verlieren und muss deshalb auf das erprobte und bewährte Oberleitungssystem zurückgreifen. Langwierige und teure Experimente mit Energiespeichern (Akkumulatoren oder Hochleistungskondensatoren) als alleinige Energiequelle lehnen wir ab, weil

  • für die Bauteile »Seltene Erden« benötigt werden, deren Vorrat begrenzt und deren Gewinnen und Aufbereiten teuer und umweltschädlich ist,
  • jeder mitgeführte Energiespeicher zusätzliches Gewicht hat und die mögliche Nutzlast vermindert,
  • die zahlreichen Ladestationen Platz im Straßenraum, erheblichen Tiefbau- und Kabelverlegeaufwand und leistungsfähige Energiezuführung für hohe Ströme erfordern,
  • das Speichersystem nur für Kleinbusse auf Kurzstrecken geeignet ist, die zumindest in der Anfangsphase nicht dem Berliner Bedarf entsprechen.

Sinnvoll sind dagegen Obusse mit einem Akku oder Hochleistungskondensator als Hilfsantrieb. So können kurze Strecken ohne Oberleitung überwunden werden, zum Beispiel bei plötzlichen Hindernissen im Fahrweg, bei Bauarbeiten, Störungen, Umleitungen, zum Rangieren an Endhaltestellen und im Betriebshof oder auch ständig an Stellen, wo eine Oberleitung das Stadtbild empfindlich stören oder erhebliche bauliche Probleme bereiten würde. Der Energiespeicher kann dann kleiner bemessen werden als beim Vollantrieb, ist dadurch leichter und kostengünstiger, vermindert die mögliche Nutzlast nur wenig und lässt sich während des Fahrens unter Oberleitung wieder aufladen. Ladestationen unterwegs sind nicht erforderlich.

Als Anfangsnetz eignet sich gut die Acht zwischen Zoo und Gropiusstadt (Linien M44, M46 und zum Teil M29) mit dem Betriebshof Gradestraße in Britz als Schnittpunkt, erweitert um das liegende Y zwischen Zoo, Mehringplatz, Ostbahnhof und Südkreuz (Linie 140 und zum Teil M19).

4.6. Verknüpfung der Verkehrsmittel

Die meisten Wege setzen sich aus Etappen zusammen, die auf die jeweils sinnvollste Weise zurückgelegt werden, zu Fuß, mit Kleinfahrzeugen, mit öffentlichen, gemeinschaftlichen oder privaten Verkehrsmitteln. Deshalb muss die Mobilität als Netz aller Fortbewegungsarten geplant und organisiert werden. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) muss seine Aufgabe als Koordinator wahrnehmen.

Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Bus bilden ein ganzheitliches Nahverkehrssystem für Berlin und sein Umland. Angebots- und Ausbauplanungen müssen stets das Gesamtnetz der öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtigen. Je besser diese miteinander verknüpft sind, desto größer ist ihr Beitrag zur Mobilitätssicherung.

Wir fordern:

  • Die Bahnsteige und Haltestellen an den Verkehrsknotenpunkten so anordnen und miteinander verbinden, dass die Umsteigewege direkt, so kurz wie möglich, für den Spitzenverkehr ausreichend bemessen, nicht von Verkaufseinrichtungen oder anderen Hindernissen versperrt, barrierefrei und leicht erkennbar ausgeschildert sind. Dazu müssen die meisten Verkehrsknoten umgebaut und viele Haltestellen verlegt werden, weil diese Anforderungen bisher kaum erfüllt werden.
  • Fuß- und Radwege so dicht wie möglich und direkt an die Haltestellen und Bahnsteige heranführen und Fahrradabstellplätze in unmittelbarer Nähe anordnen.
  • Abseits der Umsteigewege eine hohe Aufenthaltsqualität rund um die Uhr gewährleisten mit Fahrkartenverkaufs- und Informationsstellen, Sitzgelegenheiten, Läden und Kiosken für den Reisebedarf, Wetterschutz, Toiletten und Gastronomie.
  • Die Fahrpläne der Verkehrsmittel so aufeinander abstimmen, dass nach kurzer Wartezeit Anschluss besteht.
  • Die aktuellen Abfahrzeiten des anschließenden Verkehrsmittels anzeigen.
  • Plätze für den Taxiverkehr, Leihfahrräder und die gemeinschaftliche Autonutzung in der Nähe der Verkehrsknoten vorsehen.

Massenhafte Autoabstellplätze an S-Bahn-, Regionalbahn- oder U-Bahn-Stationen (Park&Ride) stellen genau den gleichen Anreiz zum Autofahren dar wie Autoabstellplätze an anderen Stellen. Sie schwächen den umweltschonenden Zubringerverkehr zu Fuß, mit Fahrrad, Straßenbahn oder Bus und sind deshalb im Stadtgebiet von Berlin nicht zweckmäßig.

Der Flughafen soll mit der S-Bahn und mit normalen Regionalzügen zum allgemeingültigen Tarif aus mehreren Richtungen gut erreichbar sein.

4.7. Barrierefreiheit

Mobilität für alle erfordert barrierefreien Zugang zu den Haltestellen, Stationen und Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs. Er ist besonders wichtig für alte oder mobilitätseingeschränkte Personen, aber auch für Fahrgäste mit Kinderwagen, Gepäck oder Mobilitätshilfen. Deshalb sind alle Anstrengungen zu unternehmen, die Infrastruktur aller Anlagen und Fahrzeuge flächendeckend barrierefrei zu gestalten. Das automatische Absenken der Busse zum Ein- und Aussteigen (»Kneeling«) muss erhalten bleiben.

Der VBB soll Mobilitätshilfsdienste und Begleitservice für informationsbedürftige oder mobilitätseingeschränkte Personen dauerhaft finanziell absichern.

5. Güterverkehr

Im Güterverkehr treten wir für nachstehende Entwicklungen ein:

  • Die insgesamt zu transportierende Gütermenge deutlich verringern.
  • Die verbleibende Gütermenge vorrangig auf dem Schienenweg oder Wasserweg transportieren, erheblich weniger auf der Straße.
  • Anschlussgleise erhalten, wieder nutzbar machen und neue bauen, neues Gewerbe vorrangig dort ansiedeln.
  • Die Flächen ehemaliger Rangier- oder Ortsgüterbahnhöfe zunächst freihalten, dann dort Umschlagstellen errichten und den lokalen Güterumschlag Schiene / Straße und Eisenbahn / Straßenbahn organisieren.
  • Die Eisenbahnstrecken in Berlin und in Richtung Berlin soweit ausbauen, dass die Anschlussgleise und Umschlagstellen bedient werden können, ohne den Schienenpersonenverkehr zu behindern.
  • Container und Wechselaufbauten mit der Eisenbahn zu den Umschlagstellen fahren und dort ohne Kran auf Lastkraftwagen (Lkw) umladen, also mit Umladevorrichtungen, die am Lkw angebracht sind. Jeder Umschlagstelle ein entsprechendes straßenseitiges Einzugsgebiet für den Weitertransport zum Kunden zuordnen.
  • Das Berliner Stadtgebiet vom Durchgangs-Güterverkehr auf der Schiene befreien. Diesen weiträumig um Berlin herumführen, erforderlichenfalls auf auszubauenden Eisenbahnstrecken.
  • Den Lkw-Verkehr mit Start oder Ziel Berlin und den Lkw-Transitverkehr mittels differenzierter Maut an der Stadtgrenze reduzieren. Kleinere Transporteinheiten begünstigen.
  • An den zahlreichen Berliner Wasserstraßen, besonders am Teltowkanal, Ladestellen (Anlegestellen) einrichten oder reaktivieren, ohne öffentliche Uferwege zu beeinträchtigen.
  • Die Schiffsgrößen den Wasserstraßen, den häufig niedrigen Wasserständen und den Brückendurchfahrthöhen anpassen. Die Wasserstraßen funktionsfähig erhalten, aber nicht erweitern.
  • Die BVG soll sich zum Logistik-Unternehmen entwickeln, das den Gütertransport im Straßenbahn- und Obus-Netz organisiert und durchführt, zur Auslastung der Infrastruktur vorwiegend in Schwachverkehrszeiten.
  • Im öffentlichen Straßenraum Lkw, Wechselaufbauten und Container so be- und entladen, dass Fußwege, Radwege, Hauseingänge, Straßenbahngleise und Busspuren nicht versperrt werden.
  • Elektrisch betriebene Kleintransporter und Elektrokarren einsetzen, besonders in der Innenstadt, in Ortsteilzentren und Fußgängerzonen.
  • Einzelsendungen für oder aus Lkw, Containern und Wechselaufbauten über Verteilknoten sammeln und verteilen. Als Verteilknoten eignen sich überflüssig werdende Autoabstell-häuser, Häfen und Anlegestellen an den Wasserstraßen, ehemalige Güterbahnhöfe, dezentrale Abstellplätze in Gewerbegebieten und an Handelseinrichtungen.
  • Raumsparende Verteil- und Sammelketten von den Verteilknoten aus bilden. Die Kleinsendungen zum Beispiel mit zwei- oder dreirädrigen Lastenfahrrädern, die elektrisch oder mechanisch angetrieben werden, weiterverteilen bzw. dort sammeln.
  • Paketstationen, die dem personallosen Versand und Empfang von Paketen durch die Bürger dienen, müssen von den Wohnungen fußläufig erreichbar, öffentlich und firmenneutral hinsichtlich des Paketdienstleisters sein.

6. Umweltschädlicher Personenverkehr

6.1. Nichtelektrischer Busverkehr

Zunächst stellen die mit Diesel oder Erdgas angetriebenen Omnibusse in vielen Stadtteilen noch ein tragendes Verkehrssystem dar. Dieses ist aus einem Guss mit dem S-Bahn-, Regionalbahn-, U-Bahn- und Straßenbahnverkehr zu planen, auch über die Landesgrenze hinweg in Abstimmung mit Brandenburg. Hierfür gelten die gleichen Forderungen an Linienführungen, Verkehrszeitraum, Taktdichte, Haltestellen, Barrierefreiheit, Vorrangschaltungen, Fahrzeugzustand und Fahrzeugverfügbarkeit wie für die Straßenbahn.

In diesem Übergangszeitraum ist es erforderlich,

  • mehr Busspuren einzurichten und baulich vom Autoverkehr abzutrennen,
  • die Straßenbahngleise und -haltestellen mitzubenutzen, wo das sinnvoll ist,
  • mehr Haltestellen als Kaps mit Sonderborden barrierefrei auszubauen,
  • dem Busverkehr auch bei Baumaßnahmen und Veranstaltungen Vorrang zu gewähren,
  • den Ausflugsverkehr mit seinen speziellen Verkehrsströmen und Verkehrsspitzen auszubauen und hier die Fahrradmitnahme zu ermöglichen.

Mit dem notwendigen Ausbau des Straßenbahn- und Obusnetzes bleiben für den nichtelektrischen Busverkehr die Feinerschließung auf weniger nachgefragten Strecken in den Außenbezirken und der Ausflugsverkehr.

Den Fernbusverkehr von Berlin aus akzeptieren wir übergangsweise zu Urlaubsorten, solange diese mit der Eisenbahn gar nicht oder schlecht erreichbar sind. Für diesen Zweck ist der Zentrale Omnibusbahnhof ausreichend. Seine Unterhaltung und Ausstattung ist Aufgabe der Busunternehmen, nicht der Stadtverwaltung. Fernbusverkehr in Konkurrenz zu parallelen Eisenbahnverbindungen, wie er heute überwiegend betrieben wird, lehnen wir ab.

6.2. Taxiverkehr

Der Taxiverkehr stellt eine Ergänzung des öffentlichen Verkehrs und eine Zwischenform zwischen diesem und dem individuellen Verkehr dar. Er ist weder an Linien noch an Fahrpläne gebunden. Für bestimmte Bedürfnisse ist er Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, für andere nicht. Das hängt von dem Grund ab, aus dem der Fahrtwunsch aufkommt.

Der Taxiverkehr in der Funktion als Daseinsvorsorge kann nicht allein dem Konkurrenzkampf der Taxifahrer überlassen bleiben, sondern muss städtisch gesteuert werden. Die zu entwickelnden Steuerungsmechanismen müssen auf folgende Ziele gerichtet sein:

  • Den größeren Teil der Taxis dort anbieten, wo wenig oder gar kein öffentlicher Verkehr vorhanden ist, mit dem Ziel, den motorisierten Individualverkehr zu ersetzen. Das bedeutet, kurze Wartezeiten und deutlich geringere Fahrpreise zu bieten.
  • Zeit- und ortsabhängiger Tarif. Fahrpreise nachts niedriger als tagsüber und am Wochenende niedriger als werktags, im Tarifgebiet B niedriger als im Tarifgebiet A und höher als im Tarifgebiet C.
  • Die Einkommen der angestellten Taxifahrer und der Taxiunternehmer müssen unabhängig von den Fahrpreisen sein. Das Grundeinkommen muss unabhängig von der Anzahl der Fahrten gesichert werden. Es kann mit umsatzabhängigen Einkommensbestandteilen ergänzt werden.
  • Staatliche Zuschüsse für die Taxiunternehmen in der Höhe gewähren, dass sie den Taxifahrern einen angemessenen Grundlohn zahlen und wirtschaftlich arbeiten können.
  • Als Übergangslösung die Neuzulassung von Taxis und Taxifahrern stoppen.

Taxiähnliche Privatfahrer und Mietwagenunternehmen müssen den gleichen Steuerungsmechanismen unterliegen und die gesetzlichen Anforderungen an gewerbliche Personenbeförderung erfüllen.

6.3. Straßen und Autoabstellplätze

Berlin hat zu viel und zu großzügig ausgebaute Autostraßen und Autoabstellplätze. Notwendig ist ein Plan für die künftige sinnvolle Verwendung, Umnutzung und Reduzierung der versiegelten öffentlichen Flächen und für den Schutz von Anwohnern, Fußgängern und Radfahrern vor Verkehrslärm, Abgasen und Unfällen.

Unsere wesentlichen Forderungen an den Straßennutzungs- und -umbauplan sind:

  • Ausreichende Instandhaltung der von Linienbussen befahrenen Straßen und der Rad- und Fußwege. Sparsame Instandhaltung nur der langfristig benötigten Straßen.
  • Autospuren oder ganze Autostraßen zu Fahrradstraßen umwidmen oder umbauen, nicht mehr benötigte als Grünflächen gestalten.
  • Öffentliche Autoabstellplätze zu Fahrradabstellplätzen und zu Carsharing-Abstellplätzen umwidmen oder umbauen.
  • Keine neuen Fern- und Durchgangsstraßen wie die Verlängerung der Autobahn A 100, die Straßen-TVO (Tangentialverbindung Ost), die SOV (Südostverbindung) und die TVN (Tangentialverbindung Nord).
  • Lärmsanierung vorhandener Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen.
  • Keine Durchgangsstraßen in neuen Wohngebieten. Autoabstellplätze höchstens am Rand neuer Wohngebiete. Lediglich Zufahrten zu Hauseingängen für Sonderverkehre wie z.B. Feuerwehr, Krankenwagen, mobilitätseingeschränkte Personen und Umzüge.
  • Höchstgeschwindigkeit im Einklang mit der Fußverkehrsstrategie im Regelfall 30 km/h, in Ausnahmen 50 km/h.
  • An der Stadtgrenze bei jeder Einfahrt und Ausfahrt von Lastkraftwagen eine mindestens kostendeckende Maut erheben, differenziert nach Durchgangsverkehr und Quell-/Zielverkehr.
  • Straßenbenutzungsgebühren in besonders schützenswerten Gebieten, z.B. historischen Stadtteilzentren und Ausflugsgebieten, erheben.
  • Autoabstellgebühren in weiteren Stadtteilen innerhalb des S-Bahn-Rings und Ortsteilzentren erheben. Die Abstellplätze sind öffentlicher Raum. Deshalb ist der Begriff »Parkraumbewirtschaftung« irreführend. Mit der privaten Nutzung über den persönlichen Bedarf hinaus wird der öffentliche Raum der Allgemeinheit entzogen. Die Kosten hierfür sollen dem Verursacher angelastet werden.
  • Mit Hilfe der Ordnungsämter gegen das wilde Abstellen von Autos auf Fußwegen, Radwegen, Straßenbahngleisen, Busspuren und an Haltestellen vorgehen.

6.4. Gemeinschaftlicher Autoverkehr

Personenkraftwagen schädigen und zerstören die Umwelt nicht nur während der Fahrt, sondern auch beim Herstellen und Entsorgen und mit ihrem Platzbedarf in der ungenutzten Zeit, die 95% beträgt. Diese Wirkungen müssen reduziert werden, indem die Anzahl der vorhandenen Autos reduziert wird und diese zunehmend öffentlich oder gemeinschaftlich genutzt werden.

Auszubauen sind alle Formen der zeitweiligen oder gemeinschaftlichen Nutzung von Autos durch Privatpersonen und durch Firmen, zum Beispiel

  • das zeitweilige Nutzen von Autos durch mehrere Personen, die sich zu diesem Zweck organisiert haben (»Carsharing«). Mietstationen an Verkehrsknotenpunkten ergänzen den öffentlichen Verkehr, indem Autos für eine Teilstrecke zu einem abgelegenen Ziel genutzt werden können,
  • das Mieten von Autos bei Autoverleihfirmen,
  • Mitfahrzentralen, die die Mitnahme von Mitreisenden in Privatautos organisieren, ohne Gewinn anzustreben,
  • Fahrgemeinschaften von Nachbarn oder Bekannten, die sich ein Privatauto teilen.

6.5. Individueller Autoverkehr, Autoantrieb

Für Kranke und Mobilitätseingeschränkte ist die individuelle Autonutzung ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität.

Für diesen gesellschaftlich notwendigen Individualverkehr und für den halböffentlichen Autoverkehr genügen kleinere, leichtere und langsamere Autos mit geringerem Beschleunigungsvermögen. Das gleiche gilt für Dienst-Pkw von Behörden, Firmen und Gewerbetreibenden im innerstädtischen Verkehr.

Mit Elektroautos oder Agrotreibstoffen wird nur die Energiequelle gewechselt, aber die anderen schädlichen Wirkungen bleiben. Akkumulatoren müssen hergestellt und entsorgt werden, erfordern zusätzliche Stromproduktion und Ladestationen. Agrotreibstoffe beanspruchen knappe landwirtschaftliche Flächen in Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln.

Die Bundesregierung fördert einseitig den Aufbau einer Infrastruktur für Elektroautos unter dem irreführenden Namen »Elektromobilität«. Das lehnen wir ab, weil es eine Industriesub-vention zu Lasten der öffentlichen Kassen und ein Anreiz für die Reichen ist, sich Drittautos zuzulegen und im öffentlichen Raum noch mehr Platz zu verbrauchen. Die Aktivitäten des Bundes und der Industrie bei der Entwicklung technisch-wirtschaftlicher Lösungen zum Antrieb elektrischer Straßenfahrzeuge sind auf sinnvolle Einsatzgebiete zu richten wie Lieferfahrzeuge, Obusse und elektrische Fahrräder und Kleinfahrzeuge, nicht auf Pkw.

Die neueste Innovation der selbstfahrenden Autos beansprucht personelle und finanzielle Ressourcen, die anderweitig sinnvoller einzusetzen sind, löst aber kein Verkehrsproblem. Wir fordern, dafür keine staatlichen Gelder bereitzustellen, den öffentlichen Straßenraum nicht einzuschränken und keine personenbezogenen Daten zu speichern.

Große, schnelle, verbrauchsintensive Kraftfahrzeuge lehnen wir ab. Wer sie nutzt oder wer Auto, Motorrad, Moped oder Mofa fährt, weil er Spaß daran hat, muss die dadurch entstehenden Kosten in voller Höhe tragen, zum Beispiel durch höhere Kraftfahrzeugsteuern.

Mopeds und Mofas sollten durch entsprechende elektrische Fahrzeuge ersetzt werden.

6.6. Flugverkehr

Der Flugverkehr, insbesondere der innereuropäische, muss erheblich reduziert und auf unbedingt notwendige Fälle beschränkt werden. Die verursachten Kosten müssen ihm in voller Höhe angelastet und die Steuerbefreiungen aufgehoben werden.

Der Flughafenneubau am ungeeigneten Standort in Schönefeld stellt das kleinere Übel im Vergleich zum innerstädtischen Flughafen Tegel dar. Er ist zügig, aber voll funktionstüchtig in Betrieb zu nehmen, und Tegel ist zu schließen. Erweiterungen oder einen nochmaligen Neubau an einem besseren Standort lehnen wir ab.

Wir fordern das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und Flugrouten, die geringstmöglichen Lärm und die geringste Umweltbelastung verursachen.

7. Rahmenbedingungen und Technologie

7.1. Verkehrspolitische Rahmenbedingungen

Einige Maßnahmen lassen sich kurzfristig auch unter den gegenwärtig ungünstigen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen verwirklichen. Gleichzeitig muss auf bessere Rahmenbedingungen hingewirkt werden.

Die meisten vorstehend genannten Aufgaben kann das Land Berlin alleine oder in Abstimmung mit Brandenburg lösen.

Außerdem erwarten wir, dass sich die Landesparlamente und -regierungen von Berlin und Brandenburg auf Bundesebene für nachstehende bessere Rahmenbedingungen für den öffentlichen Verkehr einsetzen.

Die bisher nur auf Bauprojekte ausgerichtete Bundesverkehrswegeplanung muss durch eine ganzheitliche Bundesverkehrsplanung ersetzt werden. Sie muss flächendeckenden öffentlichen Verkehr, angebotsorientierte Linien, Takte und Fahrzeugkapazitäten, die Vernetzung und Kooperation der Verkehrsmittel und Maßnahmen zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs beinhalten. Notwendige Eisenbahnausbaumaßnahmen sind aus einem deutschlandweiten integralen Taktfahrplan für Fern- und Nahverkehr abzuleiten. Landesverkehrspläne müssen den Bundesverkehrsplan nach den gleichen Grundsätzen konkretisieren und ergänzen.

Wir brauchen ein integriertes staatlich geleitetes Eisenbahnunternehmen für die Hauptstrecken, großen Knoten und Ballungsgebiete. In abgeschlossenen Nebennetzen sind regional arbeitende Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen vorteilhaft.

Die Möglichkeit der Direktvergabe von Schienenverkehrsleistungen ist abzusichern und das Wettbewerbsrecht zu ergänzen.

Ein neues Verkehrsfinanzierungsgesetz muss dauerhaft die ausreichende finanzielle Ausstattung des Bundes, der Länder, Kreise und Kommunen sichern, und zwar sowohl für Instandhaltung und Ersatzinvestitionen, notwendige Ausbaumaßnahmen und die Bestellerentgelte für Verkehrsleistungen. Die bisher zersplitterten Regelungen im Bundesschienenwegeausbaugesetz, Regionalisierungsgesetz, Entflechtungsgesetz, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und Personenbeförderungsgesetz müssen zusammengefasst und vereinheitlicht werden. Die willkürliche Trennung zwischen Fern- und Nahverkehr bei den Verkehrswegeinvestitionen, den Verkehrsleistungen und Tarifen muss beendet werden.

Auf europäischer Ebene sind Rahmenbedingungen erforderlich, die den elektrischen Stadt- und Regionalverkehr und den internationalen Eisenbahnverkehr fördern.

7.2. Organisation

Das Land Berlin muss sich die Einflussmöglichkeiten auf die unternehmerischen Ziele und Entwicklungen der S-Bahn GmbH, der BVG und der DB Regio durch Verträge sichern. Anzustreben ist, an der S-Bahn einen kommunalen Anteil von mindestens 25% zu erwerben. Die Senatsverwaltung muss aktiv und innovativ wirksam werden. Zu diesem Zweck sollte das »Center Nahverkehr Berlin« in die Senatsverwaltung eingegliedert und deren Personalkapazität für die Ausbauplanung des öffentlichen Verkehrs erhöht werden.

Zu überprüfen ist eine Änderung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) mit dem Ziel, den Bezirken mehr Kompetenzen für bedarfsgenauere Planungen, zum Beispiel für den öffentlichen Verkehr, zu geben.

Die Senatsverwaltung muss die Tätigkeit der »Verkehrslenkung Berlin« (VLB) so beeinflussen und kontrollieren, dass diese alle Arten des umweltschonenden Verkehrs bevorzugt und fördert. Das einseitig autoorientierte Handeln der VLB hinsichtlich Haltestellenanordnungen, Absperrgittern für Fußgänger und Vorrangschaltungen für Straßenbahnen und Busse muss beendet und umgekehrt werden. Die Senatsverwaltung und die VLB sind personell zu verstärken.

Wir fordern eine wesentlich bessere Zusammenarbeit der am S-Bahn-, Regionalbahn- und U-Bahn-Verkehr beteiligten Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen, besonders bei der Fahrplangestaltung, der Koordinierung langfristig planbarer Einschränkungen und bei unregelmäßigem Betriebsablauf.

Der Straßenbahn-, U-Bahn- und Busverkehr soll weiterhin von der BVG als Anstalt öffentlichen Rechts betrieben werden. Alle S-Bahn-Linien sollen in der Hand ein und desselben Verkehrsunternehmens bleiben.

Der Verkehrsverbund ist so zu strukturieren, dass die Omnibusbetriebe des Landes Brandenburg nicht länger mit ihrer Stimmenmehrheit die Entwicklung der Eisenbahn blockieren können. Wir verlangen vom VBB, die Liniennetze, Fahrpläne und Informations-ketten der Verkehrsbetriebe so zu koordinieren, dass für die Fahrgäste ein dichtes Verkehrsangebot mit guten Anschlüssen entsteht.

Der Verkehr als physische Umsetzung von Mobilität lässt sich nicht nur planen, sondern auch steuern (managen). Mit Mobilitätsmanagement sollen zum Beispiel Bewohner, Beschäftigte einer Firma oder Kunden einer Einrichtung über Angebote des öffentlichen oder gemeinschaftlichen Verkehrs informiert werden, sollen sie zur zweckmäßigen und umweltschonenden Verkehrsmittelwahl beraten werden.

Diese ganzheitlichen, verkehrsträgerübergreifenden Dienstleistungen und Maßnahmen wollen wir fördern. Sie zeigen Wege auf, die Bedürfnisse der Menschen wieder vom Auto zurück auf die natürlichen und gemeinschaftlichen Fortbewegungsarten zu lenken.

7.3. Sicherheit

Die Verkehrsteilnehmer erwarten berechtigt, dass für Sicherheit auf Gehwegen, Radwegen, der Straße, an Stationen, Haltestellen und in den Verkehrsmitteln gesorgt wird. Wir unterstützen das Verkehrssicherheitsprogramm des Senats.

Die meisten Fahrgäste im öffentlichen Verkehr fühlen sich durch Anwesenheit von Personal sicherer, nur wenige durch Videokameras. Deshalb verlangen wir von den Verkehrsbetrieben ausreichend Personal auf den S-Bahn- und U-Bahn-Stationen und in den Zügen, das für Sicherheit und Ordnung sorgt, Auskünfte erteilt und bei Bedarf hilft.

7.4. Technologieentwicklung

Von den Berliner Universitäts- und Forschungseinrichtungen sowie der Schienenfahrzeugindustrie und den Firmen der Leit-, Sicherungs- und Kommunikationstechnik erwarten wir hohes Engagement beim Entwickeln, Erproben und Einführen zukunftsgerechter technologischer Lösungen im Verkehrswesen in die Praxis. Dazu gehören insbesondere

  • elektrische Eisenbahnfahrzeuge mit Energiespeicher, die auf Nebenstrecken ohne Oberleitung ebenso wie mit Stromabnahme aus der Oberleitung fahren können,
  • die berührungslose Übertragung elektrischer Energie auf Eisenbahnfahrzeuge,
  • elektronische Stellwerke, die schnellere Änderungen und Umbauten von Weichen und Signalen ermöglichen, um die Zeiten von Strecken- und Bahnhofssperrungen erheblich zu reduzieren,
  • der kranfreie Containerumschlag zwischen Eisenbahnwagen und Lkw,
  • persönlich abrufbare wahrheitsgetreue Echtzeitinformationen über den Fahrtverlauf von Bahnen und Bussen, auch bei Großstörungen.

8. Finanzierungsmöglichkeiten

Wir wollen, dass der öffentliche Verkehr zu jeder Zeit und von jedem Menschen routinemäßig benutzt werden kann, ohne dass komplizierte Linienführungen, Fahrpläne und Tarife beachtet oder verschiedenartige komplizierte, störanfällige Automaten bedient werden müssen und ohne dass beim Ein- und Aussteigen irgendwelche Handlungen erforderlich sind. Die Fahrpreise sollen nicht weiter ständig steigen, sondern geringer werden.

Gleichzeitig müssen die Betriebskosten des öffentlichen Verkehrs, der erheblich ausgeweitet werden soll, sowie Erhalt und Erweiterung der Infrastruktur langfristig stabil finanziert werden.

8.1. Finanzierung der Infrastruktur

Bis zum Wirksamwerden eines angestrebten neuen Verkehrsfinanzierungsgesetzes müssen die heutigen Finanzierungsquellen zum Erhalt und zur Erweiterung der Infrastruktur (Bundesschienenwegeausbaugesetz, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Entflechtungsgesetz, Regionalisierungsgesetz, Eisenbahnkreuzungsgesetz) langfristig stabil weiter nutzbar sein. Erforderlich sind wesentlich mehr finanziellen Mittel.

Wer viel Lärm, Abgas, Feinstäube und Treibhausgase erzeugt, muss mehr zur Finanzierung beitragen als Radfahrer oder Fußgänger, die kaum Kosten verursachen, aber davon geschädigt werden. Deshalb ist es gerecht, viel mehr und viel höhere Autoabstellgebühren und für ausgewählte Bereiche eine City-Maut zu erheben und diese zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs einzusetzen.

8.2. Umlagefinanziertes Fahrgeld

Als ein Mittel, die steigenden Verkehrsleistungen zu finanzieren, sehen wir ein »Umlagefinanziertes Fahrgeld« an, auch »Bürgerticket«, »Nulltarif«, »Nahverkehrsumlage«, »Nahverkehrsbeitrag«, »Fahrgeldpauschale«, »Pauschalfahrgeld« oder »Flatrate für Bahn und Bus« genannt. Die Kosten des öffentlichen Verkehrs sollen auf alle Bürger sowie auf alle gewerblich tätigen Firmen und Einrichtungen umgelegt werden, weil alle davon Vorteile haben.

Je mehr Einzahler am Beitrag beteiligt werden, desto geringer kann dieser für den einzelnen sein.

Ansatz für eine einfache Regelung des Bürgerbeitrags sind schon angewandte pauschale »Kombitickets« zu Veranstaltungen, Semestertickets für Studenten, Jobtickets, Tourismustickets, Hoteltickets und Mietertickets. Wenn diese Formen auf alle Menschen ausgedehnt werden, entfällt der zeitliche, materielle und personelle Aufwand für Fahrscheinverkauf und - kontrolle und für Entwicklung und Einführung der elektronischen Fahrgeldeinziehung. Gleichzeitig entsteht ein Anreiz zur Nutzung der erworbenen Berechtigung, aber auch ein Anspruch zur Einflussnahme auf die Gestaltung des öffentlichen Verkehrs.

Für eine einfache Regelung muss der Bürgerbeitrag in gewissem Maße pauschaliert werden. Er sollte einkommensabhängig gestaltet werden, in Härtefällen aus einem Sozialfonds gespeist oder ganz erlassen werden. Die Höhe des Bürgerbeitrags muss ermittelt und gesetzlich gegen willkürliche Erhöhungen geschützt werden; sie wird geringer als heutige Zeitkartenpreise sein. Geklärt werden muss, wie der Beitrag auch bei Zahlungsunwilligkeit erhoben wird, wie Pendler, Übernachtungsgäste und Tagestouristen einbezogen werden und wie der Anreiz der Verkehrsbetriebe zum Erbringen der Leistungen in Umfang und Qualität erhalten wird.

Beginnen sollte man mit kleinen Nutzergruppen, die sich zunächst noch in geeigneter Weise ausweisen müssen, und das Modell schrittweise auf ganz Berlin und dann auf den ganzen Verkehrsverbund ausdehnen. Parallel sind Angebot und Infrastruktur zu erweitern, um die zu erwartenden Fahrgastzuwächse in hoher Qualität bewältigen zu können.

Die heutige »Entfernungspauschale« für Autofahrer stellt einen falschen Anreiz dar und soll abgeschafft werden. Für Teilnehmer am öffentlichen Verkehr wird sie mit geringeren Fahrpreisen und dem Bürgerbeitrag gegenstandslos.

Der Erschließungsbeitrag der Gewerbetreibenden soll von Firmen, Hotels, Gaststätten, Verkaufs- und Freizeiteinrichtungen, Behörden und Bildungseinrichtungen kommen. Für diese ist es wichtig, dass die Beschäftigten und Kunden gut zu ihnen hin- und wieder wegkommen. Sie ziehen also Nutzen aus dem öffentlichen Verkehr und sollen deshalb in ihn investieren statt in Autoabstellplätze.

Mit den einfacheren Zugangsbedingungen beim »Umlagefinanzierten Fahrgeld« wird eine erhebliche Steigerung des öffentlichen Verkehrs zulasten des privaten Autoverkehrs erwartet. Der Rad- und Fußverkehr muss attraktiver werden, damit seine Verlagerung in den pauschal finanzierten öffentlichen Verkehr begrenzt wird.

Die Höhe der Erschließungsbeiträge muss ermittelt werden. Die Beiträge der Bürger und der Gewerbetreibenden zusammen sollen die heutigen Fahrgeldeinnahmen ersetzen und den erhöhten Bedarf an Infrastruktur, Fahrzeugen und Verkehrsleistungen infolge der Umlagefinanzierung abdecken. Sie müssen zusammen mit den im Straßenbau eingesparten Geldern so hoch sein, dass die Verkehrsbetriebe wirtschaftlich arbeiten können und die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs erhalten und erweitert werden kann.